f März 2019 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Donnerstag, 28. März 2019

Der ehemalige Truppenübungsplatz bei Klein Hehlen



Ehemaliger Truppenübungsplatz vor der Haustür: als in Klein Hehlen für den Zweiten Weltkrieg geübt wurde...

Auf der historischen Luftaufnahme sind die zickzackförmigen Splitterschutzgräben gut erkennbar – heute befinden sich an Ort und Stelle Häuserreihen und Vorgärten. Alteingesessenen Klein Hehlenern ist dieses Kapitel der Ortsgeschichte sicher noch bekannt. Jüngere werden dagegen vermutlich nicht ahnen, dass in der Nähe des Dorfes einst einen Truppenübungsplatz der Wehrmacht gegeben hat. Informationen zu diesem militärischen Gelände sind heute augenscheinlich kaum noch vorhanden. Aktuelle Recherchen brachten allerdings neue Details hierzu ans Tageslicht.

Mit Wirkung zum 1. April 1939 wurde der Ort Klein Hehlen aus dem Landkreis in den Stadtkreis Celle eingegliedert. Aufschluss hierüber liefert unter anderem das von dem Hilfsschullehrer Müsche im Jahr 1948 fertiggestellte „Dorfbuch von Klein Hehlen“. Allerdings musste der Ort in den letzten Jahren seines eigenständigen Bestehens noch große Entbehrungen verkraften. Hierzu zählten vor allem die Geländeabtretungen für die Errichtung der Kasernen an der heutigen Hohen Wende sowie Abgabe von Gemeindeflächen für die Nutzung als Truppenübungsplatz.

Bereits im 19. Jahrhundert, also zu Zeiten der Belegung durch das 2. Hannoverschen Infanterie-Regiment Nr. 77, verfügte die Celler Garnison über einen großen Exerzierplatz auf der Scheuener Heide.[1] Der Platz befand sich gut eine Stunde Fußmarsch entfernt von den Celler Kasernen und wurde sowohl zu preußischer Zeit als auch zwischen den beiden Weltkriegen genutzt. 

Insbesondere die restriktiven Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrags motivierten die Reichswehrführung nach dem Ersten Weltkrieg neuartige Technologien und Truppengattungen einzuführen.[2] Vor diesem Hintergrund erhielt Celle ab Oktober 1937 unter anderem eine ständige Belegung mit Einheiten der neu eingeführten „Werfer-“ bzw. „Nebeltruppe“[3] und gut ein Jahr später die Heeresgasschutzschule[4]. Bereits zur Mitte der 1930er Jahre war das Militär wohl zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor in Celle geworden.[5]

Bild: Soldaten der 1. Nebel-Abt. bei Marschierübungen in der ehem. v. Steckt-Kaserne an der Hohen Wende um 1938. Quelle: Fotoalbum, 1. Nebel-Abt., Archiv Altmann.

Ein vom einstigen Oberbürgermeister Ernst Meyer unterzeichneter Vermerk vom 1. Mai 1934 liefert Hinweise auf militärische Umstrukturierungen und das Bauprogramm seitens der Heeresverwaltung.[6] Demzufolge war noch nicht geklärt, welche Truppenkontingente nach Celle verlegt werden sollten – man plante allerdings bereits mit dem Eintreffen mindestens eines Infanterie-Bataillons sowie einer Abteilung schwerer Artillerie. Durch die Anlage der Heeresmunitionsanstalt Scheuen verkleinerte sich die Fläche des dortigen Exerzierplatzes auf ca. 160 ha. Der Vermerk konstatiert, dass für die neu eintreffenden Truppen eine Platzgröße von mindestens 180 ha erforderlich sei.

In einer Besprechung am 15. Mai 1934 wurde der Plan konkretisiert, einen neuen Truppenübungsplatz südlich der Landstraße zwischen Klein Hehlen und Boye zu errichten.[7] Das Gelände, im Süden durch die Aller begrenzt, lag in nur ca. 4 km Entfernung zur neuen von-Seeckt-Kaserne. Die Schießbahnen auf dem Scheuener Übungsgelände sollten dem Militär unabhängig von der Verlegung des Truppenübungsplatzes weiterhin zur Verfügung stehen. 

Der Celler Oberbürgermeister zeigte sich diesen Planungen gegenüber zunächst aufgeschlossen, obwohl der Heeresverwaltung im Rahmen des Geländetausches deutlich wertvollerer Grundbesitz zufiel und die Stadt mit einem Verlust von „sicherlich ½ Million“ Reichsmark rechnen musste. Auch war klar, dass das Gelände bei Klein Hehlen nach den Vorstellungen des Militärs umgestaltet werden musste. Hierzu waren umfangreiche Abholzungen erforderlich, die ganz nach den Erfordernissen der Heeresverwaltung ausgeführt werden sollten.



[1] Schimmelpfeng, Geschichte des 2. Hannoverschen Infanterie-Regts. Nr. 77, 1913, S. 100.
[2] Fleischer, Deutsche Nebelwerfer 1934 – 1945, in: Waffen-Arsenal, S.Bd: S-40, S. 4.
[3] Tessin, Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen SS im Zweiten Weltkrieg 1939 – 1945, Bd. 14, S. 141.
[4] Möller, Celle-Lexikon, S. 163.
[5] Rohde/Wegener, Celle im Nationalsozialismus, S. 73.
[6] Vermerk aus der Besprechung mit Ministerialrat Drescher, Reichswehrministerium, StadtA CE, Best. 05, Best. 5 O. Nr. 0006.
[7] Vermerk aus der Besprechung zwischen Oberstleutnant Pflugradt, einem Vertreter der Kommandantur Braunschweig, dem Adjutanten Oberleutnant Pauli und Oberbürgermeister Meyer, StadtA CE, Best. 05, Best. 5 O. Nr. 0006.

Bild: Lage des ehem. Truppenübungsplatzes bei Kl. Hehlen. Quelle: Messtischblatt 1932, Ergänzungen anhand Planskizze aus StadtA CE, Best. 05, Best. 5 O. Nr. 0006.

Bereits wenige Tage später, am 19. Mai 1934, äußerte der Celler Oberbürgermeister jedoch „grundsätzliche Bedenken“ an dem Vorhaben.[1] Zur Begründung führte er an, dass die geplante Fläche bei Klein Hehlen rund 1/3 der Gemeindefläche umfasse und die örtlichen Bauern insbesondere durch den Verlust ihrer Weidegründe an der Aller enorm geschädigt würden. 

Alternativ offerierte der Oberbürgermeister dem Militär einen anderweitigen Geländevorschlag, der zu Teilen die weiter westlich befindliche Hambührener Gemarkung betraf. Postwendet wurde Oberbürgermeister Meyer von der Heeresverwaltung darüber aufgeklärt, dass seine Option aufgrund fehlender Visiermöglichkeiten für Artillerieübungen ausschiede.[2] 

Man einigte sich im Fortgang im Wege eines Kompromisses, sodass wenigstens einige Weidegründe den Klein Hehlener Bauern erhalten blieben. Zwischen 1935 und 1936 lief das Enteignungsverfahren in dessen Ergebnis das Gelände schließlich als Truppenübungsplatz umgestaltet werden konnte.


Bild: Soldaten der 1. Nebel-Abt. bei einer Übung - Flussüberquerung über die Aller, 1938. Quelle: Fotoalbum, 1. Nebel-Abt., Archiv Altmann.

Wie es bei militärisch genutzten Bereichen üblich ist, erhielt fortan nur noch ein abgeschlossener Personenkreis Zutritt zum Gelände – die Quellen zum laufenden Übungsbetrieb sind daher recht überschaubar. Historische Luftaufnahmen vom 24.03.1945 zeigen jedoch die Ausdehnung, die Geländenutzung und sogar vereinzelte Stellungen sowie vereinzelte Zickzack-Gräben im südöstlichen Bereich des Truppenübungsplatzes. Die letztgenannten Splitterschutzgräben lagen auf der Fläche, die sich heute östlich der Leberstraße, südlich der Witzlebenstraße und westlich des Wilhelm-Heinichen-Rings befindet.



[1] Schreiben Ernst Meyer an Oberstleutnant Pflugradt vom 19.05.1934, StadtA CE, Best. 05, Best. 5 O. Nr. 0006.
[2] Schreiben des Celler Oberbürgermeisters an den Stadtsyndikus Vogel vom 22.05.1934, StadtA CE, Best. 05, Best. 5 O. Nr. 0006.

Bild: Luftbildausschnitt, Stellungen auf dem Truppenübungsplatz Kl. Hehlen. Quelle: National Archive, NARA, Archiv Altmann.

Es stellt sich die Frage, wie sich der Truppenübungsplatz nach Kriegsende entwickelte – schließlich ist er mittlerweile vollständig aus dem Landschaftsbild verschwunden. Aufschluss geben hierzu Aktenbestände im Niedersächsischen Landesarchiv in denen die Wehrmachtsanlagen im Landkreis Celle nach Kriegsende erfasst worden sind. Laut einem Vermerk der Bezirksplanungsbehörde vom 29. Oktober 1945 waren einzelne Flächen direkt nach Ende des Krieges wieder in eine landwirtschaftliche Nutzung überführt worden.[1] 

In einem Schreiben der Kreisbauernschaft an das Landratsamt vom 12. Dezember 1945 heißt es hierzu: „was Kulturland war, ist bereits verpachtet und wird an die früheren Besitzer des Ortes Kl. Hehlen zurückgegeben. Der Rest ist nur zur Aufforstung geeignet.“[2] Das Landratsamt des Landkreises Celle äußerte sich mit einem Schreiben an die Bezirksplanungsbehörde am 20. Dezember 1945 dahingehend, dass der Übungsplatz bei Klein Hehlen ohne Gebäude sei und mit Hinblick auf seine ungünstige Verkehrslage für eine Nutzung zu gewerblichen Zwecken ausscheide.[3]

Bis das Gelände wieder vollständig in zivile Nutzung überführt werden konnte, verging offenbar noch einige Zeit, da die britische Militärverwaltung das Areal nicht freigab. „Bemühungen auf Freigabe sind seit ungefähr 2 Jahren im Gange“, heißt es hierzu in einem Schreiben des Celler Oberkreisdirektors an das Niedersächsische Innenministerium sowie an das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr vom 24. April 1948.[4] 


[1] Vermerk der Bezirksplanungsbehörde vom 29.10.1945, Nds. 120 Lüneburg, Acc. 51/79 Nr. 61.
[2] Schreiben der Kreisbauernschaft an das Landratsamt vom 12.12.1945, Nds. 120 Lüneburg, Acc. 51/79 Nr. 61.
[3] Schreiben des Landratsamtes des Landkreises Celle an die Bezirksplanungsbehörde vom 20.12.1945, Nds. 120 Lüneburg, Acc. 51/79 Nr. 61.
[4] Schreiben des Celler Oberkreisdirektors an das Niedersächsische Innenministerium sowie an das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr vom 24. April 1948, Nds. 120 Lüneburg, Acc. 51/79 Nr. 61.

Bild: Luftbild, Kl. Hehlen, Lage des ehem. Truppenübungsplatz. Quelle: NLD, Bildflug F025181, M.: 1:32.000, 1981. 

Tatsächlich kam es in der Nachkriegszeit zu einer Weiternutzung des Truppenübungsplatzes durch die britischen Besatzungstruppen. Zeitzeugen aus Klein Hehlen erinnern sich heute noch an einzelne Manöver, die britische Streitkräfte auf dem Areal ausübten. 

Heute ist das ehemalige Übungsgelände links und rechts des Wilhelm-Heinichen-Rings längst zu einem Stadtteil von Celle geworden – nichts deutet mehr darauf hin, dass sich hier einmal ein weitläufiges, militärisch genutztes Freigelände befand. 

Bild: Lage des ehem. Truppenübungsplatzes bei Kl. Hehlen heute. Quelle: Satellitenbild, Google Earth, Ergänzungen anhand Planskizze aus StadtA CE, Best. 05, Best. 5 O. Nr. 0006.

Mittlerweile bilden Boye und Klein Hehlen schon fast einen zusammenhängenden Stadtteil, der sich im Süden bis fast an die Aller erstreckt. Stellungen, Schützengräben und Schießbahnen gehören längst der Vergangenheit an und sich darüber hinaus schon lange aus dem Gelände verschwunden. 

Bild: Blick auf den ehem. Truppenübungsplatz bei Kl. Hehlen heute. Quelle: Luftaufnahme, H. Altmann, 2015.

Rückblickend zeigt sich, dass die Anlage eines militärischen Übungsgeländes in unmittelbarer Nähe zur Stadt letztlich nur deswegen realisierbar war weil die politische Situation nach der Machtergreifung 1933 diese Maßnahmen ermöglichte.

Zunächst profitierte die lokale Wirtschaft durchaus von der gesteigerten militärischen Präsenz. Nach Kriegsende stellten sich die einstigen Entscheidungen jedoch als Trugschluss heraus. Einerseits hatte die Stadt beim Geländetausch und der Verlegung des Übungsplatzes von Scheuen nach Klein Hehlen Verluste erwirtschaftet. Darüber hinaus musste fortan eine Vielzahl militärischer Liegenschaften verwaltet und unterhalten werden. Der ehemalige Truppenübungsplatz bei Klein Hehlen stellte insofern noch einen recht günstigen Fall dar, denn er konnte ohne größere Umstände wieder seiner ursprünglichen Nutzung zugeführt werden.

H. Altmann