f September 2013 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Freitag, 27. September 2013

Da war doch was...26. September 1386

Da war doch was...


Heute / Gestern vor 627 Jahren...


Fast könnte man meinen, Gestern sei einfach so an Einem vorübergezogen. 
Fast. Aber man kann ja auch noch mal an Gestern zurückdenken. - Und warum dann nicht gleich an Gestern vor 627 Jahren? 

Am 26. September 1380 verzeichnet das erste Gedenkbuch des Rates der Stadt Braunschweig einen Fall vor dem Celler Gericht. An diesem Tag trat Hans Borden(v)we als Kläger gegen Herman van Halberstad auf, da ihm dieser am Zehnt von Börßum (Wolfenbüttel) vier Mark Schaden zugefügt hatte. 

Es muss hinzugefügt werden, dass vier Mark einmal ungeheuer viel Geld waren. Aber wem erzähle ich das heute... 


Im Originaltext lautet es wie folgt: 

Eodema anno, in vigilia Cosme et Damiani, do was Hans Bordeno(v)we vor gerichte to Tzelle unde scuoldegede Hermanse der wedewen van Halber(stad). Hans Rederinghe was Bordenowen vorsprake unde Hans van Hamelen to Tzelle sprack Hermannus word. Aldus ludede de klaghe: Bordenowe scuoldegede Hermanse umme scaden, den he oeme gedan hedde an dem verndel des tegeden to Boersne, dar he vor deme gantzen lande vor deme echten goedinghe mit rechte in ghekomen wereb. Den scaden achte he uppe IIII lodige marck. Hir swovr Hermannus vore.


Um das Ganze in verständliche Worte zu fassen, kann man sagen Hans Borden(v)we, dessen Name einen unglaublichen Hang zur gelebten Lautschrift haben mag, verklagte Herman van Halberstad (Halberstadt). Grund dafür: Herman soll Hans um vier Mark gebracht haben. Dabei scheint es so, als hätten die Beiden - Kläger und Beklagter - jeweils eine Art "Anwalt" gehabt. Diese sogenannten "Vorsprecher" waren Hans Rederinghe und Hans van Hamelen (Hameln). Nähere Hintergründe bleiben leider ungewiss. Was aus Herman wurde steht leider nicht geschrieben. 

Die Überlieferung aus dem Mittelalter beweist zumindest, dass schon einst bürokratische Institutionen genauestens verzeichneten was geschah. Nun - mittlerweile dürfte das Ganze wohl verjährt sein ;) 


Übrigens: 

Das alte Gericht zu Celle befand sich unmittelbar der heutigen B 214 in Höhe von Baker Hughes. Der Straßenname "Galgenberg" deutet noch auf den Ort hin (siehe dazu auch: Found Places: Justiz, Gericht und Vollstreckung zu alter Zeit). 

Ob an dieser Stelle der Prozess stattfand, bzw. ob es überhaupt zu einem solchen kam, teilt uns die Quelle leider nicht weiter mit...


Bild: Gericht zu Celle, an der heutigen B 214. 
Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme 1780. 


Damit sei dem gestrigen Tage genug Aufmerksamkeit geschenkt - bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt: "da war doch was..." 


Viele Grüße, 

Hendrik



Dienstag, 24. September 2013

Der Gutshof Bostel und der Spuk des Junkers


Bostel bei Celle


Es gibt nur noch wenige Orte im Landkreis Celle, die abseits der heutigen Verkehrsachsen liegen und den verschlafenen Dorfcharakter im positiven Sinne erfolgreich verteidigt haben. 

Bostel, rechts der B 191 von Celle kommend, ist so ein Ort. Neben der zweispurigen Straße nach Garßen und der Zufahrt zur besagten Bundesstraße ist das Dörfchen lediglich über einspurige Grüne-Plan-Straßen erreichbar (Link: Wikipedia Bostel). Das war allerdings nicht immer so. 

Bostel - oder einst "Burstall" war vermutlich ein vereinzeltes Gehöft vor Altenhagen, bei Celle. Unweit des Ortes verlief die alte Heeresstraße "Dietweg" -  die spätere Lüneburger Heerstraße. Bostel war zwar immer schon sehr überschaubar, verfügte jedoch über einen adeligen Sitz, welcher durch unglückliche Umstände heute stark in Vergessenheit geraten ist. 

Zumal bei Bostel einst wichtige Gau-Grenzen aufeinander trafen, sind sich die Historiker nicht einig, wie alt der kleine Ort nördlich von Celle wohl sein mag. Fest steht jedoch, dass Bostel einer der ältesten Orte im Landkreis Celle ist. Mehr soll zu dieser Stelle nicht ausgeführt werden. 

An den einstigen adeligen Sitz (Gut) erinnert heute nur noch die Bezeichnung des ortsansässigen Pflegeheims "Gutshof Bostel". 



Bild: Pflege- und Altenheim "Gutshof" Bostel. 
Quelle: http://www.aok-pflegeheimnavigator.de/data/images-nursing/18/image-18602-4-detail.jpg. 


Um das Gut Bostel rankt sich eine Legende, die im Folgenden näher behandelt werden soll. 


Legende vom Junker zu Bostel


"Du sollst Deines Nächsten Grenze nicht verrücken!" Dieses Zitat aus dem fünften Buch Mose ist zugleich der Titel einer weiteren Sage, welche vom Celler Kreis berichtet. Es handelt sich um eine lediglich mündlich überlieferte Erzählung - schriftliche Quellen sind nicht bekannt. Nur die Aufzeichnungen eines Dorfschullehrers aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts berichten über das  Geschehen. 

Der Sage nach lebte im Gutsschloss zu Bostel einst ein Junker (Jung-Herr), der wegen seiner Ungerechtigkeiten und Gewalttätigkeit berüchtigt war. Er scherte sich nicht um Recht und Gesetz und begab sich oft Nachts mit einer Öllampe, Schaufeln und seinem Diener auf die an Bostel angrenzenden Äcker und Felder. 

Auf den Flächen der Bauern angekommen und in stockfinsterer Dunkelheit gruben die Beiden die Grenzsteine aus, um sie zu versetzen. Auf diese Weise eignete sich der Junker einen Streifen Land nach dem anderen an. Ebenso verfuhr er mit den Wäldern der Bauern. 

Die Bauern bemühten sich, dem Treiben Einhalt zu gebieten und klagten den Junker bei Gericht an. Dieser schwor jedoch allen Anschuldigungen ab und erhielt seines Standes Wegen meistens Recht. So verging das Leben des hartherzigen und gewissenlosen Junkers auf seinem Gut in Bostel. Als er schon alt war und sich nicht mehr selbst aus seinem Bett erheben konnte, sah man ihm an, dass der Tod seine Finger nach ihm ausstreckte. 

So kam dann auch der Priester zu ihm. Aber der alte Junker wies ihn schroff ab und empfand keine Reue für die Schuld, die er zeitlebens auf sich geladen hatte. Bald darauf starb er alleine und verbittert auf seinem Gut. Aber seine ungesühnten Ungerechtigkeiten ließen ihn im Grabe keine Ruhe finden. 

Es wird berichtet, dass häufig um die Mitternachtsstunde ein lautes Poltern aus seiner Kammer zu vernehmen war. Angestellte beschrieben ein ängstliches Stöhnen und Ächzen im Herrenhaus - besonders im Sterbezimmer des Junkers. Auf dem Felde wollten einige zur Nachtzeit eine unheimliche Gestalt, die sich ohne Erfolg bemühte, die Grenzsteine herauszuziehen, gesehen haben. Andere Bauern berichteten von einem Geist der im Wald die, zur Grenzziehung verwendeten Erdhügel, löffelweise zu versetzen versuchte. 

Nach vielen Jahren suchte eine verheerende Brandkatastrophe den Ort Bostel heim. Auch das Gutsgebäude brannte ab. Aus den Flammen und der Glut soll unter entsetzlichem Geschrei eine menschliche Gestalt aufgestiegen sein. Seitdem wurde der Geist des Junkers nie wieder gesehen. 


Was steckt dahinter? 


Aus heutiger Sicht wird man schnell dazu neigen diese ominöse Geistergeschichte als Humbug abzutun. Geister und Erscheinungen haben in unserer Zeit nichts mehr verloren. Ist das so? 

Ich finde es faszinierend diesen Dingen mit dem nötigen historischen Respekt zu begegnen und dabei kritisch zu hinterfragen, was die Menschen damals zu der Annahme gebracht haben könnte, dass es dort "spukt". 

Erst einmal muss überprüft werden, ob Bostel wirklich über ein Gut verfügte. Dabei kann unter anderem die Kurhannoversche Landesaufnahme von 1780 helfen. 


Bild: Bostel mit adeligem Sitz.
Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme 1780.


Man erkennt unschwer die Bezeichnung "adelicher Hof v. Post" (Es könnte auch "Gost" oder "Jost" sein!). Etwas seltsam ist die Bezeichnung "adeliger Hof" - denn dies beinhaltet einen Widerspruch in sich. Unter einem Gut stellt man sich einen Landsitz oder zumindest ein besonderes Gebäude vor. Der adelige Hof in Bostel scheint aber nicht dasselbe Gewicht wie die alten Rittergüter innegehabt zu haben - so schreibt zumindest der Stadtchronist C. Cassel.

Das aktuelle Satellitenbild zeigt Bostel rund 235 Jahre später:



Bild: Bostel heute.
Quelle: Google Earth.


Man erkennt ohne Probleme, dass der gesamte nördliche Teil des heutigen Bostel aus Neubauten besteht. Der ursprüngliche Ortskern befindet sich im Süden. Dort finden sich heute massive Eichen, welche sicherlich etwa 300 Jahre alt sein mögen.

In Kombination zur Kurhannoverschen Landesaufnahme stellt sich dies wie folgt dar:

Bild: Bostel.
Quelle: Google Earth, Kurhannoversche Landesaufnahme 1780.


Anhand dieser direkten Vergleichsaufnahme lässt sich das einstige Gut recht präzise verorten. Es lag am heutigen Tränkeweg im Südteil des Dorfes.

Als Nächstes stellt sich die Frage welche Familie dort einst lebte und wann. Diese Information ist erforderlich, um den Wahrheitsgehalt der Sage zu überprüfen. Gab es den besagten Junker wirklich?

Die Ortsfamilienbücher geben keinen konkreten Hinweis auf eine adelige Familie in Bostel. Zwar nennt die Kurhannoversche Landesaufnahme einen Namen (v. Post / Gost / Jost) in Bezug auf das Gut,  jedoch taucht dieser Name nicht in den Kirchenbüchern bzw. Ortsfamilienbüchern auf. Es gab zwar einen von Mandelsloh, der einst einen adeligen Sitz zu Bostel bewohnte. Dieses Gut ist jedoch anderswo belegen - es handelt sich lediglich um ein zweites Bostel. Zumal der Name, nach C. Cassel auf einen einsam gelegenen Bauernhof (Burstall - "Bauern Stall") hindeuten mag, ist es sicher kein Zufall, dass es mehr als ein "Bostel" gibt.

Es lässt sich also nicht zweifelsfrei klären welche Familie einst das Gut Bostel bei Celle bewohnte.

Ein weiterer Tatbestand, der einer Überprüfung würdig ist, stellt der in der Legende erwähnte Brand dar. Im Jahr 1751 (Chronik Garßen) oder im Jahr 1753 (Wikipedia / Landkreis Celle) brannte Bostel vollständig ab. Der Nachbarort Garßen war bereits zwei Mal zuvor durch verheerende Brände verwüstet worden.


Bild: Blick auf den alten Ort Bostel von Süden her.
Quelle: eigenes Bild.


Bild: Bosteler Feldflur im Süden - auf Seite des ehemaligen Gutes. 
Quelle: eigenes Bild. 



Fazit


Eine spannende Legende konnte in diesem Beitrag auf den Prüfstand gestellt werden. Eine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem "Bosteler Spuk" kann nicht gegeben werden. Die einzelnen Komponenten der Sage scheinen recht plausibel: es gab wirklich einst ein Gut in Bostel, es gab einen verheerenden Brand und ein Zusammenhang zu adeligen Familien konnte nicht ausgeschlossen - aber auch nicht bestätigt werden. 

Dementsprechend bleiben aus historischer Sicht einige Fragen offen. Ohne einen konkreten Familiennamen zu kennen ist es kaum möglich weitere Nachforschungen zum Gehalt dieser Legende anzustellen. Der Umstand, dass kein Adelstitel bzw. entsprechender Name in den geschichtlichen Aufzeichnungen erscheint, wirft Fragen auf. Möglicherweise sollte der Name nach dem großen Brand (1751 bzw. 1753) vergessen werden...(?). 

An der Stelle des ehemaligen Gutshofes wurde später das Bostler Pflegeheim errichtet. Die historische Bedeutung ist aus schriftlichen Quellen nicht nachvollziehbar. 

Aus diesen Gründen tue ich mich schwer ein abschließendes Fazit zu ziehen. Möglicherweise lassen sich die fehlenden Puzzlestücke ergänzen. 

Es scheint also fast, als würde in der Legende um das Gut zu Bostel viel Wahres liegen - auch, wenn Geister und Erscheinungen uns heute regelmäßig ungläubig stimmen. Sicherlich wurde die Legende in machen Bereiche ausgeschmückt, um auf Gehör zu stoßen. Es lässt sich jedoch nicht von der Hand weisen, dass mehr dahinter steckt als Aberglaube und Hingespinste. 

Ich schätze es verbirgt sich ein wahrer Hintergrund in dieser Sage. Vielleicht lässt sich dieses Rätsel irgendwann abschließend lösen... 


Viele Grüße, 


Hendrik






Montag, 16. September 2013

Wienhäuser Gutshof - Das "Gourmet & Garden - Missverständnis"


Gut, oder nicht Gut...? 


Der Ort Wienhausen ist gemeinhin als Klosterort bekannt. Niemand würde auch nur im Geringsten auf den absurden Gedanken kommen, die geschichtliche Bedeutung Wienhausens zu hinterfragen. 

In jüngster Vergangenheit wurde Wienhausen regelmäßig zum Veranstaltungsort kreativer Events, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Die Initiatoren setzten dabei auf überregionale Werbung für Veranstaltungen wie "Gourmet & Garden" oder "Blumen & Ambiente". Die historische Kulisse des Klosterortes tut ihr Übriges und lockt zahlreiche Besucher von Nah und Fern nach Wienhausen. Den Angereisten bietet sich eine bunte Abwechslung in unmittelbarer Klosternähe. 

So weit so gut. Und doch geht noch mehr "Gut", denn die Events werden überaus "ausschmückend" angepriesen. Da ist zum Beispiel auf der Website die Rede von: 

"... (dem) Ambiente des historischen Gutshofes Wienhausen vor den Toren Celles ..." 

oder: 

"... dem großen Park des Landgutes Wienhausen ..." 



Bild: Mutmaßlicher Gutshof bzw. das Landgut zu Wienhausen.
Quelle: http://www.aok-pflegeheimnavigator.de/data/images-nursing/18/image-18602-4-detail.jpg.



Missverständnis...


Seiten wie "SchlossRomantik" (Link) und die entsprechenden Deeplinks (Blumen & Ambiente und Gourmet & Garden) gaukeln in Wienhausen die exquisite Atmosphäre eines gutsherrlichen Adelssitzes vor. Völlig fehlgeleitet, denn Wienhausen hat in seiner Vergangenheit nie einen solchen Gutshof besessen. 

Durch glückliche Umstände wurde Wienhausen um ein historisches Gebäude bereichert, welches anderen Ortes abgerissen wurde. Aber: wohne ich in Paris, nur weil ich mir einen Eifelturm in den Garten baue? - Wohl kaum. 

Wo kam das Gebäude, welches heute vielfach als "Wienhäuser Gut" propagiert wird also ursprünglich her? 




Der Beweis...


Zuerst einmal: wo liegt das betreffende Gebäude? Es befindet sich nordöstlich des Zisterzienserklosters auf der linken Seite der Mühlenstraße. 




Bild: Der grüne Pfeil zeigt auf das angebliche Wienhäuser Gutsgebäude. 
Quelle: Google Earth. 


Vergleicht man das aktuelle Satellitenbild mit der Kurhannoverschen Landesaufnahme aus dem Jahr 1780 erkennt man an der Stelle des heutigen "Wienhäuser Landgutes" ... nichts. 



Bild: Wienhausen im Jahr 1780. 
Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme. 


Noch deutlicher wird der Sachverhalt, wenn man die Kurhannoversche Landesaufnahme als Layer in Google Earth verwendet und damit den direkten Vergleich verdeutlichen kann. 




Bild: Wienhausen im Jahr 1780. 
Quelle: Google Earth / Kurhannoversche Landesaufnahme. 



Seltsamerweise ist an der Stelle, an der heute vom "Gutshof Wienhausen" die Rede ist nur ein einfaches Wohnhaus zu sehen. Praktisch nichts - jedenfalls nichts was auf einen gutsherrlichen Sitz schließen ließe. 

Ein weiteres Argument spricht gegen ein Gut in Wienhausen. Der Kupferstecher Caspar Merian fertigte seiner Zeit von vielen adeligen Sitzen, Gütern und Residenzen seine bekannten Stiche an. Auch Wienhausen wurde von ihm dargestellt und abgebildet. Es dürfte sich wohl um eine der ersten bildlichen Ansichten des Dorfes handeln. 



Bild: Wienhausen nach Merian, um 1654. 
Quelle: Wikipedia. 


Warum zeigt der Kupferstich Merians kein Wienhäuser Gut? ...Weil es keins gab. Alle wichtigen Gebäude des Ortes sind abgebildet (Kloster, Kirche, Mühle). 

Stellt sich doch langsam die Frage woher dieses ominöse Guts-Gebäude nun eigentlich kommt....



Herkunft...


Anders als Wienhausen waren die umliegenden Orte schon früh begütert. Als Beleg für die ältesten Güter mag die Karte des Ducatus Luneburgensis (ca. 1600-1650) herangezogen werden. Sie zeigt im Celler Umland u.a. die Ortschaften Celle, Wienhausen, Eicklingen, Langlingen und Oppershausen. 

Eicklingen besaß den Amtshof und war Vogtei-Sitz. Oppershausen und Langlingen wurden wegen ihrer Güter in die Karte aufgenommen. Wienhausen wurde wegen seines Klosters aufgenommen. 


Bild: Ortschaften und Güter im Celler Umland. 
Quelle: Ducatus Luneburgensis (ca. 1600-1650)


Welchen Grund gab es aber das kleine Schwachhausen in die Ansicht aufzunehmen? 

Nun, ganz einfach: auch Schwachhausen (Schwanhusen) besaß einen adeligen Sitz. Und es "besticht" geradezu der Kupferstich Merians, welcher das ehemalige Wasserschloss und spätere Gut zu Schwachhausen abbildet. 


Bild: Gut zu Schwachhausen um 1630. 
Quelle: Wikipedia. 


Das Gut nun detailliert zu beschreiben würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, daher verweise ich gerne auf einen früheren Beitrag explizit zum ehemaligen Rittergut Schwachhausen: Found Places: das alte Rittergut zu Schwachhausen.

Am 5. März 1838 verstarb mit Carl Ludwig Friedrich Schenk zu Winterstedt der letzte Erbe des Schwachhäuser Adels. Das Gut gelangte daraufhin in Besitz des Königs. Nach einer kürzeren Zeit anderweitiger Vergabe erhielten es 17 Schwachhäuser zur Pacht und bewirtschafteten die Gutsflächen über 7 Jahre hinweg. 

Dann schenkte der König es dem Hauptmann von Meding. Dieser verkaufte das Gut an den Ökonom Hoppe aus Wienhausen. "Ökonom" war seiner Zeit eine gängige Bezeichnung für einen Landwirt, der nicht aufgrund einer Erbfolge einen Hof bewirtschaftete, sondern als selbstständiger und meist gelernter Landwirt einen Hof erworben hatte. 

Hoppe veräußerte das Gut an einen Paulsen. Am 25. Februar 1876 kaufte der Jude Sigismund Katzenstein das Gut. Katzenstein teilte den Gutsbesitz auf und veräußerte das Gut in Teilen. Laut mündlichen Überlieferungen wurden die Gutsgebäude in Schwachhausen in der zweiten Hälfte des 19. Jh. abgebrochen und das Baumaterial anderen Ortes verwendet. 

Hoppe aus Wienhausen hatte jedoch vor seinem Verkauf einen Seitenflügel des Gutes abbauen lassen. Dieser wurde Stück für Stück in Wienhausen wieder aufgebaut. 




Fazit. 


Als gebürtiger Schwachhäuser kann ich es nicht hinnehmen, dass man sich anderen Ortes mit Schwachhäuser Federn schmückt. 

Ohne Frage ist Wienhausen ein toller und sehenswerter Ort mit so vielen Geheimnissen, die noch gelüftet werden wollen. Aber hat es Wienhausen wirklich nötig, sich auf Kosten seiner Nachbarorte zu profilieren? Ich denke nicht. 

Wienhausen besaß nie einen Gutshof. Lediglich ein seelenloses Gebäude ohne gutsherrlichen Bezug, das aus Schwachhausen stammte, wurde in Wienhausen neu errichtet. Möglicherweise wissen die Organisatoren der Wienhäuser Events nicht woher ihr angebliches "Wienhäuser Gut" stammt. Stellt sich weiterhin die Frage, ob man nun jeden am Strand errichteten Sandhaufen schadlos "Burg" nennen darf. Sicherlich sind die Tage vorbei, in denen ein Copyright auf den Gutsbegriff bestand. 

Der menschliche und moralische Anstand würde es aber dennoch gebieten, seinen weit-gereisten Gästen ehrlich zu begegnen. Wer Wienhausen nicht kennt, wird durch die irreführende Werbung der Event Consulting and Management GmbH, welche die Veranstaltungen bewirbt, bewusst falsch informiert. Es liegt auf der Hand, dass sich eine wiederaufgebaute Kulisse nicht so gut verkaufen lässt, wie eine echte. Aber Wienhausen hat genug Attraktionen, um Besucher anzulocken. Besucher und Gäste schätzen die Authentizität des Ortes - nicht die künstliche Heraufbeschwörung eines Gutshofes, der anderen Ortes seinen Standort hatte. 


Viele Grüße, 


Hendrik



Donnerstag, 12. September 2013

Die Sage vom Werwolf in Lachendorf...


Der Lachendorfer Werwolf


Einer Sage nach hatte ein Lachendorfer Bauer zwei Knechte, die eines Tages gemeinsam zur Mittagszeit auf der Weide waren. Sie wollten im Schatten eines Baumes Mittagsruhe halten und so kam es, dass einer der beiden fast einschlief.

Im Halbschlaf sah er, wie sich der andere Knecht einen ledernen Gürtel anlegte und sich in einen Werwolf verwandelte. Gleich nach der Verwandlung rannte der Werwolf davon und riss ein junges Fohlen, welches auf der Weide stand. Von dem Tier blieb fast nichts übrig.

Später wachte der andere Knecht unter dem Baum wieder auf und fand den "Werwolfknecht" in menschlicher Gestalt neben sich liegen. Sie taten ihre Arbeit und gingen nach Hause. Auf dem Weg ließ sich der normale Knecht nichts anmerken - sagte aber dennoch zum Werwolfknecht:" ich würde mich nicht am lebendigen Pferde satt essen wollen..."

Der Werwolfknecht entgegnete:" das hättest Du heute Mittag nicht sagen dürfen - dann wäre es Dir übel ergangen..."

Als er bei anderer Gelegenheit wieder seinen Gürtel umlegte und sich in einen Werwolf verwandelte, folgten ihm die anderen Knechte, hetzten die Hunde auf ihn und schlugen ihn tot.

(Originaltext in: Quelle: Will-Erich Peukert: Niedersächsische Sagen II. Göttingen 1968, S.498-499)




Bild: Der Werwolf von Neuss.
Quelle: Wikipedia.


Nur eine Sage...?


Zunächst klingt es sehr weit hergeholt. Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, da war eine ganze Menge Phantasie im Spiel - oder Drogen. Oder beides...

Aber - die Geschichte hat auch viele realitätsnahe Hintergründe. Nördlich von Lachendorf liegt die alte "Wulfsloher Heide" - eine ehemalige Heidelandschaft, die ihren Namen nach den vielen Wölfen bekam, die einst dort lebten. Im und nach dem Dreißigjährigen Krieg, in welcher Zeit sich diese Sage zugetragen haben soll, wird überregional berichtet, dass Wölfe ganze Landstriche bevölkerten. Der Krieg brachte Seuchen und Chaos - niemand beschäftigte sich mit der Wolfsjagd und so breiteten sich die Tiere in dieser Zeit stark aus. Erst später wurden sie in groß angelegten Jagden weitgehend und schließlich ganz ausgerottet. Leider weiß man nicht, wo exakt sich die Geschichte zugetragen haben soll...

Es ist zwar ein Mythos, aber ein verbreiteter: der Gürtel. Angeblich führt ein Gürtel aus Wolfsleder dazu, dass sich der Träger in einen Werwolf verwandeln kann. Es existieren auch noch Varianten, in denen der Werwolf seinen Gürtel von Satan persönlich erhält.

Es ist anzunehmen, dass die Menschen damals wirklich etwas beobachtet haben, oder dass die Geschichte frei erfunden ist.


Fazit


Wie bei den alten Sagen, um Riesen und Zwerge, oder auch bei den neuen Legenden, wie die der "Weißen Frau" ist nicht die wortwörtliche Bedeutung gemeint. Vielmehr geht es darum etwas mitzuteilen. Der tiefere Sinn in einer solchen Sage muss aus heutiger Sicht nicht immer logisch oder greifbar sein.

Ohne einen tieferen Sinn zu suchen, kann man festhalten, dass es sich die Menschen damals oftmals etwas einfach gemacht haben, wenn es um die Ursachenfindung ging.

Heute denkt man nicht mehr an den Werwolf, wenn so etwas passiert:
Wölfe reißen 8 Schafe (CZ vom 11.09.2013) - Oder hat dort etwa jemand den Wolfs-Gürtel angelegt?



Viele Grüße

Hendrik