f Celle - vor 103 Jahren (CZ vom 7. Dezember 1911) ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Dienstag, 9. Dezember 2014

Celle - vor 103 Jahren (CZ vom 7. Dezember 1911)





Celle. Es ist das Jahr 1911. Die Stadt hatte seit 1860 an Einfluss und Bedeutung eingebüßt - das war jedoch bereits "Schnee von Gestern". Erstmals seit Langem bestimmte eine gesteigerte Verbundenheit die Deutschen - auch in Celle. Das Deutsche Reich war in der Blüte seiner Macht angekommen. Vielen ging es in dieser Zeit sehr gut - anderen sehr schlecht. Während sich das Bürgertum in Varietees und Theatern vergnügte, verdienten Fabrikarbeiter so schlecht, dass sie kaum ihre Familie ernähren konnten. Diesem Umstand war es zu verdanken, dass die sozialen Parteien, allen voran die SPD, erheblich an Wählerschaft gewannen. Im Deutschen Reich gab man sich in dieser Zeit dem Streben nach Weltmacht hin. Gleichsam mit den europäischen Nachbarstaaten wollte man auf Augenhöhe stehen. 

Was niemand ahnte war, dass die im Jahr 1912 stattfindende Reichstagswahl die letzte des Deutschen Kaiserreiches sein sollte. Niemand sah das kommen, was später als die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden sollte: den Ersten Weltkrieg. 

In diesem Beitrag wollen wir einen Blick in das Tagesgesehen des 7. Dezember 1911 werfen - einem Tag wie heute...genau vor 103 Jahren. 


Die einzelnen Artikelausschnitte lassen sich durch Anklicken vergrößern. 


Direkt auf der Titelseite findet sich eine "obrigkeitliche Bekanntmachung" betreffend der kommenden Reichstagswahl

Demnach konnte jedermann die die entsprechenden Wahllisten einsehen. Es war möglich Einwände in Form eines Einspruchs zu äußern, wenn die Listen unvollständig bzw. unrichtig waren. Dem jeweiligen Gemeinde- oder Gutsvorsteher oblag es allerdings diese Einwände für begründet zu bewerten. 

Die Wahlen im Kaiserreich wurden zwar offiziell und ordentlich durchgeführt. Allerdings waren die damit verbundenen Konsequenzen recht mäßig im Vergleich zu den späteren demokratischen Wahlen. 

Zwar besaßen die Deutschen Staatsbürger ein offizielles Wahlrecht. Allerdings war das Wahlalter auf 25 gesetzt und somit schied hier bereits ein erheblicher Teil der Deutschen von der Wahl aus. 

Weiterhin durften Frauen nicht wählen. Diejenigen, welche auf einem Gut wirtschafteten (was einst nicht wenige waren) wählten so wie der Gutsherr. 

Die individuelle Meinungsbildung war also begrenzt. So kam es, dass von allen Deutschen etwa nur 20-25% tatsächlich ihre eigene Wahl trafen. Und selbst dann war der König nicht an das Ergebnis gebunden. 

Es sollte noch einige Zeit vergehen, bis eine deutsche Verfassung entstehen konnte und sich der Grundsatz "alle Macht geht vom Volke aus" sich durchsetzen konnte. 


Besonders kurios sind in dieser Ausgabe der Zeitung die Lokalmeldungen. 

Hier ist die Rede von einem Musketier, der 11. Kompanie des Infanterieregiments Nr. 77, welcher sich bei Oppershausen erhängte. Der Grund wurde in der Ausgabe vom 7. Dezember 1911 ebenfalls genannt: Liebeskummer

Weiterhin wollte der "Herr Gärtner Wietfeldt" nochmals darauf hinweisen, dass er mit der Kindesmordaffäre nichts zu tun gehabt hätte. Das Makabrere an der Geschichte: die Leiche war anscheinend zerstückelt worden. 

Ohne Weiteres war leider nicht herauszufinden, wie die Geschichte ausging und ob der Mörder gefasst werden konnte. In jener Zeit trieb ebenfalls der Serienmörder Fritz Haarmann sein Unwesen. Sein erster Mord wird ihm im Jahr 1916 zugeschrieben. Haarmann ermordete insgesamt 24 Jungen im Alter zwischen 10 und 22 Jahren. 


Weiterhin nahm der Celler Flottenverein seine Versammlungen wieder auf. Einst waren derartige Ortsgruppen und Vereine sehr beliebt. 



Auch die weiteren Lokalmeldungen zeigen, wie das kleinstädtische leben einst ablief...

Beliebter Anlaufpunkt war einst das sogenannte "Kaiserpanorama". Wer nun eine Art Kino vermutet, der liegt nicht falsch, aber eben auch nicht ganz richtig. 

Das Kaiserpanorama war ein, für die damalige Zeit sehr moderner Apparat, mit dem sich Diabilder aus der ganzen Welt in jede Kleinstadt bringen ließen. 

Mt einem Kino hatte es dennoch noch nicht viel zu tun - es gab weder Leinwand noch einen Film. Celle war eine von 250 Kleinstädten, die in den Genuss eines solchen Medienspektakels kam. 



Eine weitere lesenswerte Nachricht stammt aus der Strafkammer. - Unlauterer Wettbewerb war einst demnach wohl bereits bekannt, aber man kam anscheinend noch recht glimpflich davon...

Bild: Die Kammerlichtspiele um 1920. 


Liest man zwischen den Zeilen, wird bereits Ende des Jahres 1911 deutlich, dass die politischen Mächte in Europa einander nicht wirklich vertrauten. Da ist von "geheimen Abkommen" die Rede...

Bild: Die Kammerlichtspiele um 1920. Quelle: CZ. vom 7.12.1911. 


Aber auch recht skurrile Meldungen fanden in das Blatt dieses Tages Eingang, wie etwa ein Beitrag über eine Affenjagd in der Berliner Börse oder über fliegende Frösche. 







Nachfolgend einige interessante Meldungen/Mitteilungen aus dem Anzeigenteil...










Obgleich der große Erste Weltkrieg noch in weiter Ferne lag, wird bereits gegen Ende des Jahres 1911 deutlich, dass sich das weitreichende Veränderungen anbahnen. Allerdings dürften die Anzeichen für viele einst noch nicht sichtbar gewesen sein. Alles in Allem ein interessanter Einblick in die Geschichte vor genau 103 Jahren. 

Hendrik Altmann


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