f März 2017 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Mittwoch, 29. März 2017

Pferderennen in Celle



Es ist wohl kein Geheimnis, dass Celle auf eine lange Geschichte der Reiterei zurückblickt. Das Niedersächsische Landgestüt in Celle existiert bereits seit 1735. Über die Zucht edler Pferderassen hinaus verfügte Celle einst noch über weitere Einrichtungen bei denen Pferde im Mittelpunkt standen. Zu diesen zählten im 19. Jahrhundert auch zwei Pferde-Rennbahnen, die heute allerdings bereits stark in Vergessenheit geraten sind... 

Am 11.09.1834 fand das erste Pferderennen in Celle statt. Es wurde auf den Wiesen an der Aller in Höhe von klein Hehlen veranstaltet und dauerte drei Tage. Die Geschichte der Celler Pferderennen fällt mit den Gebrüdern von Spröcken zusammen. Die Freiherren von Spröcken waren nacheinander Leiter des Landgestüts (Landstallmeister). Freiherr August Otto Ludwig von Spröcken, geboren 1777 (+ 18.07.1851, Lüdersberg) leitete das Landgestüt zwischen 1816 und 1839. Sein Bruder Friedrich, geboren 1790 (+ 1871, Celle) leitete dasselbe nachfolgend bis 1866.  

Der "Plan der Stadt Celle" aus dem Jahr 1855 zeigt die Rennbahn unmittelbar südlich des Kaninchenbusches bei Klein Hehlen. In der Karte ist bereits eine Tribüne eingezeichnet. 

Bild: Lage der Rennbahn bei Klein Hehlen. Quelle: Google Earth, Plan der Stadt Celle 1855. 

Die Brüder von Spröcken waren die Initiatoren der heller Pferderennen. Diese erlangten aufgrund des überregionalen Rufs der Celler Pferdezucht schnell Beliebtheit. Bereits am ersten Renntag erschien der Vizekönig Adolph Herzog von Cambridge, nebst Gemahlin. 

Rund 12.000 auswärtige Besucher waren angereist. Eine große überdachte Tribüne für etwa 1.800 Zuschauer war in Blickrichtung auf die Rennstrecke errichtet worden. Jährlich wurden im Herbst große Pferderennen veranstaltet, die sich in den ersten Jahren großer Beliebtheit erfreuten. 

Noch heute heißt die nördlich der ehemaligen Rennstrecke bei Klein Hehlen verlaufende Straße "Tribünenbusch". 



Bild: Straße Tribünenbusch bei Klein Hehlen. Quelle: H. Altmann. 

Die letzten Rennen wurden 1859 im Neustädter Holz abgehalten. Südlich von Boyer, unterhalb der Aller - etwa in Höhe der alten Schäferei - fand das letzte Rennen statt. Verschiedene Einflüsse hatten dazu geführt, dass die Besucherzahlen nachließen. Mitverantwortlich waren u.a. aufkommende Glücksspiele. Auch der Niedergang des Königreichs Hannover durch die Annexion Preußens im Jahr 1866 war ein Grund für die Einstellung der Pferderennen. 



Bild: Rennbahn nordwestlich der alten Schäferei. Quelle: Google Earth, Papen Atlas, 1839. 

Von den einstigen Anlagen ist heute freilich nichts mehr zu finden. Die Parcours sind längste verschwunden - die alte Holztribüne bei Klein Hehlen gehört der Geschichte an. Die nach ihr benannte Straße verläuft übrigens zu weit östlich Eigentlich lag die alte Tribüne weiter westlich im Verlauf der heutigen Schubertstraße. 


Bild: Straße Tribünenbusch bei Klein Hehlen. Quelle: H. Altmann. 

Ungefähr dort, wo sich auch heute noch ein kleiner Kiefernbusch befindet, stand einst die Tribüne, die der heutigen Straße den Namen gab. Die übrigen Anlagen wurden durch die späteren baulichen Maßnahmen im Bereich des Flusslaufes, die u.a. dem Hochwasserschutz dienen sollten, entfernt. Heute erinnert somit nur noch der Straßenname an die alte Tribune der Celler Pferderennen. 

Bild: Straße Tribünenbusch bei Klein Hehlen. Quelle: H. Altmann. 

Gelegentlich kommt es zu Verwechslungen, wenn Leute annehmen der Name "Tribünenbusch" würde auf die heutigen Sportplätze in Richtung der Alleebrücke hindeuten. 

Die heutigen Sportanlagen befanden sich jedoch noch hunderte Meter von der einstigen Pferderennbahn entfernt. Möglicherweise wurde die Länge der Straße "Tribünenbusch" in diesem Zusammenhang etwas unglücklich gewählt... 



Bild: Blick in Richtung der heutigen Sportanlagen (Richtung Allerbrücke). Quelle: H. Altmann. 

Insgesamt ist die Straße "Tribünenbusch" ein gutes Beispiel dafür, wie sehr die Geschichte direkt vor unserer Haustür in Vergessenheit geraten ist. Kaum jemand weiß noch etwas über die Pferderennen von Celle. Dabei gehörten sie für die Stadt im 18. und 19. Jahrhundert zu den wichtigsten gesellschaftlichen Großereignissen überhaupt. 

Blicken wir zurück auf die Entwicklung unserer Stadt, so standen die Pferderennen einheitlich in der einmaligen Tradition der Celler Pferdezucht. Eigentlich ist es schade, dass diese Zusammenhänge derart in Vergessenheit geraten konnten. 


H. Altmann



Mittwoch, 22. März 2017

Weiße Geister an der Straße von Celle nach Rebberlah


Im Raum Celle gibt es einige düstere Sagen und Legenden. Bei manchen dieser Geschichten ist bis heute nicht abschließend geklärt, ob es frei erfundene Märchen sind, oder ob es sich um Erzählungen aus alten Zeiten handelt, deren Ursprung längst vergessen ist. 

Zur Heimatforschung gehört es nicht nur die faktisch greifbaren Zusammenhänge zu betrachten. Auf diese Weise wäre langfristig kein Erkenntnisgewinn zu verbuchen. Vielmehr ist es ebenso notwendig Sagen und Legenden zu untersuchen. So manche Geschichte beinhaltet Hintergründe, die sich an einstige Geschehnisse anlehnen. Der nachfolgende Beitrag widmet sich daher einer Legende aus dem nördlichen Landkreis, die bisher vielen unbekannt sein dürfte. 

Bereits vor einiger Zeit habe ich in diesem Blog über die Legende vom "weißen Kind bei Scheuen" berichtet. Die mündlich überlieferte Sage berichtet von einem Gespenst in Gestalt eines Kindes. Der Sage nach, gingen eingespannte Pferde in einem Bereich bei Scheuen durch. Bauern haben das weiße Kind angeblich gesehen. 

Die Legende wurde schriftlich festgehalten in der Sammlung von H. Harrys, Volksagen, Märchen und Legenden Niedersachsens, Bd. 1, Celle 1840. 

Bilder: Legende vom weißen Kind bei Scheuen. Quelle: H. Harrys, Volksagen, Märchen und Legenden Niedersachsens, Bd. 1, Celle 1840. 

Die Legende vom "weißen Kind bei Scheuen" ist inhaltlich recht einfach gehalten. Daher lassen sich auch leider kaum Rückschlüsse auf den möglichen Ort des Geschehens ziehen. Dieser lässt sich anhand der Sage nur auf eine "morastige Wiese" bei Scheuen eingrenzen. 

Im Bereich des Ortes Scheuen finden sich jedoch zahlreiche Stellen, die auf diese Beschreibung zutreffen. "Morastig" waren einst viele Wiesen und Gegenden. Hieraus lassen sich also kaum Rückschlüsse ziehen. 

Umso spannender ist es, dass kürzlich eine ähnliche Legende aufgetaucht ist, die im selben räumlichen Gebiet angesiedelt ist. Ein Zufall? Dies soll nachfolgend untersucht werden. 

Die Sage von der "Spukkuhle auf dem Arloh" lautet folgendermaßen: 

Auf dem Arloh, rechts am Wege von Celle nach Rebberlah, befindet sich eine Bodenvertiefung, Spukkuhle genannt. Während des Dreißigjährigen Krieges soll hier ein Reiter seine Braut und deren Kind ermordet haben. Viele behaupten, hier einen Reiter zu Pferde, auch ein Mädchen mit einem weinenden Kinde auf den Armen gesehen zu haben. Den Fuhrleuten sind häufig an dieser Stelle die Pferde wild geworden. 

Bilder: Legende vom weißen Kind bei Scheuen. Quelle: Cellesche Zeitung, Januar 1930

Es ist beeindruckend eine derart ähnliche Geschichte in ein- und derselben Gegend anzutreffen. Die Gemeinsamkeiten der Legenden sind offensichtlich. In beiden spielt ein Kind eine maßgebliche Rolle. Aus dem Umstand, dass in beiden Versionen Pferde scheu wurden lässt sich schließen, dass die Legenden aus derselben Zeit stammen könnten. 

In der letzteren Legende "die Spukkuhle auf dem Arloh" findet sich der Hinweis auf sogenannte Fuhrleute. Die Zeit der Fuhrleute lässt sich konkret zwischen 1800 und 1880 datieren. In dieser Zeit entwickelte sich das Frachtfuhrwesen in der Heide. Später übernahmen zunächst Eisenbahnen und später die ersten motorgetriebenen LKW die Aufgaben der einstigen Frachtfuhrleute. 

Natürlich lässt sich die Legende nur eingeschränkt überprüfen. Für ihren endgültigen Beleg wäre es notwendig die erwähnten Geistererscheinungen eindeutig zu beweisen - dies ist hier natürlich nicht möglich. trotzdem lassen sich einige Indizien anführen, die zumindest den Kontext der Legende belegen bzw. widerlegen können. 

Die Sage erwähnt eine Bodenvertiefung rechts des Weges von Celle nach Rebberlah. Karten sind in diesem Bereich leider erst ab der Kurhannoverschen Landesaufnahme (1780) in ausreichender Genauigkeit verfügbar. Entsprechend schwer ist es den genauen Ort der erwähnten Bodenvertiefung zu lokalisieren. Im Grunde ist dies anhand der vorliegenden Informationen unmöglich. Auch ein direkter Vergleich der historischen Karten mit aktuellenSatellitenbildern liefert diesbezüglich keine hilfreichen Erkenntnisse. 

Bilder: Vergleich der Kurhannoverschen Landesaufnahme mit dem aktuellen Satellitenbild.  Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme, 1780 / Google Earth.  

Trotzdem lässt sich zumindest der einstige Straßenverlauf als solcher nachvollziehen. In der legende heißt es die "Spukkuhle" habe sich rechts der Straße zwischen Celle und Rebberlah befunden. 

Diese Straße verlief tatsächlich einst am Rande des Arloh. Noch in der topografischen Spezialkarte aus dem Jahr 1822/1823 lässt sich der Verlauf der einstigen Straße nachvollziehen. 

Bilder: Verlauf der alten Straße. Quelle: Topografische Spezialkarte 182271823.  

Kartografisch lässt sich somit belegen, dass zwischen Celle und Rebberlah einst eine wichtige Straße verlief. Die Straße zwischen Celle und Eschede wurde erst später angelegt - vermutlich nach 1815, also nach der Besatzungszeit durch französische Truppen. 

Bilder: Verlauf der alten Straße. Quelle: Google Earth.  

Damit lässt sich zumindest der Straßenverlauf zwischen Celle und Scheuen, der sich einst am Arloh entlang zog, bewahrheiten. Tatsächlich befand sich hier seinerzeit eine alte Straßenverbindung, die bereits in die älteste Zeit zurückreichen dürfte. 

Es wäre scheint daher durchaus plausibel, dass in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges eine wichtige Straße von Celle über Rebberlah nach Norden führte. Allerdings hat sich die Landschaft durch landwirtschaftliche Einflüsse und vor allem durch die Flurbereinigungen im Rahmen der Verdoppelungsmaßnahmen grundlegend gewandelt. Der historische Straßenverlauf lässt sich noch in Teilen nachvollziehen. Allerdings sind sonstige landschaftliche Merkmale nur noch selten erkennbar. 

In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges gab es um Celle keine unmittelbaren Kampfhandlungen. Trotzdem zeigten sich die Auswirkungen dieses länderübergreifenden Konflikts auch ein dieser Region. Immer wieder wird von den Repressionen berichtet, denen die einfache Bevölkerung durch vagabundierende Truppen ausgesetzt war. In mehreren Orten im Kreis Celle wird noch heute von Geschichten aus dieser schlimmen Zeit berichtet. 

Schließlich verlegte Hermann Löns die Geschichte des "Werwolfs" bewusst in diese Region. Es spricht also vieles dafür, dass sich zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) auch im Raum Celle Ereignisse zutrugen, die im Zusammenhang zum krieg standen. 

Natürlich lassen sich einzelne Ereignisse aus dieser Zeit heute im Detail nur noch schwer nachvollziehen. Es ist also quasi unmöglich den Wahrheitsgehalt der Legende zu überprüfen. Hinzu kommt, dass sich das Landschaftsbild stark verändert hat. Es wäre der höhere Zufall, dass sich die besagte "Spukkuhle" bis heute erhalten hat. 

Bilder: Verlauf der alten Straße. Quelle: H. Altmann.   

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Legende inhaltlich plausibel ist. Hinsichtlich der historischen Straßenverbindung und des geschichtlichen Zusammenhangs wäre es objektiv möglich, dass sich an der einstigen Straße zwischen Celle und Rebberlah im Dreißigjährigen Krieg ein Mord ereignet hat. 

Inwiefern die Sichtungen von Geistern und das angebliche Verhalten der Zugtiere realistisch ist, kann nicht abschließend geklärt werden. Zu jeder Zeit haben derartige Geschichten die Phantasie angeregt. Teilweise war damit auch eine bestimmte Intention verbunden - insbesondere, wenn die Geschichten eine Moral vermitteln sollten. Vorliegend ist diese nicht  erkennbar. Bereits die Verwendung des Begriffs "Spukkuhle" und die Art und Weise auf welche sich die Erscheinungen ereignet haben sollen, schließt planbares Verhalten aus. 

Es scheint sich also vorliegend nicht um eine Geschichte zu handeln, die eine bestimmte Wertvorstellung vermitteln soll. Vielmehr handelt es sich um eine Gruselgeschichte, die der Unterhaltung dienen sollte. Die Geschichte ist so angelegt, dass ein Hörer sich mit ihr identifizieren kann. Dieses Stilmittel ist auch heute noch ein fester Grundsatz bei Horror- und Gruselfilmen. Würde sich der Leser, Zuschauer oder Zuhörer nicht in die entsprechende Lage versetzen können, wäre die Geschichte nicht mehr gruselig. Es deutet also vieles darauf hin, dass diese Legende bewusst so angelegt wurde. 

Auffällig ist, dass dieselbe Geschichte in zwei Versionen vorliegt. Dies spricht möglicherweise weniger führ ihren Wahrheitsgehalt, als dafür, dass sie einst häufiger erzählt worden ist. Weiterhin ist die Ähnlichkeit zur Geschichte der weißen Frau aus der Sprache bei Lachtehausen. Es finden sich viele ähnliche Motive (schicksalhafter Tod, Frau, Kind usw.). Es wäre spannend herauszufinden, ob die Geschichten vielleicht aneinander angelehnt wurden und sich möglicherweise nur geografisch verlagert haben. 

Im Ergebnis ist die Legende der Geistererscheinungen an der alten Straße zwischen Celle und Rebberlah absolut spannend. Sie verbindet historische Zusammenhänge mit einstigen Beobachtungen. Aus heutiger Sicht ist es daher aufregend diese Zusammenhängen zu untersuchen. 


H. Altmann


Sonntag, 19. März 2017

Der alte Obstgarten bei Vorwerk



Unmittelbar zwischen Celle und dem Stadtteil Vorwerk befinden sich einige Flächen und Bereiche, die scheinbar fast vergessen sind. Hier ist unter anderem ein alter Obstgarten zu finden, der quasi im Dornröschenschlaf vorzufinden ist. 

Es ist schon beeindruckend, dass dieser Ort, obwohl er sich in direkter Nachbarschaft zu belebten Straßen und bewohnten Gebieten befindet, offenbar nur wenig Beachtung erfährt. 

Der alte Obstgarten liegt in Richtung Vorwerk rechts der Straße quasi in der Verlängerung der Straße "Hohe Wende". Offenbar befindet sich der alte Garten im toten Winkel zwischen der ehemaligen Kaserne an der Hohen Wende, dem Vorort Vorwerk und den Industrieflächen bei Altenhagen. 

Bild: Alter Obstgarten zwischen Celle und Vorwerk. Quelle: Google Earth. 

Vor Ort scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. In Reihe gepflanzt stehen alte Apfel-, Birn- und Kirschbäume im Obstgarten. Der Boden ist bedeckt mit alten Früchten. Schon vor längerer Zeit hat sich Efeu ausgebreitet. In dicken Ranken hat es die Bäume erklommen und bis in ihre obersten Wipfel eingenommen. 

Bild: Alter Obstgarten zwischen Celle und Vorwerk. Quelle: H. Altmann. 
Es ist eine eigenartig mystische Atmosphäre in diesem alten Obstgarten. Wenn das Sonnenlicht durch die mit Efeu bedeckten Baumkronen bricht, zeigt sich die ganze Schönheit dieses Ortes. Irgendwie hat die Szene etwas Beeindruckendes. 

Bild: Alter Obstgarten zwischen Celle und Vorwerk. Quelle: H. Altmann. 

Geschichtlich betrachtet befindet sich der alte Obstgarten auf historischem Gründung Boden. Unweit von den schmalen Alleen der Obstbäume befanden sich einst Gebäude der ehemaligen Kaserne. Heute stehen nur noch die Gebäude auf der anderen Straßenseite - weiter in Richtung der Stadt Celle. Einst gab es aber noch weitere Gebäude in Richtung Vorwerk. 

Doch der Obstgarten ist auch noch aus anderen Gründen historisch interessant. In diesem Bereich erstreckten sich früher die alten Wirtschaftsflächen der Schieblerschen Baumschule

Bild: Efeu-Ranken im alten Obstgarten. Quelle: H. Altmann. 

Die Baumschule war im ganzen Land für die erlesenen Züchtungen von Obstbäumen bekannt. An so manchen Straßen und Allen wachsen heute noch alte Obstbäume aus der Obstplantage bei Celle, die scheinst zwischen Vorwerk, Groß Hehlen, Celle und Altenhagen erstreckte. 

Mit dem Aussterben der Familie Schiebler verschwanden auch die Anbauflächen. Lediglich einige Straßennamen erinnern noch an die einst ausgedehnten Flächen der Gartenhandlung. Gehörte dieser Obstgarten vielleicht damals zu den schieblerschen Anbauflächen? 

Das wäre schon eine kleine Sensation, denn es finden sich heute eigentlich keine Spuren der damaligen Obstplantagen mehr. In diesen wurden Veredelungen und heute seltene Obstsorten gezüchtet, wie etwa die Apfelsorte "Schieblers Taubenapfel". 

Bild: Alter Obstgarten zwischen Celle und Vorwerk. Quelle: H. Altmann. 

Die Obstbäume weisen einen Durchmesser von etwa 35 cm auf. Anhand des Durchmessers der Bäume lässt sich Ihr Alter schätzungsweise bestimmen. Die Schätzung ergibt für Apfelbäume ca. 48 Jahre, für Birnbäume ca. 47 Jahre und für Kirschbäume ca. 58 Jahre. Unterstellt man, dass der Obstgarten einheitlich zur selben Zeit bepflanzt wurde, kommt man so auf ein Alter von rund 50 - 60 Jahren. 

Vielleicht handelt es sich beim alten Obstgarten bei Vorwerk um eine Bepflanzung aus Zeiten der Kasernengebäude. Eher wahrscheinlich ist jedoch, dass die Bäume danach gepflanzt wurden. Damit wäre zumindest ein Zusammenhang zu den schieblerschen Obstplantagen ausgeschlossen. 

Bild: Efeu-Ranken im alten Obstgarten. Quelle: H. Altmann. 

Andere Bepflanzungen im Landkreis, die sich anhand schriftlicher Quellen zweifelsfrei den schieblerschen Obstbeständen zuordnen lassen, weisen allerdings einen ähnlichen Stammumfang auf. Ganz ausschließen lässt sich somit nicht, dass die Obstbäume bei Vorwerk nicht schon um einiges älter sind. 

Insgesamt ist der alte Obstgarten ein beeindruckender Ort. Er vermittelt Geschichte - unmittelbar vor der Haustür vieler Celler. Die geschichtlichen Zusammenhänge liegen teilweise noch im Dunkeln - vielleicht kann das historische Gesamtbild durch künftige Untersuchungen noch vervollständigt werden... 

H. Altmann



Dienstag, 14. März 2017

Die alte Straße von Celle nach Hamburg


In den heutigen Zeiten rechnet man kaum noch mit Entdeckungen im Stadtgebiet Celles. Die meisten Orte sind kartografisch erfasst und ausgeschildert. Die Aussiedlungen und Neubebauungen der Stadt haben leider viele historische Spuren vereinnahmt. Doch aktuelle Karten und Satellitenaufnahmen verbergen oftmals die Spuren der Vergangenheit. So auch im vorliegenden Fall der alten Straße von Celle nach Hamburg. 

Heute würde das Navi oder die App als verkehrsgünstige Route nach Hamburg von Celle aus die Bundesstraße 3 über Gruß Hehlen anzeigen. Vor rund 250 Jahren hätte sich der Wegverlauf geringfügig anders dargestellt. 

Bereits hinter der Pfennigbrücke in Celle teilen sich die drei wichtigsten Straßenverbindungen in nördliche Richtung auf. Es trennen sich hier der "Bremer Weg" in westliche Richtung, die "Lüneburger Straße" in östliche Richtung und die "Hamburger Straße" in nördliche Richtung. Wie die historischen Verkopplungskarten belegen hat sich die  Struktur der Feldflur zwischen Boye, Klein Hehlen und Groß Hehlen stark verändert. Der Feldflur hat sich stets auch der Verlauf der Straßen und Wege angepasst. 

Wie u.a. der "Plan der Stadt Zelle im Lüneburgischen" aus dem Jahr 1749 belegt, verlief die einstige Straßenverbindung in Richtung Hamburg ursprünglich nicht über Groß Hehlen, sondern südlich über Klein Hehlen. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Quelle: Plan der Stadt Zelle im Lüneburgischen, 1749. 

Damit gabelten sich die wichtigen Straßen zu den Hansestädten Bremen und Hamburg um 1750 noch in Klein Hehlen. Erst mit der zunehmenden Besiedlung der Hehlentor-Vorstadt dürfte es zu einer Verlegung des Straßenverlaufs im Bereich des Stadtgebiets gekommen sein. 

Auch die Kurhannoversche Landesaufnahme von 1780 zeigt den Verlauf der einstigen Straße noch westlich von Groß Hehlen. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme, 1780. 

Die Karte zeigt weiterhin sehr anschaulich den Straßenverlauf im Bereich von Klein Hehlen. Hier verliefen die einstige Straße in Richtung Bremen und jene nach Hamburg ein ganzes Stück parallel. Heute befinden sich in diesem Bereich die Niedersächsische Akademie für Katastrophenschutz und der Hof Lehmann. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme, 1780. 

Ungewöhnlich war es nicht, dass wichtige Straßenverbindungen größere Ortschaften ausließen und abseits dieser verliefen. Allerdings besaß die Straße zwischen Celle und Hamburg zu jeder Zeit eine große Bedeutung für die Stadt Celle. Sie stellte eine der maßgeblichen Nord-Süd-Achsen dar und war somit eine bedeutsame Handelsroute. 

Es stellt sich die Frage wann sich der Verlauf der Straße änderte bzw. wie die einstige Straße derart in Vergessenheit geraten konnte. Hierzu wäre beizufügen, dass bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts im heutigen Landkreis Celle nur wenige kunstmäßig ausgebaute Straßenzüge vorhanden waren. Es handelte sich dabei vorwiegend um alte Heeresstraßen - insbesondere Chausseen und Provinzialstraßen. 

Während der Zeit der Besatzung durch die französischen Truppen zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Heeresstraßen stark in Verfall geraten. König Georg IV erließ aus diesem Grund am 30.04.1824 eine "allgemeine Chausseeverordnung". Auf ihrer Grundlage wurden bis Mitte des 19. Jahrhunderts u.a. die Heeresstraßen nach Bremen, Braunschweig, Hamburg und in Richtung Hankensbüttel in Stand gesetzt. 

In diese Zeit, nämlich ins Jahr 1839 fällt auch die kartografische Darstellung des sogenannten Papen Atlas. Dieser zeigt die Heeresstraße in Richtung Hamburg bereits in ihrem heutigen Verlauf über Groß Hehlen verlaufend. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Quelle: Papen Atlas, 1839. 

Offensichtlich wurde die Straße zwischen 1780 und 1839 verlegt. Die neue Straße trug bereits die Bezeichnung "Chaussee nach Hamburg". 

Für die Verlegung mag es unterschiedliche Gründe gegeben haben. Zu beginn des 19. Jahrhunderts wurden zahlreiche einschneidende Reformen angestrebt, die u.a. auch erheblichen Einfluss auf unser heutiges Landschaftsbild besaßen. Insbesondere im Rahmen der Verkoppelung kam es zu großen Veränderungen. Allerdings dürfte die vorliegende Umlegung des Straßenverlaufs bereits zeitlich vor den Flurbereinigungen der Verkoppelung stattgefunden haben. 

Vor Ort findet man ein relativ sandiges und von Celle aus ansteigendes Gelände vor. Es scheint daher durchaus naheliegend, dass man versuchte die neue Straße günstiger anzulegen. Seinerzeit wurden die Frachten grundsätzlich mit Pferdefuhrwerken transportiert. Für den Frachtverkehr waren steilere Streckenabschnitte durchaus problematisch. Etliche Flurnamen im Bereich der Heide deuten auch heute noch auf diese Zeit zurück. Zwar gibt es im Raum Celle eigentlich keine richtigen Berge. Trotzdem finden sich zahlreiche Ortsbeschreibungen, die von solchen berichten. Oft stammen sie aus der Frachtfahrerzeit. Für ein schwer beladenes Gespann machte es eben doch ein Unterschied ob es ein paar Höhenmeter mehr oder weniger zu bewältigen gab. 

Spätere Kartenwerke, wie insbesondere das Preußische Messtischblatt von 1899, zeigen die Altstraße gar nicht mehr. In der Karte ist lediglich noch ein Wirtschaftsweg verzeichnet, der an die einstige Straße erinnert. Auffällig ist dabei vor allem der in nordwestliche Richtung diagonal verlaufende Baumbestand bei Klein Hehlen. Dieser deutet den Verlauf der einstigen Straße noch in etwa an. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Quelle: Preußisches Messtischblatt, 1899.  

Im Gelände vor Ort lässt sich der historische Wegverlauf noch erkennen bzw. erahnen. Leider ist es mittels Fotos nur bedingt möglich die Geländestruktur wiederzugeben. In manchen Passagen verläuft der Weg nur noch als schwach erkennbarer Hohlweg durch die Landschaft. 

Man erreicht den Weg eigentlich sehr gut über den Boyer Weg zwischen Groß Hehlen und Boye. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Blick in Richtung Celle. Mittig - die Ausläufer von Boye. Quelle: H. Altmann. 

Im schmalen Waldstück wird schnell erkennbar, dass die einstige Straße nur an einer Stelle verlaufen sein kann. Die Feldflur fällt in Richtung Boye unregelmäßig ab und ist stark sandig. Lediglich auf dem graden Rücken der in Richtung Groß Hehlen verläuft konnte die Straße komfortabel angelegt werden. Klassisch wurden Altstraßen dort angelegt, wo die Steigungsverhältnisse und die Bodenbeschaffenheit aus Erfahrung günstig waren. 


Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Geländeabfall in Richtung Boye. Quelle: H. Altmann. 

Im Landschaftsbild ist die Straße teilweise noch erkennbar. Einerseits wird sie einst befestigt gewesen sein, sodass sie sich von der umliegenden Vegetation abgrenzt. Andererseits dürfte die Straße auch noch längere Zeit als Wirtschaftsweg genutzt worden sein. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Straßenverlauf in Richtung Celle. Quelle: H. Altmann. 

In manchen Bereichen ist die Straße noch als ein solcher ehemaliger Wirtschaftsweg erkennbar. Allerdings lässt sich hieran nur unzureichend die einstige Eigenschaft einer Altstraße festmachen. 

Eindeutiger und aussagekräftiger sind daher die Bereiche der Straße, die in Form eines Hohlweges verlaufen. Diese Stellen sind noch heute eindrucksvolle Belege für die einstige intensive Nutzung der Straße. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Straßenverlauf - Hohlweg. Blick in Richtung Klein Hehlen. Quelle: H. Altmann. 

In südlicher Richtung endet die alte Straße heute an einer Tannenbaumplantage Die Biogasanlage bei Klein Hehlen dürfte wohl direkt auf dem Verlauf der Altstraße errichtet worden sein...

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Blick in Richtung Klein Hehlen. Quelle: H. Altmann. 

Nur unscheinbar erkennbar ist aus dieser Richtung noch der "Eingang" zur alten Straße. Zwischen alten Bäumen gelegen beginnt hier der Verlauf der damaligen Straßenverbindung in Richtung Hamburg. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Blick in Richtung Nordwesten. Quelle: H. Altmann. 

Einst gab es keine festen Fahrspuren, wie es bei heutigen Straßen der Fall ist. Da es vor der Verkoppelung noch sogenannte "gemeinfreie" Flächen gab, also solche Bereiche, die niemandem gehörten sondern der Allgemeinheit zur Verfügung standen, war es oftmals möglich, dass Straßen mehrere Spuren hatten. War eine Spur zerfahren, zu sandig oder zu nass wurde einfach nach links oder rechts ausgewichen. Daher lässt sich der tatsächliche Verlauf dieser Straße aus heutiger Sicht nur schwer nachvollziehen. Die örtlichen Gegebenheiten sind dabei in jedem Fall zu berücksichtigen. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Abzweigung Richtung Nordwesten. Quelle: H. Altmann.

Auch heute wird der Weg noch intensiv genutzt. Unter anderem dienen Teile des Altweges als Wander-, Fahrrad- und Reitweg. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Wegweiser in Richtung Dehnigshzof, Groß Hehlen und Boye. Quelle: H. Altmann.

In ihrem Verlauf weiter nördlich ist die Straße nicht mehr einwandfrei zu erkennen. Kartografisch lässt sie sich zwar noch bis fast nach Wolthausen nachvollziehen. Im Landschaftsbild sind die Spuren allerdings weitgehend verschwunden. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Möglicher weiterer Verlauf bei Groß Hehlen. Quelle: H. Altmann.

Schriftliche Quellen zum Verlauf der Altstraße gibt es kaum. In den vorhandenen (Stadt-) Chroniken wird zwar Bezug auf die herausragende Bedeutung der Heeresstraße und Handelswege genommen. Allerdings werden die Straßen in ihrem Verlauf nur grob beschrieben. 


Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Hier nur noch ein alter Wirtschaftsweg. Quelle: H. Altmann.

Insbesondere die Eröffnung der wichtigen Eisenbahntrassen zur Mitte des 19. Jahrhunderts führte dazu, dass das Verkehrsaufkommen auf den Heeresstraßen immer stärker abnahm. Somit verhielt es sich mit diesen Straßen ähnlich wie mit den Wasserwegen einige Jahrhunderte zuvor. Durch immer neue Innovationen im Transportwesen wurden die jeweiligen Transportwege entsprechend genutzt. 

Dabei ist es schwer zu sagen wie alt diese Straßenverbindung sein kann. In diesem Zusammenhang stellt sich unter anderem die Frage, ob es einen Bezug zur Neugründung der Stadt Celle an ihrem heutigen Standort gibt. Urkundlich belegt ist die Erwähnung Celles im Jahre 1292. Auffällig ist jedoch, dass viele wichtige Städte, wie etwa Hamburg, Lüneburg oder Braunschweig deutlich älter sind. Wurde die neue Stadt Celle eventuell am gut passierbaren Allerübergang aufgebaut, wo ohnehin die wichtige Handelsroute von Norden nach Süden führte? Einiges spricht für diese These. Damit kommt dieser Straßenverbindung eine maßgebliche Bedeutung zu! 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Alte Eiche am Wegesrand. Quelle: H. Altmann.

Insgesamt haben Altstraßen stets etwas Faszinierendes an sich. Man stellt sich unmittelbar die Frage wie viele Menschen sie einst passiert haben mögen. Die Vorstellung, dass ganze Heereszüge auf ihren Feldzügen diese Straßen begangen sind, Frachtfahrer und Händler sie nutzten, um Waren zu transportieren und ganz gewöhnliche Leute diese Wege einschlugen, wenn sie auf Reisen waren ist hochinteressant. 

Leider liegt in Bezug auf den Verlauf und die zeitliche Einordnung der Altstraßen noch einiges im Dunkeln. Möglicherweise finden sich in Urkundenbüchern und anderen Quellen noch Hinweise auf diese Straße. Kartografisch und durch Ortsbegehungen lässt sich zumindest ihre Existenz belegen. 

Bild: Straße von Celle nach Hamburg. Blick in Richtung Celle. Quelle: H. Altmann.

Über weitere Hinweise und Anmerkungen würde ich mich sehr freuen. Sofern sich neue Erkenntnisse ergeben werden sie selbstverständlich in diesem Blog erscheinen. 

H. Altmann