f Die Sage vom Kirchenbau in Altencelle ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Donnerstag, 20. September 2012

Die Sage vom Kirchenbau in Altencelle

Die Sage vom Kirchenbau in Altencelle...

Eine Anekdote von der Erbauung der alten Kirche. 


Ebenso spannend wie jeder Tatsachenbericht sind alte Legenden und Sagen. Obgleich es heute dank Internet und Fernsehen vielleicht an Kreativität und Vorstellungskraft bei manch einem fehlt, bieten Sagen und Legenden immer eine Flucht aus dem normalen Alltag. Am interessantesten sind sicherlich Erzählungen von seltsamen Wesen, wie z.B. Riesen oder Zwergen, die einst in unseren Gegenden gelebt haben sollen. Aber auch die Sagen von Beobachtungen und Phänomenen ziehen recht schnell jeden in den Bann. In diesem Beitrag geht es um eine (bekannte) Legende zum Ort Altencelle. Einige haben davon wohl schon gehört - anderen wird die Erzählung gänzlich unbekannt sein.


Die Sage...


Irgendwann in früherer Geschichte sollte eine Kirche in Altencelle erbaut werden. Man wählte also eine freie Stelle mitten im Ort und begann mit dem Bau. Es standen schon die ersten Mauern, als an einem Morgen zum Entsetzen aller der gesamte Bau verschwunden war. Die Leute dachten schon der Teufel habe seine Finger im Spiel. Jedoch erkannten sie recht schnell den wahren Grund: das sumpfige Gelände hatte die Mauern "verschluckt". Nun überlegte man was zu tun sei. Schnell wurden die Leute sich einig, dass die Kirche unbedingt mitten im Ort zu bauen sei. Der Sumpf wurde mit genügend Erde aufgefüllt und man begann erneut die Kirche zu bauen. Schon beim Bau merkten die Handwerker allerdings, dass auch dieser Versuch nichts half. Wieder versank die Kirche in einem Abgrund. Man rätselte lange was man unternehmen könnte. Eines Tages kam ein uraltes Mütterlein in das Dorf. Tief über seinen Stock gebückt malte es aus:"Wenn ihr kein Kindelein in den Mauern begrabt, wird eure Kirche niemals stehen!"

Zuerst reagierten die Bewohner des Dorfes skeptisch. Doch dann wuchs mehr und mehr die Mähr, dass Gott ein Opfer wünsche. Nur wer würde für dieses Unterfangen sein Kind geben?
Es wurde viel Geld geboten, doch niemand meldete sich, sein Kind einmauern zu lassen. Einige Zeit später trat ein verführtes Mädchen hervor. Es war arm und selber ausgehungert. Da Mädchen versprach  es werde sein Kind geben. "Es wird doch bei mir sowieso sterben müssen - da soll es sein Leben für Gott geben, ein Engel werden und im Himmel für meine Sünde beten..."
Und so bekam das Mädchen das Säckchen voll Geld. Kaum hatte es das Kind übergeben, lief es schreiend durch die Gassen und verschwand schließlich.
Später legte der Priester das Kind in die Grube. Nun fragte der Priester: „Was ist weicher als eine Wiege im Glauben der Kirche…? Darauf schrie der Säugling auf: „Der Schoß der Mutter.“ Entsetzt wich das Volk zurück. Bevor jemand das Wort ergreifen konnte fragte der Priester:“ Was ist lieblicher als die Süße des Himmels?“ Sofort kam es aus der Grube zurück: „Die Brust der eigenen Mutter.“ Dann fiel der Grundstein und begrub das Kind unter sich. Schon sehr bald wuchsen die Kirchenmauern und es konnte Richtfest gefeiert werden. Der Bau blieb – anders als seine Vorgänger – standhaft und wurde schon sehr bald eingeweiht. Es gingen einige Jahre ins Land. Die Kirche war längst ein fester Bestandteil von Altencelle geworden. Manchen Abends sahen nun die Bewohner Altencelles eine alte verwirrte Frau zur Kirchtüre gehen. Häufig kam sie abends an Herbsttagen aus dem Nebel der Allerniederung hervor und schlich fluchend durch die Gassen. An der Kirche angekommen schrie sie laut gegen die Türe und Mauern. Eines Tages verschwand sie wie sie gekommen war im dichten Nebel der Aller. Die Bewohner hörten darauf einen Schrei. Es sprach sich herum, das Weib sei von der alten Holzbrücke gesprungen und habe zuvor einen Sack mit Geldstücken in den Fluss geworfen. Kurz Zeit später kam eine schreckliche Katastrophe über Altencelle. Gleich an mehreren Orten brachen Feuer aus und fast der ganze Ort brannte nieder. Besonders schlimm traf es die Kirche. Nichts blieb mehr von ihr zurück. In Altencelle wurde daraufhin angenommen das alte Weib habe den Ort verflucht. Bald begann man die neue Stadt am heutigen Ort Celles aufzubauen. Altencelle hat sich von dieser Zeit an nicht mehr vergrößert und der Traum von einer richtigen Stadt mit Kirche wurde aufgegeben.



Über diese Sage…


Sicherlich ist diese kleine Geschichte sehr zusammen gedichtet. Es ist außerdem nicht ohne weiteres zu sagen wann sie sich zugetragen haben soll. Die Gertrudenkirche in Altencelle steht seit etwa 1000 an ihrem heutigen Ort (siehe nebenstehende Karte). Es ist eine verheerende Feuersbrunst aus dem 13 Jahrhundert überliefert. Hinzu kommt, dass die Aller in ihrem Altarm direkt vor dem heutigen Altencelle floss. Das bedeutet die Böden werden damals durchaus feuchter und sumpfiger gewesen sein, als es heute der Fall ist. Im ersten Moment würde man nun sagen diese Legende habe einen wahren Ursprung. Dennoch passt es zeitlich nicht ganz zusammen, dass die heutige Kirche (am Ortsrand) um 1000 entstand – das Feuer aber erst gut 250 bis 300 Jahre später den Ort verwüstete. Möglich wäre aber, dass die heutige Kirche der Ausbau der damaligen Kapelle am Friedhof ist.
Neben diesen Spekulationen muss festgehalten werden, dass einige Aspekte der Sage wahr und belegbar, andere glaubhaft und wieder andere fragwürdig sind. Ob nun ein Säugling wirklich klar gesprochen hat ist nicht mehr nachweisbar. Möglich ist, dass es problematisch war die Kirche früher zu errichten. Als es dann wenige hundert Jahre später zu einer Zerstörung der Burg und des Ortes durch den Brand kam, lag bei dem damalig herrschenden Aberglauben die Vermutung nahe, beides könne in Zusammenhang stehen.


Was ist die „Moral“ der sage…?


Jene Sagen und Legenden sollten die Menschen zum Nachdenken bewegen. Heute wird eine gewisse kritische Haltung gegenüber der Umwelt als gegeben vorausgesetzt. Früher aber musste den Leuten häufig an einer teils fiktiven Geschichte deutlich gemacht werden, warum gewisse Umstände hinterfragt werden mussten.
Zu der Moral und Aussage der Sage um den Kirchenbau in Altencelle kann man viele Spekulationen anstellen. Dazu ist es hilfreich die einzelnen Motive zu analysieren. Da haben wir zum einen den Kirchenbau als ein ehrgeiziges Unterfangen. Kirchenbau ist grundsätzlich etwas Gutes, wenn man davon ausgeht, dass die Kirche die Vertretung Gottes auf Erden ist. Etwas dementsprechend „Gutes“ auf einen unsicheren Grund zu bauen (Morast, Sumpf) spricht für eine mutige Entscheidung. Das Motiv der Kindesopferung knüpft an biblische Bilder an (altes Testament, Abraham). Das Mädchen welches sein Kind hergibt, lässt sich abermals verführen, denn das Geld verleitet es zu dieser Tat. Hier werden wiederum weltliche Motive deutlich. Einerseits die erste Verführung des Mädchens (ungewollte Schwangerschaft) und zweitens die Habgier (Geld). Beides steht im Kontrast zur Reinheit und dem ursprünglichen Glauben, wie ihn die Kirche verkörpert. So gesehen ergibt sich das Gesamtbild, dass es auf den ersten Blick zwar einfach ist einen Bau auf Unrecht zu gründen – letztlich sich aber der Mensch nicht über Gott stellen soll.
Vor dem Hintergrund, dass die sage aus einer stark vom Glauben geprägten Epoche stammt, macht diese Interpretation meines Erachtens Sinn.


Fazit…


Die Sage ist meiner Meinung nach sehr raffiniert in den geschichtlichen Kontext eingesponnen. Nur derjenige, der sich intensiv mit den geschichtlichen Entwicklungen auseinandersetzt, vermag die Punkte zu erkennen die reinen Dichtungen entstammen. Zumal Altencelle heute noch fast dasselbe Bild hat wie zu jener Zeit (bis auf wenige Ausnahmen) ist die Sage heute noch gut für uns greifbar. Ich finde sie besonders interessant, da sie die alten zustände düster und verschwommen darstellt und so ein geheimnisvolles Bild auf die Vergangenheit wirft…




Beste Grüße,
S.t.a.l.k.e.r.



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Quellen:
- Volkssagen aus Niedersachsen, Günter Petschel
- Sagen und Märchen aus dem Celler Land, Eberhard Rohde
- Celle, Heimatchronik Stadt und Landkreis, Heinrich Pröve, Jürgen Ricklefs, Wolfgang Paul
- Altencelle - das ursprüngliche Celle, Volker Moeller (Bilder)





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