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Samstag, 15. September 2012

Zur Eingemeindung Schwachhausens


Zur Eingemeindung Schwachhausens (29.09.1928)


Wie die selbstständige Gemeinde Schwachhausen in die Landgemeinde Offensen eingegliedert wurde...



Diesen Stein, der inmitten der Ortschaft Schwachhausen steht, kennen vermutlich viele aus der Gegend. Er steht unübersehbar neben der erneuerten "Kannenbank" an der Einmündung des Birkendamms. "Selbstständige Gemeinde Schwachhausen - Bis 1928" steht dort in Stein gemeißelt. Da der Stein seit eh und je dort ruht, haben ihn viele einfach als gegeben akzeptiert. Aber was hat es aus sich mit der selbstständigen Gemeinde? Wann war eine so kleine Ortschaft selbstständig? Aus den Tagen in denen der Forsthof (heute abgerissen) noch für heitere Silvesterfeiern genutzt wurde ist mir eine Geschichte in Erinnerung geblieben. Ein junger Mann aus Langlingen hatte es wohl nicht mehr ganz in die Büsche geschafft und war vermutlich auch zu betrunken um die Worte auf dem Stein lesen zu können. So erleichterte er sich dann auch zielgerichtet an dem Stein. Als das aber nun einige Jungs der Schwachhäuser Dorfjugend mitbekamen, war die Empörung groß. Zu einer Auseinandersetzung kam es trotzdem nicht. Eigentlich wusste wohl keiner, warum man sich im Stolz gekränkt fühlte. Nur - das war klar - mit einem Gedenkstein für Schwachhausen tut man so etwas nicht! 

Vielleicht bringt dieser Beitrag ein wenig Klarheit darüber, warum sich die jungen Dorfbewohner Schwachhausens damals in ihrer Ehre verletzt sahen...


An den Gemeindevorsteher...

Am 22. Oktober 1928 erhielt der letzte Gemeindevorsteher Tietje einen unschönen Brief. Laut dem Beschluss des Preußischen Staatsministeriums vom 29.09.1928 wurden die Gemeinden Schwachhausen und Offensen mit Wirkung vom 30.09.1928 zu einer Landgemeinde mit dem Namen Offensen vereinigt. "Infolge dieses Beschlusses haben der dortige Gemeindevorstand und die Gemeindevertretung ihre Zuständigkeit verloren" hieß es weiter. Der Gemeindevorsteher zu Offensen übernahm kommissarisch die Verwaltung der neuen Gemeinde Offensen. Im waren die Akten, Siegel und Stempel der Gemeinde Schwachhausen zu übergeben. 

Als Wahltag zur Wahl eines legitimierten neuen Gemeindevorstehers wurde der 02.12.1928 festgesetzt. Zu diesem Zwecke sollte durch den Gemeindevorstand Offensens eine Wahlliste aller wahlberechtigten Einwohner erstellt werden. 

Mitteilung des Amtsgerichtes zum Übertrag des Grundbesitzes aus dem Grundbuch Schwachhausen in das Grundbuch Offensen. 

Was bedeutete dies für die Flächenverteilung...?


Auf der nebenstehenden Karte ist die Gemeinde Offensen (grün) und die Gemeinde Schwachhausen (rot) eingetragen. Die Karte lässt sich durch Anklicken vergrößern! Man sieht deutlich die Flächen die zur Gemeinde Schwachhausen im Langlinger Holze (im Holze) gehörten. Durch die Zusammenlegung der beiden Gemeinden wurden die Gebiete zusammengelegt. Natürlich behielt jeder Bauer seine Flächen. Die Zusammenlegung war also vielmehr eine Vereinigung auf politischer Ebene. Die dargestellten Flächen lagen ab dem 30.09.1928 im Gemeindegebiet Offensens und wurden damit auch durch den Gemeindevorstand Offensens verwaltet. Alle Entscheidungen, die die Schwachhäuser Gebiete betrafen mussten daher auch durch den Gemeindevorstand Offensens abgesegnet werden. 

Wie reagierte man in Schwachhausen...?

Natürlich herrschte in Schwachhausen nicht gerade Begeisterung. Zwar hatte es auch innerhalb der kleinen Gemeinde Schwachhausen immer wieder kleinere Auseinandersetzungen (wie z.B. den Weidetränken-Streit zwischen Krohnes und Pries) gegeben, aber letztendlich war im Dorfe eine gewisse Übereinkunft sicher gestellt. So konnten die Vorhaben im Gemeinderat zu Schwachhausen relativ schnell geregelt werden. Es war mehr oder weniger eine nachbarschaftliche Absprache wenn es darum ging eine Entscheidung herbeizuführen. 

Nun allerdings mussten die Entscheidungen in Absprache mit den Offensenern getroffen werden. Der dortige Gemeinderat war von nun an zuständig. Dieser grundlegende Kompetenzverlust war den Schwachhäusern nicht willkommen! Und so wurde am 17.12.1928 ein Schreiben an das Preußische Staatsministerium aufgesetzt: 

"Der endesunterzeichnete, ehemalige Gemeindeausschuss der Gemeinde Schwachhausen. Kreis Celle, erhebt gegen die Eingemeindung der Gemeinde Schwachhausen in die Gemeinde Offensen aufgrund des Eingemeindungsgesetzes vom 27. Dezember 1927 Einspruch
Die Gemeinde Schwachhausen kann in der gegen ihren Willen erfolgten Eingemeindung keine Förderung des öffentlichen Interesses und Wohles erblicken. Die Gemeinde Schwachhausen ist ihren allen finanziellen Anforderungen ohne Schwierigkeiten nachgekommen und vollständig schuldenfrei. Die Gemeindezuschläge zur staatlichen Grundvermögensteuer mit 300 % im Rechnungsjahr 1927/28 und im Rechnungsjahr 1928/29 200 % können nur als durchaus normal angesehen werden. Die Gemeinden Schwachhausen und Offensen haben schon von jeher einen Schuldenverband gebildet, sodass in dieser Beziehung für die Zusammenlegung der beiden Gemeinden kein Vorteil für eine der beiden Gemeinden gefunden werden kann. Ausserdem hatte die Gemeinde Schwachhausen die Absicht, einen vielbenutzten, zentralen Gemeindeweg auszubauen, dessen Ausbau Infolge der Zusammenlegung und geringen Vertretung von Schwachhausen im Gemeindeausschuss in Frage gestellt wird., da die im Gemeindeausschuss massgebend überwiegende alte Gemeinde Offensen an dem Ausbau nicht das geringste Interesse hat. 

Wir glauben hiermit den Nachweis erbracht zu haben, dass die Gemeinde Schwachhausen durch die Zusammenlegung nicht gefördert, sondern durch die natürlicherweise entstehenden Hemmungen Seitens der alten Gemeinde Offensen in Zukunft gegenüber anderen selbstständig gebliebenen Gemeinden ausserordentlich benachteiligt sein wird. 

Wir bitten daher unserem Einspruch stattzugeben und die erfolgte Eingemeindung aufzuheben. "





(Unterzeichnung durch den ehemaligen Gemeindeausschuss Schwachhausen (Nachnamen von links an): Tietje, Pries, Krohne, Pries ( = "Feldpries"?), Wreede, Eggelmann und Hagemann). 


Ganz offensichtlich sprach man sich in Schwachhausen vehement gegen die Eingemeindung aus. Als wesentliche Gründe wurde zunächst angeführt, es gäbe keinerlei Argumente für eine Eingemeindung. Auch Konsolidierungsgründe werden widerlegt, denn laut Aussage des Schwachhäuser Gemeindeausschusses war Schwachhausen schuldenfrei. Ein weiteres schlagkräftiges Argument gegen die Eingemeindung war der Ausbau eines wichtiges Wirtschaftsweges. In Schwachhausen herrschte Übereinkunft den Weg auszubauen. Durch die Eingemeindungsmaßnahme sah der Gemeindeausschuss jedoch den Ausbau des Weges gefährdet, da die Offensener wohl kein Interesse an dem Weg hatten. 

Man kann nur Mutmaßen - aber aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich bei dem genannten Weg um den Birkendamm. Die heutige "Grüne-Plan-Straße" existiert in ihrer Form erst seit Mitte der 60er Jahre. Bis Ende der 50er war der Birkendamm ein Sandweg. Später kam ein "Sommerweg" in Form eines kleinen Seitenweges hinzu. Damals war der Birkendamm seiner Art nach vergleichbar zum heutigen Wegstück zwischen dem Langlinger Holze und Paulmanns Havekost oder auch dem Altenceller Postweg bei Lachendorf. Der Weg war für die Schwachhäuser Bauern wichtig - für Offensen aber bedeutungslos. Daher scheint die Sorge des Gemeindeausschusses Schwachhausens auch nicht unbegründet gewesen zu sein. Und wenn man den geschichtlichen Verlauf bedenkt - der Birkendamm wurde auch erst nach dem Zweiten Weltkrieg ausgebaut! 

Aber auch noch andere Argumente wieder schwer...



In diesem Dokument des Preußischen Staatsministeriums sind die Daten der Gemeinden Offensen und Schwachhausen zum Zeitpunkt der Eingemeindung aufgeführt. Man sieht, dass die Gemeinde Schwachhausen eine Flächengröße von 248 (Ha?) und die Gemeinde Offensen eine Größe von 493 (Ha?) aufweist. Viel wichtiger ist jedoch etwas anderes. Während damals in Schwachhausen bloß 78 Menschen lebten, war Offensen fast dreimal so stark bevölkert. Eben dies wird auch ein Grund gewesen sein, warum man in Schwachhausen Sorge hatte, dass die eigenen Interessen nicht mehr denselben Wert hatten.
Daneben sind die Steuereinnahmen aus den beiden Gemeinden aufgeführt. Da in Schwachhausen kein gewerbesteuerpflichtiges Unternehmen ansässig war, liegen die GewSt-Einnahmen bei 0.

Fazit und heutiger Bezug...

Natürlich erscheint dieser ganze Zirkus um die Zusammenlegung derartig kleiner Gemeinden heute etwas überbetont.
Festzuhalten bleibt aber, dass die Maßnahme der Eingemeindung "top down" - also von oben herab erfolgte. Die jeweiligen Gemeindeausschüsse blieben ungefragt. Sehr demokratisch war dieses Verfahren vor dem Hintergrund der damaligen ersten Demokratie (Weimarer Republik) sicher nicht. Es  ist verständlich, dass die Schwachhäuser nicht einsahen sich einerseits diese neue Ordnung ungefragt aufdrängen zu lassen - aber andererseits die entsprechenden Nachteile durch spätere (demokratische) Abstimmungen hinzunehmen. Sicherlich war eine Verkleinerung der Gemeindenanzahl für den Staat aus Verwaltungsgründen notwendig.

Wenn man einen Bezug zu heute darstellen will, so muss man zuerst einmal bedenken, dass die Ortschaften Offensen und Schwachhausen heute beide keine Gemeinden mehr sind. Heute zählen sie zur Samtgemeinde Flotwedel. Dennoch haben sich aus dieser Zeit einige wichtige Traditionen erhalten. Etwa beim Schützenfest, welches alle vier Jahre gefeiert wird, zeigt sich besonders der Zusammenhalt der Orte Offensen und Schwachhausen. Auch die Bekanntschaften und Familienbande der Orte Offensen und Schwachhausen sind enger als z.B. die zwischen Schwachhausen und Nordburg.

Heute verfügen die Orte Offensen und Schwachhausen über ein gemeinsames Dorfgemeinschaftshaus. Dieses steht am Ortsausgang Offensen - Richtung Schwachhausen. Bei der Frage wo und wie ein solches Gebäude zu errichten sei und auch in Bezug auf eine mögliche Sanierung des bisherigen "Treffpunktes" (zum Forsthof) in Schwachhausen kam es durchaus zu divergierenden Ansichten.

Sicherlich gibt es heute nicht mehr viele, die die Eingemeindung miterlebt haben. Aber auch für die nachfolgenden Generationen wird dieses Ereignis durch die Erzählung ihrer Eltern/Großeltern entsprechend aufgenommen worden sein. Möglicherweise lassen sich einige Aspekte heutiger Diskussionen auch auf dieses Ereignis zurückführen. Das bedeutet aber nicht dass die ehemaligen Gemeinden und heutigen Nachbarortschaften nicht auf vorbildliche Art und Weise miteinander verwachsen sind.


Beste Grüße,
S.t.a.l.k.e.r.


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Quelle: Kreisarchiv Celle und eigene Bilder.



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