f August 2022 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Dienstag, 23. August 2022

Celle: Luftschutzbunker im Landessozialgericht


Die Mitteldeutsche Spinnhütte GmbH hatte ihren Hauptsitz während des Zweiten Weltkrieges in Celle. An der Georg-Wilhelm-Straße wurde ein Gebäude für die Hauptverwaltung errichtet, in dem heute das Landessozialgericht untergebracht ist. Nur wenigen ist bekannt, dass in den Kellerräumen zu Kriegszeiten ausgedehnte Luftschutzräume eingerichtet wurden. 

Bei genauem Hinsehen ist erkennbar: das Gebäude auf der Ecke der Lüneburger Straße und der Georg-Wilhelm-Straße ist im Baustil der Dreißigerjahre errichtet worden. Untergebracht war darin die Hauptverwaltung der Mitteldeutschen Spinnhütte GmbH - einem NS-Musterbetrieb, der aus der Seidenwerk Spinnhütte AG hervorgegangen war. 

Der erhebliche Bedarf an Fallschirmseide und die zunehmende Knappheit an Importprodukten führten zum Aufstieg des Unternehmens, das damals im gesamten Reichsgebiet über mehrere Zweigwerke verfügte. Die Seidenproduktion nahm in Celle daher enorm an Fahrt auf. Viele militärische und zivile Einrichtungen in der näheren Umgebung verfügten über Züchtungen von Seidenraupen und belieferten die Spinnhütte. 

Bei Errichtung des neuen Hauptverwaltungsgebäudes stand längst fest, dass die nationalsozialistische Führung militärische Expansionen anstrebte. Dementsprechend wurden geeignete Luftschutzräume im Keller der Hauptverwaltung vorgesehen. Diese waren nach den zur damaligen Zeit aktuellen Standards ausgelegt - meterdicke Betonwände, Luftfilter, Toilettenanlagen und elektrisches Licht machten den Schutzraum zu einem der modernsten in Celle. 

Bild: ehem. Hauptverwaltung der Mitteldeutschen Spinnhütte GmbH an der Ecke der Lüneburger Straße / Georg-Wilhelm-Straße. Quelle: Altmann, 2022. 

Neben den betrieblich genutzten Luftschutzräumen der Mitteldeutsche Spinnhütte GmbH stellte das Unternehmen auch Schutzräume zur öffentlichen Nutzung zur Verfügung. Bereits aus einem Schreiben des Hauptmanns der Celler Schutzpolizei, Hermann Oetzmann, an den Celler Oberbürgermeister vom 13. April 1942 geht dies hervor. Die öffentlichen Schutzräume sollten den offenen Bedarf an derartigen Einrichtungen im umliegenden Bereich decken und insbesondere Besuchern des städtischen Friedhofs zur Verfügung stehen. 

Bild: Luftschutz-Hausapotheke. Quelle: Celler-Garnison-Museum, 2022. 

Wie präsent das Thema Luftschutz zu jener Zeit auch in Celle gewesen sein muss verdeutlicht unter anderem eine Luftschutz-Apotheke, die sich noch im Fundus des Celler Garnison-Museums befindet. Offenbar sorgten die Menschen damals selbstständig vor den eventuellen Gefahren durch einen Luftangriff vor. 

Historische Dokumente belegen, dass der Celler Bevölkerung im Kriegsverlauf von der Stadtverwaltung unter anderem Sand zur Verfügung gestellt wurde. Dieser war das einzig wirksame Mittel, um die möglicherweise herabfallenden Phosphorbomben der alliierten Luftstreitkräfte wirksam zu löschen. 

Wie bereits eingangs erwähnt wurden gleichzeitig Möglichkeiten für die Bevölkerung geschaffen, um sich im akuten Angriffsfall in Schutzräumen in Deckung zu bringen. Eine historische Planskizze zeigt den öffentlichen Luftschutzraum in der Hauptverwaltung der Mitteldeutschen Spinnhütte GmbH. Für insgesamt 125 Personen waren in dem öffentlichen Schutzraum Steh- oder Sitzplätze vorhanden. Zusätzlich waren 15 Liegeplätze vorgesehen. 

Bild: Grundriss des öffentlichen Luftschutzraumes in der Hauptverwaltung der Mitteldeutschen Spinnhütte GmbH. Quelle: Stadtarchiv Celle, StadtA Best. 5 O, 012

Die öffentliche Luftschutzanlage war unterteilt in vier einzelne Schutzräume. Der Eingang war auf Seite der Lüneburger Straße vorgesehen - der Ausgang befand sich zum Innenhof. Vom Eingang führten einige Stufen in die Luftschutzräume hinab. 

Die Luftschutzanlage war für damalige Verhältnisse auf dem neusten Stand - sie verfügte über Toiletten (Aborte), Gasschleusen und mehrere Notausstiege. Diese waren mit massiven Stahlklappen verschlossen, die im Bedarfsfall geöffnet werden konnten. Um Splitterwirkung und mögliche Druckwellen abzufangen war auf Seite der Lüneburger Straße und auch auf Seite der Georg-Wilhelm-Straße eine Splitterschutzmauer eingezogen worden. 

Bis heute sind Teile der ehemaligen Luftschutzanlage erhalten geblieben - sie werden inzwischen als Kellerräume des Landessozialgerichtes genutzt. 

Bild:  Schutzraum mit Notausstiegsklappe im Keller des heutigen Landessozialgerichtes. Quelle: H. Altmann, 2022. 

Über die Abläufe und die Nutzung des Luftschutzraumes ist wenig bekannt. Die vorhandenen Aufzeichnungen sind sehr spärlich. Aus der Ausstattung der Räume lassen sich aber einige Rückschlüsse ziehen. 

Der Zugang zu der öffentlichen Luftschutzanlage wurde offenbar kontrolliert - möglicherweise sollte einer Überbelegung entgegengewirkt werden. Eine hölzerne Durchreiche ist das letzte verbliebene Relikt, das an diese Zusammenhänge noch erinnert. 

Bild: hölzerne Durchreiche im ehem. Luftschutzraum. Quelle: H. Altmann, 2022. 

Der Luftschutzraum verfügte über eine autarke Luftfilteranlage, die sich wahlweise per Motor oder per Handkurbel betrieben ließ. Um die Anlage mit Frischluft zu versorgen, mussten entsprechende Einstellungen vorgenommen werden. Vor Inbetriebnahme der Anlage musste das eingesetzte Personal diese Einstellungen vornehmen - Hinweise dazu sind noch heute an den Wänden zu lesen. 

Bild: Hinweis zur Frischluftversorgung im ehem. Luftschutzraum. Quelle: H. Altmann, 2022. 

Die einzelnen Räume waren durch Türen getrennt - diese verfügten allerdings über Luftdurchlässe für die Frischluftversorgung. Bis heute sind diese Türen noch im Keller des Landessozialgerichtes erhalten geblieben. 

Bild: Türen im ehem. Luftschutzraum. Quelle: H. Altmann, 2022. 

Die Toiletten (Aborte) waren für Frauen und Männer getrennt. Die einfach gehaltenen Räumlichkeiten befanden sich hinter einfachen Holztüren, die mit lumineszierender Farbe gekennzeichnet waren. Obwohl die Ausstattung heutzutage recht einfach anmutet, war dies zur damaligen Zeit schon ein recht fortschrittlicher Stand. 

Bild: Toiletten im ehem. Luftschutzraum. Quelle: H. Altmann, 2022. 

Die Luftfilteranlage der Luftschutzeinrichtung war zwar recht einfach - sie hätte die Schutzräume aber zumindest für eine gewisse Zeit mit sauberer Luft versorgen können. Es handelte sich um eine Pumpe, die mit vorgeschalteten Aktivkohlefiltern ausgestattet war. 

Bild: Luftfilterpumpe im ehem. Luftschutzraum. Quelle: H. Altmann, 2022. 

Laut Typenschild wurde die Luftfilterpumpe im Jahr 1940 von der Firma Anton Piller in Osterode (Harz) hergestellt. 

Bild: Typenschild der Luftfilterpumpe im ehem. Luftschutzraum. Quelle: H. Altmann, 2022. 

In den Räumen ist teilweise noch die originale Wandbemalung erhalten geblieben. Diese war recht schlicht gehalten und direkt auf dem Beton aufgetragen. 

Bild: Raum mit originaler Wandbemalung im ehem. Luftschutzraum. Quelle: H. Altmann, 2022. 

Außerhalb des heutigen Landessozialgerichtes sind ebenfalls noch Spuren von der einstigen Verwendung der Kellerräume zu Luftschutzzwecken zu erkennen. Zur Georg-Wilhelm-Straße ist die Splitterschutzmauer erhalten geblieben. 

Bild: alte Splitterschutzmauer zur Georg-Wilhelm-Straße. Quelle: H. Altmann, 2022. 

Der öffentliche Luftschutzraum im ehemaligen Hauptverwaltungsgebäude der Mitteldeutschen Spinnhütte GmbH nahm damals nur einen Bruchteil des gesamten Kellergeschosses ein. Die insgesamt luftschutztechnisch ausgestatteten Räumlichkeiten waren um ein Vielfaches größer. 

Über die Nutzung der Luftschutzeinrichtung ist bis heute wenig bekannt. Sehr wahrscheinlich wurden die Luftschutzräume in Fällen vorheriger Luftalarme genutzt - diese nahmen im Kriegsverlauf drastisch zu. Direkte Luftangriffe waren im Stadtgebiet bis zum 22. Februar 1945 und 8. April 1945 nicht zu verzeichnen. Der öffentliche Luftschutzraum im Keller der Hauptverwaltung der Mitteldeutschen Spinnhütte musste somit glücklicherweise nie einem Extremfall standhalten. 
 
H. Altmann 


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Stand: 09/2022


Freitag, 5. August 2022

Celle: Luftschutzbunker im Schlossberg


Der Schlossberg in Celle hütet bis heute wohl noch so manches Geheimnis. Historische Akten aus dem Celler Stadtarchiv und aktuelle Recherchen haben nun eines davon gelüftet - in der Böschung des Schlossberges wurden im Zweiten Weltkrieg mehrere Luftschutzräume eingerichtet. 

Auf den ersten Blick ist nichts Ungewöhnliches zu bemerken. Erst bei genauem Hinsehen fällt auf, dass der Schlossberg im hinteren Bereich offenbar ansteigt. Dieser Eindruck täuscht allerdings - die Standfläche des Schlosses ist grade. Auf der westlichen Seite, d.h. im rückwärtigen Teil des Schlosses, besteht der Berg im oberen Drittel aus einer beidseitig angehäuften leicht ansteigenden Böschung. Diese umläuft die Rückseite des Schlosses ähnlich einem Deich. Mehrere Meter hoch ist der Schlosswall bzw. Damm. 

Bild: augenscheinlich "schiefer" Schlossberg. Quelle: H. Altmann, 2022. 

Eben dieser Damm hinter dem Schloss erregte im fortschreitenden Zweiten Weltkrieg die Aufmerksamkeit der Ordnungsbehörden. Es galt damals gut erreichbare Schutzräume für die Zivilbevölkerung sicherzustellen, die im Falle eines Luftangriffs rasch bezogen werden konnten. 

Bereits in seinem Schreiben an den Oberbürgermeister vom 13. April 1942 machte Hermann Oetzmann in seiner Funktion als Hauptmann der örtlichen Schutzpolizei darauf aufmerksam, dass im Celler Schloss geeignete Schutzräume geschaffen werden könnten. Die zentrale Lage spielte hierbei eine entscheidende Rolle. 

Bis ins Jahr 1942 rechnete man in Celle zwar noch nicht mit Luftangriffen bei Tagen. Die Nachrichten aus bombardierten Städten im Reichsgebiet nahmen jedoch stetig zu und erreichten auch Celle. Am 30. April 1942 hatte die Lübecker Kunstweberin Alen Müller-Hellwig eine detaillierte Schilderung der Bombennacht, die sich tags zuvor in Lübeck ereignete, nach Celle geschickt. Zwischen dem 24. Juli und dem 3. August 1943 bombardierten Einheiten der alliierten Luftstreitkräfte (RAF, USAAF) im Zuge der "Operation Gomorrhadie Stadt Hamburg - der Feuerschein war Nachts bis Celle sichtbar. 

In Anbetracht der zunehmenden Luftangriffe zeigte sich, dass die vorhandenen Luftschutzräume in Celle keineswegs ausreichend waren. Aus einer Aufstellung vom 17. September 1940 geht hervor, dass die Stadt seinerzeit über insgesamt neun Sammelschutzräume mit 558 Sitz- und 18 Liegeplätzen. Diese Schutzräume waren allerdings nicht gegen schwere Bombenangriffe gewappnet - außerdem lagen sie teilweise sehr weit voneinander entfernt. Einige Bereiche der Stadt verfügten über gar keine Luftschutzeinrichtungen - die Anwohner hätten im Falle von Luftalarm weite Distanzen bis zum nächsten Schutzraum überbrücken müssen. 

Vor diesem Hintergrund bemühte sich die Stadtverwaltung zusätzliche bedarfsgerechte Luftschutzräume zu organisieren. Im Schlossdamm fand man schließlich einen geeigneten Raum. 

Bild: Grundriss des Luftschutzraumes unter dem Schlossdamm, 28.01.1944. Quelle: Stadtarchiv Celle, StadtA CE K 05 Nr. 4356

Im Celler Stadtarchiv ist eine Grundrissskizze erhalten geblieben, die den Luftschutzraum im Schlossdamm in der Seiten- sowie in der Draufsicht zeigt. Die Skizze trägt das Datum 28. Januar 1944, was darauf hindeuten könnte, dass sich der Schutzraum in den letzten Kriegsmonaten noch im Ausbau- bzw. Planungszustand befunden haben könnte. Die Skizze ist nicht unterzeichnet - der Name des planenden Architekten ist nicht vermerkt. 

Bild: Ausschnitt Grundriss des Luftschutzraumes unter dem Schlossdamm, 28.01.1944. Quelle: Stadtarchiv Celle, StadtA CE K 05 Nr. 4356

Der Luftschutzraum bestand gemäß dem Grundriss aus drei separaten Räumen. Der Zugang war auf der Seite des Hinterhofes des Schlosses vorgesehen. Über eine kurze Treppe erreichte man zunächst einen tiefer im Schlossdamm gelegenen Vorraum. Von diesem zweigte der Zugang zum ersten größeren Luftschutzraum ab. Diesem nachgelagert war ein weiterer, ähnlich großer Raum. Zusammengenommen verfügten die Räume über eine Gesamtfläche von ca. 125 Quadratmetern. 

Im westlichen Bereich, d.h. in Richtung des Schlossgrabens, verfügte die Anlage über einen Notausgang. Dieser war in Form eines länglichen Schlauches angelegt. Über technische Vorrichtungen, wie Gasschleusen oder Luftfilteranlagen verfügte der Luftschutzraum offenbar nicht. 

Bild: Ausschnitt Längsschnitt des Luftschutzraumes unter dem Schlossdamm, 28.01.1944. Quelle: Stadtarchiv Celle, StadtA CE K 05 Nr. 4356

Im Längsschnitt wird die Beschaffenheit der Luftschutzanlage deutlich - sie reichte von der einen Seite des Schlossdammes bis zu dessen anderer Seite. Um eine möglichst große Deckung zu schaffen, war die Anlage einige Meter in den Damm eingelassen - daher mussten beim Betreten einige Stufen abgestiegen werden. 

Ob die Luftschutzräume ausreichenden Schutz im Falle eines unmittelbaren Luftangriffs geboten hätten, erscheint fraglich. Ebenso konnte noch nicht abschließend geklärt werden, ob die Anlage zu Kriegszeiten fertiggestellt werden konnte oder ob sie sich noch im Ausbau befand. 

Bis heute ist die Luftschutzanlage im Schlossdamm erhalten geblieben - bei genauem Hinsehen ist sie von Außen erkennbar. 

Bild: Notausgang des Luftschutzraumes unter dem Schlossdamm. Quelle: Altmann, 2022

Auf der Seite des Schlossgrabens ist der ehemalige Notausgang des Luftschutzraumes zu erkennen. Der Ausgang selbst ist mit Efeu bewachsen - ein nachträglich installierter Auslass einer modernen Lüftungsanlage steht heute an dieser Stelle. Die Lüftungsanlage des Celler Schlosstheaters wurde in Teile des ehemaligen Schutzraums eingebaut. 

Bild: Notausgang des Luftschutzraumes unter dem Schlossdamm. Quelle: Altmann, 2022

Der Notausgang weist heute noch dieselbe betonierte Form auf wie es die Planskizze aus dem Jahr 1944 zeigt. Über diesen Ausstieg hätten die Insassen fliehen können, falls der Haupteingang - beispielsweise in Folge eines Bombentreffers - verschüttet worden wäre. 

Die inneren Räume des Luftschutzraumes sind in Form von Tonnengewölben ausgebaut. Diese sind aus Ziegelsteinen gemauert und hell verputzt. Über die Decken- und Wandstärken liegen keine Angaben vor. Aus der Planskizze kann jedenfalls geschlossen werden, dass die Wände eine Mindeststärke von ca. 50 - 75 cm gehabt haben dürften. Hinzu kam die natürliche Deckung durch den Schlosswall. 

Bild: das Innere des Luftschutzraumes unter dem Schlossdamm. Quelle: Altmann, 2022

Auf der Innenseite des Schlosswalls ist der Eingang zu der Luftschutzanlage nicht mehr sonderlich gut zu erkennen. Eine moderne Verblendung und Eingangstür täuschen darüber hinweg, dass sich dort eine Einrichtung aus dem Zweiten Weltkrieg befindet. 

Bild: Zugangsbereich zur ehemaligen Luftschutzanlage hinter dem Schloss. Quelle: Altmann, 2022

Der Luftschutzraum im Schlossdamm hätte im Extremfall vermutlich keinen ausreichenden Schutz gegen direkte Treffer geboten. Vielmehr wurde der Schutzraum sehr wahrscheinlich nur als solcher vorgehalten, um das städtische Sicherungskonzept abzurunden. In den Kellergewölben des Schlosses befanden sich weitere Schutzräume - unter anderem für die Jugendherberge und den, seinerzeit ebenfalls im Schloss untergebrachten Landeserbhofgerichtes. 

Eine tatsächliche Verwendung des Luftschutzraumes im Schlosswall ist bis heute nicht bekannt. Möglicherweise war die Anlage bei Kriegsende noch nicht abschließend fertiggestellt worden. 

H. Altmann


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Stand Beitrag: 08/2022