f Verladebereich des Marinesperrzeugamtes Starkshorn ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Dienstag, 20. April 2021

Verladebereich des Marinesperrzeugamtes Starkshorn


Eine massive Rampe aus Beton an einem Waldweg bei Unterlüß dürfte manch einem Spaziergänger vielleicht bereits ins Auge gefallen sein. Dieses Relikt ist allerdings nur ein Teil des gesamten Verladebereichs, der sich dort einst befand. 

Zugegeben - die Vorstellung mutet befremdlich an. Doch tatsächlich befand sich im dichten Waldgebiet zwischen Unterlüß und Eschede einst ein Sperrwaffenarsenal der deutschen Kriegsmarine. Auf einer ca. 250 ha großen Fläche entstand ab Herbst 1937 das Marinesperrzeugamt Starkshorn. Es diente zur Fertigung größerer Sperrmittel, wie insbesondere See- und Torpedominen. 

Aufgrund seiner Abgeschiedenheit wurde das Marinesperrzeugamt nach Ende des Zweiten Weltkriegs durch die britischen Truppen als sogenannte "Demolition Area" verwendet. Unmengen an Munition und Geschosse unterschiedlicher Kaliber wurden aus der Umgebung in den Bereich des Marinesperrzeugamtes verfrachtet und dort verbrannt oder gesprengt. Rückstände aus jenen Tagen belasten das Areal bis in die heutige Zeit. Aus verschiedenen Gründen war die Verwendung der Demolition Area Starkshorn bereits in den späten 40er Jahren eingestellt worden - größere Mengen Munition und Sprengmittel hatte man stattdessen zunehmend im Tiefental bei Hermannsburg vernichtet, was dort ebenfalls bis heute erkennbare Spuren hinterlassen hat. 

Detaillierte Baupläne für das Marinesperrzeugamt Starkshorn sind bis heute ebenso wenig vorhanden, wie genaue Kenntnisse über die betrieblichen Abläufe vor Ort. So liegen zumeist lediglich Nachkriegsaufzeichnungen, Handskizzen und Zeitzeugenberichte und Aktenbestände, die das Marinesperrzeugamt randläufig erwähnen als Quellen vor. Hieraus geht hervor, dass es im Innenbereich des Sperrzeugamtes kaum Straßen gegeben hat - die logistische Infrastruktur bestand vielmehr aus einem umfangreichen Netz einer Schmalspurbahn, die zum einen die Fertigungsgebäude und Bunker innerhalb des Sperrzeugamtes miteinander verband. Zum anderen diente die ca. 6 km umfassende Schmalspurtrasse zur Anbindung an die Normalspurgleise im Bahnhof Unterlüß. 

Bild: Verlauf der Schmalspurbahn zwischen dem Marinesperrzeugamt und dem Bahnhof Unterlüß. Quelle: Google Earth, H. Altmann, 2021. 

Hintergrund dieses recht kompliziert anmutenden Logistiksystems war, dass die Laborierung der Zünder von See- und Torpedominen höchst empfindlich war. Jede auch noch so geringe elektrostatische Entladung konnte eine folgenschwere Katastrophe nach sich ziehen. Die Schiene war somit das vergleichsweise sicherste Transportmittel innerhalb des Marinesperrzeugamtes. 

Um die fertiggestellten Minen zu ihrem finalen Bestimmungsort zu transportieren, war die Schmalspurbahn freilich nicht geeignet. Daher musste an geeigneter Stelle eine Übergabe bzw. Umladung auf Wagen der Reichsbahn, d.h. auf Normalspur erfolgen. Ein Verladebahnhof in unmittelbarer Nähe zum Marinesperrzeugamt hätte aber sicherlich das Konzept einer aufwändig getarnten und geheimen Produktionsanlage zunichte. Derart auffällige Baulichkeiten im Bereich des ansonsten gradlinig verlaufenden Bahnkörpers wären der militärischen Luftaufklärung sehr wahrscheinlich schnell aufgefallen. 

Aus diesem Grund wurde der Übergabepunkt der Schmalspurtrasse einige Kilometer nördlich verlegt. Er befand sich unmittelbar südlich des Unterlüßer Bahnhofs. 

Bild: Übergabe-/Verladebereich unmittelbar südlich von Unterlüß. Quelle: Google Earth, H. Altmann, 2021.

In einer langgezogenen Schleife führte die Schmalspurbahn an eine Rampe, die das Verladen auf ein Stichgleis der Normalspurtrasse ermöglichte. Relikte dieser massiven Verladerampe aus Beton sind bis heute an einem Waldweg deutlich erkennbar. 

Bild: Übergabe-/Verladebereich unmittelbar südlich von Unterlüß. Quelle: H. Altmann, 2021.

Die Konstruktion der Verladerampe besteht aus massivem Gussbeton, der die Zeit verhältnismäßig gut überstanden hat. Dennoch hat die Vegetation die Anlage inzwischen wieder stark vereinnahmt. 

Bild: Übergabe-/Verladebereich unmittelbar südlich von Unterlüß. Quelle: H. Altmann, 2021.

Auf der Konstruktion aus massiven Gussbetonstützen ruhte ursprünglich eine Deckenplatte aus Beton. Diese ist in einigen Abschnitten der Verladerampe mittlerweile stark marodiert und nach unten durchgebrochen, sodass abschnittsweise nur noch die Betonstützen vorhanden sind. In ihrer ursprünglichen Beschaffenheit musste die Deckenplatte mehrere hundert Kilogramm Last an See- und Torpedominen aushalten. Ihre bauliche Ausgestaltung dürfte den damaligen Sicherheitsstandards genügt haben. 

Das Gleis der Schmalspurtrasse verlief offenbar auf Höhe der Verladerampe - die Normalspurtrasse verlief dagegen in einem tiefer liegenden Gleisbett, sodass ein Umladen auf gleicher Ebene möglich war. 

Bild: Übergabe-/Verladebereich unmittelbar südlich von Unterlüß. Quelle: H. Altmann, 2021.

Im Bereich zwischen der Verladerampe und der Fernbahnstrecke Hannover-Hamburg befinden sich heute noch die Relikte der Schleife der ehemaligen Schmalspurtrasse. Diese führte im Bogen südlich von Unterlüß entlang der Fernbahntrasse wieder zurück auf die Strecke zum Marinesperrzeugamt. Vom einstigen Gleisverlauf sind heute nur noch die Böschungen im Gelände erkennbar. 

Bild: Böschungen der ehemaligen Schmalspurtrasse unmittelbar südlich von Unterlüß. Quelle: H. Altmann, 2021.

In der südlichen Verlängerung der Normalspurtrasse entlang der Verladerampe führte ein kurzes Stichgleis zu einem kleinen Lok- bzw. Werkstattschuppen. Von diesem sind bis heute lediglich noch die Fundamente erhalten geblieben. Die kleine Werkstatt verfügte offenbar über eine entsprechende Montagegrube, die noch erkennbar ist. 

Bild: Relikte des ehemaligen Lok- bzw. Werstattschuppens. Quelle: H. Altmann, 2021.

Nach Kriegsende wurden die Einrichtungen und Anlagen des Marinesperrzeugamtes teils geplündert, teils durch Schrotthändler ausgebeutet und zu weiten Teilen durch die Munitionsvernichtung stark in Mitleidenschaft gezogen. Bereits im September 1945 hatte die Forstverwaltung in Unterlüß einen entsprechenden Antrag bei der britischen Militärverwaltung eingereicht, um Zugriff auf die im Gelände befindlichen Gleisanlagen einschließlich der Loks und des übrigen rollenden Materials zu erhalten - die Maschinen und Anlagen sollten als Waldbahn für den Holztransport verwendet werden. 

In wessen Hände die Anlagen und Maschinen der Schmalspurbahn letztlich fielen und wo diese Vermögensgegenstände letztlich verblieben sind, ist noch nicht abschließend geklärt worden. Sie wurden offenbar in der unmittelbaren Nachkriegszeit demontiert und einer neuen Verwendung zugeführt. 

So sind bis heute nur noch die baulichen Relikte des ehemaligen Verladebereichs des einstigen Marinesperrzeugamtes erhalten geblieben. Sie zeugen bis heute von einer Zeit in der zwischen Unterlüß und Eschede - mitten im Wald - See- und Torpedominen hergestellt und auf logistisch ausgefeilte Art und Weise abtransportiert worden sind. 

H. Altmann

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Quellen: 
  • NLA HA, Nds. 660 Lüss, Acc. 2009/057 Nr. 39. 
  • Gries/Hoppe, "was wir tun, ist nicht gerade zum Guten...". 
  • Material Archiv Altmann. 


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