f Die Allerheide bei Lachendorf ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Donnerstag, 18. Januar 2018

Die Allerheide bei Lachendorf



Heute erinnern nur noch wenige Überbleibsel daran, dass die Stadt Celle früher inmitten "der Heide" lag. Eine der größten Heideflächen im heutigen Landkreises befand sich östlich der Stadt - die sogenannte Allerheide bei Lachendorf. Da die Heide mittlerweile fast restlos verschwunden ist, wird es höchste Zeit für eine Spurensuche. 

Zwischen Oppershausen und Lachendorf erstrecken sich heute ausgedehnte Kiefernwälder. Gemeinsam mit dem angrenzenden Waldgebiet der "Sprache" handelt es sich um die größten Waldflächen im östlichen Landkreis Celle. Doch so wie sich die Landschaft heute gibt, hat sie nicht immer ausgesehen. 

Noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erstreckten sich südlich der Orte Lachendorf und Ahnsbeck die ausgedehnten Heideflächen der sogenannten Allerheide. Diese reichte vom Rand der Allerdreckwiesen im Osten bis zur Sprache im Nordwesten und im Südwesten bis ans Osterbruch bei Osterloh. im Süden bildete der Ort Oppershausen den Abschluss. Insgesamt umfasste die Fläche eine Größe von ca. 25 kmdie sich durch sehr arme Böden auszeichnete. Spätere Bodenuntersuchungen ergaben, dass sich die Allerheide auf dem ursprünglichen Schwemmfächer der Lachte befindet, also einem Gebiet, das unmittelbar mit der Entwicklung des einstigen Allerurstromtals zusammenhängt. 

Eine frühe Erwägung fand die Allerheide bereits in der Zeit der Hexenverfolgung. Da es sich um eine karge und trostlos anmutende, für gewöhnlich menschenleere Gegend handelte, entstanden abergläubische und mystische Geschichten um die Heide. Am 09.10.1572 bekannte Anneke Mechels aus Ahnsbeck, dass sie mit Margarete Krauel, von der sie überhaupt erst die Zauberei erlernt hatte, am Fastelabend ( = Fastnacht) auf der Allerheide bei den Weizenkämpen an einem Nachttanz teilgenommen habe. Sie beschrieb Rituale bei denen sie mit einer schwarzen Salbe an Kopf, an den Knien und an den Füßen bestrichen wurde und schließlich linksherum getanzt habe. Anneke wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 

Auch die von ihr beschuldigte Margarete Krauel bekannte sich im peinlichen Verhör, d.h. unter Folter, zu diversen Zaubereien. Insbesondere gab sie an zum Nachttanz auf der Allerheide durch den ganz in grün gekleideten Geist Lucifers auf einem schwarzen Ziegenböcke gebracht worden zu sein. Auch Margarete Krauel wurde vom Gericht zum Tod durch Verbrennen verurteilt. 

Historische Karten zeigen die Allerheide noch als große monotone Heide ohne nennenswerten Baumbewuchs. Einzige Ausnahme bildet hierbei der stets erwähnte und in Karten verzeichnete Birkenbusch, der auch in den frühen schriftlichen Beschreibungen der Allerheide Erwähnung findet. 

Bild: Allerheide südlich von Lachendorf. Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme, 1780. 

In einer frühen Beschreibung Lachendorfs, im Hausbuch der Amtsvogtei Beedenbostel aus dem Jahr 1663, heißt es: 

"Das Dorf Lachendorf hat seine Hut und Weide vor der Eicklinger Grenze, vor Oppershausen, vor dem Osterbruch bei der Sprache, hinter Gockenholz herum, hinter Beedenbostel nach Höfer, Jansen, Bunkenburg, vor Spechtshorn, Helmerkamp und Ahnsbecker Feld. (...) An Wald haben sie nichts Eigenes als ihre selbst gepflanzten Eichen um das Dorf herum, von denen sie jedoch ohne Erlaubnis keine hauen dürfen. Dann haben noch einen Birkenbusch in der Allerheide, nicht weit von der Sprache entfernt."  
(Wittmann/Seebo, Lachendorf - Beiträge zur Geschichte des Dorfes, Bd. 1 S. 18). 

Den Birkenbusch gibt es heute zwar nicht mehr. Mithilfe historischer Karten lässt sich aber seine ungefähre Lage in der einstigen Allerheide noch recht gut bestimmen. 

Bild: Allerheide südlich von Lachendorf. Quelle: Papen Atlas, 1833. 

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Heideflächen grundsätzlich gemeinschaftlich genutzt. Sie zählten damit zur Allmende - nur einzelne Bereiche waren hiervon ausgenommen. Anders als die in den Gewannen liegenden Äcker war die Allmende keinem Hof direkt zugeordnet. Lediglich das ganze Dorf besaß bestimmte Heideberechtigungen, die im Regelfall durch den örtlichen Viehhirten ausgeübt wurden. Dieser zog mit dem Vieh auf die gemeinschaftlichen Weideplätze, sodass letztlich alle Höfe im Dorf die Allmende gleichermaßen beanspruchten. 

Die Allerheide wurde jedoch nicht nur von den Lachendorfer Bauern beweidet. Auch die anderen angrenzenden Dörfer und sogar die Stadt Celle besaß hier entsprechende Weideberechtigungen. Allerdings wurden diese bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht mehr ausgeübt, wie Clemens Cassel berichtete (C. Cassel, Die Geschichte der Stadt Celle, Bd. 2, S. 293). Als die Stadt Celle im Jahr 1849 die Berechtigung zur Kuhweide auf der Allerheide aufgab, war die hierfür erhaltene Geldsumme relativ gering, da die Berechtigung seit Menschengedenken nicht mehr ausgeübt worden war (C. Cassel, Die Geschichte der Stadt Celle, Bd. 2, S. 297)

Neben der Nutzung als Weideflächen diente die Allerheide auch militärischen Zwecken. Bis zum Jahr 1866 unterhielt die Hannoversche Armee hier einen sogenannten Exerzierplatz, der für Truppenübungen benutzt wurde. Auf historischen Karten ist dieses Gelände noch verzeichnet. 

Bild: Allerheide südlich von Lachendorf. Quelle: War Office Map 1945. 

Die Lage des ehemaligen Exerzierplatzes kann durch Verwendung der Karte als Overlay in Google Earth genauer bestimmt werden. Der Platz befand sich südlich der Straße nach Ahnsbeck und westlich der Verbindungsstraße zwischen Lachendorf und Oppershausen. Allerdings wurde der Exerzierplatz ab 1866 offenbar kaum noch genutzt und ist heute längst in Vergessenheit geraten. 

Bild: Allerheide südlich von Lachendorf. Quelle: War Office Map 1945; Google Earth.  

Heute erinnert so gut wie nichts mehr an die alte Allerheide. Grund hierfür ist vor allem die Verkoppelung, die im 19. Jahrhundert gravierende Einschnitte im traditionellen Landschaftsbild mit sich brachte. Im Rahmen der sogenannten Generalteilung wurden solche Flächen aufgeteilt, die zuvor der Allgemeinheit zugehörig waren - also die bereits erwähnten Flächen der Allmende. Im Jahr 1844 wurde die Generalteilung der Allerheide beantragt und im Jahr 1861 endgültig abgeschlossen. 

Durch aufwändige Bewertungsverfahren wurde in der Zeit zwischen 1844 und 1861 den einzelnen Dörfern und Grundbesitzern entsprechende Flächenanteile an der Allerheide zugewiesen. Nach Beendigung des Verfahrens gab es keine Allmendeflächen mehr. 

Die Folge war, dass sich nun die einzelnen Grundbesitzer um die optimale Nutzung ihres Flächenanteils sorgten. Da es sich bei der Allerheide jedoch um recht karge Böden handelte, deren Nutzung für Ackerlang unter den einstigen Bedingungen kaum in Frage kam, wurden die Flächen meist für forstwirtschaftliche Zwecke umfunktioniert. Fuhren bzw. Kiefern, die vergleichsweise geringe Anforderungen an die Bodengüte stellten, wurden ausgespäht. Auf diese Weise entwickelte sich eine schnell wachsende und widerstandsfähige Vegetation auf den einstigen Heideflächen, die der Landschaft noch heute ihr prägendes Bild vermittelt. 


Bild: Kiefernwälder südlich von Lachendorf. Quelle: H. Altmann.  

Heutzutage werden einige der einstigen Flächen landwirtschaftlich genutzt. Künstliche Düngemittel haben hier das vollbracht was jahrhundertelang unmöglich erschien und aus den kargen Böden nutzbares Ackerland gemacht. Durch den zeitweisen Bewuchs mit Kiefern konnte in diesen Bereichen ebenfalls eine nachhaltige Anreicherung der oberen Bodenschichten mit wichtigen Nährstoffen erzielt werden. 

So erstrecken sich mittlerweile südlich von Lachendorf saftige Weiden und ertragreiche Äcker auf der einstigen Allerheide. Kaum vorstellbar erscheint es daher, dass hier früher eine karge und eintönige Ödnis vorzufinden war. 

Bild: Äcker südlich von Lachendorf. Quelle: H. Altmann.  

Heideflächen sind so gut wie gar nicht mehr anzutreffen. Obwohl es sich bei dieser Gegend einst um die größten Heidegebiete im Raum Celle handelte, ist diese Erscheinung nahezu vollständig aus dem Landschaftsbild verschwunden. Heute prägen dagegen die ausgedehnten Kiefernwälder die örtliche Wahrnehmung... 


Bild: Äcker südlich von Lachendorf. Quelle: H. Altmann.  

Nur an wenigen Stellen kann man noch ein blasses Bild der einstigen Allerheide erahnen. So gab es bis in die 90er Jahre eine kleine, dreieckige Restfläche südwestlich von Lachendorf. Im südlichen Teil dieser verbliebenen Heidefläche befindet sich noch heute ein Erinnerungsstein an den ostpreußischen Ort "Riesenburg"


Bild: Heidefläche südlich von Lachendorf. Quelle: H. Altmann. 

Allerdings ist such diese kleine Heidefläche mittlerweile fast vollständig mit Kiefern bewachsen, sodass kaum noch Heidekraut durchdringt. Diese Pflanze, de damals denn gesamten Landstrich südlich Lachendorfs prägte, ist somit fast vollständig verschwunden. Nur noch entlang einiger Wege finden sich die Reste der alten Allerheide. 

Bild: Heidefläche südlich von Lachendorf. Quelle: H. Altmann. 

Die Allerheide bei Lachendorf zeigt eindrucksvoll, welchen Einfluss der Mensch bereits früher auf seine Umgebung ausübte. Durch Überweidung und Ausbeutung des Boden, die insbesondere durch den sogenannten Plaggenhieb erfolgte, entstand einst die karge Landschaft der Allerheide. Dort gab es nicht außer Sandwegen, Heide und vereinzelten Wacholderbüschen. 

Erst die Maßnahmen der Verkoppelung wandelten das örtliche Landschaftsbild nachhaltig. Heute lässt sich kaum noch erkennen, dass es einmal derart ausgedehnte Heideflächen gegeben hat. Lediglich einige Relikte, wie Schanzen des ehemaligen Exerzierplatzes sowie alte Immenstellen weisen auf die einstige Allerheide hin. 

Vielleicht trägt dieser Beitrag dazu bei, dass die Allerheide nicht gänzlich in Vergessenheit gerät und der ein oder andere die Landschaft - vielleicht bei der nächsten Fahrradtour - mit anderen Augen sieht... 

H. Altmann


2 Kommentare:

  1. Klasse gemacht und sehr interessant. Vielen Dank !

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  2. wieder mal eine interessante Aufsatz zur lokale Geschichte. Danke

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