Manchmal macht man Funde, die auf den ersten Blick umspektakulär und unscheinbar sind. Dieser Fund könnte in die Kategorie "der Krieg war vor Deiner Haustür" eingeordnet werden.
Kürzlich fand ich auf einem Acker zahlreiche auffällig große Patronenhülsen. Zufall? Nein - bei dieser Anhäufung nicht. Viele würden jetzt sagen: "Das ist doch nur Schrott..." - Ja, vom Materialwert stimmt das. Vom historischen Aspekt, steckt aber auch dahinter eine Geschichte, die erzählt werden will. Es hilft also nichts - man muss recherchieren.
Bild: neun gefundene Hülsen des Kalibers 20 mm.
Quelle: Hendrik Altmann.
Bild: neun gefundene Hülsen des Kalibers 20 mm.
Quelle: Hendrik Altmann.
Patronenhülsen sind kleine Stolpersteine der Geschichte. Jede besitzt eine Prägung - den so genannten Bodenstempel. Dieser enthält meist Angaben zum Kaliber, Produktionsort und Herstellungsjahr. Die gefundenen Hülsen haben folgende Stempel:
ST 1943
RH 1944
RH 1944
K2 1944
GB 1944
RH 1944
ST 43
K2 1944
RH 1943
Bild: Bodenstempel ST 1943.
Quelle: Hendrik Altmann.
Bild: Bodenstempel RH 1944.
Quelle: Hendrik Altmann.
Was steht hinter diesen kryptischen Angaben? Das lässt sich durch eine Recherche in Erfahrung bringen:
RH = Raleigh Cycle Co., Nottingham, U.K.
K2 = Kynoch (I.C.I.), Standish, Lancastershire, U.K. (1943-1944)
GB = Greenwood & Batley, Ltd., Leeds, U.K.
ST = ROF Steeton Yorkshire
Das jeweils eingeprägte Jahr steht für das Herstellungsjahr.
Alle gefundenen Hülsen stammen demnach aus Produktionsstätten in Groß Britannien und wurden in der Zeit zwischen 1943 und 1944 hergestellt. Das Kaliber 20 mm wurde im Zweiten Weltkrieg sowohl für Bordkanonen von Flugzeugen eingesetzt, als auch für Geschütze der Flugabwehr. Bis heute ist es ein gängiges Kaliber für leichte Panzerkanonen und Flugabwehr. Die gefundenen Hülsen stammen allerdings nachweislich aus Bordmaschinenkanonen - offensichtlich britischen.
Weiterhin lassen sich die Fundumstände analysieren. Die Hülsen konnten in einem schmalen Korridor auf dem Acker gefunden werden.
Bild: Streuung der gefundenen Hülsen.
Quelle: Hendrik Altmann.
Die Fundumstände deuten darauf hin, dass die Hülsen von einem Luftangriff stammen. Durch Übertragung der Fundorte ins aktuelle Satellitenbild erkennt man schnell in welcher Richtung der Angriff erfolgt sein muss. Entweder wurden die Geschosse im Luftkampf verschossen, oder in einem Bodenangriff.
Bei einem Luftkampf hätten die einzelnen Hülsen einen großen Fallweg gehabt. Da sie jedoch dicht beieinander lagen kann man, trotz nachträglicher Bearbeitung des Ackers, annehmen, dass es sich nicht um einen Luftkampf handelte. Vermutlich wurden die sie also in einem Boden-Luft-Angriff verschossen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass vor Ort ein Angriff eines britischen Jagdbombers auf ein Bodenziel erfolgt sein muss. Dieser ereignete sich wahrscheinlich zwischen 1944 und 1945, da die vorher produzierten Geschosse zunächst an die Front gelangen mussten. Was genau beschossen wurde, lässt sich anhand der Funde natürlich nicht nachvollziehen. Vermutlich handelte es sich um einen Angriff eines britischen Fliegers auf Bodenziele - im Extremfall sogar auf Zivilisten. Dies wäre nicht ungewöhnlich für diese Zeit.
Es konnte gezeigt werden, dass auch solche Funde eine interessante Geschichte erzählen, die zunächst unscheinbar sind.
Viele Grüße,
Hendrik
Sehr interessant! Du hast Recht: zu jedem Fund lässt sich eine Geschichte erzählen - sofern man bereit ist sich darauf einzulassen.
AntwortenLöschenViele Grüße, Christian
Sehr interessant. Habe gerade heute eine Hülse RH 1944 20mm ,direkt bei uns vor der Haustür gefunden, als ich Gras von darunter liegenden Kopfsteinpflaster entfernte. Mein Mann,der selber Engländer ist und absolut nicht damit gerechnet hätte ausgerechnet eine britische Patronenhülse vor unseremHaus zu finden, war ziemlich beeindruckt.
AntwortenLöschenGruß ,Ria
Super interessant,habe eine 1944 r.h. 20mm gefunden und Grade mit meinen Sohn auf deiner Seite herausgefunden was es ist. Danke Gruss Andreas
AntwortenLöschenSuper Artikel, danke fürs teilen! Finde Relikte wie diese besonders spannend
AntwortenLöschenMoin! Hab neben drei verrosteten k98k, einer Gasmaske und haufenweise Müll auch eine RH 1944, Mitten auf meinem Hof, gefunden und durch diesen Post die Bedeutung erfahren. Danke dafür!
AntwortenLöschenAchso, bei Gadebusch...
Löschen...Weitere Funde Patronenhülsen
AntwortenLöschenFA 44 und LS 4 20mm x 102mm LK Celle
Mein Vater fand eine RH 1944 beim umgraben seines Schrebergartens. Im Krieg befand sich 300 m östlich eine 8,8cm FLAK Stellung, in der heute noch 4 kleine Bombenkrater zu sehen sind. Ich vermute, das auch hier ein Jagdbomber einen Bodenangriff flog.
AntwortenLöschenVielen Dank für den Post auch von uns! Wir haben auch eine 1944 RH 20mm gefunden und konnten anhand diesem Post herausfinden, was für eine Patronenhülse dies ist. Grüße
AntwortenLöschenmoin, ich hab meine RH 1943 im Wald zwischen Schwerin und Lützow im Wald gefunden.Wurde jedoch von einem anderen Finder liegen gelassen. später noch ne brandgranate gesondelt und die kräfte informiert.man , wurd mir übel.
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