f Dezember 2013 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Metallsuche im Dienste der Wissenschaft - Vorgehen, Rechtliches und Hintergründe

Bedenkenswerte Fragen vor dem Erwerb eines Metalldetektors, rechtliche Hintergrunde, Probleme, Lösungen und Grundlagen einer guten Zusammenarbeit mit der Archäologie. 



Bereits in einem vorhergehenden Beitrag ging es um die Feldprospektion mit dem Metalldetektor. In Gesprächen, Foren und sonstigen Diskussionen stellen sich regelmäßig Fragen, die im folgenden Beitrag beantwortet werden sollen. 

Vielen Interessierten wirft sich zuerst die Frage nach der rechtlichen Lage des Sondengehens auf. Man darf doch auf seinem eigenen Grundstück auch ohne eine Erlaubnis suchen, oder…? Das gegebene menschliche Rechtsbewusstsein mag diese Frage bejahen. Aber wie sieht es aus, wenn man auf einem fremden Grundstück mit dem Metalldetektor "unterwegs" sein möchte? Welche Stellen sind als Ansprechpartner zu kontaktieren? Selbst erfahrene Sucher scheitern nicht selten an diesen Fragen, die in Online-Foren zuweilen kontrovers diskutiert werden. 

Ziel dieses Beitrages ist es,  die genannten Systematiken zu verdeutlichen. Dabei soll der Beitrag nicht  als eine Hilfestellung für angehende Schatzsucher missverstanden werden. Sondengehen hat nichts mit Schatzsuche gemeinsam! Es soll lediglich Interessierten etwas schlüssig näher gebracht werden, was ohnehin kein Geheimnis ist. 

Zunächst werde ich daher zu Verständnisgründen auf einige Hintergründe eingehen, welche die später folgenden rechtlichen Zusammenhänge in ihrer Relevanz verdeutlichen werden. Vor dem Hintergrund des regionalen Bezugs werde ich im Wesentlichen die Lage in Niedersachsen erläutern. 


Bild: Ausrüstung am Wegesrand.
Quelle: eigenes Bild.




Probleme beim Sondengehen


Am Anfang steht die begründete Annahme, dass jeder Beruf seine eigenen Fachleute hat. So auch die Archäologie und Heimatforschung. Während Archäologen im Regelfall ein Hochschulstudium absolviert haben, sind Heimatforscher alle, die sich intensiv mit der Geschichte eines bestimmten geografischen Raumes beschäftigen. 

Nimmt man nun an, dass qualifizierte Fachleute ihren Beruf effizienter und besser ausüben können als andere, gelangt man zu der Erkenntnis, dass das Bergen von archäologischen Funden einem dafür ausgebildeten Archäologen überlassen werden muss. 

Leider stehen der regionalen Archäologie sehr begrenzte Mittel zur Verfügung. Sowohl finanziell, als auch personell ist es nicht möglich jedes Projekt zu realisieren und allen Spuren nachzugehen. Sondengänger - auch "Sondler" genannt sind private / hobbymäßige Metallsucher, die mithilfe von speziellen Metalldetektoren metallische, im Boden liegende Funde bergen können. Wie in (fast) allen Bereichen gibt es auch unter "Sondlern" schwarze Schafe. Dementsprechend ist das Verhältnis zwischen klassischer Archäologie und der Philosophie des Sondengehens (stark) gespannt. Ereignisse wie die um die Himmelsscheibe von Nebra, das gezielte Suchen von Waffen und Munition aus den Kriegen und andere Negativ-Beispiele unterstreichen nicht nur für renommierte Archäologen, dass die Aktivitäten der Sondler auf einem Minimum gehalten werden müssen. Ein schlagendes Argument ist dabei besonders das Vorgehen der Sucher. Zumal die Geräte lediglich Metall orten können, bleiben andere Fundstücke möglicherweise unentdeckt im Boden zurück, während metallische Objekte aus dem Fundzusammenhang entfernt werden. Diese "Zerstörung des Fundzusammenhanges" ist grundsätzlich als negativ zu bewerten. 


Die Behandlung des Themas ist Bundesweit recht unterschiedlich aufzufassen. Aus  Medienberichten ist es für den Zuschauer / Leser meist nicht möglich eine Verknüpfung zwischen Hobby und Ehrenamt herzustellen. Zwar wird meist anhand einiger weniger Sondengänger bewiesen, dass es wohl irgendwie möglich ist, eine Genehmigung zu erhalten - konkrete Verfahren und Schritte werden aber nicht erklärt. Dazu später mehr. 

Wie bei Schwarzfahrern in der U-Bahn, deren selbstbezogenes Verhalten dazu führt, dass letztlich für alle die Fahrtpreise angehoben werden, sind auch hier die Ehrlichen die Leidtragenden: der Weg zu einer ordentlichen Genehmigung wurde im Zuge gesetzlicher Vorschriften und deren Auslegung stark erschwert.




Bild: Ausrüstung.
Quelle: eigenes Bild.


Ein weiteres grundsätzliches Problem…


Das Denkmalrecht ist ein Landesrecht. Ähnlich wie in Bildungsangelegenheiten besitzt das jeweilige Bundesland im Denkmalrecht Regelungshoheit. Durch diese föderale Organisation ergeben sich teilweise skurrile Ergebnisse. Wenn ein Sondengänger beispielsweise in Südthüringen auf einem Feld einen bedeutenden Fund birgt, könnte er die Thüringer Landesgesetzgebung leicht umgehen, indem er angibt den Fund einige Kilometer weiter südlich, im angrenzenden Bundesland Bayern gemacht zu haben. Dies schadet nicht nur dem möglichen Miteigentümer der gefundenen Sache (meist Besitzer des Grundstücks), sondern auch der Wissenschaft im Ganzen. Es handelt sich um ein typisches Beispiel für Fundverschleppung - archäologische Betrachtungen werden somit in die Irre geführt. 

Hinzu kommt, dass bestimmte, für die Wissenschaft relevante Funde in der Bundesrepublik nicht gleichverteilt sind. Jedem, der sich ein wenig in Geschichte auskennt sollte klar sein, dass sich im Westen/Südwesten fast alle römischen Fundstätten befinden. Es leuchtet daher überhaupt nicht ein, dass  die heute dort befindlichen Bundesländer ein relativ gemäßigtes Denkmalrecht vertreten. 


Entwicklungen


Niedersachsen und Schleswig Holstein haben als erste Bundesländer einen Kompromiss gesucht und gefunden. So bietet sich Interessierten in Niedersachsen die Möglichkeit einen (bislang kostenfreien) Qualifizierungskurs im Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (NLD) in Hannover zu besuchen. Dabei erhalten die Teilnehmer einen grundlegenden Überblick in relevante Einzelthematiken und werden von Spezialisten des NLD unterrichtet. Ebenfalls Bestandteil des Kurses ist eine Einführung durch einen Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KBD). 

In Niedersachen setzt man seitens der Landesarchäologie somit auf eine gezielte und zielgerichtete Zusammenarbeit mit interessierten und engagierten Sondengängern. 


Rechtliche Hintergründe


Einleitendes Beispiel:


A und B haben auf dem Flohmarkt einen tollen Fund gemacht: ein netter älterer Herr verkaufte ihnen ein altes Minensuchgerät mit dem sich auch kleinste metallische Objekte im Boden orten lassen. Nun ziehen A und B los, um auch in freier Natur fündig zu werden. Angelangt im Garten des B graben beide nach erfolgreicher Ortung vieler Kronkorken der letzten Silvesterparty endlich ein altes mit reichhaltigen Beigaben bestücktes Keltengrab aus. Die Freude über den tollen Fund währt jedoch nicht lange: C, der sich in seiner Freizeit durch Onlineforen zum Thema Sondengehen liest, weist die beiden darauf hin, dass ihnen empfindliche Strafen drohen…



Welche rechtlichen Normen sind einschlägig? 




A und B könnten gegen § 12 (1) des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes (NDSchG) verstoßen haben.



Dazu müssten die beiden nach einem Kulturdenkmal gegraben, ein Kulturdenkmal aus einem Gewässer geborgen oder mithilfe eines technischen Hilfsmittels nach einem Kulturdenkmal gesucht haben.



Ein Kulturdenkmal ist ein Objekt das als Zeugnis einer Kultur gilt und einen besonderen historischen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Wert besitzt. Als Gewässer werden jene Vorkommnisse von Wasser verstanden, die unter die Nom des § 3 WHG fallen. Ein technisches Hilfsmittel ist ein, auf materieller Konstruktion basierendes Werkzeug oder Instrument, welches zur Realisierung eines angestrebten Ziels herangezogen werden kann.



Zumal weite Bereiche der keltischen Kultur bis heute unerforscht sind, liegt sowohl ein besonderer historischer-, als auch wissenschaftlich und volkskundlicher Wert vor. Zwar haben A und B nichts aus einem Gewässer geborgen - sie nutzten jedoch zweifelsfrei ein technisches Hilfsmittel, da das verwendete Minensuchgerät aufgrund seiner spezifischen Beschaffenheit dazu geeignet sein musste entsprechende Funde zu orten.



A und B haben gegen den § 12 (1) des NDSchG verstoßen.




Kein Kavaliersdelikt - Rechtsfolgen…


A und B könnten eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 35 (2) NDSchG i.V.m. § 35 (3) NDSchG begangen haben. 

Dazu müssten A und B Maßnahmen, die nach § 12 (1) NDSchG der Genehmigung bedürfen, ohne Genehmigung durchgeführt haben. 

Eine Genehmigung ist ein behördlicher Verwaltungsakt, der in diesem Fall von der Denkmalschutzbehörde erlassen, den betreffenden Rechtssubjekten, die Suche nach einem Kulturdenkmal unter bestimmten Auflagen erlaubt. 

Zumal A und B einfach drauflos gesucht/gegraben haben, wurde ihr Verhalten zu keiner Zeit durch einen entsprechenden Verwaltungsakt geschützt. 

A und B haben eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 35 (2) NDSchG begangen. Die Ordnungswidrigkeit kann nach § 35 (3) NDSchG mit Geldbußen bis zu 250.000 Euro bestraft werden. 


Zusammenfassung und Ausblick - Rechtliche Hintergründe


Man kann es drehen und wenden wie man will. Seitens der Rechtsprechung wird bereits aus dem Umstand, dass man einen Metalldetektor mit sich führt geschlossen, dass auch eine Grabungsabsicht besteht und damit ein genehmigungspflichtiger Umstand vorliegt.


Wann benötigt man nun genau eine Genehmigung? 


Wer nur suchen und nicht graben will, braucht im Grunde keine Genehmigung nach NDSchG. Sobald man Erde bewegt, ist die Genehmigung zwingend nötig. Das gilt auch, wenn kein Hinweis auf ein Kulturdenkmal vorliegt oder ein solches vor Ort unwahrscheinlich ist. Alleine der Umstand, dass ein Kulturdenkmal durch die Suche aufgefunden werden könnte genügt bereits. 


Bild: mit dem Detektor im Einsatz.
Quelle: eigenes Bild.



Aller Anfang ist schwer 


Nun stellt sich immer noch die Frage woher man die erforderliche Genehmigung bekommt. Wer ist zuständig? Kann jeder einen Antrag stellen?


Zunächst sollte man sich der Frage der eigenen Motivation klar werden. Eine zielgerichtete Zusammenarbeit mit den zuständigen Archäologen setzt voraus, dass nachhaltiges Interesse an der Geschichte besteht. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass einem Antrag dessen Begründung "Langeweile, Neugier & Schatzsuche" lautet, stattgegeben wird.



Zu den Voraussetzungen später mehr.



Folgende Grafik soll zunächst den Grundlegenden Ablauf eines Genehmigungsverfahrens aufzeigen:



Bild: Darstellung zum Genehmigungsverfahren in Niedersachsen.
Quelle: Eigene Grafik (c).



Der mögliche Interessent sollte sich demnach zunächst beim NLD informieren. Das NLD bietet in bestimmten Abständen den sogenannten Qualifizierungskurs an. Mittels einer Anmeldung wird der Interessent zu einem Teilnehmer an diesem Kurs, dessen Inhalte bereits eingangs erwähnt wurden. Nach Absolvierung des Kurses ist es dem Teilnehmer möglich einen Antrag (gem. § 12 NDSchG) bei der Unteren Denkmalschutzbehörde einzureichen. Diese überprüft nun, ob der Antragsteller am erforderlichen Kurs teilgenommen hat und fragt beim zuständigen Landesarchäologen an. Diese Anfrage entscheidet letztendlich über den Erfolg des Antrages. Bewilligt der Landesarchäologe den gestellten Antrag, erteilt die Untere Denkmalschutzbehörde eine Genehmigung an den Antragsteller, der damit zum künftigen "Sondengänger" wird.




Voraussetzungen


Wie bereits erwähnt bestehen gewisse, nicht kodifizierte Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag. Es sei an dieser Stelle davor gewarnt unwahre Motive vorzutäuschen, um so eine Genehmigung zu erschleichen. Dies fällt ebenfalls unter die Ordnungswidrigkeiten gemäß § 35 NDSchG.


Letztlich sollen nur solche Antragsteller eine Genehmigung erhalten, deren Motive ehrlich und zielgerichtet sind. Folgende rein subjektiv aufgestellte Liste kann eine Hilfestellung sein.



Förderliche Eigenschaften sind:


  • Geschichtsinteresse
  • Eigeninitiative
  • Kreativität bei der Lösungsfindung
  • Kooperationsbereitschaft mit den Archäologen
  • Zuverlässigkeit

Wer dagegen ausschließlich an interessanten Funden interessiert ist und weniger an der Geschichte die hinter diesen Funden steht, der ist in diesem Bereich völlig falsch aufgehoben. 


Bild: Detektor im Einsatz bei Ausgrabungen in Altencelle.
Quelle: eigenes Bild.




Das praktische Vorgehen


Die vorgenannten Hinweise beschränkten sich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Land und Sondengänger. Dieses Rechtsverhältnis wird durch die Vorschriften des NDSchG geregelt. Das ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Praktisch ist zusätzlich noch das Einverständnis des jeweiligen Grundstücksbesitzers einzuholen. Auch dies birgt Konfliktpotential.


Landwirtschaftliche Nutzflächen werden regelmäßig nicht ausschließlich vom Eigentümer bewirtschaftet. Häufig werden sie an einen oder mehrere Pächter abgegeben. Es handelt sich also um ein Eigentumsverhältnis zum einen und ein Pacht- bzw. Besitzverhältnis zum anderen. Daraus ergibt sich die Frage wer nun um Erlaubnis zu fragen ist: der Eigentümer - oder der Besitzer?



Grundsätzlich ist die Erlaubnis zum Begehen des Grundstücks vom Besitzer einzuholen. Der Eigentümer hat schließlich seine Rechte gegen die Pacht "eingetauscht". In der Theorie muss also der Besitzer (Pächter) zu einer Begehung seiner Flächen zustimmen.



Praktisch gesehen wird aber der Pächter nur ungern gegen den Willen des Eigentümers handeln. Gerade in ländlichen Räumen hat sich hinsichtlich der Flächenverteilung und Bewirtschaftung ein spezielles Rechtsempfinden bei den Beteiligten herausgebildet. Um diesem Umstand gerecht zu werden, sollte man stets Eigentümer und Besitzer fragen. Es empfiehlt sich zumindest beim jeweiligen Ansprechpartner nachzufragen, ob er Eigentümer oder Pächter ist. 



Weiterführende Betrachtungen



Leider finden sich in der Literatur und in den Medien immer wieder unsachlich geführte Argumentationen. Eine umfassende wissenschaftliche Behandlung des Themas steht bislang aus. Bei der Vielzahl von veröffentlichten Aufsätzen und in den zahlreichen Beiträgen in den Medien steht daher meist auch die eigene Meinung des jeweiligen Verfassers im Vordergrund. 



Wie bereits angedeutet, führt dies regelmäßig dazu, dass vor allem die Fraktion der Metalldetektor-Gegner striktere Gesetze und Regeln in diesem Bereich fordert. In den Medien gibt es des öfteren Berichte über Sondengänger. Beispielsweise erschien erst kürzlich ein Beitrag auf RTL über einen Sondengänger in Niedersachsen. Neben einer Kurzbeschreibung des Hobbys gerät der Fokus recht schnell auf die rechtlichen Fragen. Auch Dr. Henning Haumann vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege kommt im Beitrag zu Wort und erklärt wichtige Aspekte im Rahmen der Suche mit dem Metalldetektor. Leider wird an keiner Stelle erwähnt, wie der vorgestellte "Beispiel-Sondengänger" an seine Genehmigung gekommen ist. Das führt leider dazu, dass der Zuschauer das "Sondengehen" immer noch als etwas geheimnisvolles und mysteriöses wahrnimmt. 



Viel zu oft wird in Zeitungen und Fernsehen das Bild vom modernen Schatzjäger gezeichnet, nur um dann im nächsten Schritt die Keule hervorzuholen und die schlimmen Folgen für die Archäologie zu propagieren. Ganz rational denkt sich der Zuschauer in diesem Moment wohlmöglich, wie übertrieben das doch alles mit einer Genehmigung ist. Es gehen doch schließlich täglich etliche Funde durch Baumaßnahmen und landwirtschaftliche Eingriffe kaputt! Wen schert es da, ob nun ein paar Funde weniger im Boden auf ihre Zerstörung warten. Im Grunde tut man doch etwas Gutes, indem man sie vor anderen rettet! 



Die Folgen dieser Argumentationskette kann man in den gängigen Online-Sucher-Foren immer wieder beobachten. Letztlich sind die Archäologen die Schuldigen, die den Suchern das Leben schwer machen wollen - und sei es nur aus "Fund-Neid". 



Demzufolge ist es durchaus als problematisch zu bewerten, dass Sondengänger in den Medien als moderne Schatzjäger dargestellt werden. Letztlich drängt sich dem Zuschauer aber das Bild auf, ein Sondengänger wäre eine Art Freibeuter - nur eben mit einem Kaperbrief. Zu selten wird die wichtige Aufgabe der ehrenamtlichen Mithilfe durch Sondengänger betont. 



Artikel zum Thema: 

Wichtige Links: 

Für angehende Sucher: 

Kritische Betrachtungen: 


Zusammenfassend…




In Niedersachsen besteht die Möglichkeit eine Genehmigung zum Sondengehen zu erhalten. Diese ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und wird befristet erteilt. So kann eine Ausnutzung der Regelung vermieden werden. Neben einer behördlichen Genehmigung ist die Erlaubnis des Grundstücksbesitzers einzuholen.



Weiterführende Hilfestellungen: Songengänger-Gemeinschaft Allertal




Mittwoch, 11. Dezember 2013

Die Geschichte des vergessenen Friedhofes bei Celle



"Nulla dilatio - Keinen Aufschub!" 



Diese Worte stehen auf dem verwitterten und umgestürzten Grabstein, welcher keine 10 m entfernt der Bahnstrecke Hamburg - Hannover auf dem nassen Waldboden liegt. Weitere Gräber umringen den, einst sicher anmutigen, schwarzen Granitblock der früher einmal, wie ein Obelisk ,die anderen Steine überragt haben muss. 

Fast hämisch und sarkastisch klingen die eingravierten Worte:



"WER IM GEDÄCHTSNISS 
SEINER LIEBEN LEBT, 
IST JA NICHT TODT, 
ER IST NUR FERN!

TODT NUR IST, WER
VERGESSEN WIRD."


Dabei erweckt dieser Ort nicht den Anschein als würde er von lebenden "Lieben" besucht. Einige der Grabsteine sind bis zur Unkenntlichkeit verwittert. Andere sind schon so mit Moos überwuchert, dass man sie kaum noch sieht. Es mögen 5 bis 6 Gräber sein. In einem Halbreis stehen augenscheinlich gepflanzte Wachholder und schirmen den kleinen Friedhof  nach Außen ab. 

Sie müssen gute Arbeit geleistet haben, denn der Ort an dem sich die Gräber befinden, liegt unentdeckt direkt vor Celle - unmittelbar westlich von Vorwerk an der eingangs erwähnten Bundesbahntrasse. 

Wer liegt hier begraben? Was hat es mit dem kleinen Friedhof auf sich? 

Eine Fundbeschreibung und Analyse meiner Recherchen zu diesem Ort...



Bild: "Keinen Aufschub" - Grabinschrift. 
Quelle: eigenes Bild. 




Der Weg nach Tannholz...


Kürzlich gab mir ein Freund einen Tipp. Auf einer…nennen wir es "Fahrradtour" mit einem Kumpel hatten die Beiden "ein abgebranntes Gebäude und Grabsteine in einem Wald gefunden. Er meinte ob das nicht etwas für meinen Blog wäre… 

Nun, mein Interesse war geweckt. Er gab mir die genaue Wegbeschreibung und konnte mir die ungefähre Stelle auf meinem iPad zeigen. Ich war skeptisch: an dieser Stelle derartiges aufzufinden hätte ich mir so nicht vorstellen können, denn die beschriebene Stelle lag unmittelbar zwischen Groß Hehlen, Celle und Vorwerk. Dennoch glaubte ich ihm und machte mich gleich am nächsten Tag auf den Weg. 



Bild: Tannholz und Lage des Friedhofs (1). 
Quelle: Google Earth. 



Bild: Lage des Friedhofs (1). 
Quelle: Preußische Landesaufnahme 1899. 


Vor Ort angekommen ging ich den Talweg, welcher von Vorwerk kommend die rechte Abzweigung der Überführungsstraße über die Bahnlinie bildet, entlang. Schnell gelangte ich an ein abgebranntes Gebäude. Dicke Lindenbäume bildeten eine kleine Allee - ohne Frage: in diesem Ort lag Geschichte! 



Bild: Eingang der Allee…
Quelle: eigenes Bild. 


Ich schritt die Umzäunung des ausgebrannten Hauses ab. Abgesehenen den Brandspuren war dort nichts weiter Auffälliges zu beobachten. Keine Grabsteine. Aber ich war gespannt...



Bild: Blick entlang der Allee
Quelle: eigenes Bild. 



Bild: Ende der Allee - Wachholder
Quelle: eigenes Bild. 


Also folgte ich dem Weg entlang der Bahnstrecke etwa 200 m weiter.



Bild: Wachholder-Hain --> mitten im Wald
Quelle: eigenes Bild. 



Bild: Erste Grabsteine werden erkennbar…
Quelle: eigenes Bild. 



Bild: umgestürzter Grabstein. 
Quelle: eigenes Bild.



Bild: umgestürzter Grabstein. 
Quelle: eigenes Bild.



Bild: umgestürzter Grabstein. 
Quelle: eigenes Bild.


Am Ende des Weges sah ich die besagten Wachholderbüsche. Darunter die Gräber. Mittig lag ein großer schwarzer Granitblock. Auf diesen war ganz oben ein Davidstern eingraviert, in dessen Zentrum der Vers: 



"NULLA DILATIO" 


eingeprägt war. 

Darunter befand sich der Vers: 



"WER IM GEDÄCHTSNISS 
SEINER LIEBEN LEBT, 
IST JA NICHT TODT, 
ER IST NUR FERN!

TODT NUR IST, WER
VERGESSEN WIRD."


Und darunter die Worte: 



"J. FR. LUDWIG 
SCHIEBLER
*16. NOVEMBER 1813
+29. NOVEMBER 1882" 


Ein anderer Grabstein lautete ebenfalls auf den Nachnamen "Schiebler". Damit war klar, dass es sich um eine Familiengrabstätte handeln musste. 

Ich beschloss der Sache auf den Grund zu gehen. 




Wer waren/sind die Schiebler? 


Dieser Name ist den meisten Cellern heute kein Begriff mehr. Hätte man dieselbe Frage vor 150 Jahren gestellt, wäre man vermutlich ausgelacht worden. Einst verband man mit dem Namen Schiebler ein hohes Ansehen in Celle. Umso unglaublicher ist es, dass diese ehemals wohlhabende und einflussreiche Familie ihre letzte Ruhestätte unter heute so unwirtlichen Umständen fand. 

Sucht man den Namen Schiebler in Verbindung zu Celle, gelangt man recht schnell auf den Hinweis zu einer noch heute verbreiteten Apfelsorte: Schieblers Taubenapfel. Was hat es damit auf sich? 



Die Geschichte der Schiebler


Im Jahre 1751 wurde Johann Ludwig Schiebler in Berlin Spandau geboren. Sein Vater war dort Förster. Aufgrund der großen Liebe zur Gärtnerei kam Johann Ludwig in die Lehre beim damaligen Hofgärtner Zopff in Monbijou (Berlin). Dort lernte er Prinz Ernst von Mecklenburg-Strelitz kennen. Dieser war der Bruder von Sophie-Charlotte von Mecklenburg-Strelitz. Sophie-Charlotte war die spätere Gemahlin von Georg III. - dem König Großbritanniens und Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg.   

So gelangte Johann Ludwig Schiebler ins Königreich Hannover und erhielt den Auftrag den Garten zu des Prinzen zu betreuen. Prinz Ernst entsandte Schiebler, der fortan den Titel "Gartenmeister" trug nach England, damit er dort die Gärten und Anlagen besichtigen konnte. Danach gelangte Schiebler auch nach Frankreich und Holland, um die dortigen Anlagen zu sehen. Wieder in Celle angelangt erhielt Schiebler den Auftrag einen Garten nach englischem Vorbild anzulegen. Dieser Aufgabe kam der Gartenmeister zur vollen Zufriedenheit seines Herren nach. 

Als der Prinz Celle verließ, wurde Johann Ludwig Schiebler aufgefordert eine Handelsgärtnerei zu gründen. Zum einen verwies die königliche Hannoversche Landwirtschaftsgesellschaft auf die Missstände und Bedürfnisse im Land, denn die einzige größere Gärtnerei befand sich seiner Zeit in Herrenhausen (Hannover). Zum anderen soll der Gärtner durch seinen guten Freund Albrecht Thaer dazu ermutigt worden sein, einen solchen Betrieb zu gründen. Weiterhin blieb Schiebler jedoch zuständig für den Garten des Prinzen. 

Wenig später kaufte Schiebler bei Eicklingen ein Grundstück und errichte dort einen Baumschulbetrieb. Zunächst gediehen die angepflanzten Baumarten vortrefflich und die neue Baumschule wurde schnell überregional bekannt. Im strengen Winter 1790 jedoch erfroren viele Setzlinge. Der Eicklinger Betrieb war ruiniert. Schiebler gab jedoch nicht auf - im Gegenteil! 

Zumal er bereits im Norden Celles (Lüneburger Straße 16 - heutiges AKH-Gelände) ein Haus und angrenzende Flächen besaß, wollte er im Norden der Stadt Celle einen neuen Gärtnereibetrieb aufbauen. Er hatte auch schon einige der dazu nötigen Flächen erstanden. 

Bis zum Jahr 1848 wuchs die neue Gärtnerei Schieblers auf 35 Morgen und 85 Quadratruthen an - heute etwa 93.595,11 Quadratmeter. Etwas mehr als 13 Fussballfelder. Für damalige Verhältnisse eine ungeheuer große Fläche! 

Es gelang Johann Ludwig Schiebler durch unermüdlichen Fleiß bereits 1788 den sog. "Langengarten" für 200 Thaler, 1789 und 1790 je ein weiteres Stück Land (bei der Altenhagener Gasse) und 1791 ein Stück Kirchenland zu erwerben. Zunächst wurde dort mit der Aufzucht von ziergehölzen, Beerensträuchen und Obstbäumen begonnen. 

Durch einen Tausch gelang es Johann Ludwig Schiebler im Jahr 1852 ganze 350 Morgen Heide bei Starkshorn gegen das ehemalige Forst Tannholz (110 Morgen) einzutauschen. Er tauschte das Land mit der königlichen Domänenkammer und erhielt letztlich ein bei Vorwerk gelegenes Waldgelände. Fünf Jahre zuvor war die Eisenbahnlinie Hannover-Hamburg (1847) eingeweiht worden, die nun das Gelände Schieblers durchlief. 




Bild: der ehemalige Forst Tannhorst, westlich von Vorwerk. 
Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme 1780. 



Das Gelände war mit Nadel- und Laubgehölz bewachsen und muste erst gerodet werden. Es konnte daher auch erst nach und nach bewirtschaftet werden. Aufgrund der natürlichen Standortfaktoren eignete sich das Gelände jedoch vortrefflich für den Gärtnereibetrieb. Es ist nach Süden leicht abschüssig und besitzt unterschiedliche Bodenarten. 



Bild: Tannholz nach den Rodungen. 
Quelle: Karte des Deutschen Reiches 1904. 


Bemerkenswerter Weise waren Schiebler & Sohn die Ersten, die in Deutschland die neue Kartoffelsorte "Victoria" einführten. Diese war 1863 von William Peterson in Schottland gezüchtet worden. Die neue Sorte sollte eine Antwort auf die Kartoffelfäule bieten. Bis heute ist sie weit verbreitet. 


Die Hamburger Garten- und Blumenzeitung widmete Johann Ludwig Schiebler 1870 folgenden Artikel: 


Bild: Artikel über die Celler Gärtnerei Schieblers. 
Quelle: Neue allgemeine deutsche Garten- und Blumenzeitung, Band 26


Johann Ludwig Schiebler war ebenso der erste , der im Celleschen den Tabakanbau erprobte. Nach umfangreichen Investitionen und dem Ausgang des Krieges in Amerika gab Schiebler dieses Unterfangen jedoch wieder auf. 

Er blieb unverheiratet und hatte keine  eigenen Kinder. Dennoch besaß er einen Nachfolger:  seinen Pflegesohn, Johann Heinrich Ebermann (genannt: Schiebler). Dieser bereits 1787 geborene junge Mann ging beim alten Schiebler in die Lehre. Nach seinen Wanderjahren stiegt er im Jahr 1808 in das Geschäft ein. Seit dieser Zeit nannte sich die Firma "Schiebler & Sohn". In den folgenden Jahren wurde der Betrieb durch ständige Landzukäufe erweitert (Molkegarten in Altenhagen, Landstück hinter dem Prinzengarten und "im Moore"). 



Bild: Adressbucheintrag, Schiebler. 
Quelle: Adressbuch der Stadt Celle 1917. 




Bild: Preisverzeichnis. 
Quelle: Preisverzeichnis vom Gartenmeister Johann Ludwig Schiebler & Sohn aus dem Jahr 1854. 


Nachdem Johann Schiebler bereits 40 Jahre in seinem eigenen Betrieb tätig war, verkaufte er im Jahr 1817 das Geschäft an seinen Pflegesohn Johann Heinrich Ebermann (Schiebler). Dieser erwarb es für 6500 Thaler. Die Kaufsumme blieb gegen Verzinsung bestehen und Johann Schiebler sicherte sich das Recht auf Wohnung (Altenteil). Im Jahr 1833 starb Johann Ludwig Schiebler im Alter von 83 Jahren. Ebermann vergrößerte den Betrieb in den Folgejahren durch weitere Landankäufe (Charlottenburg bei Altenhagen). 


Im Jahre 1823 wurde der erste Katalog herausgegeben, er enthielt zwar noch kein Sortenverzeichnis, es waren aber die verschiedenen Arten angeführt, wie Apfel- und Pflaumenbäume für 9 Gute-Groschen, Zwetschgen: 8 Ggr., Kirschen: 11Ggr., Birnen: 14 Ggr., hochst. Lindenbäume: 12 Ggr. usw. Erst im Jahre 1834 erschien der erste Katalog mit Namenverzeichnis, und zwar etwa 120 Apfel- und 50 Birnensorten; von nun an wurde auch der Katalog regelmässig in jedem Jahre neu herausgegeben. Es fand schon ein reger Versand nach auswärts statt, auch wurden Samenniederlagen in verschiedenen Provinzstädten eingerichtet. Im Jahre 1835 wurde der gesamte Grund und Boden mit 12.600 Thalern bewertet. 

Johann Heinrich Ebermann heiratete und hatte 5 Kinder. 



Die letzten Schiebler...


Der älteste Sohn von Johann Heinrich Ebermann wurde gemäß des Wunsches seines Großvaters ebenfalls Gärtner. Er hieß Jakob Friedrich Ludwig Ebermann (Schiebler)

Man bedenke: 



Bild: Grabmal Jakob Friedrich Ludwig Schieblers
Quelle: eigenes Bild. 


Jakob Friedrich Ludwig Ebermann (Schiebler) lernte in Herrenhausen und arbeitete auf der Pfaueninsel bei Potsdam. Später ging er in den botanischen Garten in München und von dort nach Wien, wo er in der einst berühmten Baumschule von Rosenthal arbeitete. Während er die Steiermark, die Schweiz, Italien, Frankreich, England, Belgien Irland und Schottland bereiste, wirtschaftete sein Vater auf der heimischen Gärtnerei bei Celle. 

Im Alter von 24 Jahren kehrte Jakob Friedrich Ludwig Ebermann (Schiebler) im Jahr 1837 nach Celle zurück. Dort angekommen trat er in das väterliche Geschäft ein und brachte es zu nie geahnter Größe. Er ließ Gewächshäuser nach französischem und englischen Muster erbauen. Er führte Staudenkulturen ein. Er kultivierte eine unglaubliche Sammlung von Ziergehölzen und Rosen. Einhergehend mit diesen Entwicklungen kaufte der junge Ebermann (Schiebler) weite Flächen bei Groß Hehlen, Altenhagen und bei Celle auf. 


Bild: Flurnamen "Tannholz". 
Quelle: Region Celle Navigator. 


In diese Zeit fielen die Neuzüchtungen wie "Schieblers Mörgenröte" (Maierbse), eine Stangenwachsbohne, Schieblers neue Zuckerrunkel, Schieblers rote Eierpflaume, Schieblers Herbstborsdorfer und 1864 Schieblers Taubenapfel, der noch heute im Handel ist. Auch eine gelbe Levkoje, sowie an Coniferen: "Picea orientalis Schiebleriana" und "Thuja gracialis Schiebleri" verdanken Ebermann ihre Züchtung. 

Im Jahr 1849 setzte Ebermann (Schiebler) bei der Eisenbahndirektion durch, dass Pflanzen als lebende Gewächse zum einfachen Frachtpreis transportiert werden konnten. Vorher war auf diese Waren ein doppelter Frachtpreis zu entrichten. im Jahr 1874 wurde Ebermann in den Landtag gewählt und 1877 in den Vorstand des "Deutschen Pomologenvereins" (Pomologie = Obstbaumkunde). 

Als der König von Hannover die Obstbaumplantage Schiebler & Sohn besuchte und sich Ebermann nicht als Schiebler vorstellte, forderte der König ihn persönlich auf sich in "Schiebler" umzubenennen. So wurde aus dem Pflegesohn Ebermann abermals Schiebler. 

Der älteste Sohn Jakob Friedrich Ludwig Schieblers hieß Heinrich Schiebler. Er wurde 1840 geboren und trat bereits 1860 in den Gärtnereibetrieb ein. Er hatte, wie sein Vater einige wichtige Stationen in der internationalen Gärtnerausbildung durchlaufen. So war er ebenfalls in Potsdam, Schottland, und England gewesen. Aus dem Erlös einer selbst verfassten Festschrift finanzierte er sich eine Reise durch Deutschland und die Schweiz, Frankreich und Algier. Auch darüber schrieb Heinrich Schiebler ein Buch. 

Als Jakob Friedrich Ludwig Schiebler 1877 in den Landtag eintrat, führte sein Sohn Heinrich das Geschäft in Celle gemeinsam mit seinem Bruder alleine weiter. Sein Bruder hieß ebenfalls Ludwig und hatte die Gärtnerei in Potsdam erlernt. Er zog auf das Anwesen in Tannholz bei Celle. Am 29. November 1882 starb der Vater. Als 1889 nach langem Leiden auch sein Bruder Heinrich verstarb, zog Ludwig Schiebler zurück nach Celle in die Lüneburger Straße 16. 

Eine schlimme Zeit setzte für den Betrieb ein. Ludwig Schiebler starb im Jahr 1894. Seine Ehefrau führte fortan die Geschäfte weiter, da sein ältester Sohn noch nicht volljährig war. Sie konnte einen weiteren verfall der Firma nicht aufhalten. Auch sie verstarb bald darauf im Jahr 1896. 

Die Firma wurde vormundschaftlich vom Garteninspektor Kähler weitergeführt. In den Jahren 1902 bis 1908 schaffte es Hermann Belz erneut ein laufendes Geschäft zu etablieren, welches in den Jahren 1909 bis 1916 durch nun volljährigen Sohn Ludwigs fortgeführt wurde. Auch dieser hieß Ludwig und setzte alles daran den väterlichen Betrieb zu retten. 

Ludwig Schiebler diente als Leutnant im Reserve Infanterie Regiment 201 der 1. Kompanie (später 8. Kompanie). Er gilt seit dem 21. Oktober 1917, der Schlacht am Chemie des Dames als vermisst (Verlustlisten des WK I, Seite 13.502). 

Damit war der Gärtnereibetrieb der Schiebler ein für allemal verloren. 

Die ehemaligen Besitzungen kaufte nun die Stadt Celle nach und nach auf. Zunächst wurden sie durch einen Gutsinspektor verwaltet. Später wurden einige der bei Celle gelegenen Flächen zum Bau des Celler Friedhofs verwendet. 



Die Blütezeit...


Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte der Gärtnereibetrieb eine ungeahnte Blüte. Dies hebt unter anderem der Bericht der Hamburger garten- und Blumenzeitung hervor. Darin geht es um den einen Besuch ausgewählter Gäste auf den Plantagen der Schieblers in Celle: 




Bilder: Hamburger Garten- und Blumenzeitung. 
Quelle: Hamburger Garten- und Blumenzeitung, 1864. 



Weitere Impressionen...



Bild: Privatfriedhof der Schiebler. 
Quelle: eigenes Bild. 



Bild: Privatfriedhof der Schiebler. Umgestützter Grabstein. 
Quelle: eigenes Bild. 



Bild: Privatfriedhof der Schiebler. 
Quelle: eigenes Bild. 


Der Stein trägt die Inschrift "Hier ruht unser lieber Sohn Heinrich … (Geburts- und Sterbedaten unleserlich)". 



Bild: Privatfriedhof der Schiebler. 
Quelle: eigenes Bild. 



Bild: Privatfriedhof der Schiebler. 
Quelle: eigenes Bild. 



Bild: Privatfriedhof der Schiebler. 
Quelle: eigenes Bild. 



Bild: Privatfriedhof der Schiebler. 
Quelle: eigenes Bild. 


Der Stein lautet auf den Nachnamen "Schiebler"


Bild: Privatfriedhof der Schiebler. 
Quelle: eigenes Bild. 


Bild: Privatfriedhof der Schiebler. Grabstein J. FR. Schiebler. 
Quelle: eigenes Bild. 



Bild: Weg zum Privatfriedhof der Schiebler. 
Quelle: eigenes Bild. 



 Bild: Blick in Richtung Vorwerk. Hier wuchsen einst die Obstbäume der Schieblers. 
Quelle: eigenes Bild. 





Bild: Blick auf den Privatfriedhof von Vorwerk aus (Talweg). Vor den Bäumen wuchsen einst die Obstbäume...
Quelle: eigenes Bild. 




Freimaurer...


Jakob Friedrich Ludwig Ebermann (ab 1859 Schiebler) gehörte der Celler Freimaurerloge an. Er war Meister vom Stuhl "des Hellerleuchtenden Sterns" - der Freimaurerloge Nr. 242 zu Celle. Bereits der Prinz Ernst von Mecklenburg-Strelitz war einer Loge der Freimaurer zugehörig. 

Dementsprechend erklärt sich auch die Symbolik des Grabsteins: 

Bild: Grabstein Jakob Friedrich Ludwig Schieblers. 
Quelle: eigenes Bild. 


Ganz nach der humanistischen Tradition der Freimaurer sei die Symbolik und der Spruch wie folgt erläutert: 



Quelle: Quelle: Hamburger Garten- und Blumenzeitung, 1864. 




Das Ende...


Es ist nicht weiter verwunderlich, dass die Schiebler'schen Besitztümer untergingen und schließlich an die Stadt fielen. Niemand hatte ein Interesse am Fortbestand eines großen Gärtnereibetriebes. Die Bauern wollten schnellstmöglich Zugriff auf kultiviertes Ackerland erhalten. Der Staat brauche im- und nach dem Ersten Weltkrieg alle verfügbaren Ressourcen - für Kunstzüchtungen und Gartenliebhaberei war kein Platz. 



Fazit


Heute erinnert nichts mehr an die ehemaligen Besitztümer und positiven Einflüsse auf Celles Entwicklung durch die Familie Schiebler. Ein verrottender Privatfriedhof ist alles, was den Mitbegründern der modernen Agrarwirtschaft geblieben ist. Täglich rauschen etliche Personen- und Güterzüge an dem Ort vorbei, der einst ein Celler Vorzeige-Projekt war.


Bild: Privatfriedhof der Schieblers. Hintergrund: ICE aus Hamburg. 
Quelle: eigenes Bild. 


Während der Begründer und Vertreter moderner Agrarwirtschaft, Albrecht Thaer, einen eigenen Platz und ein großzügiges Denkmal im Zentrum der Stadt bekam, ruhen die Mitbegründer Norddeutscher Agrarkultur neben einer Zugtrasse. Auf einem verwahrlostem Friedhof. 

Dabei waren Thaer und Schiebler Zeitgenossen und Gleichgesinnte. Sie pflegten ein freundschaftliches Verhältnis und gaben einander Ratschläge. Thaer soll Schiebler zum Bau seiner Großgärtnerei angeregt haben. Umgekehrt soll Schiebler Thaer, der zunächst im Celleschen nur als Arzt bekannt war, dazu ermutigt haben in den Bereich der Agrarwirtschaft einzusteigen. Im Nachhinein lassen sich die Erfolge nicht gegeneinander aufwiegen. 

Dennoch bleibt festzuhalten, dass der Gründer des Celler Betriebes, Johann Ludwig Schiebler, wie auch seine Nachfahren, alles an den Ausbau ihrer Firma in Celle setzten. Obgleich es Misserfolge gab und anderweitige internationale Herausforderungen lockten, blieben die Schieblers der Stadt Celle treu und waren dabei einer der wichtigsten Arbeitgeber für fast 100 Jahre. 

Flächenmäßig war das Unternehmen der Schiebler-Familie stetig gewachsen und umfasste am Ende weite Teile des nördlichen Celles. Dabei waren es auch die Schiebler, die die Böden kultivierten und später wichtige Reformen (Verkoppelung des Rolandes bei Altenhagen) durchführten. 

Darüber hinaus wurde der Name Schiebler überregional bekannt und stand für Fleiß, Schaffenskraft und Innovation. Letztere betrieben besonders die ersten Schieblers in Celle wie keiner sonst. Die Einführung der neuen Kartoffelsorte "Victoria", der erste Tabakanbau in Norddeutschland und unzählige Entwicklungen neuer Sorten ist ihnen zuzuschreiben. Teilweise existieren diese Sorten sogar noch heute, wie beispielsweise "Schieblers Taubenapfel". 

Als der Adel sich immer weiter aus Celle zurückzog, fiel eine wichtige Grundlage der Landschaftsgärtner weg. Die Anpassung an privathaushaltliche Bedürfnisse gelang nicht in allen Bereichen. Zu diesem Zeitpunkt hatten es die Schiebler jedoch auch selbst schon politisch weit gebracht und waren mit Jakob Friedrich Ludwig Schiebler im Landtag vertreten. 

Trotz aller Bemühungen gelang es nicht den Fortbestand des Betriebes über das Kaiserreich hinaus zu sichern. Nachdem sein Vater, Jakob Friedrich, sein Bruder Heinrich und dessen Frau innerhalb von nur 15 Jahren nacheinander verstarben, setzte Ludwig, als letzter Schiebler alles daran den familiären Betrieb zu retten. Er gilt seit Ende des Ersten Weltkrieges als vermisst. Zuletzt kämpfte er in einer der blutigsten und zehrendsten Schlachtes des Krieges. 

Trotz der Tragik der vorliegenden Familiengeschichte zeichneten sich schon bald positive Verwedungsmöglichkeiten für die ausgedehnten Gärtnereiflächen ab: bei Groß Hehlen und Vorwerk entstand weites und kultiviertes Ackerland. Teile des Betriebes an der Lüneburger Straße wichen zugunsten des AKH, welches nach dem Ersten Weltkrieg expandierte. Andere Flächen dienten zur Errichtung des Celler Friedhofes. 
Was ist geblieben von dem einstigen Celler Vorzeigebetrieb? 

Liest man den Grabvers:



"WER IM GEDÄCHTSNISS 
SEINER LIEBEN LEBT, 
IST JA NICHT TODT, 
ER IST NUR FERN!

TODT NUR IST, WER
VERGESSEN WIRD." 


fragt man sich wie es sein kann. Wie konnte eine so einflussreiche Familie derart schnell aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwinden? 

Heute erinnert nur eine Seitenstraße (Schieblerstraße), hinter dem Stadtfriedhof, an die Familie. Nur in den älteren Geschichtsbüchern (C. Cassel, O. Weltzin) taucht der Name "Schiebler" überhaupt auf. 

Meiner Meinung nach ist dies einer geschichtlich verwurzelten Stadt wie Celle nicht würdig. 

Immerhin sei eines schon jetzt erreicht: die Toten werden nicht vergessen sein. 



Viele Grüße, 

Hendrik



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