f Found: Das alte Rittergut zu Schwachhausen ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Mittwoch, 22. Februar 2012

Found: Das alte Rittergut zu Schwachhausen




Lage: 

52°34'50.94'' N
10°14'25.99'' O

Beschreibung: 

Nicht mal jedem Taxifahrer im Landkreis ist das Dorf Schwachhausen bekannt. 
Dennoch ist es alle Male wert sich intensiv damit zu beschäftigen. Schwachhausen (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Bremer Stadtteil) liegt im Flotwedel und zählt mit der Nachbarortschaft Offensen, als Ortsteil, zur Gemeinde Wienhausen.  
Wer aus Richtung Offensen nach Schwachhausen fährt, wird die einsam stehenden Häuser in der Feldmark zur Linken bemerken. Was heute wie ein Bauernhof erscheinen mag war bis Anfang des 19. Jahrhunderts ein prachtvolles Anwesen - erbaut nach dem 30 jährigen Krieg. 

Zeitgenössischer Kupferstich (Casper Merian aus Merian, 1654)
Zu sehen ist das Anwesen aus Richtung (Lachendorf) -  des sog. "Lorkberg" (höchste Erhebung der Gemarkung und selbst legendenbehafteter Hügelwald - siehe Kapitel Lorkberg und Riesenkuhle). Man erkennt, wie bewaldet die Gegend einst war.
Die im Bild rechts sichtbaren Gebäude sind heute noch vorhanden.
In dieser Karte (Ductus Brunsuicenensis) wird Schwachhausen als "Schwerhusen", kurz vor der Schwarzwassereinmündung in die Aller ,erwähnt.
Schwerhusen stammt weniger von "schwer" sondern hauptsächlich von "Swin-husen" was wiederum von "Swin" stammt. 
Es handelt sich also um einen Ort mit Schweinezuchtbetrieben. 

Das alte Gut Schwachhausen - Hintergrund: 

Der dreißig jährige Krieg dauerte von 1618 bis 1648. 
In den letzten Kriegsjahren bezog Johann Melchior Schenk von Winterstedt (* 1572, + 1640) den "Adeligen Sitz zu Schwachhausen". 

Wer waren die Von Winterstedt'? 

- Ein altes, schwäbisches Adelsgeschlecht aus dem Stammschlosse Winterstetten im Württembergischen Oberamte Waldsee (zwischen Biberach und Ravensburg). Von diesem Stammschloss sind kaum noch Spuren zu finden. 
Das Geschlecht Von Winterstedten kam 1482 in das Braunschweig-Lüneburgischen Kurfürstentum und führte auch hier den freiherrlichen Titel (Freiherr von Winterstedten). Laut unbestimmten Quellen liegt der Ursprung des Stammes bei den "alten Grafen von Than" (auch Thanen oder Thamm). Die von Thans waren auch als die "Truchsessen von Waldburg" bekannt, deren Stammvater der, 945 auf dem Lechfeld bei Augsburg (Schlacht Otto des I.) gebliebene Herr von Than und Winterstedten war. 
Dessen Urenkel Werner, Graf von Than und Truchsess von Waldburg war wiederum der Großvater der beiden Brüder Conrad und Arnold. Conrad führte den Stamm der Grafen von Waldburg fort. Arnold setzte um 1140 die Familie der Schenk von Winterstedt fort. Sein Sohn, Conrad II. war um 1227 kaiserlicher Statthalter in Schwaben und Burgund. Anfang des 15. Jahrhunderts führte zuerst Eberhard Schenk von Winterstädten der freiherrlichen Adelstitel (Freiherr). Während in Schwaben der Familienstamm ausstarb, wurde er im Braunschweig-Lüneburgischen Kurfürstentum (anderer Familienzweig) fortgeführt. Genannt sei Johann Melchior Schenk von Winterstedt (* 1572, + 1640). Er war bis 1640 markgräflicher badenscher Geheimer Rat, Obervoigt zu Durlach und Amtmann zu Mühlberg und Lindhorst. Johann Melchior wird offiziell als "Herr auf Schwachhausen" genannt. 

Grabskulptur des Freiherrn Friedrich von Winterstedt (+ 1659) in der Stadtkirche Celle. 

Unbedingt mal hingehen und ansehen!!! 

Georg Ludwig Schenk v. Winterstedt wurde am 02.02.1721 in Schwachhausen geboren und starb dort am 01.04.1721. Seine Tochter Anna wurde am 07.10.1710 ebenfalls in Schwachhausen geboren und verstarb am 28.06.1799 in Duttenstedt (Peine). Ihr Bruder, der Sohn Georg Ludwigs, Christian Christoph Schenk v. Winterstedt (S.v.W.)  wurde am 23.06.1712 in Schwachhausen geboren und verstarb am 18.02.1783 in Groß Ottenhaus bei Celle. 
1740 - 1789 wurden sechs nachweisliche Nachkommen der Schenk v. Winterstedt geboren. Diese seien an dieser Stelle nicht näher erwähnt. Um 1760 kann man sagen sei die Blütezeit des Anwesens in Schwachhausen gewesen. 
Am 18.06.1815 fiel Georg Carl Friedrich S.v.W. in der Schlacht um Waterloo (Brabant Wallon, Belgien). 
Auffällig im Stammbaum ist, dass in der folgenden Generation die Töchter (Sophie, Georgine und Fredericia) sehr früh verstarben. Fredericia war erst neun, als sie am 19.09.1801 in Schwachhausen verstarb. 
Der letzte Schenk von Winterstedt war Friedrich, der am 24.10.1792 in Schwachhausen geboren wurde. Trotz Heirat mit Sophie Catharine Holzgrefe (* 08.01.1771, Oppershausen), gingen aus dieser Ehe keine Kinder hervor. Laut Quellen gilt die Familie Schenk von Winterstedt (in Schwachhausen seit dem 07.03.1838 als ausgestorben. 

Was wurde aus dem Anwesen?

Was geschah, nachdem die Familie, deren Wurzeln sich sicher auf fast 1.000 Jahre zurückverfolgen lassen, ausgestorben war? 
-> Das Gut stand ca. 16 Jahre lang leer. Es wurde laut Archiv der Geschichte und Verfassung des Kurfürstentums Lüneburg nach Aussterben der Familie Schenk v. Winterstedt "von Sr (seiner) Majestät (den vier Gebrüdern Weding) verliehen worden". Major v. Weding (Garde Regiment) besaß nach Verzicht seiner drei Brüder das Rittergut und veranlasste die Zusammenlegung des Besitzes mit den in dem Amte Ebstorff belegenen Höfen zu Bode und Brauel bei der Ritterschaft (Versammlung). 

Die Folge: 





Somit konnte der Besitz aufgeteilt werden. (Siehe * Nachtrag unten!)

Der Adelssitz heute. Es stehen (wie schon beschrieben) nur noch wenige originale Gebäude des Guts. 
Das Hauptgebäude wurde Anfang des 19 Jh. komplett abgebaut und in Wienhausen in unmittelbarer Nähe des Klosters wieder aufgebaut. 


Fehlentscheidung?

Das letzte ursprünglich gehaltene Relikt des Guts wurde 2011 abgerissen. Es handelte sich dabei um den "Gutskrug" des alten von Schenk'schen Anwesens. Dieser stand mitten in Schachhausen an der T-Kreuzung Birkendamm/Offensener Straße. 
Vielen mag dieses Haus auch unter dem Namen "zum Forsthof" in Erinnerung sein. Es war über Jahre Treffpunkt vieler Feste und Veranstaltungen. Es wurde leider mit dem Bau eines neues Dorfgemeinschaftshauses überflüssig und wurde aufgrund seiner maroden Bausubstanz abgerissen. 

Funde:

In der Nähe des Gutes (auf "geheimen" Feldern)...
Da ich mich gänzlich ohne jede Erwartung auf einigen Feldern umgesehen habe um Belege für die Geschichtsträchtigkeit dieses Ortes zu finden, war ich positiv überrascht, dass man dort tatsächlich noch Relikte jener Tage findet.
Ein Bechergewicht.

Dies ist einer meiner schönsten Funde bisher (sie sind alle schön). Zu sehen ist die Innenseite mit den eingestanzten Buchstaben "CZ" oder "TZ" - welche Gewichtseinheit damit gemessen wurde, kann ich bisher nicht sagen, da früher jedes Gebiet eigene Gewichtseinheiten hatte. Jedoch ist es ein sehr kleines Gewicht, welches sich wohl eher eignet um Arzneien oder Zutaten für etwas abzumessen. Vielleicht gehörte es einem Apotheker oder jemandem der mit feinen Maßeinheiten zu tun hatte...

Bechergewichte:

Es handelt sich dabei um eine besondere Form von Gewichtssätzen. In einem Gehäuse befinden sich mehrere einzelne Becher bzw. Einsätze und ein sog. Schlussstein. Ähnlich wie bei den Martjoschkas (Russ. Holzpuppen) sind die Gewichte ineinander geschachtelt. Die Besonderheit besteht darin, dass das nächstfolgende Gewicht immer halb so schwer ist, wie das vorhergehende. Nur der Schlussstein wiegt so viel, wie der Becher in dem er liegt. Damals - ohne genaue Technik und nur mit Schmiedekunst - eine wirkliche Meisterleistung!

Wer mehr zu Gewichten, Maßeinheiten u.ä. wissen möchte, oder wer einfach nur prüfen will, dass meine Einordnung der Wahrheit entspricht, der sollte sich diese Seite einmal anschauen:


Dies ist das Gewicht noch mal von der Seite. Viel passt hier nicht rein...
Hier haben wir ein Teil eines verzierten Hespens. Zwar nicht nicht mehr alles erhalten, jedoch kann man ohne Zweifel sagen, dass dieser Hespen nicht an der Kellertreppe saß, denn er ist nicht nur verziert, sondern möglicherweise vergoldet.
Vielleicht saß er an einer Schatulle, Kiste o.ä....
Ein wirklich schönes Stück.


Eine alte Schnalle (Kupfer). 

Musketenkugeln (unterschiedliche Kaliber).
Sie wurden in der Jagd und im Krieg verwendet. Da die franz. Stellungen im siebenjährigen Krieg laut Karten bis in die Gegend um Schwachhausen reichten, könnten diese Kugeln aus Richelieus (Marshall von Frankreich nach 1748) Armee stammen...



Ein 2 Cent Stück ( Königreich Westfalen, Hieronimus Napoleon). Vorderseite.

Ein Relikt der französischen Besatzung (?)
 Ein 2 Cent Stück ( Königreich Westfalen, Hieronimus Napoleon). Hinterseite.

Dies ist ein Knopf. Heute sieht er einfach aus - damals war er filigran gearbeitet und sicherlich nicht billig, denn Öse und Knopf bilden eine Einheit. Billigere Knöpfe (und die an Uniformen) bestanden regelmäßig aus zwei Teilen. 








Ein einfacher Ring. Er war versilbert, jedoch ist davon nichts mehr zu sehen. Oben ist er verziert. 




Fazit: 

Der Besuch auf den alten Ländereien des Rittergutes/Adeligen Sitzes zu Schwachhausen war auf jeden Fall sehr lohnenswert. Zwar findet man wenig historische Atmosphäre vor, aber man bekommt ein gutes Gespür für die geschichtlichen Veränderungen, die die Zeit mit sich bringt. Im 18. Jh war das Gut unbewohnt - also tat man was man heute tut. Auch in unseren Tagen wurde ein Teil dieses geschichtsträchtigen Ortes Teil der Dorferneuerungsmaßnahmen. Wir sollten also keine Steine im Glashaus werfen, wenn wir uns beschweren, dass dort kein prächtiges Gutshaus mehr steht. Wichtig ist, dass die Geschehnisse der vergangenen Tage nicht in Vergessenheit geraten und entsprechend gewürdigt werden. 

Gruß, 

S.t.a.l.k.e.r.


P.s.: das Gelände befindet sich heute in Privatbesitz und ist nicht für unangemeldete Ortsbegehungen geeignet. 

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* Nachtrag: Das Gut Schwachhausen wurde 1876 abgebrochen und als Hoppesches Gutshaus in Wienhausen wieder aufgebaut. Es ist davon auszugehen, dass viele Baumaterialien weiter verwendet worden sind und beim Abbruch schon nicht mehr das komplette Gut stand. 
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Quellen: 
- http://www.online-ofb.de/
- Archiv für Geschichte u. Verfassung d. Fürstenthums Lüneburg, Band 2 und Band 4, -1856. 
- Neues Adelslexicon, Ernst Heinrich Kneschke, 1868. 
- Cellesche' Zeitung vom 23.02.2011 
- http://www.wenner.net/suche/G/Schwachhausen_Wienhausen_Adelicher_Sitz_Ansicht_Wasserschlosses_Meierei_Aller_Kupfer_Caspar_Merian%3B00009758.jpg 
- http://www.bildindex.de/obj20474818.html#|home 
- Google Maps
- Funddokumentation versch. Quellen. 




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Wichtiger Hinweis: 

Ich suche jederzeit Material zur Heimatgeschichte. Wenn Sie alte Fotos, Postkarten, Zeichnungen, Karten oder andere geschichtliche Dokumente besitzen und gerne etwas dazu erfahren möchten, dann bitte ich Sie mich zu kontaktieren. Alle Informationen werden mit größter Sorgfalt behandelt! 

Für Hinweise in Form von Dokumenten bin ich bereit zu zahlen! 

Bei Fragen/Anregungen/Kritik bitte ich Sie mir eine kurze Mail zu schreiben. 

Mail: found-places@live.de
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9 Kommentare:

  1. Sauber alter,
    wo du das wieder alles her hast.
    Besonders die Münze sieht noch sehr gut aus.
    Mach auf jeden Fall weiter so, ich werde es auf alle Fälle weiter verfolgen.

    Gruß,

    Tobi

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    1. Danke dir! Ja es dauert einige zeit alles zu recherchieren, aber dranbleiben lohnt sich. Ich hab noch viele Orte zu denen ich schreiben will.

      Gruß

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  2. Ein sehr interessanter Bericht über ein Thema, mit dem ich mich auch noch beschäftigen wollte ;-)

    Prima recherchiert und mit tollen Bildern und Funden ergänzt. Kompliment dafür!

    Ich freue mich schon auf weitere Geschichten.

    Viele Grüße aus Hambühren,
    Christian

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    1. Danke, das Kompliment nehme ich gerne an. Es sollen noch viele interessante Beiträge folgen, wenn es nach mir geht.
      Das alte Gut hat mich immer schon fasziniert und weil es bislang keine komplettierte Geschichte dazu zu lesen gab, war es für mich ein Anliegen.

      Beste Grüße aus Lachendorf/Schwachhausen,

      S.t.a.l.k.e.r.

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  3. Hallo, und vielen Dank für die informativen Beiträge aus unserer Region.
    Ich bin auch nur auf Deine Beiträge gestoßen weil ich gestern ein altes Bild erworben habe (fast identisch) Bild 1 Kupferstich 1654.
    Nur steht auf meinem ganz oben:
    "Schwachhausen"
    Adelicher Sitz im Furstenthum Lunaburg

    Leider finde ich keine Informationen zu dem Bild von wann es sein könnte.
    Kannst Du mir helfen ?
    Nette Grüße aus Winsen / Aller

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    1. Hallo,

      Ich helfe Dir gerne bei Deinem Bild weiter. Am besten Du schreibst mir eineE-Mail an found-places@live.de - dann können wir alles Weitere besprechen.

      Viele Grüße,

      Hendrik

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  4. Guten Tag,
    vielen Dank für die interessanten Informationen.
    Als kleine Ergänzung zu den Schenk von Winterstedt;
    von Johann Melchior Schenk von Winterstedt und seiner Gemahlin Anna Elisabeth von Remchingen, sind mir 958 Personen, teils hochadelige, adelige und bürgerliche Nachkommen bekannt, darunter sicher über 100 momentan lebende Personen. Mit freundlichem Gruß, Frhr. v. Künßberg

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    1. Sehr geehrter Herr von Künßberg,
      seit einigen Jahren führe ich die Ahnenforschung, begonnen von meinem Vater vor etwa 100 Jahren, weiter. Dabei stieß ich auf ein Gerücht ein Urahn sei uneheliches Kind des letzten Schenk von Winterstedt zu Schwachhausen. (siehe Familiendatenbank Celle Süd-Ost). Jetzt hat ein genetisches Abstammungsgutachten ergeben, dass unsere Familienlinie und die Line des in der Geburtsurkunde angegebenen Vaters nicht übereinstimmen. Gern biete ich Ihnen an, weitere Informationen über unsere Ahnen und deren komplexes Verhältnis zu denen von Winterstedt mitzuteilen. Mit freundlichem Gruß Dr.B.Prieß, Peine

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  5. Die Daten von Georg Ludwig S.von Winterstedt und seiner Tochter, passen nicht...

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