f 2019 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Montag, 28. Oktober 2019

Veranstaltungshinweis: Heimatverein Offensen-Schwachhausen e.V.

Aus der Arbeit des Chronik-Teams

Von Straßen und Wegen – Von Brücken und Furten

Die Entwicklung der Infrastruktur in Offensen-Schwachhausen (Teil II)


Das Chronikteam führt am Sonntag, den 3. November 2019 um 15.00 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Offensen-Schwachhausen eine weitere Vortragsveranstaltung im Rahmen der Erstellung der Dorfchronik durch. 

Der erste Teil dieses Vortrags im Mai dieses Jahres befasste sich mit der Eisenbahnstrecke Celle – Gifhorn und dem Offensener Bahnhof.

Hans-Heinrich Heidmann beginnt im zweiten Teil mit der Vorstellung der Straßen und Wege einschließlich der Brücken und Furten in der Zeit vor den Agrarreformen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Nach 1860 wurde das heute noch weitgehend vorhandene Straßennetz in den Ortschaften Offensen und Schwachhausen wie auch in den beiden Gemarkungen nahezu komplett neu erstellt. Die Straßenbefestigungen innerhalb der Ortschaften um 1900 und der Neubau der Schwachhäuser Allerbrücke im Jahr 1931 werden anhand von Protokollen der Gemeindeversammlungen und Fotos anschaulich vorgestellt.

Berichte über die Pflasterarbeiten des Bürgersteigs durch die Offensener Anlieger 1977 beschließen die Vortragsveranstaltung.

Gäste aus den Nachbardörfern sind wieder herzlich willkommen.

Der Eintritt ist frei.


Bild: Dorfstraße Offensen 1930. Quelle: Archiv DGH, Postkarte, Offensen 1930.  



Dienstag, 22. Oktober 2019

Die ehemalige Zugbrücke bei Klein Hehlen


Ortskundige wissen - die Straßennamen „Kaninchengarten“ und „Zugbrückenstraße“ in Klein Hehlen sind kein Produkt des Zufalls, denn beide erinnern an Ortsbezeichnungen aus vergangenen Zeiten. Die historischen Zusammenhänge und die Ergebnisse neuerer Nachforschungen werden nachfolgend erläutert.

Bereits in der 1826 erschienenen Beschreibung der Stadt Celle von Ernst Spangenberg wird „eine Zugbrücke über die Aller, nach dem sogenannten Kaninchenholtze bey Kleinen-Hehlen“ genannt.[1] In historischen Karten aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts ist die Brücke noch verzeichnet.[2] Sie lag hart nördlich der heutigen Bundesstraße 214, im südlichen Bereich eines Flussbogens der Aller, der heute noch als Altarm erhalten ist. Die einstige Zugbrücke sucht man heute im Gelände vor Ort vergebens – und so stellt sich die Frage nach ihrem Verbleib.


[1] Spangenberg, Historisch-topografisch-statistische Beschreibung der Stadt Celle im Königreich Hannover, S. 12 f.
[2] Insbesondere: Plan von der Gegend der einen Seite der Stadt Celle, NLA HA Kartensammlung Nr. 31 c/14 k.


Bild: Namensherkunft der "Zugbrückenstraße"; Quelle: unveröffentlichtes Manuskript der Celler Straßennamen, Archiv Altmann. 


Die Antwort auf diese Frage liegt sprichwörtlich tiefer im Kaninchenbau beziehungsweise - mit Hinblick auf die Örtlichkeiten - im sogenannten „alten Kaninchengarten“. Dieser befand sich einst am westlichen Allerufer und erstreckte sich bis zur alten Schäferei.[1] Um letztere rankt sich so manch spannende Erzählung, denn unter anderem verstarb dort nach langer Krankheit Herzog Christian Ludwig gegen Abend des 15. März 1665.

Sein jüngerer Bruder, Georg Wilhelm, schätze die Schäferei und das hiesige Lusthaus ebenfalls sehr. Nach seinem Tode im Jahr 1705 ebbten die fürstlichen Besuche ab – erst Caroline Mathilde, die Anfang 1772 als geschiedene Frau des Königs von Dänemark nach Celle verbannt wurde, suchte die Schäferei westlich der Stadt wieder regelmäßig auf. 

Nach ihrem Tode ging das Areal an verschiedene Eigentümer über. Zu diesem Zeitpunkt gehörte der alte Kaninchengarten bei der Schäferei jedoch schon längst der Vergangenheit an.


[1] Breling, Die herzogliche Schäferei, der Kaninchengarten und die Jägerei, in: der Speicher, S. 580.


Bild: "Zugbrücke" und "Kaninchengarten"; Quelle: Der Speicher. 


Bereits unter der Herrschaft Christian Ludwigs wurde das Gelände des alten Kaninchengartens, bzw. dessen Holznutzungsrechte, gegen ein neues Revier auf der östlichen Allerseite an die Gemeinde Klein Hehlen getauscht.[1] Östlich des Klein Hehlener Baches befanden sich die Unterkunft des Kaninchenmeisters sowie weitere Gebäude der herzoglichen Kaninchenzucht, die im Jahr 1772 mit Abbruchbedingung verkauft worden sind.[2] 

In der Folge fiel das Areal zurück an die Gemeinde Klein Hehlen, die im Gegenzug die ehemals herzogliche Zugbrücke unterhalten sollte[3]. Aufgrund der betriebsamen Allerschifffahrt war vor Ort keine andere Brückenkonstruktion möglich – die Brücke musste für ein- und ausfahrende Schiffe geöffnet werden können.


[1] Cassel, Geschichte der Stadt Celle, Bd. 1, S. 204.
[2] Breling, Die herzogliche Schäferei, der Kaninchengarten und die Jägerei, in: der Speicher, S. 581.
[3] Breling, Heimatkundliche Beiträge aus der Umgebung von Celle, S. 3.


Bild: "Zugbrücke" und "Kaninchengarten"; Quelle: Historisch-Topografisch-Statistische Beschreibung der Stadt Celle, E. Spangenberg. 

Die morsch gewordene Zugbrücke verfiel in den Folgejahren allerdings zunehmend - im Jahr 1870 brach ein Soldat durch die marode Brücke und ertrank. Daraufhin wurde der Gemeinde Klein Hehlen der Befehl erteilt die Brücke auf eigene Kosten neu errichten zu lassen.[1] Die Kosten für dieses Unterfangen wurden mit 12.000 Talern veranschlagt. 

Kurz vor Beginn der Arbeiten legte ein Bürger jedoch dar, dass die Gemeinde Klein Hehlen nach dem Wegegesetz von 1849/50 nur bis an die Grenze ihrer Feldmark die Wege zu unterhalten hätte. Da der Fluss dem Fiskus gehörte, war die Gemeinde Klein Hehlen rechtlich hierfür nicht zuständig. 

Am 28. Mai 1873 trug der Gemeindevorsteher Gudehus gegenüber der Celler Verwaltung sein Anliegen auf „Abbruch derselben im Interesse der öffentlichen Sicherheit“ vor.[2] Damit war das Schicksal der Zugbrücke besiegelt, denn beide Seiten hatten offenbar kein Interesse diese zu unterhalten, sodass die Brücke schließlich abgebrochen wurde.[3]


[1] Cellesche Zeitung vom 21.07.1892.
[2] Stadtarchiv Celle, Best. 11, G Nr. 0008, Dokument Nr. 27.
[3] Breling, Die herzogliche Schäferei, der Kaninchengarten und die Jägerei, in: der Speicher, S. 581.

Bild: Zugbrücke südlich von Klein Hehlen - zwischen der ehemaligen Schäferei und Celle; Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme, 1780. 

Die Geschichte der Brücke wäre jedoch unvollständig dargelegt, würde man die wechselvollen Ereignissen des Jahres 1757 unbeachtet lassen, als es in Celle im Zuge des Siebenjährigen Krieges beinahe zur Schlacht gekommen wäre. Seit dem 15. August 1757 war Celle von französischen Truppen besetzt – bis in den Dezember rückten stetig weitere Einheiten nach.[1] 

Hintergrund war, dass der französische Marschall und Herzog von Richelieu, Louis-François-Armand de Vignerot du Plessis, die unter seinem Oberbefehl stehenden französischen Truppen, aus taktischen Gründen, hinter die Aller zurücknehmen wollte.[2] Dicht auf die zurückweichenden französischen Truppen folgte die alliierte Armee unter dem Oberbefehl Herzog Ferdinands von Braunschweig, deren Spitzen am Morgen des 13. Dezember Altenhagen und Garßen erreichten.[3]

Die französischen Truppen hatten die Allerbrücken in der Umgebung entweder abbrechen oder verschanzen lassen und darüber hinaus sämtliche Schiffe, die eine Überquerung der Alliierten hätten erleichtern können, in Brand gesetzt.[4] Tatsächlich zeigt der von Johann Heinrich Steffens um 1760 gezeichnete „Plan der environs von Celle wo die französische und alliierte Armee im Jahre 1757 campieret hat“, dass die Brücke südlich von Klein Hehlen nicht abgerissen worden ist, sondern mit Verschanzungen versehen wurde.


[1] Mastnak / Tänzer, Celle im Siebenjährigen Krieg, S. 56.
[2] Renouard, Geschichte des Krieges in Hannover, Hessen und Westfalen von 1757 bis 1763, S. 340.
[3] Von Westphalen, Geschichte der Feldzüge des Herzogs Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg, Bd. 1, S. 432.
[4] Von Sichart, Geschichte der königlich-hannoverschen Armee, Bd. 3, S. 300.


Bild: Lager der französischen und der alliierten Truppen bei Celle. Die gezackten Linien symbolisieren die jeweiligen Biwaks bzw. Feldlager. ; Quelle: Plan der environs von Celle wo die französische und alliierte Armee im Jahre 1757 kampiert hat, J.H. Steffens, um 1760. 


Während die alliierte Armee auf den Höhenzügen nördlich der Aller bei Groß Hehlen, Altenhagen und Bostel lagerte, hielten die französischen Truppen die Stadt Celle und das südliche Ufer der Aller von Winsen bis Schwachhausen besetzt – die Masse der Einheiten biwakierte auf den Flächen zwischen der Schäferei und Westercelle.[1]
Ein, für die Morgenstunden des 16. Dezember vorgesehener, Angriffsplan Herzog Ferdinands, dessen zufolge zwischen Stedden und Boye Brücken über die Aller geschlagen werden sollten, konnte nicht im vorgesehenen Zeitrahmen umgesetzt werden und scheiterte.[2] Da es jedoch bereits zu eigenen Truppenbewegungen gekommen war, musste der alliierte Oberbefehlshaber davon ausgehen, dass sein Plan von französischer Seite durchschaut- und somit nicht wiederholbar war.

Nach mehreren Tagen und Nächten in der Eiseskälte des Winters 1757 entschied sich Marschall Richelieu zu einem weiträumig angelegten Angriff. Während der Hauptangriff über die Flanken erfolgen sollte, wurden im zentralen Bereich Ablenkungsmanöver vorbereitet. Hierfür hatte General Caraman mit zwei Infanterieregimentern, zwei Grenadierkompanien, zwei Piquets, 200 Freiwilligen (hier: die Jäger Richelieus) und dem Fischer’schen Corps die Brücke bei der Schäferei zu passieren und einen Scheinangriff auf Groß- und Klein Hehlen auszuführen.[3] 

Dies geht ebenfalls aus dem „Plan de la Position deL’Armée Alliée à Altenhagen et de celle des François à Zelle despuis de 13 jusqu’au 24 de Decemb: 1757“ hervor, der eine detaillierte Truppenaufstellung beinhaltet. Laut der Karte wird die Brücke bei der Schäferei, südlich von Klein Hehlen, als sogenannte „Ponts et routes que les François preparerent pour le passage de l’Aller“ bezeichnet – was wohl selbsterklärend dafür steht, dass diese Brücke Seitens der französischen Truppen mit Absicht nicht abgerissen worden war, um sie später selbst noch nutzen zu können. Stattdessen hatte man sich hier sicherlich bewusst für Verschanzungen entschieden.


[1] Renouard, Geschichte des Krieges in Hannover, Hessen und Westfalen von 1757 bis 1763, S. 357f.
[2] Von Reden, Feldzüge der Alliierten Armee, erster Teil, S. 84.
[3] Renouard, Geschichte des Krieges in Hannover, Hessen und Westfalen von 1757 bis 1763, S. 364.

Bild: Stellungen der beiden Armeen und geplanter Angriff der französischen Truppen am 25.12.1757; Quelle: Plan de la Position deL’Armée Alliée à Altenhagen et de celle des François à Zelle despuis de 13 jusqu’au 24 de Decemb: 1757.


Einige Verschanzungen, welche offenbar angelegt worden waren, um die Brücke südlich von Klein Hehlen zu sichern, sind in historischen Karten noch verzeichnet. So zeigt der „Abriss der zur Schäferei gehörenden Gebäude, privativen Wiesen, Saatländereien, Holzungen und Weiden“ aus dem Jahr 1768 zwei Schanzen - sogenannte „Batterien“ - im Bereich der Brücke.



Bild: Lage der Batterien und der ehemaligen Zugbrücke zwischen der alten Schäferei und Celle; Quelle: Abriss der zur Schäferei gehörenden Gebäude, privativen Wiesen, Saatländereien, Holzungen und WeidenNLA HA Kartensammlung Nr. 32 c Celle 60 k, Google Earth. 

Die Schanzen, bzw. Batterien, waren als defensive Flussverteidigungen auf der südlichen Allerseite angelegt worden. Die nachstehende Karte, bzw. der „Abriss der zur Schäferei gehörenden Gebäude, privativen Wiesen, Saatländereien, Holzungen und Weiden“ zeigt zwei der Batterien in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Brücke. Diese waren offenbar zur Verteidigung derselbigen errichtet worden. Zu beachten ist, dass die Karte - wie damals nicht ungewöhnlich - nicht nach Norden ausgerichtet ist. 

Bild: Lage der Batterien und der ehemaligen Zugbrücke zwischen der alten Schäferei und Celle; Quelle: Abriss der zur Schäferei gehörenden Gebäude, privativen Wiesen, Saatländereien, Holzungen und WeidenNLA HA Kartensammlung Nr. 32 c Celle 60 k


Die mittlere Batterie liegt im zentralen Bereich - direkt gegenüber der ausladenden, ehemaligen Flussschleife der Aller. Von hier aus ließ sich einst der, auf die Brücke zulaufende, Weg zwischen der Schäferei und Klein Hehlen einsehen und sicherlich auch mit Artilleriebeschuss belegen. Es handelte sich hierbei um die größte der Batterien - sie ist heute noch im Gelände als Erdwall sichtbar –  direkt an einem schmalen Wanderweg oberhalb des ehemaligen Flusslaufes. 

Bild: Lage der Batterien und der ehemaligen Zugbrücke zwischen der alten Schäferei und Celle; Quelle: Abriss der zur Schäferei gehörenden Gebäude, privativen Wiesen, Saatländereien, Holzungen und WeidenNLA HA Kartensammlung Nr. 32 c Celle 60 k

Vermutlich sind schon viele Spaziergänger, Radfahrer und Wanderer an der ehemaligen Batterie / Schanze vorbeigekommen, ohne diese als solche zu erkennen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn heute ist an Ort und Stelle nur noch ein abgeflachter Erdhügel zu erkennen. 

Bild: Reste der einstigen mittleren Batterie heute; Quelle: H. Altmann, 2019. 

Die Seitenflügel des Erdwalles verlaufen, wie in der Karte aus dem Jahr 1768 deutlich zu erkennen ist, in einem weiten Winkel zueinander. Die grundsätzliche Form des Walles lässt sich im Gelände auch heute noch nachvollziehen. In der weiteren Umgebung finden sich keine vergleichbaren Formationen. 

Bild: Reste der einstigen mittleren Batterie heute; Quelle: H. Altmann, 2019. 


Von der Zugbrücke, die sich einst im südlichen Teil des Allerbogens befand, ist heute nichts mehr im Gelände zu erkennen. Anlässlich einer militärischen Übung der Eisenbahnpioniere wurde im Jahr 1892 eine Feldbahn mit einer Spurweite von 60 cm über die Aller errichtet. Diese Feldbahn erhielt eine entsprechende Alleebrücke, die an eben jener Stelle gebaut wurde, an der sich zuvor die Zugbrücke befunden hatte. Bereits damals war von der ursprünglichen Brückenkonstruktion nicht mehr vorhanden. 

Heute kann man in diesem Bereich nur noch andeutungsweise eine ehemalige Wegverbindung erkennen. Die Wegspur beginnt kurz hinter dem heutigen Busdepot und trifft im rechten Winkel auf den ehemaligen Flussarm. An der gegenüberliegenden Seite deutet eine Lücke im Buschwerk den weiteren Verlauf auf der nördlichen Flussseite an. 

Bild: Standort der ehemaligen Zugbrücke heute; Quelle: H. Altmann, 2019. 

Der Standort der ehemaligen Brücke war sicherlich mit Bedacht gewählt. Nur wenige Meter weiter nördlich fallen die Böschungen des südlichen Flussufers steil ab. Da man von hieraus , unter Berücksichtigung des damals deutlich lichteren Baumbestandes, einen guten Überblick auf die nördliche Flussseite hatte, wurden in diesem Bereich vermutlich die Verschanzungen / Batterien angelegt. 


Bild: Uferböschung im Bereich der ehemaligen Zugbrücke heute; Quelle: H. Altmann, 2019. 

Im übrigen Verlauf ist der alte Flussarm der Aller bereits relativ stark verlandet und zugewuchert. Hier findet sich heute ein kleines Stückchen Wildnis, in dem die Natur wieder die Oberhand gewonnen zu haben scheint. 


Bild: Verlandeter Teil der alten Flussschleife heute; Quelle: H. Altmann, 2019. 

Folgt man dem alten Flusslauf weiter abwärts, werden deutliche Gemeinsamkeiten mit dem heutigen Lauf der Aller erkennbar. Zwar führt der Altarm im Vergleich eine deutlich geringere Wassermenge - die Breite des Flusses dürfte dagegen den aktuellen Verhältnissen recht nahe kommen. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass es ohne eine Brücke sehr schwer gewesen sein dürfte den Strom zu überqueren. 

Bild: unterer Teil der alten Flussschleife heute; Quelle: H. Altmann, 2019.

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass es westlich von Celle - unmittelbar vor der ehemaligen Schäferei - eine alte Zugbrücke gegeben hat. Wann genau diese entstanden ist, konnte bislang nicht geklärt werden. Es liegt jedoch nahe, dass die Brücke ursprünglich mit der Verlegung des Kaninchengartens einher gegangen sein dürfte. Diese herrschaftliche Jagdanlage wurde zunächst auf der südlichen Seite der Aller betrieben - später jedoch auf die Klein Hehlener Seite des Flusses verlagert, wo sie noch bis ins späte 18. Jahrhundert existierte. 

In den einschlägigen historischen Quellen zur Celler Geschichte taucht die Zugbrücke kaum auf und findet - wenn überhaupt - nur beiläufige Erwähnung. Dies liegt vermutlich darin begründet, dass es noch eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten gab, um die Aller zu überqueren. 

Im Winter des Jahres 1757 geriet die Brücke jedoch umso stärker in den Fokus und wurde - allem Anschein nach - durch französische Truppen, die das Südufer der Aller besetzt hielten, verteidigt. In diesem Zusammenhang dürften auch die teilweise noch erkennbaren Verschanzungen zu sehen sein. 

Auch wenn sowohl die einstige Zugbrücke als auch der ehemalige Kaninchengarten mittlerweile längst aus der Landschaft verschwunden sind, erzählen die wenigen verfügbaren Quellen durchaus ein spannendes Kapitel der jüngeren Celler Geschichte. 

H. Altmann




Donnerstag, 3. Oktober 2019

Zonengrenze Niedersachsen


"Mitten durch Deutschland zieht sich eine 1.345 km lange Demarkationslinie. 525 km davon bilden die Ostgrenze des Landes Niedersachsen" - so heißt es in einer Broschüre des Niedersächsischen Ministeriums für Bundesangelegenheiten aus dem Jahr 1971. Welche Spuren lassen sich heute noch von dieser innerdeutschen Grenze noch finden? 

Rund 50 km östlich von Celle verlief bis zum 17. Februar 1990 die innerdeutsche Grenzlinie zur ehemaligen DDR. Bis zu diesem Datum - und dem damit verbundenen Niedergang der Grenzeinrichtungen - war eine Überquerung der Demarkationslinie nur an ausgewählten Punkten möglich. Einst bestand die innerdeutsche Demarkationslinie aus eine Vielzahl infrastruktureller Grenzeinrichtungen, von denen bis heute im Gelände noch einige erkennbar sind. In diesem Beitrag soll eine kleine Auswahl ehemaliger Grenzeinrichtungen vorgestellt werden. 

Bild: Skizze des Sperrgürtels der sowjetischen Besatzungszone - der ehem. DDR. Quelle: Broschüre "Zonengrenze Niedersachsen", Bundesministerium für Bundesangelegenheiten, 1971. 

Früher verlief im Bereich der Demarkationslinie ein tief gestaffeltes Sperrsystem aus Zäunen, Stacheldrahtsperren, Minengürteln, Bunkern, Beobachtungstürmen und vielen weiteren Einrichtungen. Bereits am 25.05.1952 beschloss der Ministerrat der DDR die "Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie", die später durch die "Verordnung zum Schutze der Staatsgrenze der DDR" ersetzt wurde. Entlang der Demarkationslinie wurde demgemäß eine ca. 5 km breite Sperrzone errichtet. Die daran anschließende 500 m Zone durfte nur mit einem besonderen Berechtigungsausweis betreten werden. 

Unmittelbar entlang der Demarkationslinie auf dem gebiet der DDR wurde ein 10 m breiter Streifen abgeholzt und umgepflügt. Bei einem Betreten dieses Streifens hatte die Grenzpolizei ohne Aufruf zu schießen. 

Die Chronik des Mauerbaus und die Geschichte der Grenzziehung lässt sich anhand verschiedener Quellen nachvollziehen und soll hier nicht Gegenstand der Betrachtung sein. Vielmehr soll das Augenmerk darauf gelenkt werden, dass sich die ehemalige innerdeutsche Grenze in knapper Entfernung zum Landkreis Celle befand. 

Bild: ehemalige Demarkationslinie. Quelle: Broschüre "Zonengrenze Niedersachsen", Bundesministerium für Bundesangelegenheiten, 1971. 

Kurz hinter Wittingen war damals sprichwörtlich die "westliche" Welt zu Ende. In Waddekath - knapp 3 km östlich von Wittingen - verlief die unmittelbare Grenzlinie. 

Bild: Schild der Zonengrenze. Quelle: Broschüre "Zonengrenze Niedersachsen", Bundesministerium für Bundesangelegenheiten, 1971. 

Kurz vor Waddekath, auf westlicher Seite der Demarkationslinie, befand sich ein Übersichtspunkt mit Sicht in den Ort Waddekath sowie auf einen Beobachtungsturm. derartige Übersichtspunkte gab es in regelmäßigen Abständen entlang der Demarkationslinie - der nächste befand sich südlich im Ort Radenbeck. 

Bild: Übersichtspunkt Radenbeck. Quelle: Broschüre "Zonengrenze Niedersachsen", Bundesministerium für Bundesangelegenheiten, 1971. 

In Waddekath erinnert heute noch ein Straßenschild an den einstigen Grenzverlauf - doch lassen sich auch abseits der Straße noch einige Hinterlassenschaften aus der Zeit des innerdeutschen Grenzverlaufs finden. 

Bild: Grenzverlauf, Waddekath heute. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Unmittelbar vor Waddekath wurde die Bahnstrecke unterbrochen die, bis zur Errichtung der Demarkationslinie, zwischen Wittingen und Diestorf verlief. Noch heute findet man die abgetrennten Bahngleise im Wald bei Waddekath. 

Bild: abgeschnittene Bahnstrecke; Wittingen-Diestorf, Waddekath heute. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Die Gegend lag unmittelbar in der Sperrzone - daher wurde hier eine umfangreiche Infrastruktur geschaffen. Diese diente einerseits dazu, Grenzübertritte in beiden Richtungen zu verhindern - andererseits sollte in diesem Bereich ein militärischer Aufmarsch binnen kürzester Zeit ermöglicht werden können. 

Kilometerlange Betonstraßen verliefen entlang der Demarkationslinie - im Extremfall hätten sich hier Panzer und Kolonnen zusammenziehen können. Noch heute sind viele dieser Relikte erhalten geblieben und können bei genauem Hinsehen im Gelände aufgefunden werden. 

Bild: Betonstraße nördlich von Hasselhorst. Quelle: H. Altmann, 2018. 

In den angrenzenden Wäldern finden sich ebenfalls noch militärische Hinterlassenschaften aus der Zeit der einstigen Sperrzone. Unter anderem sind in einigen Bereichen noch Lauf- bzw. Deckungsgräben erhalten geblieben. 

Bild: Deckungsgraben; Forst Vier. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Es finden sich darüber hinaus auch Gebäude, bzw. Relikte, die sich nicht mehr eindeutig zuordnen lassen. Die Möglichkeit Zeitzeugen zu befragen ist relativ eingeschränkt, da einst nur ein überschaubarer Personenkreis Zugang zur Sperrzone hatte. 

So finden sich beispielsweise nördlich von Hasselhorst, knapp hinter dem ehemaligen Sperrstreifen, noch Mauerreste, die vermutlich zu einer Wachbaracke gehört haben könnten. 

Bild: Mauerreste nördlich Hasselhorst. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Erhalten geblieben ist auch ein ehemaliger Beobachtungsbunker an der Straße zwischen Hasselhorst und Lindhof - dieser dient heute als Unterschlupf für Fledermäuse. 

Bild: ehem. Beobachtungsbunker nördlich Hasselhorst. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Am 15.09.1961 wurde die Grenzpolizei der DDR in einer Stärke von 50.000 Mann als Kommando Grenze in die Nationale Volksarmee (NVA) eingegliedert. Entlang der Sperrzone entstanden Kasernenbauten für die Grenzkommandos - so beispielsweise auch an der Straße zwischen Bonese und Schmölau. 

Der Abschnitt wurde durch das Grenzkommando Nord und zugeordneten Grenzregiment 24 "Fritz Heckert" für den Bezirk Salzwedel gesichert. In Bonese war das II. Grenzbataillon GR-24 stationiert. Heute liegt die Kasernenanlage brach. 

Bild: ehem. Kaserne des GR-24 an der Straße zw. Bonese und Schmölau. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Weitere Einrichtungen bzw. Kasernen der Grenzkommandos gab es in Neuekrug, Holzhausen, Dahrendorf, und Dähre. 

Neben den Einrichtungen der Grenzkommandos, gab es damals auch Anlagen der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD). Auf dem 108 m hohen Schwabenberg bei Bergmoor / Diestorf unterhielten die sowjetischen Streitkräfte seit 1967 eine Abhöranlage. In Hochzeiten waren rund 500 sowjetische Soldaten in der Einrichtung untergebracht. Im Sommer 1991 verließen die letzten sowjetischen Soldaten die Abhöranlage - das meiste Material war zu diesem Zeitpunkt bereits abtransportiert worden. Heute liegt das Areal brach. 

Bild: ehem. Abhöranlage des GSSD auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Die Anlage verfügte einst über einen rund 70 m hohen Antennenträger aus massivem Stahlbeton. Dieses Objekt wurde allerdings im Sommer 1998 gesprengt, da es zusehends verfiel und eine Gefahr für die Flugsicherheit darstellte. 

Darüber hinaus war die Abhöranlage autark - sie verfügte dementsprechend über eigene Versorgungsanlagen, Küche und Kantine sowie ein eigenes Heizwerk. 

Bild: ehem. Heizwerk auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Nach Abzug der sowjetischen Truppen fiel das Areal brach. Ausgeplündert von Metall- und Schrottsammlern diente es fortan für die "wilde" Müllentsorgung. Im Volksmund hielt sich nur der einstige Name des sogenannten "Café Moskau". Jugendliche aus der Umgebung nutzten die leerstehenden Gebäude für Partys. 

Die massiven Gebäude der ehemaligen Abhöranlage sind bis heute größtenteils erhalten geblieben. Sie sind meist zweistöckig und verfügen noch über den alten Tarnanstrich. 

Bild: ehem. Kasernengebäude auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Dem Anschein nach sind die Gebäude dem Verfall preisgegeben. In ihrem Innern blättert der Putz von den Wänden, teilweise wurden die Einrichtungen durch Vandalismus stark in Mitleidenschaft gezogen. 

Bild: ehem. Kasernengebäude auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

In einigen Bereichen wurden die Gebäude komplett entkernt - Fußböden herausgerissen und Trennwände durchbrochen. Von ihrem einstigen Stolz hat die ehemalige Abhöranlage bei Bergmoor vieles eingebüßt.

Bild: ehem. Kasernengebäude auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Bild: ehem. Kasernengebäude auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Bild: ehem. Kasernengebäude auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Bild: ehem. Kasernengebäude auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Bild: ehem. Kasernengebäude auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Im hinteren Teil des Areals findet man noch heute einen alten Trimm-Dich-Pfad aus verschiedenen Turn- und Sportgeräten. Dieser diente einst den Soldaten der GSSD körperlich in Form zu bleiben, denn das gesamte Areal misst gerade einmal eine Gesamtfläche von 23 ha. Heute stehen die alten Sportgeräte allerdings nur noch verlassen herum. 

Bild: ehem. Sportgeräte auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Neben den Kasernen- und Unterkunftsgebäuden sind noch einige kleinere Nebengebäude erhalten geblieben. Es handelte sich dabei vermutlich um Lagergebäude und Wachbaracken. In Teilen weisen diese Anlagen mittlerweile jedoch einen stark vernachlässigten Zustand auf. 

Bild: ehem. Nebengebäude Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Bild: ehem. Nebengebäude auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Die ehemaligen Garageneinrichtungen sind bereits stark in Mittleidenschaft gezogen. Die Türen sind aus den Angeln gefallen, die Höfe mit allerlei Pflanzen überwuchert und die Gebäude ans sich sind schon teilweise eingestürzt. 

Bild: ehem. Garagenanlage auf dem Schwabenberg bei Bergmoor. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Es zeigt sich, dass die ehemalige Sperrzone im Bereich zwischen Wittingen und Diestorf auch 30 Jahre nach dem Mauerfall noch zu Teilen erkennbar ist. In vielen Bereichen hat sich die Natur allerdings den alten Anlagen wieder bemächtigt. 

Aus heutiger Sicht erscheint es selbstverständlich von West nach Ost und umgekehrt zu reisen. Den Meisten dürfte dabei kaum mehr bewusst sein, dass eine "Reise" von Diestorf nach Wittingen noch 40 Jahren undenkbar gewesen ist und in rund 50 km Entfernung von Celle bereits die einstige Landesgrenze lag. Die trennende Sperrzone gehört zum Glück der Vergangenheit an - ihre Relikte sind jedoch als mahnende Zeitzeugen der Geschichte bis heute auffindbar. 

H. Altmann


Donnerstag, 26. September 2019

Update: ein vergessener Rüstungskomplex bei Unterlüß


In der Umgebung von Unterlüß existierte früher eine erhebliche Anzahl von Rüstungsanlagen. Nicht alle davon waren bis Kriegsende fertiggestellt worden. Zu einer dieser Einrichtungen liegen neue Erkenntnisse vor, die nachfolgend vorgestellt werden. 

Bereits im vergangenen Jahr wurde hier über Relikte berichtet, die möglicherweise zu einem ehemaligen Rüstungskomplex bei Unterlüß gehört haben könnten. Allerdings gestaltet sich die Quellenlage recht schwierig - eindeutige Belege, die eine militärische Nutzung der Anlage belegen könnten, lagen bislang nicht vor. 

Die Anlage, die aus mindestens drei Gebäuden in einer Größe von 16 x 67m bestand, befand sich westlich des Ortes Unterlüß und weist zumindest auf historischen Luftbildern die Merkmale einer militärischen bzw. rüstungstechnischen Einrichtung auf. Insbesondere die abgeschiedene Lage im Hochwald scheint auf einen solchen Zusammenhang hinzudeuten. Wie bereits berichtet wurde, sollte diese Anlage über eine Bahnstrecke mit der ehemaligen Munitionsanstalt Eschengrund, die sich im Norden von Unterlüß befand, verbunden werden. Diese Bahnstrecke wurde allerdings bis zum Ende des Krieges nicht mehr fertiggestellt - es sind lediglich in einigen Abschnitten noch Teile des Bahndamms im Gelände vorhanden. 

Bild: Verlauf der ehemaligen Werksbahnstrecke. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Lange wurde spekuliert, zu welchem Zweck die drei Gebäudefundamente im Hochwald gedient haben mögen. Die Anbindung an die ehemalige Munitionsanstalt Eschengrund, die massive Bauweise und die Abgeschiedenheit legen jedenfalls eine militärischen bzw. rüstungstechnische Nutzung nahe. 

Zeitzeugen berichten, dass sich vor Ort ein Sägewerk befunden haben soll. Dort sollen  dieser Aussage zufolge Holzkisten für Munition und Waffen aus der Fabrikation der Rheinmetall-Borsig AG hergestellt worden sein. Die Theorie eines Sägewerks oder einer Kistenfabrik wird durch verschiedene Zeitzeugenaussagen aus Unterlüß gestützt. 

In der offiziellen Firmenchronik der Firma Rheinmetall sucht man vergeblich nach Informationen zu der vermeintlichen Rüstungsanlage im Hochwald. In der Chronik, die anlässlich des 111-jährigen Bestehens des Schießplatzes Unterlüß vom Unternehmen selbst herausgegeben wurde, wird man dagegen fündig. Darin heißt es, im Jahr 1944 seien  südlich vom Eschengrund drei Hallen errichtet worden - das sogenannte "Projekt Hochwald". Diese, im Bau befindliche Einrichtung, verfügte demnach über eine Presserei, eine Hämmerei sowie einen Härteofen. 

Diese Darstellung erlaubt zumindest eine Vermutung zu erhärten - die als "Projekt Hochwald" bezeichnete Einrichtung gehörte offenbar tatsächlich zu den Rüstungsanlagen der Rheinmetall-Borsig AG und entstand offenbar in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges. Die Anlage wurde, der Quelle zufolge, in Hallenbauweise errichtet. Dies passt zu den vor Ort aufgefundenen drei Fundamenten, die in regelmäßigen Abständen Vertiefungen - vermutlich für die Verankerung von Metallstangen - aufweisen. 

Bild: Teil eines Hallenfundaments. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Zeitzeugen berichteten, dass sich im Norden der drei Hallenbauten noch in der Nachkriegszeit ein Strom- bzw. Transformatorhaus befunden habe. Dieses Transformatorhaus befand sich offenbar in der nordöstlichen Ecke des Jagen 348 - also nicht weit entfernt von den drei Hallenfundamenten. Bei Bauarbeiten wurde in diesem Bereich zudem ein massives Erdkabel gefunden. 

Für schwere Maschinen, wie solche die in der Schießplatz-Chronik genannt werden, wäre eine Starkstromversorgung unerlässlich gewesen. Es deutet somit einiges darauf hin, dass die Bauarbeiten am "Projekt Hochwald" im Jahr 1944 bereits recht weit vorangeschritten waren. 

Bild: Schacht im Hallenfundament. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Die Hallenfundamente weisen zudem in den Gussbeton eingelassene Schächte auf. Diese Schächte waren allerdings keine Zugänge zu Kellerräumen oder dergleichen. Vielmehr waren im Untergrund insbesondere Wasserleitungen verlegt worden - in den Schächten waren entsprechende Absperrventile untergebracht. Historische Luftbilder legen nahe, dass die Leitungen in westlicher Richtung nach Unterlüß verliefen. 

Die Hallenbauweise war typisch für Rüstungseinrichtungen, die erst in den letzten Monaten des Krieges entstanden. In Unterlüß gab es solche fundamentierten Hallen gleich an mehreren verschiedenen Stellen - und auch andernorts, wie insbesondere im Bereich der oberirdischen Anlagen der Untertageverlagerung "Löwe" bei Habighorst/Höfer - wurde im Zuge des raschen Bauablaufs auf die Hallenbauweise zurückgegriffen. 

Es ist naheliegend, dass diese relativ mobilen Hallen nach Kriegsende leicht demontiert werden konnten. Aus anderen Bereichen in Unterlüß wurden gleich mehrere solcher Hallenkonstruktionen an unterschiedliche Unternehmen veräußert. Es wäre daher denkbar, dass auch die Hallenbauten des "Projektes Hochwald" einen entsprechenden Abnehmer fanden und anderswo wieder aufgebaut worden sind. 

In Karten der unmittelbaren Nachkriegszeit ist im Bereich der Hallenfundamente eine Werkstatt verzeichnet. Offenbar wurde also wenigstens eines der Gebäude noch weiter genutzt. Ob es sich bei dieser Nutzung tatsächlich um ein Sägewerk handelte, ließ sich bislang nicht einwandfrei klären. 

Bild: Umgebungskarte Unterlüß, 1956. Quelle: NLA Hannover Kann. 180 Lüneburg Acc. 3/150 Nr. 257.

Im Flächennutzungsplan der Gemeinde Unterlüß, mit Stand des Jahres 1955, ist im Bereich der Fundamente ein abgegrenzter Bereich verzeichnet. Laut Karte handelt es sich dabei um einen "Bausplitter" im Außenbereich von Unterlüß, der aus zwei Gebäudeteilen bestand. 

Bild: Flächennutzungsplan Unterlüß, 1955. Quelle: NLA Hannover Kann. 180 Lüneburg Acc. 3/150 Nr. 257. 

Zeitzeugenaussagen zufolge wurden die Fundamente in den 70er und 80er Jahren als Übungsziele bzw. Hubschrauberlandeplätze der Bundeswehr genutzt. Hierfür wurde eine größere Bodenplatte eines der Fundamente geräumt und mit einer rot-weißen H-Markierung versehen. Als auch diese Nutzung des Areals eingestellt wurde, nutzten nach und nach Unbekannte den Bereich, um illegal Müll und Bauschutt abzuladen. 

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die drei Gebäudefundamente im Hochwald bei Unterlüß dem sogenannten "Projekt Hochwald" zugehörig waren. Die Anlage verfügte über schwere Maschinen, einen Werkbahnanschluss zur Munitionsanstalt Eschengrund sowie über Rohrleitungsanschlüsse und einen Starkstromanschluss. Insgesamt spricht die Ausstattung der Einrichtung stark dafür, dass an dieser recht abgelegenen Stelle eine Produktion stattfinden sollte. Laboreinrichtungen sind dagegen wohl eher nicht vorhanden gewesen - für diese wäre der geplante Werkbahnanschluss nicht erforderlich gewesen. Was genau in den Anlagen des "Projektes Hochwald" hergestellt werden sollte ist allerdings bislang nicht geklärt. 

Für die lokale Forschung bleiben also noch einige Fragen offen, die hoffentlich in der Zukunft noch beantwortet werden können. 

H. Altmann