Gut, oder nicht Gut...?
Der Ort Wienhausen ist gemeinhin als Klosterort bekannt. Niemand würde auch nur im Geringsten auf den absurden Gedanken kommen, die geschichtliche Bedeutung Wienhausens zu hinterfragen.
In jüngster Vergangenheit wurde Wienhausen regelmäßig zum Veranstaltungsort kreativer Events, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Die Initiatoren setzten dabei auf überregionale Werbung für Veranstaltungen wie "Gourmet & Garden" oder "Blumen & Ambiente". Die historische Kulisse des Klosterortes tut ihr Übriges und lockt zahlreiche Besucher von Nah und Fern nach Wienhausen. Den Angereisten bietet sich eine bunte Abwechslung in unmittelbarer Klosternähe.
So weit so gut. Und doch geht noch mehr "Gut", denn die Events werden überaus "ausschmückend" angepriesen. Da ist zum Beispiel auf der Website die Rede von:
"... (dem) Ambiente des historischen Gutshofes Wienhausen vor den Toren Celles ..."
oder:
"... dem großen Park des Landgutes Wienhausen ..."
Bild: Mutmaßlicher Gutshof bzw. das Landgut zu Wienhausen.
Quelle: http://www.aok-pflegeheimnavigator.de/data/images-nursing/18/image-18602-4-detail.jpg.Missverständnis...
Seiten wie "SchlossRomantik" (Link) und die entsprechenden Deeplinks (Blumen & Ambiente und Gourmet & Garden) gaukeln in Wienhausen die exquisite Atmosphäre eines gutsherrlichen Adelssitzes vor. Völlig fehlgeleitet, denn Wienhausen hat in seiner Vergangenheit nie einen solchen Gutshof besessen.
Durch glückliche Umstände wurde Wienhausen um ein historisches Gebäude bereichert, welches anderen Ortes abgerissen wurde. Aber: wohne ich in Paris, nur weil ich mir einen Eifelturm in den Garten baue? - Wohl kaum.
Wo kam das Gebäude, welches heute vielfach als "Wienhäuser Gut" propagiert wird also ursprünglich her?
Der Beweis...
Zuerst einmal: wo liegt das betreffende Gebäude? Es befindet sich nordöstlich des Zisterzienserklosters auf der linken Seite der Mühlenstraße.
Bild: Der grüne Pfeil zeigt auf das angebliche Wienhäuser Gutsgebäude.
Quelle: Google Earth.
Vergleicht man das aktuelle Satellitenbild mit der Kurhannoverschen Landesaufnahme aus dem Jahr 1780 erkennt man an der Stelle des heutigen "Wienhäuser Landgutes" ... nichts.
Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme.
Noch deutlicher wird der Sachverhalt, wenn man die Kurhannoversche Landesaufnahme als Layer in Google Earth verwendet und damit den direkten Vergleich verdeutlichen kann.
Bild: Wienhausen im Jahr 1780.
Quelle: Google Earth / Kurhannoversche Landesaufnahme.
Seltsamerweise ist an der Stelle, an der heute vom "Gutshof Wienhausen" die Rede ist nur ein einfaches Wohnhaus zu sehen. Praktisch nichts - jedenfalls nichts was auf einen gutsherrlichen Sitz schließen ließe.
Ein weiteres Argument spricht gegen ein Gut in Wienhausen. Der Kupferstecher Caspar Merian fertigte seiner Zeit von vielen adeligen Sitzen, Gütern und Residenzen seine bekannten Stiche an. Auch Wienhausen wurde von ihm dargestellt und abgebildet. Es dürfte sich wohl um eine der ersten bildlichen Ansichten des Dorfes handeln.
Bild: Wienhausen nach Merian, um 1654.
Quelle: Wikipedia.
Warum zeigt der Kupferstich Merians kein Wienhäuser Gut? ...Weil es keins gab. Alle wichtigen Gebäude des Ortes sind abgebildet (Kloster, Kirche, Mühle).
Stellt sich doch langsam die Frage woher dieses ominöse Guts-Gebäude nun eigentlich kommt....
Herkunft...
Anders als Wienhausen waren die umliegenden Orte schon früh begütert. Als Beleg für die ältesten Güter mag die Karte des Ducatus Luneburgensis (ca. 1600-1650) herangezogen werden. Sie zeigt im Celler Umland u.a. die Ortschaften Celle, Wienhausen, Eicklingen, Langlingen und Oppershausen.
Eicklingen besaß den Amtshof und war Vogtei-Sitz. Oppershausen und Langlingen wurden wegen ihrer Güter in die Karte aufgenommen. Wienhausen wurde wegen seines Klosters aufgenommen.
Quelle: Ducatus Luneburgensis (ca. 1600-1650)
Welchen Grund gab es aber das kleine Schwachhausen in die Ansicht aufzunehmen?
Nun, ganz einfach: auch Schwachhausen (Schwanhusen) besaß einen adeligen Sitz. Und es "besticht" geradezu der Kupferstich Merians, welcher das ehemalige Wasserschloss und spätere Gut zu Schwachhausen abbildet.
Quelle: Wikipedia.
Das Gut nun detailliert zu beschreiben würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, daher verweise ich gerne auf einen früheren Beitrag explizit zum ehemaligen Rittergut Schwachhausen: Found Places: das alte Rittergut zu Schwachhausen.
Am 5. März 1838 verstarb mit Carl Ludwig Friedrich Schenk zu Winterstedt der letzte Erbe des Schwachhäuser Adels. Das Gut gelangte daraufhin in Besitz des Königs. Nach einer kürzeren Zeit anderweitiger Vergabe erhielten es 17 Schwachhäuser zur Pacht und bewirtschafteten die Gutsflächen über 7 Jahre hinweg.
Dann schenkte der König es dem Hauptmann von Meding. Dieser verkaufte das Gut an den Ökonom Hoppe aus Wienhausen. "Ökonom" war seiner Zeit eine gängige Bezeichnung für einen Landwirt, der nicht aufgrund einer Erbfolge einen Hof bewirtschaftete, sondern als selbstständiger und meist gelernter Landwirt einen Hof erworben hatte.
Hoppe veräußerte das Gut an einen Paulsen. Am 25. Februar 1876 kaufte der Jude Sigismund Katzenstein das Gut. Katzenstein teilte den Gutsbesitz auf und veräußerte das Gut in Teilen. Laut mündlichen Überlieferungen wurden die Gutsgebäude in Schwachhausen in der zweiten Hälfte des 19. Jh. abgebrochen und das Baumaterial anderen Ortes verwendet.
Hoppe aus Wienhausen hatte jedoch vor seinem Verkauf einen Seitenflügel des Gutes abbauen lassen. Dieser wurde Stück für Stück in Wienhausen wieder aufgebaut.
Fazit.
Als gebürtiger Schwachhäuser kann ich es nicht hinnehmen, dass man sich anderen Ortes mit Schwachhäuser Federn schmückt.
Ohne Frage ist Wienhausen ein toller und sehenswerter Ort mit so vielen Geheimnissen, die noch gelüftet werden wollen. Aber hat es Wienhausen wirklich nötig, sich auf Kosten seiner Nachbarorte zu profilieren? Ich denke nicht.
Wienhausen besaß nie einen Gutshof. Lediglich ein seelenloses Gebäude ohne gutsherrlichen Bezug, das aus Schwachhausen stammte, wurde in Wienhausen neu errichtet. Möglicherweise wissen die Organisatoren der Wienhäuser Events nicht woher ihr angebliches "Wienhäuser Gut" stammt. Stellt sich weiterhin die Frage, ob man nun jeden am Strand errichteten Sandhaufen schadlos "Burg" nennen darf. Sicherlich sind die Tage vorbei, in denen ein Copyright auf den Gutsbegriff bestand.
Der menschliche und moralische Anstand würde es aber dennoch gebieten, seinen weit-gereisten Gästen ehrlich zu begegnen. Wer Wienhausen nicht kennt, wird durch die irreführende Werbung der Event Consulting and Management GmbH, welche die Veranstaltungen bewirbt, bewusst falsch informiert. Es liegt auf der Hand, dass sich eine wiederaufgebaute Kulisse nicht so gut verkaufen lässt, wie eine echte. Aber Wienhausen hat genug Attraktionen, um Besucher anzulocken. Besucher und Gäste schätzen die Authentizität des Ortes - nicht die künstliche Heraufbeschwörung eines Gutshofes, der anderen Ortes seinen Standort hatte.
Viele Grüße,
Hendrik
Glänzend, danke!
AntwortenLöschenDietrich Schmidtsdorff, Eicklingen