Bostel bei Celle
Es gibt nur noch wenige Orte im Landkreis Celle, die abseits der heutigen Verkehrsachsen liegen und den verschlafenen Dorfcharakter im positiven Sinne erfolgreich verteidigt haben.
Bostel, rechts der B 191 von Celle kommend, ist so ein Ort. Neben der zweispurigen Straße nach Garßen und der Zufahrt zur besagten Bundesstraße ist das Dörfchen lediglich über einspurige Grüne-Plan-Straßen erreichbar (Link: Wikipedia Bostel). Das war allerdings nicht immer so.
Bostel - oder einst "Burstall" war vermutlich ein vereinzeltes Gehöft vor Altenhagen, bei Celle. Unweit des Ortes verlief die alte Heeresstraße "Dietweg" - die spätere Lüneburger Heerstraße. Bostel war zwar immer schon sehr überschaubar, verfügte jedoch über einen adeligen Sitz, welcher durch unglückliche Umstände heute stark in Vergessenheit geraten ist.
Zumal bei Bostel einst wichtige Gau-Grenzen aufeinander trafen, sind sich die Historiker nicht einig, wie alt der kleine Ort nördlich von Celle wohl sein mag. Fest steht jedoch, dass Bostel einer der ältesten Orte im Landkreis Celle ist. Mehr soll zu dieser Stelle nicht ausgeführt werden.
An den einstigen adeligen Sitz (Gut) erinnert heute nur noch die Bezeichnung des ortsansässigen Pflegeheims "Gutshof Bostel".
Bild: Pflege- und Altenheim "Gutshof" Bostel.
Quelle: http://www.aok-pflegeheimnavigator.de/data/images-nursing/18/image-18602-4-detail.jpg.
Um das Gut Bostel rankt sich eine Legende, die im Folgenden näher behandelt werden soll.
Legende vom Junker zu Bostel
"Du sollst Deines Nächsten Grenze nicht verrücken!" Dieses Zitat aus dem fünften Buch Mose ist zugleich der Titel einer weiteren Sage, welche vom Celler Kreis berichtet. Es handelt sich um eine lediglich mündlich überlieferte Erzählung - schriftliche Quellen sind nicht bekannt. Nur die Aufzeichnungen eines Dorfschullehrers aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts berichten über das Geschehen.
Der Sage nach lebte im Gutsschloss zu Bostel einst ein Junker (Jung-Herr), der wegen seiner Ungerechtigkeiten und Gewalttätigkeit berüchtigt war. Er scherte sich nicht um Recht und Gesetz und begab sich oft Nachts mit einer Öllampe, Schaufeln und seinem Diener auf die an Bostel angrenzenden Äcker und Felder.
Auf den Flächen der Bauern angekommen und in stockfinsterer Dunkelheit gruben die Beiden die Grenzsteine aus, um sie zu versetzen. Auf diese Weise eignete sich der Junker einen Streifen Land nach dem anderen an. Ebenso verfuhr er mit den Wäldern der Bauern.
Die Bauern bemühten sich, dem Treiben Einhalt zu gebieten und klagten den Junker bei Gericht an. Dieser schwor jedoch allen Anschuldigungen ab und erhielt seines Standes Wegen meistens Recht. So verging das Leben des hartherzigen und gewissenlosen Junkers auf seinem Gut in Bostel. Als er schon alt war und sich nicht mehr selbst aus seinem Bett erheben konnte, sah man ihm an, dass der Tod seine Finger nach ihm ausstreckte.
So kam dann auch der Priester zu ihm. Aber der alte Junker wies ihn schroff ab und empfand keine Reue für die Schuld, die er zeitlebens auf sich geladen hatte. Bald darauf starb er alleine und verbittert auf seinem Gut. Aber seine ungesühnten Ungerechtigkeiten ließen ihn im Grabe keine Ruhe finden.
Es wird berichtet, dass häufig um die Mitternachtsstunde ein lautes Poltern aus seiner Kammer zu vernehmen war. Angestellte beschrieben ein ängstliches Stöhnen und Ächzen im Herrenhaus - besonders im Sterbezimmer des Junkers. Auf dem Felde wollten einige zur Nachtzeit eine unheimliche Gestalt, die sich ohne Erfolg bemühte, die Grenzsteine herauszuziehen, gesehen haben. Andere Bauern berichteten von einem Geist der im Wald die, zur Grenzziehung verwendeten Erdhügel, löffelweise zu versetzen versuchte.
Nach vielen Jahren suchte eine verheerende Brandkatastrophe den Ort Bostel heim. Auch das Gutsgebäude brannte ab. Aus den Flammen und der Glut soll unter entsetzlichem Geschrei eine menschliche Gestalt aufgestiegen sein. Seitdem wurde der Geist des Junkers nie wieder gesehen.
Was steckt dahinter?
Aus heutiger Sicht wird man schnell dazu neigen diese ominöse Geistergeschichte als Humbug abzutun. Geister und Erscheinungen haben in unserer Zeit nichts mehr verloren. Ist das so?
Ich finde es faszinierend diesen Dingen mit dem nötigen historischen Respekt zu begegnen und dabei kritisch zu hinterfragen, was die Menschen damals zu der Annahme gebracht haben könnte, dass es dort "spukt".
Erst einmal muss überprüft werden, ob Bostel wirklich über ein Gut verfügte. Dabei kann unter anderem die Kurhannoversche Landesaufnahme von 1780 helfen.
Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme 1780.
Man erkennt unschwer die Bezeichnung "adelicher Hof v. Post" (Es könnte auch "Gost" oder "Jost" sein!). Etwas seltsam ist die Bezeichnung "adeliger Hof" - denn dies beinhaltet einen Widerspruch in sich. Unter einem Gut stellt man sich einen Landsitz oder zumindest ein besonderes Gebäude vor. Der adelige Hof in Bostel scheint aber nicht dasselbe Gewicht wie die alten Rittergüter innegehabt zu haben - so schreibt zumindest der Stadtchronist C. Cassel.
Das aktuelle Satellitenbild zeigt Bostel rund 235 Jahre später:
Bild: Bostel heute.
Quelle: Google Earth.
Man erkennt ohne Probleme, dass der gesamte nördliche Teil des heutigen Bostel aus Neubauten besteht. Der ursprüngliche Ortskern befindet sich im Süden. Dort finden sich heute massive Eichen, welche sicherlich etwa 300 Jahre alt sein mögen.
In Kombination zur Kurhannoverschen Landesaufnahme stellt sich dies wie folgt dar:
Quelle: Google Earth, Kurhannoversche Landesaufnahme 1780.
Anhand dieser direkten Vergleichsaufnahme lässt sich das einstige Gut recht präzise verorten. Es lag am heutigen Tränkeweg im Südteil des Dorfes.
Als Nächstes stellt sich die Frage welche Familie dort einst lebte und wann. Diese Information ist erforderlich, um den Wahrheitsgehalt der Sage zu überprüfen. Gab es den besagten Junker wirklich?
Die Ortsfamilienbücher geben keinen konkreten Hinweis auf eine adelige Familie in Bostel. Zwar nennt die Kurhannoversche Landesaufnahme einen Namen (v. Post / Gost / Jost) in Bezug auf das Gut, jedoch taucht dieser Name nicht in den Kirchenbüchern bzw. Ortsfamilienbüchern auf. Es gab zwar einen von Mandelsloh, der einst einen adeligen Sitz zu Bostel bewohnte. Dieses Gut ist jedoch anderswo belegen - es handelt sich lediglich um ein zweites Bostel. Zumal der Name, nach C. Cassel auf einen einsam gelegenen Bauernhof (Burstall - "Bauern Stall") hindeuten mag, ist es sicher kein Zufall, dass es mehr als ein "Bostel" gibt.
Es lässt sich also nicht zweifelsfrei klären welche Familie einst das Gut Bostel bei Celle bewohnte.
Ein weiterer Tatbestand, der einer Überprüfung würdig ist, stellt der in der Legende erwähnte Brand dar. Im Jahr 1751 (Chronik Garßen) oder im Jahr 1753 (Wikipedia / Landkreis Celle) brannte Bostel vollständig ab. Der Nachbarort Garßen war bereits zwei Mal zuvor durch verheerende Brände verwüstet worden.
Quelle: eigenes Bild.
Bild: Bosteler Feldflur im Süden - auf Seite des ehemaligen Gutes.
Quelle: eigenes Bild.
Fazit
Eine spannende Legende konnte in diesem Beitrag auf den Prüfstand gestellt werden. Eine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem "Bosteler Spuk" kann nicht gegeben werden. Die einzelnen Komponenten der Sage scheinen recht plausibel: es gab wirklich einst ein Gut in Bostel, es gab einen verheerenden Brand und ein Zusammenhang zu adeligen Familien konnte nicht ausgeschlossen - aber auch nicht bestätigt werden.
Dementsprechend bleiben aus historischer Sicht einige Fragen offen. Ohne einen konkreten Familiennamen zu kennen ist es kaum möglich weitere Nachforschungen zum Gehalt dieser Legende anzustellen. Der Umstand, dass kein Adelstitel bzw. entsprechender Name in den geschichtlichen Aufzeichnungen erscheint, wirft Fragen auf. Möglicherweise sollte der Name nach dem großen Brand (1751 bzw. 1753) vergessen werden...(?).
An der Stelle des ehemaligen Gutshofes wurde später das Bostler Pflegeheim errichtet. Die historische Bedeutung ist aus schriftlichen Quellen nicht nachvollziehbar.
Aus diesen Gründen tue ich mich schwer ein abschließendes Fazit zu ziehen. Möglicherweise lassen sich die fehlenden Puzzlestücke ergänzen.
Es scheint also fast, als würde in der Legende um das Gut zu Bostel viel Wahres liegen - auch, wenn Geister und Erscheinungen uns heute regelmäßig ungläubig stimmen. Sicherlich wurde die Legende in machen Bereiche ausgeschmückt, um auf Gehör zu stoßen. Es lässt sich jedoch nicht von der Hand weisen, dass mehr dahinter steckt als Aberglaube und Hingespinste.
Ich schätze es verbirgt sich ein wahrer Hintergrund in dieser Sage. Vielleicht lässt sich dieses Rätsel irgendwann abschließend lösen...
Viele Grüße,
Hendrik
Klasse Arbeit wie immer! Spannend und sehr Interessant
AntwortenLöschenschön das sich jemand die mühe macht. sehr spannend und interessant
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