Celle. Es ist der 8. April 1945 - ein warmer, sonniger Frühlingstag. Der Himmel ist wolkenfrei und es herrscht klare Sicht. So in etwa hätte der Wetterbericht vor 69 Jahren ausdrücken können. In Celle bereitete man sich in diesen Tagen auf die Ankunft der britischen und amerikanischen Truppen vor. Die Soldaten in den Celler Kasernen waren bereits seit Anfang des Monats April in erhöhter Alarmbereitschaft - man richtete sich auf die Nahverteidigung der Stadt Celle ein. Die alliierten Truppen waren zu diesem Zeitpunkt schon über die Weser gegangen - das Kriegsende war für viele Celler absehbar.
Gegen Mittag des 8. April bombardierten einige Staffeln der 9. US-Luftflotte die Ölwerke in Nienhagen (mehr Informationen dazu: Die vergessene Mondlandschaft bei Nienhagen). Die Celler Bereitschaftsfeuerwehr rückte zur Hilfe aus. Niemand rechnete damit, dass Celle selber zum Ziel eines schweren Bombardements werden sollte.
Um etwa 16:00 Uhr traf auf dem Celler Güterbahnhof ein Zug ein, der zuvor auf der Strecke Gifhorn-Celle unterwegs gewesen war. Er stammte aus dem KZ Drütte bei Salzgitter - einem Außenlager des KZ Neuengamme bei Hamburg. Da amerikanische Flugzeuge die Bahnstrecke überflogen, ließ der Bahnhofsvorsteher den Zug in den Güterbahnhof nach Celle einfahren.
An Bord des Zuges waren vorwiegend entkräftete Häftlinge, die zur Rüstungsproduktion in den Herrmann Göring Werken eingesetzt worden waren. Es handelte sich um etwa 4.000 Menschen, die aus fast allen Teilen Europas stammten. Im Celler Bahnhof hielt der Zug, da die Lokomotive ausgewechselt werden musste. Bevor er, wie geplant um 18.15 Uhr weiterfahren konnte, gingen um 17:45 Uhr die Luftschutzsirenen los. Vom Flugplatz Wietzenbruch vernahm man erstes Flak-Feuer.
Insgesamt wurde Celle an diesem Tag von 132 zweimotorigen Flugzeugen des Typs B-26 Marauder angegriffen, die in mehreren Angriffswellen eine Bombenlast von etwa 240 Tonnen Sprengbomben über dem Bahnhofsbereich abwarfen.
Bild: B-26 Marauder Bomber.
Quelle: Wiki-Commons, Public License.
Ausführliche und weiterführende Informationen zu dem Bombenangriff finden sich über die Seite "Celle im Nationalsozialismus" (Klick), sowie in Mijndert Bertram, April 1945 - Der Luftangriff auf Celle und das Schicksal der KZ Häftlinge aus Drütte. Ebenfalls zu empfehlen ist die Reihe "Schicksalstage in der Heide", erschienen in der Celleschen Zeitung im Jahr 1985.
Jedes Jahr im April wird den Opfern des Bombenangriffes gedacht. Regelmäßig werden die Geschehnisse erläutert - meist aufgrund der bekannten Informationen. Zumal die Ereignisse des 8. April weitgehend aufgearbeitet wurden, ist es nun, nach 69 Jahren schon eine kleine Sensation, wenn wirklich "neue" Materialien in diesem Zusammenhang bekannt werden. So war der kürzlich gemachte Fund von Handskizzen etwas ganz besonderes.
Ebenfalls etwas besonderes ist ein Luftbild, was unmittelbar während dem Angriff aufgenommen wurde. Zwar sind bereits einige amerikanische Luftaufnahmen bekannt, die nach dem Angriff entstanden sind (Siehe hier: 1, 2, 3, ). Ein Luftbild, was das Geschehen zeigt, gab es bisher nicht.
Vor einiger Zeit entdeckte ich bei einer Online-Auktion ein Angebot über ein amerikanisches Luftbild. Es wurde am 8. April 1945 aus ca. 9.000 Fuss Höhe aufgenommen und zeigt den Bereich des südlichen Güterbahnhofs, sowie Teile der Stadt Celle. Über Celles Dächern steht eine ungeheure Rauchsäule, die mehrere hundert Kilometer weit sichtbar gewesen sein muss. Im Bereich des Gleisabzweigs in Richtung Wietzenbruch und in Richtung Wienhausen / Gifhorn erkennt man unschwer detonierende Bomben.
Mittels der Overlay-Technik in Google Earth lässt sich das Luftbild anschaulich darstellen. Einige Details werden bei der Vergrößerung sichtbar.
Bild: Luftbild vom 8. April 1945.
Quelle: Hendrik Altmann, Google Earth.
Gegen Mittag des 8. April bombardierten einige Staffeln der 9. US-Luftflotte die Ölwerke in Nienhagen (mehr Informationen dazu: Die vergessene Mondlandschaft bei Nienhagen). Die Celler Bereitschaftsfeuerwehr rückte zur Hilfe aus. Niemand rechnete damit, dass Celle selber zum Ziel eines schweren Bombardements werden sollte.
Um etwa 16:00 Uhr traf auf dem Celler Güterbahnhof ein Zug ein, der zuvor auf der Strecke Gifhorn-Celle unterwegs gewesen war. Er stammte aus dem KZ Drütte bei Salzgitter - einem Außenlager des KZ Neuengamme bei Hamburg. Da amerikanische Flugzeuge die Bahnstrecke überflogen, ließ der Bahnhofsvorsteher den Zug in den Güterbahnhof nach Celle einfahren.
An Bord des Zuges waren vorwiegend entkräftete Häftlinge, die zur Rüstungsproduktion in den Herrmann Göring Werken eingesetzt worden waren. Es handelte sich um etwa 4.000 Menschen, die aus fast allen Teilen Europas stammten. Im Celler Bahnhof hielt der Zug, da die Lokomotive ausgewechselt werden musste. Bevor er, wie geplant um 18.15 Uhr weiterfahren konnte, gingen um 17:45 Uhr die Luftschutzsirenen los. Vom Flugplatz Wietzenbruch vernahm man erstes Flak-Feuer.
Insgesamt wurde Celle an diesem Tag von 132 zweimotorigen Flugzeugen des Typs B-26 Marauder angegriffen, die in mehreren Angriffswellen eine Bombenlast von etwa 240 Tonnen Sprengbomben über dem Bahnhofsbereich abwarfen.
Quelle: Wiki-Commons, Public License.
Ausführliche und weiterführende Informationen zu dem Bombenangriff finden sich über die Seite "Celle im Nationalsozialismus" (Klick), sowie in Mijndert Bertram, April 1945 - Der Luftangriff auf Celle und das Schicksal der KZ Häftlinge aus Drütte. Ebenfalls zu empfehlen ist die Reihe "Schicksalstage in der Heide", erschienen in der Celleschen Zeitung im Jahr 1985.
Jedes Jahr im April wird den Opfern des Bombenangriffes gedacht. Regelmäßig werden die Geschehnisse erläutert - meist aufgrund der bekannten Informationen. Zumal die Ereignisse des 8. April weitgehend aufgearbeitet wurden, ist es nun, nach 69 Jahren schon eine kleine Sensation, wenn wirklich "neue" Materialien in diesem Zusammenhang bekannt werden. So war der kürzlich gemachte Fund von Handskizzen etwas ganz besonderes.
Ebenfalls etwas besonderes ist ein Luftbild, was unmittelbar während dem Angriff aufgenommen wurde. Zwar sind bereits einige amerikanische Luftaufnahmen bekannt, die nach dem Angriff entstanden sind (Siehe hier: 1, 2, 3, ). Ein Luftbild, was das Geschehen zeigt, gab es bisher nicht.
Vor einiger Zeit entdeckte ich bei einer Online-Auktion ein Angebot über ein amerikanisches Luftbild. Es wurde am 8. April 1945 aus ca. 9.000 Fuss Höhe aufgenommen und zeigt den Bereich des südlichen Güterbahnhofs, sowie Teile der Stadt Celle. Über Celles Dächern steht eine ungeheure Rauchsäule, die mehrere hundert Kilometer weit sichtbar gewesen sein muss. Im Bereich des Gleisabzweigs in Richtung Wietzenbruch und in Richtung Wienhausen / Gifhorn erkennt man unschwer detonierende Bomben.
Mittels der Overlay-Technik in Google Earth lässt sich das Luftbild anschaulich darstellen. Einige Details werden bei der Vergrößerung sichtbar.
Bild: Luftbild vom 8. April 1945.
Quelle: Hendrik Altmann, Google Earth.
Quelle: Hendrik Altmann, Google Earth.
Die Bomben trafen offensichtlich den Bahnknotenpunkt, in welchem sich die Strecke Celle - Gifhorn mit der Strecke Hannover - Hamburg vereinigte. Mindestens drei schwere Detonationen liegen im unmittelbaren Bereich der Gleise, die nach dem Angriff nicht mehr befahrbar waren.
Bild: Luftbild 8. April 1945 - Explosionen im Bereich des Gleisabzweigs nach Gifhorn.
Quelle: Hendrik Altmann, Luftbild 8.04.1945.
Der Vergleich mit einem einige Tage später entstandenen Luftbild zeigt: mehrere Bomben trafen den Gleiskörper.
Bild: Luftbild - einige Tage später.
Quelle: Hendrik Altmann.
Wo sich früher noch weite Felder aneinander reihten, befinden sich heute Wohnsiedlungen und ein großer Einkaufsmarkt an der Straße, die Cellern als die "Tangente" bekannt ist.
Mittels der Overlay-Technik kann man diese Zusammenhänge sehr schön bildlich darstellen:
Quelle: Hendrik Altmann.
Wo sich früher noch weite Felder aneinander reihten, befinden sich heute Wohnsiedlungen und ein großer Einkaufsmarkt an der Straße, die Cellern als die "Tangente" bekannt ist.
Mittels der Overlay-Technik kann man diese Zusammenhänge sehr schön bildlich darstellen:
Bild: Luftbild 8. April 1945. Sichtbar auch: Raumnutzung heute.
Die Klarsicht auf das aktuelle Satellitenbild zeigt es: die Bomben trafen einst den immer noch sichtbaren Bahnknotenpunkt.
Quelle: Hendrik Altmann, Luftbild 8.04.1945.
Die Klarsicht auf das aktuelle Satellitenbild zeigt es: die Bomben trafen einst den immer noch sichtbaren Bahnknotenpunkt.
Bild: Satellitenbild aktuell.
Quelle: Google Earth.
Neben dem auffälligen Bombardement zeigt das Luftbild weitere interessante Dinge. Beispielsweise eine auffällige Bodenstruktur in der einstigen Celler Feldmark - relativ weit westlich der Bahnstrecke. Dort finden sich seltsam gekrümmte Linien am Boden.
Quelle: Google Earth.
Neben dem auffälligen Bombardement zeigt das Luftbild weitere interessante Dinge. Beispielsweise eine auffällige Bodenstruktur in der einstigen Celler Feldmark - relativ weit westlich der Bahnstrecke. Dort finden sich seltsam gekrümmte Linien am Boden.
Bild: auffällige Bodenstruktur.
Quelle: Hendrik Altmann, Luftbild 8.04.1945.
Diese Linien sind deutliche Anzeichen, dass sich hier früher Schützengräben und Stellungen befunden haben. Aufgrund der Flughöhe und begrenzten Auflösung des originalen Luftbildes kann man schlecht sagen was für Stellungen es genau waren - ob sie der Verteidigung dienen sollten, oder aus einem Manöver stammten. Jedoch dürften diese Schützengräben auch nicht weiter von Bedeutung gewesen sein. Heute ist das Gebiet ebenfalls bebaut. Es liegt ziemlich genau im Straßenquadrat Mondhagen-Finkenstieg-Krähenberg-Drosselstieg.
Quelle: Hendrik Altmann, Luftbild 8.04.1945.
Diese Linien sind deutliche Anzeichen, dass sich hier früher Schützengräben und Stellungen befunden haben. Aufgrund der Flughöhe und begrenzten Auflösung des originalen Luftbildes kann man schlecht sagen was für Stellungen es genau waren - ob sie der Verteidigung dienen sollten, oder aus einem Manöver stammten. Jedoch dürften diese Schützengräben auch nicht weiter von Bedeutung gewesen sein. Heute ist das Gebiet ebenfalls bebaut. Es liegt ziemlich genau im Straßenquadrat Mondhagen-Finkenstieg-Krähenberg-Drosselstieg.
Bild: das Gebiet der Schützengräben heute.
Quelle: Google Earth.
Noch eine Bodenstruktur sticht auf dem Luftbild bei näherer Betrachtung ins Auge. Unmittelbar nördlich des Flugplatzes Wietzenbruch, direkt neben der Bahntrasse finden sich sehr auffällige, symmetrische Rechtecke auf einem Feld.
Quelle: Google Earth.
Noch eine Bodenstruktur sticht auf dem Luftbild bei näherer Betrachtung ins Auge. Unmittelbar nördlich des Flugplatzes Wietzenbruch, direkt neben der Bahntrasse finden sich sehr auffällige, symmetrische Rechtecke auf einem Feld.
Bild: auffällige Bodenstrukturen.
Quelle: Hendrik Altmann, Luftbild 8.04.1945.
Es handelt sich dabei mit großer Wahrscheinlichkeit um Flakstellungen. Möglicherweise waren es jene Flakstellungen, die das Feuer auf die anfliegenden Bomber eröffneten. Dass es sich bei den Bodenstrukturen um solche Stellungen und nicht nur um Einschlagskrater handelt, lässt sich daran erkennen, dass die Objekte an einem Weg gelegen sind und im Innern rechteckig sind. Bombeneinschläge wären rund. Um welche Art Flak es sich handelt ist ungewiss. Die Größe der Stellungen lässt aber darauf schließen, dass es wohl ein größeres Kaliber als nur 35 mm gewesen sein muss - möglicherweise waren es 8,8 cm Flakstellungen. Heute ist dieses Gebiet ebenfalls bebaut. Dort befindet sich eine große Schrebergärten-Siedlung.
Quelle: Hendrik Altmann, Luftbild 8.04.1945.
Es handelt sich dabei mit großer Wahrscheinlichkeit um Flakstellungen. Möglicherweise waren es jene Flakstellungen, die das Feuer auf die anfliegenden Bomber eröffneten. Dass es sich bei den Bodenstrukturen um solche Stellungen und nicht nur um Einschlagskrater handelt, lässt sich daran erkennen, dass die Objekte an einem Weg gelegen sind und im Innern rechteckig sind. Bombeneinschläge wären rund. Um welche Art Flak es sich handelt ist ungewiss. Die Größe der Stellungen lässt aber darauf schließen, dass es wohl ein größeres Kaliber als nur 35 mm gewesen sein muss - möglicherweise waren es 8,8 cm Flakstellungen. Heute ist dieses Gebiet ebenfalls bebaut. Dort befindet sich eine große Schrebergärten-Siedlung.
Bild: Luftbild 8. April 1945. Sichtbar auch: Raumnutzung heute.
Quelle: Hendrik Altmann, Luftbild 8.04.1945.
Bild: Satellitenbild aktuell.
Quelle: Google Earth.
Das hier in Ausschnitten gezeigte Luftbild konnte ich bei der genannten Online-Auktion glücklicher Weise ersteigern. Dies freut mich umso mehr, da das Bild in / über Celle aufgenommen wurde und nun schließlich "heimgekehrt" ist. Ich habe es hochauflösend eingescannt und an das Celler Kreisarchiv weitergeleitet. Wer möchte kann es dort einsehen.
Der 8. April 1945 wurde zu einem schwarzen Tag für die Stadt Celle. Der Bombenangriff führte zu einer fürchterlichen Verfolgung und Jagd auf die entlaufenen Häftlinge. Viele jener starben in Folge dieser auf bestialische Weise. Eben dieser Menschen wegen, die ihr Leben unverschuldet, während eines auf ihrer eigenen Verschleppung eingelegten Zwischenhalts , ließen, dürfen die Geschehnisse nicht vergessen werden.
Viele Grüße,
Hendrik Altmann.
Quelle: Google Earth.
Das hier in Ausschnitten gezeigte Luftbild konnte ich bei der genannten Online-Auktion glücklicher Weise ersteigern. Dies freut mich umso mehr, da das Bild in / über Celle aufgenommen wurde und nun schließlich "heimgekehrt" ist. Ich habe es hochauflösend eingescannt und an das Celler Kreisarchiv weitergeleitet. Wer möchte kann es dort einsehen.
Der 8. April 1945 wurde zu einem schwarzen Tag für die Stadt Celle. Der Bombenangriff führte zu einer fürchterlichen Verfolgung und Jagd auf die entlaufenen Häftlinge. Viele jener starben in Folge dieser auf bestialische Weise. Eben dieser Menschen wegen, die ihr Leben unverschuldet, während eines auf ihrer eigenen Verschleppung eingelegten Zwischenhalts , ließen, dürfen die Geschehnisse nicht vergessen werden.
Auch
wenn heutigen Generationen keine Schuld daran gegeben werden kann, was sich vor
ihrer Zeit ereignete, ist es trotzdem die Pflicht eines Jeden, sich der
schlimmen Ereignisse bewusst zu sein, die sich heute vor 69 Jahren in Celle
ereigneten. Nicht nur damit sich derartiges nicht wiederholt. Es ist vor allem
deswegen wichtig, um heute selbstverständliche Grundrechte und Freiheiten
richtig schätzen zu können. Heute vor 69 Jahren starben hunderte Menschen in
Celle – weil eine Gesellschaft es zuließ, ihnen jene Rechte und Freiheiten
abzuerkennen. Auch heute zeigt sich: Demokratie lebt von der Wachsamkeit der
Bürger.
Viele Grüße,
Hendrik Altmann.
Wow - sehr beeindruckend! Ob man an den Flak Stellungen wohl heute noch Überreste im Boden finden mag?
AntwortenLöschenKleine (wichtige) Ergänzung: Bitte verweise auf das Buch von Bernhard Strebel - Celle April 1945 revisited.
AntwortenLöschenIn dem Buch sind bereits Ausschnitte der Luftbildserie US 391 veröffentlicht und der Fortgang der Bombardierung sehr exakt wiedergegeben. Die Bildserie lag in den USA in Alabama und wurde (so glaube ich) auch für das Stadtarchiv Celle erworben.
Die Flakstellungen und Laufgräben im Neubaugebiet Marienwerder Allee / Krähenberg wurden von Kampfmitteln geräumt...