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Donnerstag, 8. August 2019

Vater Philipp - ein Arresthaus in Celle


Zwischen dem heutigen Rathaus und dem französischen Garten - also in bester Lage  - stand einst eine Arrestanstalt. Aus dem Stadtbild ist das Gebäude mittlerweile verschwunden. Lediglich alte Karten, Zeichnungen und Fotografien zeigen das ehemalige Militärgefängnis, das den auffälligen Namen "Vater Philipp" trug. 

Als alte Garnisonstadt ist Celle schon seit den Zeiten des Königreichs Hannover bekannt - die lokale Militärgeschichte reicht allerdings noch um weiter in die Geschichte zurück. Bereits in der frühen Neuzeit wurde Celle zu einer sogenannten rondellierten Stadtfestung ausgebaut. Christian der Ältere benannte die Stadt schon in recht früh - in einem am 18. Mai 1625 ergangenen Edikt - als "Festung Zelle". Eine regelmäßige militärische Präsenz war Celle somit seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges gewohnt. 

Für militärische Zwecke schien Celle und seine Umgebung bestens geeignet. So boten die umliegenden Dörfer genügend Kapazitäten für Einquartierungen und eine ausreichende Versorgung der Truppen. Die einst noch vorhandenen Heideflächen eigneten sich zudem hervorragend für die Abhaltung von Manövern und Exerzierübungen

In Folge der Schlacht bei Langensalza fiel das ehemalige Königreich Hannover an Preußen - die machtpolitische Veränderung war von erheblichen Ausschreitungen auf den Straßen  der Stadt Celle begleitet. Im Zuge der Annexion wurde die Stadt zum Quartier und Standort preußischen Militärs sowie unter preußische Verwaltung gestellt. Mit dieser politischen Entwicklung war gleichermaßen die Funktion der Stadt als "Residenz" beendet. 

Mit der allerhöchsten Kabinettsorder (A.K.O.) wurde bereits im September 1866 das 2. Hannoversche Infanterie-Regiment Nr. 77 aufgestellt. Im Deutsch-Französischen Krieg war das Regiment südlich von Saarbrücken eingesetzt, wobei der 6. August 1870 die Feuertaufe mit der Schlacht bei Spichern brachte. Nach Beendigung der Feindseligkeiten am 25. Juli 1871 wurde Celle zur Garnisonstadt für das Regiment.  

Bild: Feldfahnen des Regiments vor den neuen Infanterie-Kaserne in Celle. Quelle: Geschichte des 2. hannoverschen Infanterie-Regiments Nr. 77, Schimmelpfeng, S. 209. 

In Celle waren die Unterbringungsmöglichkeiten zunächst noch unzureichend. Die Truppen wurden daher unter anderem in der Cambridge-Dragoner-Kaserne (heute: CD-Kaserne) und der ehemaligen Burgkaserne untergebracht. 

Der Bau der Großen Infanterie-Kaserne (heute: Neues Rathaus) im Bereich des einstigen Wildgartens erfolgte von 1869 bis 1872. Es folgten das Offizierskasino im Jahr 1876, das Lazarett in 1878 (später: Finanzamt) sowie die Garnisonskirche im Jahr 1902. 

Bild: ehemalige Große Infanteriekaserne (heute: Neues Rathaus), zwischen Kaserne und Offizierskasino (unten im Bild) badend sich das einstige Arresthaus. Quelle: H. Altmann, 2016. 

Die preußischen Truppen waren allgemein für ihren unbedingten Gehorsam und ihre vorbildliche Disziplin bekannt. Was dabei jedoch regelmäßig nicht bedacht wird: die Durchsetzung dieser Tugenden erfolgte stets unter strengen Sanktionen. Gängiges Mittel war seinerzeit der militärische Arrest. Auch in Celle gab es, unmittelbar südlich des Magnusgrabens eine eigene Arrestanstalt für Truppenangehörige. Sie trug den Namen "Vater Philipp" - und fand Eingang in so manches Soldatenlied: 

In Celle an der Aller steht ein großes Haus, 
Drinnen sitzen viele, möchten gerne raus. 
Tust Du sie dann fragen nach des Hauses Namen, 
Rufen sie heraus: 
Vater Philipps Haus. 

Quelle: Die Revolution marschiert, P. Schlichtings handschriftliche Sammlung, 1935. 

Bild: Lage des ehemaligen Arresthauses. Quelle: Katasterkarte, 1925. 

Die Bezeichnung "Vater Philipp" wurde noch viele Jahre später als umgangssprachlicher Ausdruck für Arrestanstalten verwendet. Ihr Ursprung liegt vermutlich bei der Lehr-Escadron-Kaserne in der Lindenstraße 36/36a / Ecke Fellnerstraße in Berlin-Kreuzberg. Wohnhaft war hier der preußische Platzmajor Philipp, ein Militär der alten Schule. Die dortige Arrestanstalt verfügte über 134 Arrestzellen und 10 Gerichtszimmer. 


Die Celler Arrestanstalt wird zwar um einiges kleiner gewesen sein - trotzdem dürfte hier dasselbe Protokoll wie andernorts angewandt worden sein. Der Arrest wurde insbesondere bei unerlaubtem Ausgang, Verspätungen und sonstigen Ausrutschern der Soldaten angesetzt. 

Bild: das ehemaligen Arresthauses. Quelle: Stadtarchiv Celle, StadtA CE F 01 21.03.01. Nr. 0027 (ehemaliges Arresthaus, "Vater Philipp"). 

Der Haupteingang des Arresthauses befand sich auf dessen nördlicher Seite in Richtung Magnusgraben bzw. der heutigen Maulbeerallee. Der Gebäudekomplex der Arrestanstalt setzte sich aus insgesamt drei Bestandteilen zusammen: dem Hauptgebäude, einem Kohlenschuppen sowie einer Asch- und Müllgrube. 


Bild: Ausschnitt aus der Foto-Collage "Zur Erinnerung an meine Dienstzeit, Harder und Söhne, Celle, 1905, Archiv Dr. Haack. 

Südlich an die vollständig eingezäunte Arrestanstalt schlossen sich das alte und das neue Kammergebäude der Kaserne an. In unmittelbarer Nachbarschaft lagen ebenfalls noch das alte Exerzierhaus, das später als Gelände der Offiziersreitbahn diente und die Handwerkstätten. 

Obwohl es sich eigentlich dabei nicht um ein repräsentatives Gebäude der Infanteriekaserne handelte, findet sich das Arresthaus neben dem Hauptgebäude, der einst stattlichen Burgkaserne und dem Offizierskasino als Motiv auf zeitgenössischen Postkarten. 

Bild: Arresthaus "Vater Philipp". Quelle: Postkarte, gelaufen am 15.10.1906 von Celle nach Dahlenburg, Archiv Altmann.  

Detaillierte Quellen zur Nutzung des Arrestgebäudes sind leider nicht mehr vorhanden. Ebenso ist nicht abschließend geklärt, wie lange der "Vater Philipp" in Benutzung war. Offenbar überdauerte die Einrichtung sowohl den Ersten Weltkrieg als auch die Zeit der Weimarer Republik. 


Ein Fotoalbum der in Celle stationierten Nebel-Abteilung 1 zeigt Bilder eines Umzugs mit verkleideten Soldaten. Darunter ist ebenfalls eine Gruppe Soldaten, die sich - offenbar auf Bettlaken - improvisierte Sträflingskleidung geschneidert hat. Vor sich tragen sie einen vergitterten Holzrahmen, mit der Beschriftung "Vater Philipp". Das Bild schein gegen Ende der 30er Jahre aufgenommen worden zu sein. 

Bild: Verkleidete Soldaten "hinter Gittern". Quelle: Fotoalbum, Nebel-Abteilung 1, Archiv Altmann. 

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges zogen britische Streitkräfte der Britischen Rheinarmee (BAOR, "British army of the rhine") auf das Areal der Großen Infateriekaserne, die fortan den Namen "Taunton Barracks" trug. Über die genaue Nutzung der einzelnen Gebäudeteile ist aus dieser Zeit nichts bekannt. 

Das Arresthaus "Vater Philipp" blieb während der britischen Besatzungszeit als Nebengebäude zur Hauptkaserne erhalten. 


Bild: ehemaliges Arrestgebäude 1996 / 1997. Quelle: Archiv Dr. Haack. 

Im Januar 1995 übernahm die Stadt Celle das ca. 12 Hektar große Kasernengelände. In den Vorjahren waren bereits umfangreiche Vorübergegangen angestrengt worden, um insbesondere die ehemalige Große Infanteriekaserne als Neues Rathaus umzugestalten. Im Zuge der Umbaumaßnahmen wurde das alte Arrestgebäude vollständig abgerissen. Lediglich ein Teilstück einer Mauer blieb erhalten und erinnert heute noch an das einstige Gebäude. 



Bild: Mauerteilstück des ehemaligen Arrestgebäudes. Quelle: H. Altmann, 2019. 

Die Backsteine des ehemaligen Arrestgebäudes wurden abtransportiert und fanden teilweise andernorts Wiederverwendung. Einige der Backsteine tragen noch gut lesbare Signaturen der Brennereien bzw. Ziegeleien aus denen die Steine einst geliefert worden waren. 

Bild: Backstein mit Sugnatur "W. Stille". Quelle: H. Altmann, 2019. 

Vor Ort erinnert lediglich das erhalten gebliebene Mauerstück an das einstige Arresthaus "Vater Philipp" - die Aufzeichnungen, Quellen und Literatur schweigen zur Geschichte des Bauwerks jedoch. Weder in den umfassenden Stadtchroniken noch in Aufsätzen finden sich Informationen zu der Arrestanstalt. 

Ein letztes zeitgetreues Überbleibsel des "Vater Philipp" ist im Untergeschoss des Neuen Rathauses zu finden. In einem Seitengang der Eingangshalle - für Besucher zugänglich, von den meisten bisher jedoch vermutlich unbemerkt - steht eine alte hölzerne Zellentür mit massiven Metallbeschlägen. 

Bild: ehemalige Zellentür im Neuen Rathaus. Quelle: H. Altmann, 2019. 

Die alte Zellentür verfügt noch über einen kleinen Sehschlitz sowie über massive Schließriegel. Eine kleine Tafel aus Messing weist auf den historischen Zusammenhang hin.  

Bild: ehemalige Zellentür im Neuen Rathaus. Quelle: H. Altmann, 2019. 

Obgleich sich diese Einrichtung einst mitten in der Stadt befand, dürfte die Geschichte des "Vater Philipp" heute den meisten vollkommen unbekannt sein. Außer alten Postkarten, Fotos oder topografischen Katasterkarten existieren so gut wie keine zeitgenössischen Quellen mehr, die Hinweise auf die ehemalige militärische Arrestanstalt liefern. 

Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, die vorhandenen Informationen zusammenzutragen, damit die Geschichte des "Vater Philipp" in Celle nicht vollständig in Vergessenheit gerät. 

H. Altmann




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