f Juni 2018 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Montag, 11. Juni 2018

Dieser Fund gibt Rätsel auf...


Bei Bauarbeiten kommen gelegentlich spannende Funde ans Tageslicht. So konnten beispielsweise bei Baumaßnahmen im "Pottgarten" in Altencelle aufregende neue Erkenntnisse im Rahmen der archäologischen Untersuchungen gewonnen werden. Nun kam beim Pflastern eines Garagenhofes in der Hildebrandstraße ein interessanter Stein zu Tage, der offenbar eine Inschrift trägt und bisweilen Rätsel aufgibt...

Schlecht gestaunt haben sie nicht - als sie ihren Garagenhof pflastern wollten, stießen die Bewohner eines Miethauses in der Celler Hildebrandstraße - unweit der Hannoverschen Heerstraße - auf einen beschrifteten Stein. Rund 45 cm hoch, 30 cm breit und ca. 8 cm dick ist die Steinplatte, die in deutlich erkennbaren Zeichen die Beschriftung "AL 702" trägt. Die Finder konnten sich zunächst keinen Reim auf diesen Fund machen - weitere Objekte waren in der rund 40 cm tiefen Grube auch nicht zu entdecken. Beim Einbringen von Mineralgemisch war der seltsame Stein zutage gekommen. 

Bild: Fundort in der Hildebrandstraße. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Lässt man die Fundumstände zunächst außer Acht, wirft der Stein an sich bereits Fragen auf. Es handelt sich hierbei um einen massiven Körper, der im oberen Bereich leicht abgerundet ist. Die Aufschrift AL 702 befindet sich in der unteren Hälfte. 

Die Kombination aus Buchstaben und Zahlen scheint in den Körper gepresst worden zu sein. Es handelt sich offenbar um eine Art Abdruck, die möglicherweise unter Hitzeeinfluss in eingeprägt worden ist. Um die Prägung ist der Abdruck einer Platte erkennbar auf der die Zeichen offenbar angebracht waren. 

Bild: Steinfund. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Das Material des Steins ist bislang noch unbestimmt. Auffällig sind allerdings die blasenartigen Aufwerfungen an der Oberseite. Der Körper scheint also unter Hitzeeinfluss gegossen worden zu sein, wobei während des Erkaltens Luftblasen nach Außen drangen. Möglicherweise handelt es sich um ein Gemisch aus Bitumen und anderen Stoffen. 

Bild: Steinfund. Quelle: H. Altmann, 2018. 

An einer Seite der Steinplatte war ein kleines Stück abgebrochen. In diesem Bereich zeigt sich der Struktur der Oberfläche besonders deutlich. Es handelt sich um ein dunkles Material, das zahlreiche Lufteinschlüsse aufweist. 

Bild: Steinfund. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Das Bruchstück zeigt ebenfalls eine Vielzahl von Lufteinschlüssen. Dies legt den Schluss nahe, dass der Stein insgesamt kein Naturprodukt ist, bzw. dass er künstlichen Ursprungs sein muss. 

Bild: Steinfund. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Besonders eigenartig erscheint die Inschrift der Steintafel. In der Facebookgruppe "Du kommst aus Celle, wenn..." in die der Fund eingestellt war, kamen skurrile Theorien auf, worum es sich hierbei wohl handeln könnte. Von einem Grabstein oder einem Grenzstein war unter anderem die Rede. 

Letztere Annahme stützte auch der Celler Kulturlandschaftsforscher und Autor Florian Friedrich, der im Raum Celle bereits etliche alte Grenzsteine ausgewertet hat. Die Echtheit von Grenzsteinen wurde früher oft durch das Vergraben sogenannter "Zeugen" verifiziert. Dabei wurden Bruchstücke von Tonscheiben unterhalb des eigentlichen Grenzsteins platziert, um so die Echtheit des jeweiligen Grenzpunktes zu bestätigen. Ebenfalls war es früher üblich, dass mehrere unsichtbare Grenzsteine einen "echten" Grenzstein im Schnittpunkt gedachter Sichtachsen belegen sollten. 

Dass es sich um einen alten Grenzstein handeln könnte leuchtet durchaus ein. Allerdings gab es noch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts noch keine Hildebrandstraße. Die heutige Bebauung erfolgte erst in den 60er Jahren. Wie historische Karten belegen, befanden sich vorher lediglich Felder in diesem Bereich. 

Bild: Gegend der Hildebrandstraße um 1925. Quelle: Katasterkarte Celle, 1925. 

Es stellt sich somit die Frage, welche Grenze in diesem Bereich einst verlaufen sein mag. Das Celler Katasteramt teilte auf Anfrage mit, dass sich die Feldfluren vor Ort im Laufe der Zeit verändert haben. Allerdings scheint es sich hiernach nicht um einen alten Grenzstein zu handeln, denn der aufgefundene Stein passt seiner Beschriftung nach weder zu den bekannten Fluren - noch konnten bisher vergleichbare Grenzsteine aufgefunden werden. 

Anfragen beim Celler Bomann-Museum, dem Celler Stadtarchiv und der Stadt Celle verliefen bislang ebenfalls ohne Ergebnis. Vergleichbare Steine kamen bisher nicht ans Tageslicht. 

Kurios ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die einstige Stadtgrenze Celles tatsächlich unweit der heutigen Hildebrandstraße verlief. Karten aus den 50er Jahren zeigen die ehemalige Grenze noch, die südlich entlang des Waldwegs und östlich an der Hannoverschen Heerstraße verlief. 

Bild: Verlauf der einstigen Stadtgrenze. Quelle: Messtischblatt 1950, Google Earth.  

Ob es sich bei dem Fund also tatsächlich um einen alten Grenzstein handelt, oder vielleicht um etwas ganz anderes, konnte bisher nicht abschließend geklärt werden. Die kryptische Beschriftung und das Erscheinungsbild würden zu einem Grenzstein passen - es stellt sich jedoch die Frage zu welcher Grenze dieser Stein einst gehört haben mag. 

Im Ergebnis ist es jedoch sehr erfreulich, dass der Fund bekannt wurde. Vermutlich werden bei privaten Baumaßnahmen häufiger Funde gemacht, die der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Gerne können solche Funde per E-Mail an die folgende Adresse gemeldet werden: found-places@live.de Eine Weiterleitung an die zuständigen Stellen erfolgt selbstverständlich. 

Über weitere Hinweise zu dem Steinfund würde ich mich sehr freuen. Diese können gerne  ebenfalls an die o.g. E-Mail-Adresse gerichtet werden. Sofern es neue Erkenntnisse gibt, wird dieser Eintrag natürlich aktualisiert. 


H. Altmann






Mittwoch, 6. Juni 2018

Die ehemaligen Flentje Häuser in Celle


Celle ist überregional für das größte zusammenhängende Fachwerk-Ensemble bekannt. Dieser glückliche Umstand gründet sich nicht zuletzt darauf, dass die Celler Innenstadt während des Zweiten Weltkriegs von Bombenangriffen verschont geblieben ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Fachwerkhäuser gleich alt sind, denn an einigen Stellen wurde die alte Bausubstanz geschickt ersetzt... 

Die Fachwerkhäuser sind der Stolz und das Aushängeschild Celles - und das nicht erst in heutiger Zeit. Umso stärker wird seit jeher darauf geachtet, dass sich Neubauten harmonisch in das Stadtbild einfügen. So ist für Touristen - aber vermutlich auch für viele Einheimische - manchmal nicht sofort zu erkennen, welches Gebäude tatsächlich alt ist und welches nur vorgibt es zu sein. 

Ein gutes Beispiel sind die ehemaligen Flentje Häuser. Schon dieser Name dürfte heute den meisten Cellern kaum mehr geläufig sein. Dabei handelt es sich um Gebäude inmitten der Innenstadt, in der Zöllnerstraße Nummer 44 - 46, die im Jahr 1960 abgebrochen und neu aufgebaut wurden. Heute sind diese Häuser den meisten vermutlich als Standort der Handelskette Müller bekannt. 

Die Geschichte der Flentje Häuser war von Höhen und Tiefen geprägt. Erstmals wurde hier bereits im Jahr 1836 ein Kaufhaus von Karl Wasserfall gegründet. Im Jahr 1895 übernahmen die neuen Inhaber Goedecke und Mittelmann das gleichnamige Kaufhaus. 

Bild: Flentje Häuser an der Ecke Zöllnerstraße / Poststraße. Quelle: Lüneburger Heimatkalender 1958. 

Im Jahr 1909 zog in das Gebäude schließlich das Unternehmen Flentje und Beck ein. Dieses überdauerte beide Weltkriege - auch, weil es sich gegen die örtliche Konkurrenz durchsetzen konnte. Diese bestand unter anderem in dem Traditionskaufhaus der Familie Freidberg am Markt 5 - 9. Bereits seit dem Jahr 1895 existierte das Freidbergische Kaufhaus am Markt - der damals beliebtesten Einkaufsstraße in Celle. 

Bereits in den Anfangsjahren der Weimarer Republik kam es zu Problemen für die jüdische Familie Freidberg. Plakate wurden mit Hakenkreuzen beschmiert - ja, es kam sogar das Gerücht auf, dass die Ornamente an der Eingangstür des Kaufhauses gegen Christen gerichtet seien. Der Architekt des Gebäudes, Otto Haesler, bemühte sich um Klarstellung. Die Anfeindungen nahmen jedoch nicht ab - im Gegenteil. Mit dem aufkommenden Nationalsozialismus wuchsen die Erschwernisse für die jüdischen Kaufleute. Am 01.04.1933 postierten sich SS-Männer mit Plakaten vor dem Kaufhaus. Die Geschäfte liefen zunehmend schlecht und im November des Jahres 1936 entschied Ida Freidberg das Unternehmen an den Konkurrenten Flentje & Beck zu verkaufen.  Sie selbst emigrierte in die USA. Celle war somit um ein Kaufhaus ärmer geworden. 

Unter dem Traditionsnamen Gödecke & Mittelmann führten die Inhaber Flentje das Kaufhaus in der Zöllnerstraße fort. Es entwickelte sich zu einem beliebten Modezentrum vor Ort und über die Grenzen der Stadt hinaus. Zu einem ersten Umbau des Stammhauses in der Zöllnerstraße 44 - 46 kam es bereits im Jahr 1937 - allerdings blieben hierbei die Außenfassaden erhalten. man richtete ein modernes Kaufhaus ein, das über großzügige Schaufensterauslagen verfügte. Hierauf wies man durch entsprechende Anzeigen (siehe Bild rechts: CZ vom 11./12.03.1939) auch explizit hin. Wie bereits eingangs erwähnt blieb die Celler Innenstadt durch alliierte Bombenangriffe während des Zweiten Weltkriegs glücklicherweise verschont. So konnte auch das Kaufhausgebäude in der Zöllnerstraße nach Kriegsende von den Inhabern Flentje weiter betrieben werden. 

Bis zum Jahr 1960 zierten die mittlerweile als "Flentje Häuser" bekannten Gebäude das Celler Stadtbild. Besonders auffällig war das Gebäude an der Ecke Zöllnerstraße / Poststraße, da es aufgrund seiner Höhe viele der umliegenden Gebäude überragte. Auffällig war insbesondere der treppenförmige Giebel mit dem vorstehenden Erker. Darstellungen aus den späten 40er Jahren zeigen die Flentje Häuser als markante Fachwerkgebäude. 

Bild: Flentje Häuser in der Zöllnerstraße 44-46. Quelle: Adressbuch Celle 1949. 

Im Jahr 1960 sollte an Ort und Stelle das Warenhaus "Kepa" entstehen. Für dessen Neubau wurde der Abriss der Flentje Häuser notwendig. Dieser fand im Jahr 1960 statt und rief eifrige Diskussionen hervor. Allerdings entschied sich der Architekt die traditionelle Fachwerkfassade mit ihrer Holzkonstruktion zu belassen. Dagegen wurde der Neubau des Karstadtgebäudes auf Grundlage einer modernen Kombination von Stahlbeton und Fachwerk gewagt - eine Mischung die sich bis heute schwer in den baulichen Kontext der Innenstadt einfügt. 

  
Bild: links: Flentje Häuser vor dem Abbruch 1960; rechts: Neubau im Juli 1961. Quelle: Lüneburger Heimatmalender 1962. 

Das neue Erscheinungsbild der ehemaligen Flentje Häuser fügte sich so gut in das Celler Stadtbild, dass vielen Cellern heute schon nicht mehr bewusst sein wird, dass sich jemals andere Gebäude an Ort und Stelle befunden haben. 

Das neue Kaufhaus Kepa konnte sich an seinem neuen Standort in der Zöllnerstraße 44 - 46 bis ins Jahr 1980 behaupten - dann bezog schließlich das Unternehmen Karstadt - zunächst mit seinem "Hobby-Haus" das Gebäude. Zu diesem Zeitpunkt besaßen die Häuser bereits das charakteristische Aussehen, das sie bis heute behalten haben. 

Vor einigen Jahren bezog schließlich die Handelskette Müller die Gebäude und ist seither darin ansässig. Von Innen mag sich in der Zwischenzeit vieles verändert haben - äußerlich sind die Neubauten, die auf die ehemaligen Flentje Häuser folgten - so erhalten geblieben, wie sie im Jahr 1961 fertiggestellt wurden. 

Heute dürfte mitunter nur noch wenigen Cellern der bauliche Wandel bekannt sein, der sich vor noch nicht allzu langer Zeit inmitten der altehrwürdigen Fachwerkstadt vollzogen hat. 

Bild: Innenstadt Celle; Am Markt; Stechbahn; Zöllnerstraße; Poststraße. Quelle: H. Altmann, 2014. 

Was die bauliche Zukunft in Celle mit sich bringen mag ist schwer abzuschätzen. Heute sind die Gestaltungen der Außenfassaden durch entsprechende denkmalrechtliche Vorschriften reglementiert. Insgesamt kann man nur hoffen, dass das traditionelle Stadtbild mit seinen Fachwerkhäusern noch möglichst lange Bestand haben wird. 

H. Altmann