f März 2022 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Freitag, 11. März 2022

Erdöl aus dem Landkreis Celle

Bild: Bohrtürme bei Nienhagen, undatiert - verm. um 1915. Quelle: Archiv Altmann. 

Die weltweit erste Tiefbohrung nach Erdöl fand hier statt. Vorkommen des Rohstoffs konnten in der Umgebung erkundet und erschlossen werden. Bis heute sind im Landkreis Celle und seinen angrenzenden Bereichen einige Erdölfelder vorhanden. 

Aus dem Landschaftsbild sind sie längst verschwunden - Fördertürme findet man im Landkreis Celle nur noch im Erdölmuseum in Wietze oder als Baudenkmal in Nienhagen. Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren Anlagen zur Gewinnung und Zwischenlagerung von Erdöl im Raum Celle dagegen vielerorts anzutreffen. Bedeutende Erdölfelder liegen noch heute bei Thören, Wietze, Rixförde und Nienhagen

Bereits vor der gezielten Exploration, d.h. der Erkundung untertägiger Erdölvorkommen, war deren Vorhandensein bereits bekannt. Vielerorts trat der dickflüssige Rohstoff zutage - beispielsweise in den Teerkuhlen bei Hänigsen. Zunächst konnte man das Öl aber nur im Schöpfbetrieb gewinnen - erst die moderne Fördertechnik bereitete den Weg für die Massenproduktion. 

Bild: Bohrtürme bei Wietze, undatiert - verm. um 1890. Quelle: Archiv Altmann. 

Den Grundstein der Erdölindustrie im Raum Celle legte Georg Hunäus. Im Auftrag des Königreiches Hannover war er ab 1856 eigentlich auf der Suche nach Braunkohle- und Schiefervorkommen - im Bereich östlich von Hannover stieß er jedoch auf bedeutende Erdölvorkommen. In Wietze ließ Hunäus die weltweit erste Tiefenbohrung nach dem schwarzen Gold durchführen. 

Erst um 1899 setzte der Ölboom ein. In Spitzenzeiten waren alleine in Wietze 52 Gesellschaften tätig - das Feld deckte zeitweise bis zu 80 Prozent der deutschen Inlandsnachfrage ab. Über 2.000 Bohrungen erfolgten in der näheren Umgebung von Wietze. Viele der kleineren Gesellschaften gingen später in der Deutschen Erdöl AG (DEA) auf. Das Unternehmen war insbesondere im Landkreis Celle vielerorts präsent. 

Bild: Bohrung der DEA im Raum Celle, undatiert, verm. 60er Jahre. Quelle: Archiv Altmann. 

Auch im Bereich Nienhagen konnten bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts fündige Bohrungen vorgewiesen werden. Das Feld Nienhagen zählt damit ebenfalls zu den ältesten nachgewiesenen Förderstätten für Erdöl in Deutschland. Es erstreckte sich bis über Eicklingen hinaus in die Samtgemeinde Flotwedel. 

Bild: Bohrtürme bei Eicklingen, 1940. Quelle: Archiv Altmann. 

Im Jahr 1909 wurde im Forst Brand zwischen Nienhagen und Hänigsen an der Fundstelle EH 1 in 170 m Tiefe eine ölführende Schicht entdeckt. Im Schöpfbetrieb lieferte diese täglich bis zu 100 l Öl. Bis 1920 erfolgten weitere Bohrungen, die erfolgreich waren. Aufgrund der vergleichsweise geringen Fördertiefe war zeitweise sogar angestrebt das Erdöl im Bergwerksbetrieb zu gewinnen. 

Dieses Verfahren wurde im Ölschacht bei Wietze tatsächlich umgesetzt. Aus untertägigen Stollen wurde teils ölhaltiger Sand gefördert, der gewaschen und vom Öl separiert wurde. 

Bild: Deutsche Erdöl-Akt.-Ges. Mineralölwerke Wietze. Schachtbetrieb. Quelle: Mansfeld-Museum im Humboldt-Schloss, https://nat.museum-digital.de/object/175438?navlang=de 

Von 1918 bis 1922 wurden bei Wietze zwei Schächte niedergebracht, um unter Tage Öl und ölhaltige Sande zu fördern. Motiviert war dieses Vorhaben wohl nicht zuletzt auch durch den Ersten Weltkrieg und das hierdurch hervorgerufene Handelsembargo. Die deutsche Erdölindustrie war daher geneigt die Förderstätten im Inland auf das Äußerste auszubeuten. 

Mittels Gefrierverfahren konnten beide Schächte abgeteuft werden. Drei untertägige Sohlen (222 m, 246 m und 296 m) wurden aufgefahren - insgesamt ein 96 km langes Streckennetz entstand unter Tage. 

Die Bergleute im Ölschacht erhielten die umgangssprachliche Bezeichnung "Ölmuckel" - im "Öl muckeln" bedeutete nichts anderes als im Ölbergbau tätig zu sein. Der Ölberg bei Wietze zeugt heute noch von dieser Methode der Ölgewinnung. 

Bild: Ölschacht bei Wietze. Quelle: Archiv Altmann. 

Während im Ölschacht bei Wietze noch bis 1963 bergmännisch Öl gewonnen wurde, kam es bei Nienhagen nie zur Inbetriebnahme es Schachtes. Hintergrund war die erfolgreich niedergebrachte Bohrung EH 32 aus der das Erdöl eruptiv an die Tagesoberfläche sprudelte. Monatelang konnte das auslaufende Öl aus dieser Bohrung abgeschöpft werden. Die Notwendigkeit des Schachtförderbetriebes war damit vom Tisch. 

Bild: Bereits fertiggestelltes Schachtgebäude der Elwerath bei Nienhagen. Quelle: Archiv Altmann. 

An die 1.000 Bohrungen wurden in dieser Folge alleine im Gebiet der Gemeinde Nienhagen niedergebracht. In den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts steigerte sich der Bohr- und Förderbetrieb im Feld Nienhagen zunehmend. Die Weltwirtschaftskrise zeigte ihre Auswirkungen, konnte aber durch den steigenden Bedarf an Erdölprodukten relativ gut überstanden werden. 

Zu Beginn der Dreißigerjahre stieg die jährliche Erdölförderung im Feld Nienhagen stetig an. 1933 belief sie sich auf 114.000 t - 1934 waren es bereits 138.000 t und 1935 schon 147.000 t. Gegen Ende der Dreißigerjahre nahmen die Bohraktivitäten außerhalb der Gemarkung Nienhagen stark zu. Auch im Raum Eicklingen und Wienhausen erfolgen nun Sondierungen. Die jährlich Fördermenge stieg bis 1939 - auch kriegsbedingt - weiter an und betrug schließlich 183.000 t. 

Bild: Erdölanlagen bei Nienhagen. Quelle: 3426_WATHLINGEN_GSGS_4414_(AMS_M841)_4th_ed_1955. 

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges blieben die Ölanlagen im Raum Celle weitgehend von größeren Angriffen verschont - vereinzelt kam es zu Beschuss durch Jagdflugzeuge. Das Ölfeld bei Nienhagen wurde 1945 mehrfach massiv bombardiert. Am schwersten wurden die Anlagen am 08.04.1945 getroffen - sie blieben jedoch bis nach Kriegsende betriebsbereit. 

Die unmittelbare Nachkriegszeit war von erheblichen Materialengpässen begleitet - es gelang aber, die Erdölförderung bei Nienhagen aufrecht zu erhalten. Allerdings war die jährlich geförderte Menge stetig rückläufig. 1949 waren es noch 76.000 t, 1950 wurden noch 68.000 t gefördert, 1951 waren es 64.000 t. Bis 1956 fiel die Fördermenge auf 46.000 t. Unrentable Bohrlöcher wurden verfüllt - die infrastrukturellen Einrichtungen wurden im Laufe der Zeit folglich immer weiter demontiert.  

Bis heute sind die Spuren und Relikte aus der Hochzeit der Erdölförderung bei Nienhagen zu finden - weite Bereiche der ehemaligen Ölförderbereiche wurden aber inzwischen renaturiert. 

Bild: Relikte ehemaliger Erdölanlagen bei Nienhagen. Quelle: Altmann, 2021. 

Auch zwischen Ovelgönne und Rixförde waren bereits Anfang des 20. Jahrhunderts auf Ölvorkommen gestoßen. Explorationen der Deutschen Mineralöl AG und der Gewerkschaft Brigitta lieferten vielversprechende Hinweise auf Ölvorkommen. 

Die Förderung begann in den Dreißigerjahren, nachdem die Wintershall AG sowie die Gewerkschaft Elwerath mehrere erfolgreiche Bohrungen niedergebracht hatten. Bis Ende 1970 wurden im Ölfeld bei Rixförde rund 450 Bohrungen durchgeführt. 


Bild: Erdölanlagen bei Nienhagen. Quelle: 3325_WINSEN_(Aller)_GSGS_4414_(AMS_M841)_4th_ed_1955

Östlich des Rixförder Grabens war damals ein Erdölwerk mit einem beträchtlichen Speichertank errichtet worden. Von hier aus verliefen Rohrleitungen in Richtung Oldau, wo das Öl in Kesselwagen der Bahn verladen wurde. 

Nur noch wenige Relikte der ehemaligen Ölanlagen sind bei Rixförde noch zu finden. Erst bei genauerem Hinsehen fallen die Rohrleitungen auf, die an manchen Stellen noch aus dem Boden ragen. Teilweise wurden die alten Bohrgestänge auch bereits neuen Verwendungen zugeführt - an einer Stelle dienen sie beispielsweise zur Stabilisierung einer Brücke über den Rixförder Graben. 

Bild: Relikte ehemaliger Erdölanlagen bei Rixförde. Quelle: Altmann, 2021. 

Bild: Relikte ehemaliger Erdölanlagen bei Rixförde. Quelle: Altmann, 2021. 

Bei Thören wurden ab 1904 ebenfalls Explorationen auf Erdöl durchgeführt. Gefördert wurde ab 1940 und der kleine Ort Thören wuchs rasant zu einem Industriestandort. Im Norden des Dorfes entstanden Baracken, Öltanks, eine Ölkläranlage und Bohrbetriebe. Durch eine unterirdische Leitung wurde das Erdöl nach Wietze gepumpt. 

Die Entwicklung des Ortes zu einem wichtigen Standort der Erdölförderung brachte den Grundeigentümern - ebenso wie in anderen Orten auch - hohe finanzielle Rückflüsse aus Förderzinsen ein. Es kam allerdings auch zu Verwerfungen für jene Eigentümer, die keine gesonderten Verträge mit den Förderunternehmen abgeschlossen hatten - im Zuge der Erdölverordnung vom 13.12.1934 wurde Ihnen die Förderzinsen quasi abgesprochen. Die Zeitschrift "Der Spiegel" berichtete über diese Zusammenhänge im Jahr 1953

Bild: Erdölanlagen bei Thören. Quelle: 3324_THOEREN_GSGS_4414_(AMS_M841)_Ed4_10.1954_McM87148

Auch bei Thören sind die Spuren der ehemaligen Erdölförderung nur noch bei sehr genauem Hinsehen zu erkennen. Einige Becken der Ölkläranlage lassen sich mit Mühe noch im Gelände wiederfinden - die meisten Einrichtungen wurden restlos abgebaut. 

Längst sind die Zeiten vorbei, als aus den Bohrlöchern im Raum Celle das Erdöl zu Tage sprudelte. Der Rückgang der Erdölförderung war nicht zuletzt dadurch begründet, dass in anderen Ländern deutlich ergiebigere Vorkommen entdeckt und gefördert werden konnten. Der Marktpreis für Öl veranlasste die Anbieterseite letztlich unrentable Förderungen einzustellen. 

Bild: Erdölförderung im Raum Celle, undatiert, verm. 50er Jahre (?). Quelle: Archiv Altmann. 

Wäre eine Wiederaufnahme der Erdölförderung im Raum Celle möglich? 

Die Antwort auf diese Frage ist nicht so einfach - schon alleine, weil die Erdölforderung im LK Celle nie vollständig beendet worden ist. Die Abwesenheit von Bohrtürmen und sonstigen auffälligen Anlagen mag darüber hinwegtäuschen - doch bis heute wird im Raum Celle und angrenzenden Gebieten Erdöl und Erdgas gefördert. 

So ist dem Jahresbericht des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) für das Jahr 2020 zu entnehmen, dass in Niedersachsen insgesamt 583.451 t Erdöl und 5.307. 984.267 m^3 Erdgas gefördert wurden. Hinzu kommen noch einmal 34.600.368 m^3 Erdölgas. Auf das Feld Nienhagen entfielen hiervon 4.130 t Erdöl und 43.920 m^3 Erdölgas. In Wardböhmen/Bleckmar betrug die Förderung von Erdgas im Jahr 2020 insgesamt 34 274 274 m^3. 

Den größten Anteil an der inländischen Erdölgewinnung nimmt das Bundesland Schleswig-Holstein ein - von dort stammten im Jahr 2020 mehr als 57 % der nationalen Gesamtförderung. In Bezug auf die Erdgasförderung stammten mehr als 94 % der nationalen Gesamtförderung aus Niedersachsen. 

Bild: Pferdekopfpumpe bei Nienhagen. Quelle: Archiv Altmann, 2021. 

Insbesondere der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine im Februar 2022 und die hiermit einhergehenden Wirtschaftssanktionen warfen die Frage auf, wie die nationale Versorgung mit Erdöl und Erdgas gesichert werden kann. 

Das Thema ist an sich nicht neu - schon seit Langem steht die Frage nach der Versorgungssicherheit im Raum. Theorien wie "Peak Oil" (Hubbert) existieren bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Auch die sicherheitspolitischen Implikationen knapper Ressourcen dürften heute eigentlich niemanden wirklich überraschen. Könnte die Steigerung der regionalen Förderung in diesem Zusammenhang eine Lösung sein? 

Es kommt darauf an. Nach Aussage des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. könnte die Erdölförderung aus heimischen Lagerstätten durchaus Vorteile aufweisen. Neue Explorations- und Fördertechnologien könnten möglicherweise einen Beitrag leisten, um bislang unzugängliche oder kleinere Vorkommen besser zu nutzen. Wenig umstritten ist, dass die Produktion auf bereits erschlossenen Feldern (S. 33, "already produced") vergleichsweise günstig ist. 

Allerdings sprechen wohl ebenso Gründe gegen ein neues Erdölfieber im Raum Celle. Die meisten Explorations- und Fördereinrichtungen wurden im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte teils aufwendig demontiert und renaturiert. In vielen Bereichen wären daher umfangreiche Investitionen notwendig, die sich wiederum auf den Preis auswirken würden. Diese Investitionen würden sich aber nur lohnen, wenn der weltweite Ölpreis die Förderkosten übersteigt. Das produzierte Öl/Gas wäre dann jedenfalls kein günstiges mehr (S.98). 

Bild: Erdölanlagen der DEA im Raum Celle, undatiert, verm. 60er Jahre (?). Quelle: Archiv Altmann. 

Hinzu kommt, dass sich die örtlichen Gegebenheiten in den zurückliegenden Jahren verändert haben. Die einstigen Ölfördergebiete im LK Celle befinden sich heute - wie beispielsweise bei Nienhagen - im Bereich von ausgewiesenen Naturschutzgebieten. In anderen Bereichen befinden sich inzwischen Siedlungsgebiete. Vor diesem Hintergrund wären vermutlich aufwendige und wiederum kostenintensive Genehmigungsverfahren notwendig. 

Darüber hinaus würden die sicheren und die wahrscheinlichen Erdölreserven in Deutschland (2020: ca. 27,7 Mio. t) zusammen genommen nicht ausreichen, um den Verbrauch eines einzigen Jahres (2020: ca. 96,2 Mio. t) auch nur annähernd zu decken. Hinzu käme, dass man diese Vorräte ja auch nicht einfach ohne Weiteres sofort fördern könnte. 

Bild: Erdölbohrung im Raum Celle, undatiert, verm. 60er Jahre (?). Quelle: Archiv Altmann. 

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass ein Erdölboom, wie es ihn im 19. und 20. Jahrhundert im Landkreis Celle durchaus gegeben hat, aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich ist. Die zukünftige Entwicklung dürfte wohl sehr davon abhängen, wie sich der Bedarf - und damit auch der Preis - für diese knappen Ressourcen entwickelt. 

Es ist jedoch nicht zu vernachlässigen, dass die Wiege der Erdölförderung im Landkreis Celle liegt. Viele wichtige Erkenntnisse über die Erkundung und Förderung von Erdöl gehen hierauf zurück. 

H. Altmann

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Stand: 11.03.2022
Quellen: s. Text (Links)