f August 2012 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Freitag, 24. August 2012

Das Marinesperrzeugamt Starkshorn







Hallo zusammen, 

meine heutige Exkursion führte mich in den Lüß-Wald (bei Unterlüß). Der Wald ist nordwestlich von Eschede gelegen. Man kennt den Wald meist nur von der Bahn aus gesehen. Der Lüß erstreckt sich quasi komplett geschlossen von Eschede bis Unterlüß. 
Was man von der Bahn aus jedoch nicht sehen kann: in diesem Wald gibt es eine viele Bunker (-ruinen). 

Erst neulich gab es wieder eine Diskussion am Lagerfeuer: 
"Bei Eschede im Wald gibt es große Bunker..."
"...Ja, das habe ich auch gehört - angeblich sind einige unterirdisch..." 
"Einige der Bunker wurden noch nie aufgemacht..." 


Erst einmal vorab etwas Geschichtliches zu den Bunkern im Lüß: 


Da es über das Sperrzeugamt heute so gut wie keine Informationen mehr gibt, habe ich für folgende Darstellungen auf die veröffentlichen Recherchen von Joachim Gries und Joachim Hoppe zurückgegriffen. Von ihnen stammt das Buch: "...Was wir tun, ist nicht gerade zum Guten" Das Marinesperrzeugamt Starkshorn 1937 bis 1945. Es ist bei der Gemeinde Eschede zu bestellen: 








In Niedersachsen entstand zwischen 1933 und 1945 eine große Anzahl von Heeresmunitionsanstalten (sog. Munas). Diese Betriebe (z.B. Hambüren, Hänigsen, Höfer) dienten in erster Linie zur Herstellung und Produktion von Sprengstoffen und dem Zusammenbau von Sprengwaffen. Einige der Betriebe waren (wie z.B. Hänigsen oder Höfer) in ehemalige Salzstollen auf einer Sohle von bis zu 900m eingelagert. Dies sollte vor den alliierten Luftangriffen schützen, aber auch eine möglichst unauffällige Produktion gewährleisten. 

Während die o.g. Munas vorrangig die Wehrmacht mit Munition versorgten, gab es ebenso weitere Einrichtungen für die Marine: die sog. Marinesperrzeugämter. 

Durch die Bestimmungen des Versailler Vertrages war die deutsche Marine bis 1935 starken Sanktionierungen unterworfen. Mit dem Flottenabkommen 1935 wurde die deutsche Flottengröße auf 35% der britischen Flotte reglementiert. Durch das Reichskriegsminesterium in Berlin wurden daher Pläne aufgenommen die Flotte aufzurüsten. Auch die Produktion von "Sperrgeräten" wie See- und Torpedominen wurde neu überdacht. 

Zum 01.10.1937 erhielt die Marinewerft Wilhelmshafen eine etwa 250 Ha große Waldfläche zwischen Eschede und Unterlüß von der Gemeinde Starkshorn. Alsbald wurde mit dem Bau der Anlage begonnen. Da es sich um eine oberirdische Einrichtung handelte, wurde der Hochwald des Lüß zu weiten Teilen geschützt. Er sollte später die Gebäude und Bunker verbergen. Von Starkshorn aus wurde eine gepflasterte Straße angelegt um das Marinesperrzeugamt erreichbar zu machen. 
Auf dem Gelände selber gab es so gut wie keine Straßen. Die Bunker und Gebäude waren nur durch schmale Pfade und ein Feldbahnnetz (Spurweite 64 cm) miteinander verbunden. Die Feldbahn verfügte über 4-5 kleine Disellokomotiven und endete an einer Verladerampe, etwa 1500m vor dem Bahnhof Unterlüß. Dort wurden die produzierten Güter auf die Fernbahn verladen und abtransportiert. 


Was wurde produziert? 

Im Zweiten Weltkrieg setzte die Kriegsmarine zwischen 220.000 und 230.000 Seeminen ein. Die Seemine verblieb planungsgemäß unter Wasser bis sich ein Schiff näherte und sie durch Kontakt auslöste (Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Seemine).  

In Starkshorn wurden einerseits Berührungszünderminen (die bei Berührung detonierten) und andererseits auch Fernzünderminen (die auf magnetische, akustische oder Druckveränderungen reagierten) produziert. Besonders weit entwickelt wurden sog. "Torpedominen" - sie hatten denselben Umfang wie Topedos und konnten daher aus Torpedoschächten abgeworfen werden.
Nachweislich wurden bei der Produktion auch polnische, französische und russische Kriegsgefangene eingesetzt.

Am 04.10.1944 kam es in einem Keller eines der Gebäude zu einer Explosion. Es wurde gemutmaßt, es habe sich um eine neuartige Sperrwaffe gehandelt, die unplanmäßig detonierte. Bei der Explosion starben 3 Waffenwarte.

Am 13.04.1945 erreichten Soldaten des 7. Bataillons der "Seaforth Highlanders" den sog. Wacholderhof - den zentralen Platz des Marinesperrzeugamtes.

Nachdem die Briten die Anlage besetzt hatten, wurde dort Munition aller Art aus dem gesamten norddeutschen Raum gesprengt. Von Munition aus Handfeuerwaffen bis hin zu V1 und V2 Sprengköpfen reichte dabei die Palette.
Nach dem die Sprengungen eingestellt wurden kamen immer wieder Schrottsammler auf das Gelände des Sperrzeugamtes. Am 09.06.1950 kam es zu einem Unfall, als ein 48 jähriger Vater und sein 18 jähriger Sohn mit anderen Schrottsammlern auf dem Gelände waren. Es war eine 150 Kg Bombe detoniert. Die Cellische Zeitung berichtete am folgenden Tag, dass von dem Sohn nur noch ein Oberarm und der Kopf gefunden werden konnte und Fleischfetzen in einem Umkreis von 200m gefunden wurden.

Bis in den Sommer 1991 wurden immer wieder gefährliche Sprengstoffe sichergestellt.



Bitte beachten: 

Ich finde es sehr verwunderlich, dass es heute so gut wie keine Warnschilder am Gelände gibt. Wenn man aus Richtung Süden kommt findet man lediglich Hinweise auf das Verbot die Forstwege zu befahren. Weitere Schilder weisen nur auf Radwege oder den niedersächsischen Fernwanderweg hin. Meines Erachtens wurde hier versucht "Gras" über die Sache wachsen zu lassen. Die Anlage liegt fernab von der Zivilisation und ist auch schon zu großen Teilen aus der Erinnerung gewichen. Aber man kann bei der Größe des Geländes unmöglich von einer kompletten Räumung aller Altlasten ausgehen. Nebenbei ist das Gelände durch den alten Postweg Starkshorn - Unterlüß erreichbar. Ich bin das Gelände von der kompletten Südseite aus umlaufen und habe nicht ein einziges Hinweisschild gefunden.

Ich rate davon ab sich das Gelände anzusehen. Nicht weil dort überall Munition liegen könnte, sondern, weil es dort einfach nichts zu sehen gibt. Tatsächlich kann man kaum noch nachvollziehen wo welche Gebäude gestanden haben. Überall liegen Trümmer der gesprengten Bunker - ich war mit Bergschuhen unterwegs und habe langjährige Erfahrung als Bergsteiger, aber wenn man sich dort die Haxen bricht, findet einen so schnell keiner.
Die umliegenden Wälder sind dazu auch noch mit Wildschweinen überlaufen. Zwar sind diese eigentlich grundsätzlich friedlich, aber wenn sie ihre Jungen in Gefahr sehen oder sich in die Enge getrieben fühlen, können sie zum Angriff übergehen.

Abgesehen davon gibt es dort wenig Interessantes zu sehen. Folgende Bilder zeigen das Interessanteste was es dort gibt. Ich würde daher jedem raten auf die Kraxelei, Schweine und Insekten zu verzichten;) 


Heutige Ansichten der Anlage. Zum Vergrößern der Bilder - einfach anklicken...




Gesamtübersicht. Zur Vergrößerung bitte anklicken. Ich habe einige, aber längst nicht alle Bauwerke markiert. Rot sind riesige Sprengkrater...



gesprengter Bunker



Man erkennt noch schwach das Tonnendoch.



Nur noch ein Berg Trümmer.



Entweder eine Art "Wanne", oder ein umgekipptes Tonnendach eines Bunkers...



Eingang eines Bunkers.




Ein großer Krater...



Bunkerfragmente

Unterseite einer Batterie...


Oberseite einer Batterie....


Batterien im Wald...


Das Schwarze ist die innere Isolationsschicht der Bunker. Vermutlich Teer...


Bunkereingang. 


In einem Bunker (ohne Dach)...


Bunkereingang...


Gebäudefragmente im Wald. 


Bunkereingang - verschüttet. 


Bunker-Geröll. 



Steine im Wald...ehemaliges Baumaterial.



Bunkerreste.



Ein RICHTIG tiefes Loch...Sprengkrater.



Erhaltener Bunkereingang. Der Rest fehlt.



Blick aus dem Bunker. 


Hinterwand des Bunkers steht noch...



Lüftungsschacht eines zusammengestürzten Bunkers.



Bunkereingang.


Länglicher Bunkerstollen. 



Bunkereingang. 


Rundumsicht einer der Bunker...





Röhrenförmiger Bunker.



Im Röhren-Bunker.



Bunkerreste.



Einer der Sprengplätze... (oben rot).

Rundumsicht der Kuhle...








Gesprengtes Cal. 50 BMG.



Mauerreste - Barracke? 



Eine Eichenallee mitten im Wald...




Das "gute" Porzellan...


Unterstand. 


Das "Brandenburger Tor". Vorderfront eines ehemaligen Hauses. 


Ansicht gesamt. 


Ansicht links. 



Ansicht hinten. 


Noch mal Ansicht hinten. 


Ehemalige Feldbahnstrecke...



Eisenstufen. Möglicherweise wurden hier Wassertests durchgeführt...



Werft-änliches Betongebilde...


Bunkerreste. 


Betonkante an der ehemaligen Felsbahn. 




Feldbahnstrecke...



Ein Teil der Kanalisation?


Bunkerreste...


Bunkerreste...


Pfad oder Feldbahn?


Bunkerrest. 


Bunkereingang. 




Eisenfragment. Splitter?



Einziger noch erhaltener Bunker. Innen ist er leider schon mit Graffitis beschmutzt. Ansonsten gut erhalten.



So in etwa sahen wohl auch die übrigen Bunker aus...



Erhaltener Bunker. 




Zerstörter Bunker.



Bunkereingang. 




Noch ein Grund die Gegend zu meiden: Dort hat mich eine Bremse gebissen...die muss einen ziemlich soliden Kiefer gehabt haben;)


Fazit...

Das ehemalige Marinesperrzeugamt ist zwar ganz interessant vom Hörensagen her - lohnt aber eigentlich für einen Besuch nicht. Es gibt dort weder verschlossene Bunker, noch anderweitige Dinge, die spannend sind. Darüber hinaus liegt es am Ende der Welt und bietet eine Rückzugszone für Tiere.

So gerne ich auch über tolle, spannende Orte schreibe und ich diesem Platz einen gewissen Charme zuschreiben muss - gebe ich ihm auf einer Skala von 1 - 10 maximal eine 5. Denn man muss wirklich einiges an Fantasie haben um sich vorzustellen, dass dort einmal eine geheime Bunkeranlage stand.


Alles in allem war es eine nette Expedition.


Beste Grüße,

S.t.a.l.k.e.r.



Quellen
Joachim Gries und Joachim Hoppe "...Was wir tun, ist nicht gerade zum Guten" Das Marinesperrzeugamt Starkshorn 1937 bis 1945. 







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Wichtiger Hinweis: 

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