f Pest in Wienhausen: Elendwiese und Schwarzer Hamm ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Montag, 28. April 2014

Pest in Wienhausen: Elendwiese und Schwarzer Hamm

Es sind Geschichten wie diese, die mich immer wieder auf's Neue begeistern. Es geht um eine fürchterliche Katastrophe, die sich schon vor knapp 700 Jahren ereignete: die Pest.  Aber der Reihe nach. 

Am alljährlichen Osterfeuer sprach mich der Vater eines guten Freundes an. Er erzählte mir von einer alten Flurbezeichnung in der Nähe des Klosters Wienhausen. Ich hatte von der Geschichte um die "Elendwiese" bis dahin noch nichts gehört - obwohl ich die Gegend kenne wie meine Westentasche. Der Name soll aus der Zeit der Pest stammen - ich fing an zu recherchieren und entdeckte interessante Zusammenhänge dieser Zeit im Bereich des Ortes. 

Es ist das Jahr 1350. Im Wienhäuser Kloster hat die Äbtissin Luitgard III, Gräfin von Delmenhorst die Leitung inne. Es begab sich, dass in ihre Amtszeit eine der schwersten Pestepidemien fiel, die jemals im Landkreis wüteten. Die Menschen starben einem zeitgenössischen Bericht zufolge, ohne die heiligen Sakramente zu empfangen. Schon Kinder wurden vom "Schwarzen Tod" ungetauft dahingerafft. An manchen Tagen wurden von Morgens bis Abends Leichen begraben. Der Pest konnte man nicht entfliehen - ob reich oder arm - die Krankheit machte keinen Unterschied. Ganze Landstriche vereinsamten, Felder wurden nicht mehr bestellt und ganze Familien starben aus. 

Aus dieser Zeit soll der Flurname "Elendwiese" stammen. Bereits Friedrich Barenscheer vermerkt diesen Namen in seiner Flurnamensammlung für den Landkreis Celle. Dort soll ein Haus für die Pestkranken gestanden haben, heißt es. Eine genaue Ortsangabe findet sich leider nicht. Jedoch konnte die offizielle Flurnamensammlung im Celler Stadtarchiv helfen, den Ort zu lokalisieren. 

Bild: Elendwiese (links), Kloster (Mitte) und Schwarzer Hamm (rechts) bei / in Wienhausen. 
Quelle: Google Earth. 


Bild: Elendwiese bei Wienhausen. 
Quelle: Google Earth. 


Dank Herrn Geier aus dem Celler Stadtarchiv erhielt ich die Flurnamensammlung für Wienhausen sehr kurzfristig. Darin ist die Elendwiese unter der Nummer 3a verzeichnet. Sie liegt in unmittelbarer Nähe zur einer auffälligen Kurve des Mühlenkanals, welche bereits Jahrhunderte in dieser Form überdauert hat. 

Bild: Elendwiese bei Wienhausen. 
Quelle: Flurnamensammlung Wienhausen, Stadtarchiv Celle. 


In der Erklärung der Nummerierung heißt es zur 3a: 
"Dort wurde 1350 ein Haus erbaut in welches man die Pestkranken brachte." 

Bild: Flurnamenerklärung. 
Quelle: Flurnamensammlung Wienhausen, Stadtarchiv Celle. 


Von der namentlichen Entstehung macht die Bezeichnung "Elendwiese" natürlich schon mal Sinn - die Pest war DAS Elend, was die Menschheit zu ihrer Zeit traf, wie nie zuvor. Sie breitete sich auf unterschiedlichen Wegen aus. Heute kennen wir die Übertragungswege der Lungen- und der Beulenpest. Einst waren die Menschen schlicht damit überfordert Ursachen und Wirkungen richtig zu identifizieren. Auch in Wienhausen wütete die Pest - sie hinterließ uns jedoch nur wenige Spuren. Neben der Elendwiese gibt es weitere Hinweise auf die Zeit der Pest in Wienhausen. 

Es war üblich, dass man glaubte die Pestkrankrankheit sei eine Strafe Gottes. Um wieder zurück in den Schutzbereich des Herrn zu gelangen wurden vielerorts hohe Geldsummen an die Kirche gestiftet. Auch viele Kirchenneubauten fallen in diese Zeit. Viele dieser Gotteshäuser erhielten die Namen der Schutzheiligen Sebastian oder Fabian. 

So geschah es auch in Wienhausen. Die Äbtissin Luitgard III ließ eine Kapelle zu Ehren des heiligen Fabian und Sebastian erbauen. Diese befand sich dort wo heute der Gemeindefriedhof liegt. Bereits nach der Grundsteinlegung soll die Pest im Ort nachgelassen haben. In freudigen Prozessionen brachte man nun ungetaufte Kinder in die Kapelle um sie taufen zu lassen. Der Hildesheimer Bischoff weihte die Kapelle ein und sie wurde von Kardinälen und anderen Bischöfen reich beschenkt. Erstmals besaß diese Kapelle einen Eingang für die Jungfrauen aus dem Kloster und die Bewohner Wienhausens.  Für eine Zeit in der die katholische Kirche eine strenge gesellschaftliche Trennung vorlebte, war dies etwas Außergewöhnliches. 

Und dennoch verließ man sich wohl nicht nur auf die Barmherzigkeit Gottes. Auf einer Wiese im Sunder soll daher in dieser Zeit ein Pesthaus gebaut worden sein. Dort brachte man die Infizierten der Pest hin. Der Name Elendwiese deutet noch darauf hin, denn sicherlich verstarben viele der Kranken innerhalb kurzer Zeit. 

Bild: Elendwiese bei Wienhausen. 
Quelle: Google Earth, Kurhannoversche Landesaufnahme 1780. 


Die Lage der Elendwiese stimmt ziemlich gut mit der damaligen Auffassung zur Heilung der Pest überein. Einst glaubte man das Wasser hätte eine heilende Kraft. Weiter nahm man an diese Kraft wäre in der Lage die Pest aus dem infizierten Körper herauszuziehen. Pest- und Siechenhäuser wurden daher regelmäßig in der Nähe von Flussläufen und Gewässern erbaut. So beispielsweise auch an den Ratsteichen bei Celle. Die heutige Hüttenstraße nördlich der ehemaligen Ratsteiche trägt ihren Namen aus der Zeit in der dort die Pesthütten der Stadt Celle standen. Auch hier wurde dem Wasser eine heilende Wirkung zugeschrieben. 

Heute erinnert auf der Elendwiese bei Wienhausen recht wenig an die Zeit der Pest.  

Bild: Elendwiese bei Wienhausen heute. Links: Kreisstraße 50 nach Celle. 
Quelle: Hendrik Altmann.


Bild: Elendwiese bei Wienhausen heute. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Elendwiese bei Wienhausen heute. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Elendwiese bei Wienhausen heute. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Elendwiese bei Wienhausen heute. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Im Jahr 1531 ließ Herzog Ernst der Bekenner die Fabian- und Sebastian Kapelle abreißen. Auch weitere Baulichkeiten des einst katholischen Klosters wurden in dieser Zeit abgerissen. Das Kloster konnte diesem Schicksal entgehen - der evangelische Glaube wurde angenommen. Dies bedeutete jedoch eine gravierende Veränderung, welche durch die zerstörten Gebäude gut sichtbar wird. 

Der Flurname "Fabian" überdauerte die Zeit. Noch bis ins 20. Jahrhundert kannte man unter dieser Bezeichnung einen Bereich des Wienhäuser Gemeindefriedhofs. Dort befand sich einst die von Luitgard III gestiftete Kapelle. 

Noch eine weitere Flurbezeichnung bei Wienhausen soll sich auf die Zeit der Pest beziehen.  Der "Schwarze Hamm" soll einst ein Moor unweit des Klosterortes gewesen sein. 

Bild: Schwarzer Hamm (rechts). 
Quelle: Google Earth. 


Laut Friedrich Barenscheer deutet die Bezeichnung Schwarzer Hamm darauf hin, dass in dem einstigen Moor Pestleichen versenkt wurden. 

Die Pest forderte vielerorts so viele Opfer, dass normale und übliche Bestattungen nicht mehr ausgeführt werden konnten. Es gab mehr Tote als Grabstellen und mehr Leichen als Totengräber. Es kam zu Massenbestattungen und Verbrennungen. Das Versenken von Leichen im Moor scheint im Notfall ebenfalls plausibel zu sein. 

Bild: Schwarzer Hamm bei Wienhausen. 
Quelle: Hendrik Altmann.  


Bild: Moor im Schwarzen Hamm bei Wienhausen. 
Quelle: Hendrik Altmann.  


Anders als die Überlieferungen der Elendwiese und der Fabian-/Sebastiankapelle scheint die Geschichte der Versenkung von Pesttoten im Moor eher ein Märchen zu sein. Sicher griff man in den Zeiten der Pest zu neuen / ungewöhnlichen Maßnamen. Es scheint sehr plausibel zu sein, dass nach dem Wissensstand von 1350 auf der Elendwiese tatsächlich ein Haus für Pestkranke gestanden hat. Die Entfernung, Flurbezeichnung und das Vorhandensein von (heilendem) Wasser sprechen für diese These. 

Jedoch ist es sehr unwahrscheinlich, dass wirklich im Moor des Schwarzen Hamm Pesttote versenkt wurden. Zum einen hätte man die Toten, welche ja auch im Pesthaus auf der Elendwiese verstarben, durch den ganzen Ort tragen müssen. Wenn man damals schon wusste, dass jene Infizierten in einem isolierten Haus fernab vom Ort untergebracht werden mussten, wäre es sehr unlogisch die Leichen mitten durch den Ort zu tragen und eine Ansteckung zu riskieren. Auch wusste man damals bereits, dass man das Trinkwasser reinhalten musste. Aus diesem Grund hätte man die Pesttoten niemals östlich vom Ort im Moor versenkt. Die Sorge vor einer Verseuchung des Trinkwassers wäre - berechtigter Weise - viel zu groß gewesen. Zumal alles Wasser aus eben dieser Richtung nach Wienhausen gelangte, hätte man die Pestleichen anderswo gelassen. 

Hier zeigt sich wieder einmal die enge Verbindung von Legende und Geschichte. Sicherlich scheint die Vermutung, dass die Elendwiese einst Quarantäne-Sation für Pestkranke war sehr plausibel. Weit genug von Ort entfernt war diese Wiese noch immer nahe genug, um die Infizierten täglich mit Nahrung zu versorgen. Auch die Nähe zu fließendem Wasser (Mühlenkanal) sprichfür diese Annahme, denn man schrieb dem Wasser einst eine heilende Wirkung zu. 

Dagegen scheint die Geschichte der Pestleichen, die im Moor des Schwarzen Hamm versenkt worden sein sollen sehr fiktiv. Logische Gründe die diese These stützen gibt es nicht. Eher hätte man die Pestleichen weiter westlich im Bereif der Elendwiesen gelassen - wenn überhaupt. 

Die Überlieferung derartiger Flurnamen bis in unsere Zeit beweist, dass die damaligen Ereignisse geschichtsprägend waren. Die Pest veränderte die Menschheit - und einige dieser Veränderungen wirken bis in unsere Zeit. 


Viele Grüße, 
Hendrik




3 Kommentare:

  1. Hallo Hendrik
    Laut Aussage von A. Heinemann sollen die Pesttoten damals im Bereich Knokenriehe bestattet worden sein.
    Daher auch der Strassenname.

    Gruß
    Wolla

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    1. Was bedeutet denn "Knokenriehe" Riehe für Reihe , denle ich mir , aber Knoken für Toten ?

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    2. ...Knoken... für ... Knochen >>> Knochenreihe, das würde eigentlich Sinn machen.

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