Das Tiefental südlich von Hermannsburg ist heute ein beliebtes Ausflugsziel. Die ausgedehnten Heideflächen fügen sich romantisch in die sanfte Hügellandschaft. Auf den ersten Blick ist daher leicht zu übersehen, dass sich an diesem Ort bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ein Schießplatz der Luftwaffe – und nach Kriegsende ein Sprengplatz der britischen Streitkräfte befand.
Der Parkplatz „Eicksberg“ ist ein gerne angesteuerter Ausgangspunkt für Wandertouren über die Heideflächen des mittleren Lüßplateaus. Diese gehen fast nahtlos in die Misselhorner Heide über und bieten somit einen schönen Rundkurs durch die traditionell anmutende Heidelandschaft. Die Senke des Tiefentals entstand im Ausgang der letzten Eiszeit – sie diente bereits dem Missionsgründer und Hermannsburger Pastor Ludwig Harms um 1860 als Ort für Predigten.
In der näheren Umgebung des Tiefentals finden sich noch zahlreiche weitere, auffallend symmetrische Bodensenken, deren Ursprung deutlich jüngeren Datums ist. Was in kaum einem Wanderführer zu lesen ist: als das Tiefental touristisch noch nicht erschlossen war, diente das Areal zeitweise zu militärischen Zwecken.
Bild: Übersichtskarte Tiefental. Grün: Stellungsgraben. Gelb: Sprengtrichter. Blau: Parkplatz "Eicksberg". Grau: Scheibenanlage des Schießplatzes. Quelle: Google Earth, Eintragungen: H. Altmann.
Zunächst wurde das Tiefental als Schießplatz der Luftwaffe genutzt. Die Umgebung bestand vor ihrer Aufforstung mit den, heute ausgewachsenen, Kiefernbeständen in den Dreißigerjahren noch aus weiten Heideflächen. Diese eigneten sich bestens für militärische Flugmanöver – insbesondere die Übung von Angriffen im Tiefflug. Der Fliegerhorst Faßberg besaß zwar ein direkt benachbartes Areal zu Übungszwecken – einen weiteren Anflug konnte man im Bereich des Tiefentals üben. Das auffällige Tal war vermutlich auch deswegen ausgewählt worden, weil sich die Piloten im Anflug gut daran orientieren konnten.
Für die Übung der Angriffe im Tiefflug verfügte der Platz am Tiefental über eine spezielle Scheibenanlage, die es ermöglichte das Übungsziel auf einer ca. 190m langen Bahn zu verschieben. Es konnte somit ein Angriff auf bewegliche Ziele trainiert werden. Die Bahn verlief in Nord-Süd-Richtung und ist noch heute im Gelände erkennbar.
Bild: aufgeschütteter Damm der ehemaligen Scheibenanlage im Gelände. Quelle: H. Altmann.
Die aus westlicher Richtung anfliegenden Flugzeuge konnten die, auf der Bahn beweglichen Ziele mit Bordmaschinengewehren beschießen, wobei ein Steil abfallender Hang im Tiefental als Kugelfang diente. Ein großer, in den weißen Heidesand gepflügter, Pfeil markierte diesen Hang – auf historischen Luftbildern ist er gut erkennbar und auch aus dem heutigen Landschaftsbild ist diese Markierung noch nicht völlig verschwunden.
Bild: Luftbild Tiefental - Sicht im einstigen Anflug auf die Scheibenanlage und den Kugelfang. Quelle: H. Altmann.
Der gesamte Bereich des Schießplatzes war mit einem Brandschutzstreifen umgeben. Am nördlichen und am südlichen Ende der Scheibenanlage befanden sich kleinere, verbunkerte Gebäude in denen die Technik der Anlage untergebracht war. Diese Bunker dienten vermutlich auch der Bedienungsmannschaft der Scheibenanlage als Deckung. Weiter westlich befand sich eine kleinere Grabenanlage, die möglicherweise zu Beobachtungszwecken gedient haben könnte.
Bild: Relikte der alten Scheibenanlage. Quelle: H. Altmann.
Heute erinnert nicht mehr viel an den alten Schießplatz der Luftwaffe. Lediglich ein aufgeschütteter Damm auf der Heidefläche südlich des Parkplatzes „Eicksberg“ sowie einige Betontrümmer deuten noch auf die Scheibenanlage hin. Der Kugelfang ist inzwischen wieder fast vollständig mit Heidekraut überwuchert. Nur noch ein Teil der alten Zielmarkierung weist auf die Stelle hin, die einst beim Tiefflug beschossen worden ist.
Bild: Luftbild Tiefental - Sicht auf den Kugelfang. Noch erkennbar: die einstige Zielmarkierung in Form eines Pfeiles. Quelle: H. Altmann.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges fiel der ehemalige Schießplatz unter britisches Kommando. In der Umgebung gab es zahlreiche Rüstungs- und Militäreinrichtungen, die über erhebliche Bestände an Munition, Granaten, Bomben sowie deren Bestandteile verfügten. Diese galt es unschädlich zu machen, wobei die erforderlichen Maßnahmen an einigen Standorten zunächst lokal durchgeführt wurden –so insbesondere im Bereich der ehemaligen Luftmunitionsanstalt 4/XI bei Höfer.
Es zeigte sich aber bald, dass sich manche Standorte nicht zur Munitionsvernichtung eigneten – alleine schon wegen ihrer Nähe zu bewohnten Gebieten. Um größere Mengen Munition zu vernichten bedurfte es abgelegener Standorte, die aber trotzdem über eine gewisse Infrastruktur verfügten. Als einer dieser Standorte wurde das ehemalige Marinesperrzeugamt Starkshorn ausgewählt. Das Marinesperrzeugamt bestand aus etlichen Bunkern und wurde in den ersten Jahren nach Kriegsende als Sammelstelle für Munitions- und Sprengstoffbestände aus der gesamten Region genutzt.
Bild: Sprengtrichter im westlichen Teil. Quelle: H. Altmann.
Die britischen Streitkräfte betrieben nach Kriegsende die „Demolition Area Starkshorn“. Wöchentliche Anlieferungen von mehreren hundert Tonnen an Munition, Sprengstoffen und deren Bestandteilen waren keine Seltenheit. Die straffe Terminierung des alliierten Kontrollrates führte zu einem hohen Zeitdruck im Demilitarisierungsprozess. Vor diesem Hintergrund konnten die Unmengen der zu vernichtenden Munition nicht nachhaltig verwertet werden. Stattdessen wurden riesige Massen an Munition einfach gesprengt, verbrannt oder schlichtweg vergraben.
Bild: Sprengtrichter im westlichen Teil. Quelle: H. Altmann.
Das ehemalige Marinesperrzeugamt erschien bei Beginn der Aktion als sehr geeignet. Im weiteren Verlauf stieß die Einrichtung jedoch an ihre Kapazitätsgrenzen. Vermutlich war auch die Nähe der benachbarten Fernbahnlinie zwischen Hannover und Hamburg einer der Gründe dafür, dass Kontingente besonders großer Kaliber nicht im Marinesperrzeugamt vernichtet worden sind. Stattdessen verbrachte man diese Munition in das rund sieben Kilometer entfernte Tiefental. Dieses Areal lag weit entfernt von Siedlungen und zivilen Infrastruktureinrichtungen.
Bild: Sprengtrichter im Bereich des Tiefentals - Blick in Richtung Norden. Quelle: H. Altmann.
Zeitzeugen berichteten nach Kriegsende von Munitionsfunden und den Auswirkungen der Sprengungen. Bis nach Lutterloh sollen diese spürbar gewesen sein, berichtete Bauer Fritz aus Lutterloh am 01.04.1955 im Gespräch mit der Heimatforscherin Hanna Fueß. Noch Jahre nach den Sprengungen fanden spielende Jugendliche desöfteren Munitionsreste und stellten damit abenteuerliche Versuche an.
Bild: Sprengtrichter und Trümmer im westlichen Teil. Quelle: H. Altmann.
Rund 70 große Sprengtrichter sind noch heute im Bereich des Tiefentals erkennbar. Einige davon wurden damals offenbar mehrfach für die Munitionsvernichtung verwendet. Die Trichter verlaufen halbkreisförmig um die alte Scheibenanlage des Schießplatzes. Während die Sprengkrater in der offenen Heidelandschaft bereits stark verlandet sind, blieben jene im bewaldeten Gelände vergleichsweise recht gut erhalten.
Bild: Sprengtrichter im westlichen Teil. Quelle: H. Altmann.
Das Tiefental hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. Die Zeiten des ehemaligen Schieß- und Sprengplatzes gehören zwar längst der Vergangenheit an. Allerdings haben sie bis heute Spuren im Gelände hinterlassen, die sich bei genauem Hinsehen heute noch erkennen lassen.
H. Altmann
Sehr interessant haupsaechlich das es in der naehe von Hermannnsburg lieg.Ich habe meine schulzeit in der Deutsche Schule in Hermannsburg (Sued Afrika) verbracht.
AntwortenLöschenKarl-Siegmund Griesse
Ich war Anfang der 1950er einer der jugendlichen "Sprengmeister in Ausbildung". Aus Unterlüß unternahmen wir Ausflüge nach Tiefenthal, um Pulverreste einzusammeln, die im Heidesand lagen ... die dunklen Brocken erinnerten an Gleisschotter und machten grüne Finger. Diese und auch braunes Stangenpulver vom Unterlüßer Schießplatz eigneten sich für allerlei "Versuche" von Luftpumpenraketen bis zum Ausräuchern von Ameisengängen. Sprengungen sind uns nie geglückt, selbst Ammongelit konnten wir mangels Zündern nur abbrennen. Bis auf Verlust eines Auges, nicht meines, ist das trotz großem Risiko gut ausgegangen. - Wilde Zeit.
AntwortenLöschenIch lese die Berichte von "damals" mit Interesse, geben sie doch im Nachhinein einen besseren Einblick in das Heimatgeschehen, was uns Jugendliche in der Nachkriegszeit wenig interessierte.
Andreas Halbanonym