Traditionsgemäß erscheint zur Urlaubszeit im Sommer ein Beitrag, der absolut nichts mit Celle zu tun hat. Die letzten Male waren es Beiträge zu Bunkern auf der dänischen Insel Römö - dieses Mal soll es etwas weiter weg gehen. Allerdings war ich selber nicht vor Ort - ich vermute fast, dass es nur wenige Orte auf der Erde gibt, die weiter entfernt liegen und schwerer erreichbar sind...
Der Sommerurlaub steht bei vielen an. Warum also nicht einmal verreisen? Wer nicht auf überfüllte Strände oder langweilige Hotelanlagen steht, könnte sich ja auf eine spannende Tour in den Südatlantik begeben. So circa knapp über dem Südpol soll es ja ganz schön sein...sagt man. Wie wäre es also mit den südlichen Sandwichinseln ?
Sicher ist das nichts für jeden - aber auf jeden Fall scheint es dort recht interessant zu sein. Vor allem, wenn man sich ein wenig für historische Relikte begeistert. Die 4.000 qm große Insel ist lediglich von rund dreißig Personen "bewohnt". Es gibt verlassene Dörfer, verlassene Schiffe, verlassene Friedhöfe und vieles verlassenes Meer/Mehr.
Namensgeber der sogenannten südlichen Sandwichinseln war "Lord Sandwich". Das hört sich lustig an...stimmt aber. Faktisch war es sogar John Montagu - der 4. Earl von Sandwich - und ja, nach ihm wurde auch das belegte Toastbrot benannt. Wenn das mal nicht einladend klingt.
Die südlichen Sandwichinseln schließen sich südöstlich an Südgeorgien an. Die Inseln tragen teils die Namen großer Entdecker - sind allerdings heute wie früher auch ziemlich einsam und verlasen. Und dennoch gab es eine Zeit, in der das ganz anders war.
Bild: James Cooks Karte Südgeorgiens aus dem Jahr 1777.
Quelle: Wikipedia, public domain.
Vermutlich vom Spanier Anthony de la Roche im Jahr 1675 entdeckt, gelangte rund 100 Jahre später auch James Cook nach Südgeorgien. "Südgeorgien, so Cook, widerlege die landläufige Meinung, dass jeder Teil der Erde, der wildeste und kälteste nicht ausgenommen, Menschen zum Aufenthalt dienen könne."
Wahrlich muss das Eiland eine Enttäuschung für seine Entdecker gewesen sein, denn neben Packeis und Eisbergen gab es lediglich hunderte Pelzrobben.
Bild: Am anderen Ende der Welt.
Quelle: Google Earth.
In seinem Werk "Sturm auf den Südpol" beschrieb der Autor H.H. Houben ausführlich die Geschichte der Entdeckung Südgeorgiens. Schon im 18. und 19. Jahrhundert kamen die ersten Robben- und Waljäger und ließen sich auf der Hauptinsel nieder. Die Jäger betrieben ihr Geschäft dabei so rücksichtlich und umnachhaltig, dass bereits gegen Mitte des 19. Jahrhunderts eine Ausrottung der Robbenbestände drohte.
Die Gewinnung von Tran geriet nach und nach stärker in den Fokus - etliche verrostete Tanks in den verlassenen Walfangstationen zeugen noch heute davon.
Bild: verlassene Walfangstation auf Südgeorgien.
Quelle: Google Earth.
Südgeorgien wurde zum weltgrößten Walfangzentrum – es gab Küstenbasen in Grytviken (betrieben von 1904 bis 1964), Leith Harbour (1909 bis 1965), Ocean Harbour (1909 bis 1920), Husvik (1910 bis 1960), Stromness (1912 bis 1961) und Prince Olav Harbour (1917 bis 1934).
Während des Zweiten Weltkriegs wurden sämtliche Walfangstationen bis auf Grytviken und Leith Harbor geschlossen. Die meisten der britischen und norwegischen Fabriken und Walfangschiffe wurden von deutschen Kriegsschiffen zerstört, während die restlichen unter alliiertem Kommando einberufen wurden. Die britischen Magistraten W. Barlas und A.I. Fleuret übernahmen die Verteidigung der Insel während des Kriegs. Die Royal Navybewaffnete das Handelsschiff Queen of Bermuda, um in den Gewässern um Südgeorgien zu patrouillieren. Außerdem wurden zwei 102-mm-Kanonen an Schlüsselstellen aufgestellt, um den Zugang zur Cumberland Bay und zur Stromness Bay, das heißt nach Grytviken und Leith Harbour zu schützen. Diese immer noch präsenten Batterien wurden von Freiwilligen unter den norwegischen Walfängern besetzt, die für diesen Zweck ausgebildet worden waren.
Bild: verlassenes Walfängerschiff in einer Bucht Südgeorgiens.
Quelle: Google Earth.
Während des Falklandkrieges wurde Südgeorgien durch argentinische Streitkräfte besetzt und bald darauf von britischen Truppen befreit. Seitdem gilt die Insel zu Groß Britannien zugehörig und wird fast ausschließlich zu Forschungszwecken genutzt.
Heute sind noch etliche Relikte vergangener Zeiten auf Südgeorgien sichtbar. In den Buchten befinden sich verlassene Walfangstationen. Manchmal liegen Schiffswracks in den Häfen.
Bild: verlassene Bucht in Südgeorgien.
Quelle: Google Earth.
Neben den Rückständen der Walfangindustrie sorgen heute vor allem Schädlinge für Probleme. So wanderten mit den Walfängern einst auch Ratten auf der Insel ein. Sie haben dort keine natürlichen Feinde und vermehren sich scheinbar unkontrolliert. Seit einiger Zeit werden daher Giftköder ausgeworfen, um die Ratten zu dezimieren. In manchen Gegenden drohen die Schädlinge bereits die Population der nistenden Vögel zu vernichten.
Bild: verlassene Bucht in Südgeorgien.
Quelle: Google Earth.
Im einst größten Walfangstandort der Welt rosten heute die Gebäude vor sich hin. Ob eine Reise dorthin wirklich erstrebenswert ist, kann ich nicht aus eigener Erfahrung beurteilen. Alleine die verlassenen Orte sehen jedoch schon ganz reizvoll aus.
Wer nun mit dem Gedanken spielt alle seine Ersparnisse für eine Reise nach Südgeorgien zu verpulvern, könnte sich zunächst noch mal einen Überblick auf der offiziellen Website der Stellvertretung auf der Insel verschaffen. Auch sind in der Vergangenheit einige interessante Artikel über Südgeorgien erschienen.
Damit wünsche ich (weiterhin) einen schönen Sommerurlaub und gestehe, dass ich dann doch lieber in unseren Breitengraden bleibe ;-)
Hendrik