f September 2018 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Donnerstag, 6. September 2018

Legenden um den Silbersee


Heute ist er ein Badeparadies - historisch hatte der Silbersee bei Vorwerk allerdings eine ganz andere Funktion. Heute gibt es spannende Gerüchte darüber, was sich angeblich alles am Grund des Sees befinden soll.

Vielen dürfte die Geschichte "Der Schatz im Silbersee" von Karl May bekannt sein. Sie spielt im Wilden Westen und handelt von der Jagd nach Teilen einer geheimnisvollen Karte, die zu einem verborgenen Schatz im besagten See führen soll. Der Celler Silbersee hat mit all dem natürlich - außer seinem Namen - recht wenig gemeinsam. Aber auch zu ihm gibt es spannende Geschichten. 

So kursieren Gerüchte und Erzählungen nach denen von Schienen die Rede ist, die auf dem Grund des Silbersees verlaufen sollen. Auch andere Gerätschaften sollen sich noch in der Tiefe des Wassers verbergen. Was hat es mit diesen Gerüchten auf sich? 

Der Silbersee ist als Badesee bekannt. Er blickt auf eine interessante Entwicklung und Geschichte innerhalb des vergangenen Jahrhunderts zurück. 

Bild: Sildbersee bei Garssen heute. Quelle: H. Altmann, 2017. 

Bereits vor dem ersten Weltkrieg gab es am Rand des heutigen Badesees eine Ziegelei. Dies ist ebenfalls auf dem preußischen Messtischblatt von 1899 zu erkennen: 

Bild: Ziegelei westlich von Garßen um 1899. Quelle: Messtischblatt 1899.

Am 20.11.1897 wurde verlautbart, dass eine Haltestelle an der Bahn Hannover - Hamburg neben der Lübbing'schen Ziegelei durch den Eisenbahnminister genehmigt wurde. Aufgrund der Wichtigkeit einer solchen Haltestelle für Garßen, auch für den Güterverkehr, wurde mit 10 Stimmen gegen 1 Stimme beschlossen, 10.000,- Mark zu den Anlagekosten zu bewilligen. 

Ebenfalls auf der Reichskarte aus dem Jahr 1904 ist hier die Ziegelei verzeichnet. Im Layer in Google Earth erkennt man deutlich, dass sich diese in unmittelbarer Nähe zur Bahnstrecke Hannover-Hamburg befand - heute liegt hier der Silbersee. 


Bild: Ziegelei westlich von Garßen um 1902. Quelle: Reichskarte 1902 / Google Earth.

Im Jahre 1899 hatte der Kreistag beschlossen, eine Kleinbahn von Celle nach Bergen zu bauen. Da sich aber die Verhandlungen zwischen dem Land- und Stadtkreis zerschlugen, wurde die Bahn zunächst nur von Bergen bis nach Garßen erbaut.

Im Mai 1901 wurde der Bahnbau in Angriff genommen und am 23. April 1902 die Bahn dem öffentlichen Verkehr übergeben. Am 12. Dezember 1904 war dann auch das Reststück bis Celle fertig, so daß die Züge von Bergen direkt nach Celle fuhren. Nur zweimal am Tag kamen die Züge auch nach Garßen, um die Ziegelei des Herrn Monheim zu bedienen.

Bild: Ziegelei westlich von Garßen um 1945. Quelle: War Office Map.

Allerdings war die Tongrube bereits um 1920 derart vertieft worden, dass ständig Grund- und Quellwasser nachdrang. Als die Firma Lühmann den Betrieb nach dem ersten Weltkrieg um 1919 wieder aufnahm, musste laufend Wasser abgepumpt werden. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges siedelte die Firma Lühmann schließlich nach Peine um. 

Die nun brachliegende Betriebsfläche lief voll Wasser. Die nahegelegene OHE-Strecke war zeitweise durch nachrutschende Erde beeinträchtigt. 

Die Garßener Dorfjugend nutzte das Gelände nun inoffiziell als Badesee. Das Baden wurde nach dem Krieg offiziell zwar verboten - dies verhinderte jedoch nicht, dass es zu Badeunfällen kam. 

Bild: Silbersee westlich von Garßen um 1945. Quelle: War Office Map / Google Earth.

Bereits Ende der 60er entstand der Badesee - ein Unternehmer aus Brake erwarb später das Gelände und legte den Campingplatz an. Bereits 1972 wurden insgesamt rund 32.000 Besucher gezählt. Die OHE richtete einen eigenen Haltebahnhof am Strandbad ein: 

Bild: Haltepunkt Silbersee. Quelle: n.a.

Noch heute ranken sich Legenden um den Badesee. Auf dessen Grund sollen immer noch Loren auf den einstigen Schienen stehen und Masten vorhanden sein. Weiterhin sollen sich noch allerhand Gerätschaften aus dieser Zeit auf dem Grund befinden. 

Das scheint recht plausibel, denn der Betrieb wurde bereits bei beginn des Zweiten Weltkrieges aufgegeben und lag vermutlich eine Zeit lang brach. Vermutlich konnten nicht mehr alle Betriebseinrichtungen abgebaut werden - Wasser drang in die Grube ein. Als dieses nicht mehr abgepumpt wurde, versanken die Materialien einfach am Grund des Silbersees... 

Hendrik

Mittwoch, 5. September 2018

Blickwinkel #5: Zöllnerstraße, Celle


Schon in früheren Zeiten entstanden in Stadt und Landkreis herrliche Aufnahmen von Sehenswürdigkeiten, Straßenszenen und alltäglichen Begebenheiten. Manchmal sticht erst beim direkten Vergleich mit heutigen Aufnahmen ins Auge, was sich im Laufe der Zeit verändert hat. In der Serie Blickwinkel werden alte Fotografien im historischen und lokalen Kontext vorgestellt. 

Ein Blick auf das Postkartenmotiv verrät: die Aufnahme ist in der Zöllnerstraße in Celle entstanden. Quasi unverändert zeigen sich noch heute die markanten Fachwerkgiebel. Auf der rechten Straßenseite ist ein Steingiebel im Stil der Weserrenaissance mit einem vorgelagerten Erker zu erkennen - alles in allem kommt Cellern die Straßenszene sehr vertraut vor. Und doch gibt birgt das Bild einige interessante Details. 

Am Ende der Zöllnerstraße ist die alte städtische Mittelschule (Bürgerschule) zu erkennen. Heute befindet sich dort das Gebäude in dem C&A ansässig ist. Zur Linken ist das Schild der einstigen Haushalts- und Spielwarenhandlung Renners zu sehen - vielen Celler dürfte der Name geläufig sein. 

Interessant ist auch, dass die Straße damals für den öffentlichen Verkehr zugänglich war. Es gab noch keine Fußgängerzonen - auch Straßenbäume sucht man im historischen Bild vergebens. 

Bild: Zöllnerstraße, Celle, Postkarte gel. 07.10.1943. Quelle: Archiv H. Altmann. 

Die Postkarte wurde am 07.10.1943 von einem in Celle stationierten Unteroffizier abgesendet. Die Feldpostnummer der Einheit befindet sich auf der Rückseite der Karte. Sie lautet: 05256. 

Ab September 1943 war diese Feldpostnummer dem Stab der 1. Abteilung des in Celle stationierten Werfer-Lehr-Regiments 1 zugeteilt. Die neue Truppengattung der "Nebelwerfer" war in Celle in der Heeresgasschutzschule untergebracht. Am 31.01.1942 war das 1. Werfer-Lehr-Regiment aufgestellt worden. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion wurde es 1942/1943 zumeist im südlichen Abschnitt der Ostfront eingesetzt. 

Bereits im Dezember 1943 nahm die Einheit im Raum Kiew an Abwehrkämpfen gegen die Rote Armee teil. In dem handgeschriebenen Kartentext ist unter anderem auch die Rede von einem Abmarsch an die Front - allerdings finden sich keine Informationen wohin genau der Kartenschreiber verlegt wurde. Ob er den Krieg überlebte oder diejenige, die diese Karte kurz vor seinem Abmarsch aus Celle erhielt? Man weiß es nicht.  

Als historische Garnisonsstadt beherbergte Celle im Zweiten Weltkrieg viele Soldaten aus den verschiedensten Teilen des Landes. Ihre Freizeit verbrachten diese vermutlich desöfteren in der Altstadt, die schon damals reizvolle Postkartenmotive bot. 

Bild: Zöllnerstraße, Celle, Postkarte gel. 07.10.1943. Quelle: Archiv H. Altmann. 

In manchen Bereichen hat sich das Bild der Zöllnerstraße bis heute sehr gewandelt - Straßenbeleuchtung, Fußgängerzone und Bäume markieren die wesentlichen Veränderungen zur Ansicht aus dem Jahr 1943. 

Die Häuserfronten der historischen Fachwerkbauten sind jedoch noch nahezu genauso erhalten, wie sie die 75 Jahre alte Aufnahme zeigt. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass die Celler Innenstadt von Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg verschont geblieben ist. Im Jahr 1943 war das allerdings noch kaum abzusehen. 

Bild: Zöllnerstraße, Celle, Bildmontage. Quelle: H. Altmann. 

Obwohl die Zöllnerstraße seit es Postkarten gab stets ein beliebtes Motiv abgab, ist diese Postkarte aus meiner Sicht etwas besonderes, da sie eine alltägliche und scheinbar völlig normale Straßenszene zeigt, während in vielen Teilen der Welt der Zweite Weltkrieg tobte. 

H. Altmann


Dienstag, 4. September 2018

Gedenkveranstaltung am ehemaligen KZ-Außenlager Tannenberg bei Unterlüß


Altensothrieth / Unterlüß. Im Gedenken an die Inhaftierten des ehemaligen KZ-Außenlagers "Tannenberg" bei Altensothrieh fanden sich am 01.09.2018 ungefähr 100 Besucherinnen und Besucher am Standort des einstigen Lagergeländes bei Altensothrieth ein. 

Bis auf einige moosbewachsene Mauerreste und Betonfundamente erinnert heute nichts mehr an das Lager, das zwischen August 1944 und April 1945 als Arbeitslager für weibliche Häftlinge diente. Die überwiegende Mehrheit der zumeist jüdischen Frauen stammte aus Ungarn, Polen oder der Ukraine und war über verschiedene Zwischenstationen aus dem KZ Auschwitz nach Unterlüß gelangt. Hier angekommen mussten die Frauen unterschiedliche Tätigkeiten verrichten - insbesondere wurden sie zur Arbeit bei der Munitionsfabrikation der Firma Rheinmetall-Borsig eingesetzt. 

Das Lager Tannenberg diente daneben zeitweise ebenfalls zur Internierung italienischer Militärgefangener. 

Bild: Deportation, Selektion und Arbeitseinsatz - Stationen einer Inhaftierten des KZ-Außenlagers Tannenberg. Quelle: DEGOB-Protokolle. 

Die genaue Anzahl der Inhaftierten lässt sich aus heutiger Sicht nicht mehr genau ermitteln. Nach einer Aufstellung des KZ Bergen-Belsen befanden sich im März 1945 517 weibliche Häftlinge im Lager Tannenberg. Nach Schätzungen und Beobachtungen ehemaliger Häftlinge weicht diese Zahl jedoch nach oben ab. 

Die Frauen litten unter menschenunwürdigen Bedingungen im Lager - hinzu kam der strenge Winter des Jahres 1944/1945 und die Drangsalierungen durch das Lagerpersonal. Insbesondere die Aufseherinnen der SS blieben vielen Überlebenden in Erinnerung. Bei Kriegsende wurde das Lager von SS-Aufseherinnen und Wachmannschaften verlassen. Die Lagerinsassen wurden unmittelbar vor Eintreffen der britischen Truppen - durch Einheiten des Unterlüßer Volkssturms - auf Lastwagen in das KZ Bergen-Belsen gebracht, wo noch viele den dort herrschenden Krankheiten zum Opfer fielen. 

Über die Zusammenhänge und Hintergründe war in diesem Blog bereits berichtet worden - in der Celleschen Zeitung war am 02.03.2018 hierzu ein ausführlicher Beitrag erschienen. 

Im Rahmen der Protestaktion "Rheinmetall entwaffnen" hatten die Veranstalter am Nachmittag des 01.09.2018 zu einer Gedenkveranstaltung am Standort des ehemaligen KZ-Außenlagers Tannenberg aufgerufen. Rund 100 Besucherinnen und Besucher fanden sich vor Ort ein - viele von ihnen waren zu Fuß aus Unterlüß gekommen. 

Bild: Gedenkveranstaltung am ehemaligen KZ-Außenlager Tannenberg. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Die Gedenkveranstaltung fand im zugänglichen Bereich des ehemaligen Lagers statt und wurde von Vorträgen zur Geschichte des KZ-Außenlagers begleitet. Insbesondere nahmen an der Veranstaltung viele Jüngere teil, die großes Interesse an den historischen Zusammenhängen des einstigen Lagers zeigten. 

Bild: Gedenkveranstaltung am ehemaligen KZ-Außenlager Tannenberg. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Im Anschluss wurde eine Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus und insbesondere für die Häftlinge des Außenlagers Tannenberg abgehalten. Teilnehmer legten Blumen nieder und errichteten im Bereich der Zufahrt zum einstigen Lagergelände eine provisorische Gedenktafel. 

Bild: niedergelegte Blumen am ehemaligen KZ-Außenlager Tannenberg. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Es handelte sich hierbei um die erste Gedenkveranstaltung die am ehemaligen KZ-Außenlager Tannenberg überhaupt stattfand. Seitens der Gemeinde Unterlüß bzw. der heutigen Gemeinde Südheide gab bisher keine offiziellen Bestrebungen an den Ort zu erinnern. 

Axel Flader, Bürgermeister der heutigen Gemeinde Südheide gab an, "da es - geschichtlich gesehen - mehrere Sachverhalte in Unterlüß aufzuarbeiten gäbe, kann es nur als Aufgabe des Landes gesehen werden, die Sachverhalte zu ordnen, in einen geschichtlichen Kontext zu stellen und eine Gewichtung der Themen vorzunehmen." (CZ v. 02.03.2018). 

Bild: provisorisch errichtete Tafel am ehemaligen KZ-Außenlager Tannenberg. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Eine vorrangige Kompetenz des Landes bei der Aufarbeitung regionalhistorischer Sachverhalte gibt es aber nicht - vielmehr kommt es auf die Initiative vor Ort an. 

Vom  SPD-Ortsverein Südheide wird daher, mit Unterstützung der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten sowie Historikern aktuell angestrebt, im Bereich des ehemaligen KZ-Außenlagers eine dauerhafte Gedenktafel zu errichten. Die Überlegungen haben sich nach der Veröffentlichung der historischen Zusammenhänge konkretisiert - die Umsetzung ist allerdings noch in Arbeit. 

Die Gedenkveranstaltung vom 01.09.2018 stellt insofern einen wichtigen Beitrag dazu dar, die Erinnerung an das ehemalige KZ-Außenlager Tannenberg wach zu halten.  


H. Altmann