f Februar 2017 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Freitag, 24. Februar 2017

Der Flugplatz der kaiserlichen Marine bei Scheuen


Am  6. Dezember 1916 waren die Überlegungen einen Marineflugplatz nördlich von Celle zu errichten, bereits weit vorangeschritten. In einem offiziellen Schreiben der kaiserlichen Werft Wilhelmshafen, welches an jenem Nikolaustag im königlichen Landratsamt in Celle einging, werden interessante Details zum geplanten Bauprojekt erwähnt...

Zunächst scheint es ziemlich skurril, dass sich ausgerechnet die kaiserliche Marine für den Bau eines Flugplatzes im Landesinneren interessierte. Dieser Umstand begründet sich letztlich darin, dass die militärische Fliegerei im Ersten Weltkrieg noch eine absolute Innovation war. Somit gab es noch umfangreiche Kontingente der frühen "Luftwaffe" die den bereits existierenden Truppengattungen (See- und Landstreitkräften) zugeordnet waren. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Marineflieger Plätze zu Übungszwecken und zur Stationierung ihrer Flugzeuge benötigten. 

Im Schreiben des Marine-Intendanten Dr. Lehmann vom 06.12.1916 gab dieser an, die kaiserliche Werft benötige zur Anlage eines Flugplatzes eine Fläche von ca. 210 ha in der Nähe von Scheuen. Hierfür, so weit es weiter im Schreiben, käme derjenige Teil des sogenannten Arlohgeländes, der südöstlich des Klosterkammerforstes bei Scheuen und des Weges Scheuen-Jagdhütte-Forsthaus Kohlenbach und im Südosten durch den am Reiherberg vorbeiführenden Weg begrenzt ist. 

Bild: Lage des Flugplatzes nordöstlich von Scheuen, am Arloh. Hinweis: die Karte wurde nachträglich bereits um das spätere Landerziehungsheim ergänzt. Dieses wurde jedoch erst 1925 eröffnet. Quelle: Messtischblatt 1900. 


Von der zum Bau erforderlichen Fläche entfielen damals rund 56 ha auf die Gemarkung Garßens und die restlichen 154 ha auf die Scheuener Gemarkung. Am vorgeschriebenen Ortstermin sollten daher auch die Gemeindevorsteher beider Orte anwesend sein. 

Dabei stand die künftige Nutzung des Geländes offenbar bereits fest. Nach § 3 Abs. 4 Kriegsleistungsgesetz konnten erforderliche Flächen problemlos durch militärische Instanzen übernommen werden. Beim Ortstermin ging es daher wohl vielmehr darum einen möglichst reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Das vorliegende Schreiben lässt in diesem Zusammenhang sofortige Ankaufverhandlungen nicht unerwähnt. 

Bild: Schreiben der kaiserlichen Wert, 5.12.1916. Quelle: Kr. Archiv Celle. 


Die Errichtung des Marineflugplatzes bei Scheuen geschah im dritten Kriegswinter des Ersten Weltkriegs. Am 16. Dezember 1916 sollte die Schlacht bei Verdun enden - ohne den bisherigen Frontverlauf maßgeblich beeinflusst zu haben. Die Landstreitkräfte hatten sich an fast allen Fronten festgefahren. Die bisherigen Bestrebungen einen Sieg mit konventionellen Mitteln zu erreichen waren mehrfach gescheitert. 

Die Marine trat 1916 mit ihren Luftstreitkräften vor allem den Kampf gegen die englische Ostküste an. In koordinierten Operationen mit Seestreitkräften sollte die britische "Grand Fleet" entscheidend getroffen werden. Insgesamt kam es jedoch nur zu kleineren Kämpfen und nicht zur geplanten Offensive. 

Inwiefern die Errichtung des Marineflugplatzes bei Scheuen in diese Gesamtstrategie einzuordnen ist, mag dahingestellt bleiben. 

Einige schöne Bilder aus der Zeit des Marineflugplatzes Scheuen sind hier zu sehen: 

Der Flugplatz war in Südwest-Nordost-Richtung angelegt. An südwestlichen Ende befanden sich die Wirtschaftsgebäude und Unterkunftsbaracken. 

Bild: Lage des Marineflugplatzes. Quelle: Messtischblatt 1900, eigene Eintragungen nach Vorlage Kr. Archiv. 


Die einzelnen Einrichtungen und Anlagen sind nachfolgend entsprechend der Nummerierung aufgelistet: 

 1.  Wache
 2.  KFZ-Garage
 3.  Feuerlösch-Gerätehaus
 4.  Heizung- und Trafoanlage
 5.  Allgemeines Vorratshaus
 6.  Motoren Prüfstände
 7.  Öllager
 8.  Benzinlager
 9.  Munitionslager
10. Doppelhalle
11. Hallen
12. Laderampe
13. Kohlelager
14. Geplante Hallenerweiterungen
15. bis 18. Offiziersbaracken 
19. Wohnräume und Speiseräume 
20. Baracke für Flugschüler
21. bis 24.Mannschaftsbaracken
25. Stabsbaracke
26. Unterrichtsbaracke
27. Speiseräume der Offiziere
28. und 29. Speiseräume der Mannschaften 
30. Kammerbaracke 
31. Lazarettbaracke 
32. Waschbaracke 
33. Exerzierbaracke 
34. Trockenhalle, Wäscherei
35. bis 38. Latrinen 
39. Erweiterungen von Gebäuden

Bild: Lage des Marineflugplatzes. Quelle: Messtischblatt 1900, eigene Eintragungen nach Vorlage Kr. Archiv. 


Mitte der Zwanzigerjahre entstand im Bereich der ehemaligen Flugplatzbaracken das Landerziehungsheim für Kinder aus Berlin. Bereits Anfang der Dreißigerjahre wurde das Heim, welches zuletzt aufgrund von Ausschreitungen in Kritik geraten war, schließen (siehe dazu den Beitrag zum Landerziehungsheim). 

Zwischen 1934 und 1939 entstand schließlich die Heeresmunitionsanstalt Scheuen. Auf dem Gelände wurden dutzende Munitionsbunker errichtet. Zu Tarnzwecken wurden zahlreiche Bäume gepflanzt. Bei Kriegsende kam es zur Sprengung der Produnktions- und Lageranlagen. Später wurde das Gelände von der Bundeswehr genutzt. 

Bild: das Gelände bei Scheuen. Blick auf die ehem. Kasernenanlagen. Quelle: H. Altmann, 2014. 


Heute sind die Spuren des einstigen Marineflugplatzes weitgehend verschwunden, was unter anderem an der intensiven Nachnutzung des Arlohgeländes liegt. Bereits zur Zeit der Heeresmunitionsanstalt Scheuen hatte sich das Areal stark gewandelt. 

Mittlerweile wird ein angrenzender südlicher Bereich des Arloh wieder für die Fliegerei genutzt - allerdings zu zivilen Zwecken. 


H. Altmann




Dienstag, 21. Februar 2017

Der geheime Scheinflugplatz bei Bokel



Im Dreieck zwischen Celle, Uelzen und Gifhorn gab es bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zahlreiche deutsche Rüstungseinrichtungen. Insbesondere die Luftwaffe nutzte die großen Freiflächen der Heidegebiete, da diese günstig und unkompliziert erworben werden konnten. Arbeitskräfte standen in großer Zahl zur Verfügung, da in etlichen Lagern Fremdarbeiter und Militärinternierte zum Arbeitseinsatz herangezogen werden konnten. 

Neben den großen Flugplätzen in Wesendorf, Dedelstorf und Wietzenbruch gab es viele Ausweich- und Abstellflächen. Die zunehmende Bedrohung aus der Luft machte darüber hinaus aber auch noch andere Anlagen erforderlich. Bei Wilsche war zur Ablenkung feindlicher Bomberverbände ein sogenannter Scheinflughafen errichtet worden. Aus Holz wurden dort Attrappen von Hangar-Gebäuden und anderen Einrichtungen aufgestellt. Quellen und Aufzeichnungen findet man über diese, bereits früher sehr geheimen Anlagen, heute kaum noch. Zeit- und Augenzeugen gibt es fast keine mehr, denn die Zivilbevölkerung bekam meist erst ach Kriegsende mit worum es sich bei den Anlagen handelte. 

Vieles spricht dafür, dass nicht nur der Fliegerhorst Wesendorf einen Scheinflughafen hatte, sondern dass auch der Fliegerhorst Dedelstorf einen solchen besaß. Zumindest findet sich beim wenige Kilometer nördlich gelegenen Ort Bokel ein entsprechender "Flugplatz". 

Bild: Bokel und der mutmaßliche Flugplatz. Quelle: Google Earth, War Office Map 1951. 


Die Karte des britischen War Office aus dem Jahr 1951 basiert auf den historischen preußischen / deutschen Messtischblättern. Diese Kartengrundlage wurde im Zweiten Weltkrieg von den Ingenieuren der alliierten Luftaufklärung um Orte und Gebäude ergänzt, die auf Luftbildern erkannt worden waren. Und so findet sich unmittelbar nordöstlich des Ortes Bokel der Hinweis auf ein "Airfield" - also einen Flugplatz. 

In der Karte sind ebenfalls ein Landekreuz und einige Gebäude sowie Zufahrtswege verzeichnet. Allerdings werfen bereits die mickrigen Ausmaße des Flugfeldes Fragen auf - kann es sich hierbei tatsächlich um einen einsatzbereiten Flughafen der deutschen Luftwaffe während des Krieges gehandelt haben? 

Bild: Flugplatz bei Bokel. Quelle: Google Earth, War Office Map 1951. 


Vor Ort ist es heute schwierig noch erkennbare Spuren des einstigen Flugplatzes zu finden. Eigentlich sieht alles recht idyllisch aus. Darüber hinaus scheint die Gegend für einen Flugplatz viel zu hügelig und uneben zu sein. 

Trotzdem lassen sich einige Reste der damaligen Anlagen finden, wenn man sich an die oben bezeichnete Karte hält. So fällt insbesondere die betonierte Zufahrtsstraße auf. Diese Bauweise war typisch für die Flugfelder in damaliger Zeit und wurde unter anderem auch auf dem Einsatzhafen Hustedt verwendet. 

Bild: Reste der Zufahrtsstraße und Rollbahn. Quelle: H. Altmann. 


Zur Linken eröffnet sich relativ bald eine weite ebene Fläche. Der historischen Karte nach lag in diesem Bereich einst das Landekreuz des Flugplatzes. Hiervon ist heute aber nichts mehr zu erkennen. Unklar ist somit die stark befestigt die Lande- und Startbahnen waren. 

Bild: ehem. Flugfeld. Quelle: H. Altmann. 


Unmittelbar stellt sich die Frage wo die Flugzeuge abgestellt wurden, die hier hätten starten sollen. Es war nich unüblich die Maschinen in dreieckigen Einschnitten abzustellen, die in die Waldränder geschlagen wurden. So wurde unter anderem auch auf den Abstellflächen bei Zahrenholz verfahren. Trotzdem hätte es bei einem langfristig geplanten Flugfeld entsprechende Infrastruktur und Gebäude gegeben. Man hätte kein aufwändiges Landekreuz in die Landschaft gebaut ohne entsprechende Abstellmöglichkeiten zu errichten. Quasi ein Widerspruch in sich. 

Auch die Anzahl der in der Karte eingetragenen Gebäude passt nicht zu einem richtigen Flugplatz. Ein solcher hätte Lagerplatze, Unterkünfte, Treibstoffanlagen etc. erfordert. Es scheint somit schwer vorstellbar, dass 5-6 kleine Gebäude, die der Karte nach sehr wahrscheinlich nur Baracken waren, zum Betrieb eines einsatzfähigen Flugplatzes ausgereicht haben. 

Es spricht also einiges dafür, dass es sich nicht um ein richtiges Flugfeld, sondern nur um einen angetäuschten Platz handelt. Diese sogenannten Scheinflughäfen sollten feindlicher Bomber auf eine falsche Fährte locken. Sie waren so angelegt, dass sie von den alliierten Aufklärern entdeckt werden sollten. Gelegentlich wurden sie auch nachts beleuchtet. 

Möglicherweise ist diese Taktik beim Scheinflugplatz bei Bokel aufgegangen. Im angrenzenden Wald finden sich zahlreiche Einschlagskrater, die augenscheinlich von Fliegerbomben stammen. 

Bild: Bombenkrater im Wald. Quelle: H. Altmann. 


Leider sind sowohl über den Flugplatz als auch seine mögliche Bombardierung kaum Informationen verfügbar. Auch die lokalen Chroniken sind hinsichtlich dieser Zusammenhänge nicht stichhaltig. Es bleiben somit bisher nur die noch erkennbaren Spuren, um auf die historischen Gegebenheiten zu schlussfolgern. 

Auch im Zusammenhang zum Standort Dedelstorf gibt es leider keine Hinweise darauf, dass bei Bokel ein offizieller Scheinflugplatz existiert hat. 

Bild: Bombenkrater im Wald. Quelle: H. Altmann. 


Interessant ist warum im britischen Kartenmaterial der Hinweis auf einen Flugplatz gegeben wird. Für gewöhnlich geschah so etwas nur dann, wenn vor Ort tatsächlich Start- und Landemöglichkeiten vorhanden waren. 

Insgesamt lässt sich festhalten, dass so einiges an der Geschichte des einstigen (Schein-)Flugplatzes bei Bokel im Dunkeln liegt. Möglicherweise können in Zukunft neue Erkenntnisse gewonnen werden. Aufgrund der schwierigen und dünnen Quellenlage lässt sich insofern nach heutigem Stand leider nur feststellen, dass es hier einst einen möglichen Flugplatz gegeben hat. Die noch vorhandenen Relikte und Hinweise begründen den Verdacht, dass es sich um einen Scheinflughafen zur Deckung des Fliegerhorsts bei Dedelstorf gehandelt haben kann. 

Über weitere Hinweise freue ich mich immer: found-places@live.de 


Hendrik


Montag, 6. Februar 2017

Der geheimnisvolle Königsplatz bei Lachtehausen



Unmittelbar hinter Lachtehausen befindet sich zur Linken ein Parkplatz. Folgt man dem dort beginnenden Forstweg einige hundert Meter in das Waldgebiet der "Sprache" so erreicht man nach wenigen hundert Metern einen Abzweig - ebenfalls zur Linken. Dieser von alten Eichen gesäumte Weg führt in Richtung der Lachte. An seinem Ende befindet sich - gut versteckt - der sogenannte "Königsplatz"... 

Bis heute ist nicht geklärt woher dieser Ort seinen Namen hat. Auch die Frage, wie lange die Bezeichnung "Königsplatz" bereits verwendet wird, ist bislang nicht geklärt. Offenbar liegt die Entstehung des Namens zumindest so weit in der Vergangenheit, dass ihr Ursprung nicht mehr eindeutig zu ermitteln ist. Es gibt hierzu verschiedene Theorien. 

Zuerst taucht der Name in der Preußischen Landesaufnahme von 1900 auf. 

Bild: Kartenausschnitt - Königsplatz in der Sprache. Quelle: Preußisches Messtischblatt 1900. 

Der Legende nach waren Herzog Georg Wilhelm, sein Neffe Georg Ludwig und der englische König Wilhelm III. im Jahr 1698 auf der Jagd und sollen dabei die englisch Thronfolge besprochen haben. Georg Ludwig wurde tatsächlich im Jahr 1714 als Georg I. den englischen Thron. Insofern könnte der Königsplatz eben auf jene denkwürdige Stelle verweisen an der die bedeutsame Unterredung stattgefunden haben könnte. Die Sprache war schon von alters her ein herrschaftliches Waldgebiet und wird beispielsweise in der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1780 als "königlich" bezeichnet. Es stellt sich in diesem Zusammenhang allerdings die Frage warum auf der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1780 noch kein Königsplatz verzeichnet war. 

Bild: Weg in Richtung des Königsplatzes in der Sprache. Quelle: H. Altmann. 

Ohnehin gibt die Anlage des Königsplatzes Rätsel auf. Die alte Straße zwischen Lachendorf und Lachtehausen verlief früher in einem Bogen nördlich der heutigen Landstraße. Allerdings befindet sich der Königsplatz noch ein ganzes Stück nördlich der alten Straßenverbindung. Möglicherweise handelte es sich also tatsächlich um den Standort einer alten Jagdhütte oder dergleichen. In ihrer Zeit als Residenzstadt der Herzöge waren adelige Jagdgesellschaften zumindest nichts ungewöhnliches und der Königsplatz scheint als Jagdplatz durchaus plausibel. 

Bild: Königsplatz in der Sprache. Quelle: Preußisches Messtischblatt 1900, Google Earth. 

Eindeutige Beweise für ein so hohes Alter des Königsplatzes finden sich keine. Hinzu kommt noch eine weitere Überlegung. So schrieb der Celler Stadtchronist Clemens Cassel in seiner Chronik der Stadt Celle, dass eine Celler Bürgervereinigung gegen Ende des 19. Jahrhunderts Wege und Ruhesitze in der Sprache errichten ließ. 

Am 9. November 1875 traten etwa 100 Einwohner der Altstadt zur Bildung eines Bürgervereins zusammen. Ihr Ziel war es städtische Angelegenheiten und gemeinnützige Bestrebungen jeder Art zu fördern. Am Anfang bestand dieser Verein überwiegend aus Kaufleuten und Handwerkern und wollte Änderungen hinsichtlich der Gewerbeordnung erwirken. Verschiedene andere Stadtteile folgten diesem Beispiel, sodass es es bis 1886 auch in der Hehlentorvorstadt, der Altencellervorstadt, und in Neuenhäusen entsprechende Vereinigungen gab. Die Ziele waren dabei zumeist unterschiedlicher Art. Auf Bestreben des altstädtischen Bürgervereins wurde beispielsweise ein "Verein gegen die Hausbettelei" ins Leben gerufen, der allerdings nach Kurzem wieder von der Bildfläche verschwand. 

Andere Themen wurden offenbar nachhaltiger verfolgt. Insbesondere wirkte seit 1888 eine im altstädtischen Bürgerverein gebildete "Verschönerungskommission" weiter. Sie ließ in der Sprache, bei Klein Hehlen und im Neustädter Holz Spazierwege mit Ruhesitzen anlegen. 

Bild: Königsplatz in der Sprache. Quelle: Postkarte um 1900. 

Derartige Vereinigungen wären gegen Ende des 19. Jahrhunderts keine Seltenheit. In vielen großen deutschen Städten entstanden solche Vereine, in der Absicht stadtnahe Erholungsgebiete, Parks, begehbare Wallanlagen und Waldgebiete zu schaffen bzw. umzugestalten, mit Ruhebänken, eingefassten Quellen, schattigen Alleen und dergleichen zu versehen. Es wurden je nach Ort unterschiedlichste Projekte umgesetzt. Meist gehörten die Mitglieder dieser Vereine der bürgerlichen Schicht an. Im Ergebnis sollten die umgesetzten Projekte sowohl den eigenen Freizeitbedürfnissen dienen, als auch einer Steigerung der Standorte hinsichtlich der Attraktivität für den Fremdenverkehr. 

Vor diesem Hintergrund scheint es naheliegend, dass der Königsplatz ein künstlich geschaffener Erholungsort ganz im Zeitgeist des ausklingenden 19. Jahrhunderts gewesen sein könnte. Seinerzeit gehörte es durchaus dazu den Orten historisch bedeutsame Namen zu geben. 

Bislang unbelegte Hinweise deuten darauf hin, dass der Königsplatz durch Schützengesellschaften im Zuge örtlicher Schützenfeste aufgesucht wurde. Für die regionale Tradition der Schützenfeste erscheint es ungewöhnlich einen Platz so weit außerhalb des Ortes aufzusuchen. Quellen für oder gegen diese Annahme liegen leider bislang nicht vor. 

Heute liegt der Königsplatz recht vergessen und verlassen dar. Trotz seiner Nähe zur Landstraße ist er ziemlich abgeschieden...

Bild: Königsplatz in der Sprache. Quelle: H. Altmann. 

Die einst stolzen Eichen wurden von den umstehenden und schnellwachsenden Nadelhölzern überholt und vom Sonnenlicht abgeschnitten. Daher sind einige der damals wohl mächtigen Bäume mittlerweile morsch. Märchenhaft gruselig und moosbewachsen ranken sich die Äste der alten Eichen in die Mitte des Königsplatzes, wo zumindest noch etwas Licht zu erhaschen ist. 

Bild: Königsplatz in der Sprache. Quelle: H. Altmann. 

Verlassen und alleine steht auch die alte Hütte. Es ist zwar nicht mehr die originale Konstruktion, aber offenbar wurde sie an derselben Stelle errichtet an der bereits zuvor ein überdachter Pavillon gestanden hat. 

Bild: Königsplatz in der Sprache. Quelle: H. Altmann. 

Die Wände der Holzhütte sind übersät mit eingeritzten Namen. Scheinbar verirren sich doch ab und zu noch Leute zum Königsplatz. 

Insgesamt stellt sich die ganze Szene und der Königsplatz recht trostlos dar. Hier hat man nicht das Gefühl in der Nähe der Zivilisation zu sein - vielmehr stellt an sich unmittelbar die Frage welche Geschichten sich dort wohl bereits zugetragen haben mögen. Waren hier tatsächlich einst adelige Jagdgesellschaften unterwegs? 

Bild: Hütte am Königsplatz in der Sprache. Quelle: H. Altmann. 

Selbst, wenn dies nicht der Fall sein sollte, hat der Königsplatz noch immer eine besondere Atmosphäre. Ganz ohne Frage wirft dieser Ort auch weiterhin Rätsel auf. 

Die Anlage des Platzes und die Stärke der umstehenden Eichen deutet zumindest darauf, dass der Platz in seiner jetzigen Erscheinung erst um 1900 oder kurz zuvor angelegt worden sein dürfte. Das heißt aber natürlich nicht, dass der Name des Platzes nicht schon wesentlich älter sein kann. 

Bild: Alte Eiche am Königsplatz in der Sprache. Quelle: H. Altmann. 

Insgesamt ist der Königsplatz bei Lachtehausen ein besonderer Ort, der auf jeden Fall eine spannende Geschichte vermittelt. Leider weisen keinerlei Schilder auf die Existenz dieses mysteriösen Platzes hin. Möglicherweise hatte dieser Umstand bislang aber auch etwas Gutes - auf diese Weise konnte der Königsplatz seine Geheimnisse bis heute gut versteckt bewahren... 

H. Altmann

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Quellen: 

- Clemens Cassel, Geschichte der Stadt Celle, Celle 1934. 
- Annette Schneider, Rolf Wilhelm Brednich, Natur - Kultur. 


Sonntag, 5. Februar 2017

Führung am 05.02.2017: Die SS und das Konzentrationslager Bergen Belsen

Gedenkstätte Bergen Belsen. Am 05.02.2017 fand im Dokumentationszentrum der Gedenkstätte eine Führung zu thematisch ausgewählten Aspekten des einstigen Konzentrationslagers statt. Rund 25 Teilnehmer waren dem kostenlosen Angebot gefolgt und ließen sich von deren Leiter, Dr. Thomas Rahe, durch die Dauerausstellung führen. Dr. Rahe erläuterte den Alltag im sogenannten "Austauschlager" anschaulich anhand der Exponate der Ausstellung. 

Das KZ Bergen Belsen hatte im Lagersystem des Dritten Reiches eine Sonderstellung. Von Beginn an war es nicht als Vernichtungslager konzipiert und verfügte demzufolge auch nicht über entsprechende Krematorien, wie Dr. Rahe berichtete. Vielmehr war das Lager dazu bestimmt, ausschließlich jüdische Häftlinge gegen deutsche Staatsbürger "einzutauschen". Allerdings erlangten nur rund 2.400 jüdische Häftlinge auf diesem Weg in die Freiheit - das Austauschlager umfasste insgesamt rund 14.500 Häftlinge. Viele der verbliebenen wurden erst am 15. April 1945 durch die britischen Truppen befreit oder noch auf sogenannte "Todesmärsche" geschickt. Für die meisten hat sich die Hoffnung auf einen Austausch nicht erfüllt, schlussfolgerte Dr. Rahe. 

Bild: Führung am 05.02.2017. Quelle: H. Altmann. 


Die Dauerausstellung hält beeindruckende historische Quellen bereit. Unter anderem finden sich hier etwa 30 erhalten gebliebene Tagebücher von einstigen KZ-Häftlingen, die sehr detailliert vom damaligen Lageralltag berichten. Damit verfügt das Dokumentationszentrum in Bergen Belsen über die größte Sammlung von Tagebüchern im Vergleich zu einstigen Konzentrationslagern. 

Es sind insbesondere die routinemäßigen Abläufe, die den Besuchern die Beklommenheit der einstigen Lageratmosphäre verdeutlichen. Das KZ funktionierte einst wie eine Behörde, erläuterte Rahe hierzu. 

Bild: Führung am 05.02.2017. Quelle: H. Altmann. 


In der Endphase des Zweiten Weltkrieges wurde das KZ Bergen Belsen zum Ziel etlicher Transporte aus anderen Lagern. Nun konnte niemand mehr sagen er habe von den Ereignissen nichts gewusst, so Dr. Rahe mit Hinblick darauf, dass die einstigen Transporte und Märsche oftmals tagsüber durch bewohntes Gebiet erfolgten. 

Als vorletzte Station wurden den Teilnehmern Fotografien der britischen und amerikanischen Truppen - aufgenommen am 15. / 16. April 1945 gezeigt und die Hintergründe erläutert. Bei vielen der Schwarzweißaufnahmen handelte es sich um Beweisfotos, die in den späteren Gerichtsprozessen verwendet wurden. Die Bilder verdeutlichen das Ausmaß des Grauens. Da es an entsprechenden Krematorien mangelte, versuchte die SS kurz vor der Übergabe des KZ, die Leichen von tausenden Häftlingen auf Scheiterhaufen zu verbrennen. Dies misslang jedoch und die Leichen konnten nur noch in behelfsmäßig ausgehobene Gruben geworfen werden. Den britischen Truppen, die am 15. April 1945 in Bergen-Belsen eintrafen, boten sich unfassbare Zustände im Lager. 

Bild: Führung am 05.02.2017. Quelle: H. Altmann. 


Die Führung endete mit den sogenannten "Belsen Trials", also den Prozessen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Konzentrationslager Bergen Belsen. Diese fanden bereits weit vor den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen statt und gehören daher zu den ersten gerichtlichen Prozessen gegen Täter des Holocaust. Zahlreiche Täter und (Mit-)Verantwortliche konnten sich jedoch kurz vor Einmarsch der Alliierten absetzen und sind somit jedweder gerichtlichen Verurteilung entgangen. 


H. Altmann