Teil I - der 18. Juli 1866
"Der 18. und 19. Juli brachten über unser friedliches Celle Stunden banger Sorge und Angst..."
So beginnt die Zusammenfassung der Ereignisse, wie sie ein zeitgenössischer Beobachter im Jahr 1866 aufgeschrieben hat.
Was war geschehen?
Vorgeschichte
Am 29. Juni 1866 kapitulierte die hannoversche Armee nach ihrem Pyrrhussieg bei Langensalza (vertiefend: Schlacht bei Langensalza). König Georg V. von Hannover floh daraufhin ins Exil nach Wien. Das Königreich Hannover wurde durch die preußische Armee besetzt. Am 20. September kam es zur Annexion der besetzten Gebiete. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der "Einigung mit dem Schwert" durch die Preußen.
Celle verlor somit den Status als zweitwichtigste Stadt im Königreich Hannover und sollte von nun an eine einfach Bezirksstadt im geeinten Preußen sein.
Bild: Denkmal zur Schlacht bei Langensalza im Französischen Garten, Celle Quelle: Wikipedia.
Auswirkungen in Celle
In Celle kam es am 18. und 19. Juli 1866 zu einem Volksaufstand. Die Ausschreitungen fanden am 19. Juli ihren Höhepunkt und wurden durch preußisches Militär beendet.
Obgleich der Anlass für die Unruhen in der spärlichen Literatur oft in der Annexion durch Preußen gesucht wurde, handelte es sich bei den Ereignissen des 18. und 19. Juli durchaus um eine Art "Aufschrei des Volkes". Das wird vor allem daran deutlich, dass die Proteste von der Arbeiterschaft ausgingen und sich meist gegen gut betuchte Bürger und Industrielle der Stadt richteten.
Bereits am 17. Juni 1866 kam es zu Schlägereien auf dem Bahnhofsvorplatz. Beteiligt waren daran die "königstreuen" und solche Personen, die in ihrer Einstellung mit den Preußen sympathisierten.
Am 12. Juli wurde die sogenannte Benningsensche Erklärung unterzeichnet. Darin wurde unter anderem ein geeintes Deutschland unter preußischer Leitung (ohne Österreich) mit einem einheitlichen Parlament gefordert. Dieses Dokument, welches ebenfalls von Celler Bürgern unterzeichnet wurde, sollte am 18. Juli zu einem Keim der Unruhen werden.
So fand sich am Morgen des 18. Juli ein Aushang am Celler Rathaus in welchen einem der Mitunterzeichner angedroht wurde, er würde "ebenfalls auf die Prügelliste" gesetzt. Diese Liste, welche anscheinend kursierte, enthielt die Namen der mutmaßlichen "Schuldigen".
Im Laufe des 18. Juli verbreitete sich das Gerücht es solle zum Abend eine Versammlung der Arbeiterschaft im Celler Schützenhaus stattfinden.
Bild: Celler Schützenhaus um 1840. Quelle: Celle mit Umgebungen, F. Gruft.
Das Schützenhaus bestand bereits seit 1604 (Schützenhof). Es lag an der Mühlenmasch 1 (heute die Gegend um die Hafenstraße). Das Schützenhaus wurde für große Feste und politische Versammlungen genutzt.
Bild: Celler Schützenhaus um 1925 mit Kriegerverein Celle. Quelle: Celle Lexikon, Möller.
Kurz darauf hatte sich somit das Gerücht herumgesprochen, dass im Schützenhaus ein Widerruf, gegen die geplante Zugehörigkeit zu Preußen, unterzeichnet werden sollte. Und so fanden sich am Abend des 18. Juli zahlreiche Arbeiter, Burschen und Jugendliche am Schützenhaus ein.
Zwischen 7:00 und 8:00 Uhr Abends hatten sich jedoch immer noch keine "Schuldigen" im Schützenhaus eingefunden, welche die aufgebrachte Menge ja eigentlich zur Rede stellen wollte. Das lag vermutlich daran, dass niemand daran gedacht hatte, diese Herrschaften einzuladen.
Voller Tatendrang zog die gesamte Meute zum Allerclub. Der Allerclub war damals der Treffpunkt der gut betuchten Bürgerschaft - eine Art Gesellschaftclub.
Bild: Celler Allerclub, Postkarte.
Der Allerclub lag in unmittelbarer Nähe zum Schützenhaus - an der späteren Hafenstraße (Nr. 2).
Dort fand die aufgebrachte Menge aber nur Dr. jur. Karl Gerding vor, der sich zudem auch noch weigerte sich der tobenden Menge zu rechtfertigen. Nach einiger Zeit trat er aber dennoch unter die Arbeiter, zumal diese drohten in das Haus einzudringen. Im kleinen Garten des Allerclubs war aber nicht genug Platz - also stimmte Gerding zu die Menge in das Schützenhaus zu begleiten.
Dort brachten die Arbeiter ihre wesentlichen Punkte vor:
- Sie verlangten eine Rechtfertigung der deutschen Politik
- Man wollte weiterhin zu Hannover gehören
- Preußen wurde abgelehnt
- Es wurde bemängelt, dass nichts geschehe, um den Arbeitern Beschäftigung zu geben
- Man wollte erfahren wie die Zusammenkunft im Parlament den Arbeitern helfen könnte
Zu der angestrebten geordneten Debatte konnte es allerdings nicht kommen. Immer wieder kam es zu Zwischenrufen und lauten Drohungen seitens der Menge. Gerding konnte, obwohl er auf einem Tisch stehend zur Menge sprach, in dieser unruhigen Atmosphäre kaum jemanden zu einer sachlichen Diskussion bewegen. Es gelang ihm zwar für eine kurze Zeit zur Menge zu sprechen, aber die ständigen Unterbrechungen störten jede Form der Kommunikation.
Gerding erläuterte seinen Standpunkt dennoch wie folgt:
- Die Waffen (Langensalza) hätten die Situation entschieden - es sei müßig nun "entscheiden" zu wollen, da diese Entscheidung bereits getroffen sei.
- Diese Form der Unruhen in Celle würden lediglich dazu führen, dass preußische Truppen den möglichen Aufstand niederschlagen.
- Alle Arbeitgeber seien selbst knapp bei Kasse - es sei unter diesen Umständen nicht möglich mehr Arbeiter zu beschäftigen.
- Die parlamentarische Einheit Deutschlands sei unbedingt notwendig gerade, um den Arbeitern die nötigte Stimme zu geben!
All diese Worte halfen nicht - die Menge ließ sich nicht beruhigen. Daher einigte sich Dr. Gerding mit einigen disziplinierteren Zuhörern darauf, dass die Versammlung auf den folgenden Tag verschoben werden solle. Außerdem sollten sich dann auch weitere Mitunterzeichner einfinden.
Die Polizei ließ sich an diesem Tage zwar blicken, aber es wurde wohl nichts unternommen, um die aufgebrachte Stimmung im Schützenhaus zu beruhigen.
Ausschreitungen am Abend des 18. Juli
Obwohl man sich im Schützenhaus auf eine Vertagung der Versammlung auf den Folgetag verständigt hatte, kam es noch am Abend des 18. Juli zu groben Ausschreitungen in der Celler Innenstadt.
Beim Tabakfabrikanten Bruns und beim Tischlermeister Stegemann wurden Fensterscheiben eingeworfen. Beide hatten sich im Vorwege nicht sonderlich politisch beteiligt - es war also reine Willkür der tobenden Menge. Zwischen 22:00 und 23:00 flogen am Altenceller Tor die ersten Steine.
Nun schritt die freiwillige Feuerwehr auf Genehmigung der Polizei ein. Bis Mitternacht konnten die Krawalle beendet werden. Jedoch waren sich viele Celler Bürger sicher, dass diese Ausschreitungen nur der Anfang waren.
Sie sollten Recht behalten. Am nächsten Tag kam es zu weitaus schlimmeren Krawallen. Diese werden im nächsten Teil behandelt.
Am 19. Juli erscheint der zweite Teil zu diesem Beitrag hier: Teil II
Viele Grüße,
Hendrik.
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