f Heimatforschung im Landkreis Celle

Donnerstag, 27. Juli 2017

Auf der Fährte des letzten Panzers



Dieser Beitrag erzählt die tragische Geschichte einer Panzerbesatzung im April 1945 -  mitten in Deutschland - unmittelbar vor Kriegsende. Die Umstände machen diese Geschichte einzigartig und in all ihren Details erzählenswert. 

Auch 72 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs bleiben die Schicksale tausender Soldaten ungeklärt. Auch in Deutschland gelten noch viele als vermisst - beziehungsweise sind die Umstände ihres Todes bis heute ungeklärt. Einer von Ihnen ist der damals 20 Jährige Heinz Friedrich. Seine Geschichte macht deutlich, wie schwierig es aus heutiger Sicht ist, die historischen Zusammenhänge aufzuklären. 

Als Angehöriger der 3. Kompanie des 5. SS-Panzer-Regiments der 5. SS-Division "Wiking" gehörte Friedrich zu einer jener Einheiten, die von der breiten Masse des deutschen Heeres als "Elitesoldaten" bezeichnet wurde. Er selbst hatte als Sturmmann der Waffen-SS am 29.08.1944 das Panzerkampfabzeichen in Silber und am 09.11.1944 das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen bekommen. 

Die 5. SS Division "Wiking" war eigentlich im südöstlichen Frontabschnitt eingesetzt. Am 19.01.1945 schrieb Friedrich an seine Familie aus der Nähe der Stadt Schieratz (später: Sieradz, Polen): "...er hat nicht mehr weit bis nach Schieratz der verfluchte Iwan. (...) diesmal soll es aber nach Westen gehen in die Nähe von Paderborn...". Friedrich sollte Recht behalten - tatsächlich verlegten ausgewählte Einheiten des 5. SS-Panzer-Regiments nach Westdeutschland. Zuvor schrieb Friedrich in einem weiteren Brief an seine Familie: "Hoffentlich ist uns das Glück holt und wir kommen bald ins Reich um Panzer zusammenzufassen." Diesen Brief vom 28.01.1945 beendete Friedrich mit den Worten: 

"Hoffentlich bleibt es so wie es bisher war und wir alle werden von dem verfluchten Krieg unversehrt herauskommen." 

Bild: Aktendeckel - Wochenmeldungen, 5. SS Panzer-Division Wiking. 


Am 09.02.1945 schrieb Friedrich seinem Vater, dass sein eigentlich zugesagter Urlaub untersagt wurde. Am 16.02.1945 um 24:00 Uhr hätte er sich in Paderborn zu melden - "wahrscheinlich gibt es dort Panzer, sodass wir in den Einsatz rollen können", heißt es in dem Brief weiter. 

Offenbar gelangte er pünktlich zum Meldeort, denn am 17.02.1945 verfasste Friedrich einen weiteren Brief an seine Familie, den er aus dem Truppenübungsplatz Sennelager bei Paderborn abschickte. Wie die Zeilen Friedrichs verraten, gehörte er einem sogenannten Abholkommando des 5. SS-Panzerregiments "Wiking" an, welches die Aufgabe hatte, Panzer aus Deutschland an die Front zu führen. Ein Himmelfahrtskommando. 

Von Paderborn aus gelangten die SS-Soldaten unter dem Kommando des SS-Haupturmführers Nikolussi-Leck über Versmold und Minden nach Hannover. Unterwegs vereinnahmte der Verband diverse Fahrzeuge - darunter insbesondere Halbkettenfahrzeuge mit 2 cm Maschinenkanonen als Bewaffnung. In Hannover konnten darüber hinaus schwere Panzer vom Typ Sd.KFZ 251 "Jagdpanther" übernommen werden. 

In der Stadt kam es schließlich zum Zusammentreffen mit US-Truppen der 84. US-Infanteriedivision. Einer der Jagdpanther wurde in der Nähe des ehemaligen Bahnhofs Harnholz abgeschossen. Auch Friedrich bekam in Hannover die Schrecken des Krieges zu spüren. Sein ehemaliger Kamerad A. Gehlen erinnerte sich später: 

"(Friedrich) hatte mehrere Stunden mit seiner Flak nach allen Seiten gefeuert, als ich in einer Feuerpause merkte, dass er weinte. Da er in seinem gepanzerten Drehgestell nicht von Außen zu erkennen war, kroch ich von unten in seinen Richtstand. Meine Befürchtung, dass er evtl. verwundet sei, bestätigte sich nicht. Die tagelangen Strapazen, der fehlende Schlaf und die ungeheure Anspannung (...) hatten ihn so zermürbt...". 

Bild: Montage heute / 1945, abgeschossener Panzer am ehemaligen Bahnhof Hainholz


Auf abenteuerlichen Wegen gelangte die mittlerweile als "Kampfgruppe Wiking" operierende Einheit in den folgenden Tagen in den Raum Celle / Gifhorn. Die Spitzen der US-Truppen hatten die Kampfgruppe, bereits um den 12.04.1945 überrollt. A. Gehlen erinnerte sich später an diese Tage: 

"Von einer Front konnte man in diesem Abschnitt nicht mehr reden. Die Amerikaner befanden sich auf den Hauptstraßen des Gebietes im Vormarsch. Wir fuhren nur auf Seiten- und Feldwegen der Heide und hatten Befehl, den geordneten Aufmarsch der Amerikaner zu störend möglichst viele Transportkolonnen zusammenzuschießen." 

Die Panzerbesatzung des Jagdpanthers, in dem auch Heinz Friedrich saß, setzte sich wie folgt zusammen: 

  • J. Huff, Oberscharführer, Kommandant des Panzers
  • A. Gehlen, Rottenführer, Ladeschütze
  • H. Friedrich, Sturmmann, Richtschütze
  • Haarer (oder Hager), Sturmmann, Funker
  • G. Perchthold, Rottenführer, Fahrer
  • Ein unbekanntes Besatzungsmitglied (lt. A. Gehlen)
Nicht zuletzt durch Glück gelang der Kampfgruppe schließlich die Überquerung der Aller.  

Nur wenig wenig später, am 14.04.1945 kam es bei Ahnsbeck zu einem Panzergefecht mit Einheiten des 771. US Tank Destroyer Bataillon. Dabei wurden viele Fahrzeuge zerstört und Soldaten durch US-Einheiten gefangen genommen. 

Lange wurde behauptet die letzten beiden Panzer der Kampfgruppe "Wiking" seien im Hahnenmoor versenkt worden. Im Rahmen der Nachforschungen zum o.g. Buch konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass es sich bei den Panzerwracks, die nach Kriegsende noch zwischen Bokelberge und Wilsche im Wald standen nicht um Einheiten der Kampfgruppe Wiking handelte. Wahrscheinlich stammten diese Panzer vom 130. Panzer-Lehr-Regiment aus Braunschweig. 

Der Verbleib der Kampfgruppe Wiking gibt bis heute Rätsel auf. Anhand der zahlreichen Zeitzeugenaussagen und der vorhandenen After Action Reports der US-Truppen lässt sich nachvollziehen, dass die Einheiten der Kampfgruppe bis in den Raum Wittingen / Diesdorf gelangt sind. 

Den Aussagen seines Kameraden A. Gehlen zufolge, kam es am 16.04.1945 zu einem folgenschweren Gefecht, an dem die Panzerbesatzung beteiligt war. Zu dieser zeit gehörten zur Kampfgruppe nur noch der eine Jagdpanther, zwei Schützenpanzerwagen und ca. 100 Mann Infanterie. Während des Gefechts, das bis heute nicht einwandfrei lokalisiert werden konnte, gelang es der Panzerbesatzung unter ihrem Kommandanten J. Huff zwei US Panzer abzuschießen. 

Am Abend des 16.04.1945 erreichte ein Kradmelder die Einheit und überbrachte den Befehl, den Kampfplatz bei Nacht zu verlassen, berichtete A. Gehlen später. Ob diese Version so stattgefunden hat, lässt sich nicht eindeutig belegen - in einem Brief, den Fehlen im Jahr 1947, also unmittelbar nach Kriegsende verfasst hatte, schrieb er von einem Verlassen des Kampfplatzes aufgrund massiven Beschusses mit Brandmunition. 

Im Ergebnis ist jedoch entscheidend, dass der letzte Jagdpanther der Kampfgruppe Wiking nach Einbruch der Dunkelheit, in der nacht vom 16. auf den 17.04.1945 einen Stellungswechsel vornahm. Dieser sollte der Einheit zum Verhängnis werden, denn längst waren US-Verbände auf der Suche nach den vermeintlichen SS-Panzern. Dies belegen insbesondere die US Kriegsberichte. 

Bild: Erwähnung von deutschen Panzern nord-westlich von Hanum (östl. von Wittingen). Quelle: G-2 Tagesmeldungen des 638 Tank Destroyer Bataillon, April 1945. 


Nach einigen Kilometern musste der Jagdpanter stoppen. Ein Verteiler im Motor hatte sich verstellt und es stießen lange Feuerfahnen aus den Auspuffrohren, die in der Dunkelheit weithin sichtbar waren, so A. Gehlen. Im Morgengrauen des 17.04.1945 stellte die Panzerbesatzung den Verteiler neu ein. Ein Fahrzeug brachte Treibstoff und Munition. 

Vom Kommandanten Huff erhielten H. Friedrich und A. Gehlen den Befehl sich schlafen zu legen. "Huff übernahm die Wache im Turm", so A. Gehlen später. Friedrich schlief auf seiner Position am Richtsitz, der sich links der 8,8 cm Kanone befand. Gehlen schlief auf dem Fußboden zwischen dem Munitionsraum und dem Richtsitz. Der Funker Haarer konnte ebenfalls schlafen, während der Fahrer (Perchthold) und der Kommandant Huff den Panzer durch das Gelände steuerten. 

Plötzlich wurde der Jagdpanther durch eine Panzergranate auf der linken Turmseite getroffen. Gehlen vermutete später, dass es sich dabei um eine sogenannte "Schweißgranate" handelte. Vermutlich ist damit ein Hohlladungsgeschoss gemeint, dass beim Auftreffen die Panzerung durch eine Explosion einen heißen Plasmastrahl erzeugt. Dieser durchdringt selbst massive Panzerungen und verursacht im Innern des Panzers eine ungeheure Hitzewelle. 

Gehlen erinnerte sich später, dass sofort ca. 50 der mitgeführten Panzergranaten in Brand gerieten - "der ganze Innenraum war eine große Flamme". Für das schwere Maschinengewehr hatte der Panzer rund 2.000 Schuss an Bord sowie 20 Nebeltöpfe, die ebenfalls in Brand gerieten. Gehlen schaffte es irgendwie aus diesem Inferno ins Freie und zog sich aus der Turmluke. Sofort musste er sich seitlich fallen lassen, denn der Gegner hielt den deutschen Panzer unter schwerem MG Beschuss. 


Bild: Skizze deines Sd.KFZ. 173 "Jagdpanther" mit den Eingezeichneten Positionen. 


Seine Uniform, Gesicht und Haare waren verbrannt, erinnerte sich Gehlen später. Kurz darauf war der Kommandant des Panzers, J. Huff bei ihm. Er hatte den kürzesten Weg ins Freie, da er in der geöffneten Turmluke gesessen hatte. H. Friedrich und der Fahrer hätten im Panzer denselben Weg nehmen müssen, wie A. Gehlen. Allerdings hätte der Fahrer, G. Perchthold, auch noch seine Rückenlehne umklappen müssen. Daher nahm Gehlen an, die beiden hätten es nicht mehr aus dem brennenden Panzer herausgeschafft. 

Huff und Gehlen schleppten sich durch den Wald zu einer Bahnstation. "Im Wartesaal saßen Flüchtlinge, die bei unserem Auftauchen mit allen Zeichen des Entsetzens den Raum verließen", beschrieb Gehlen die Situation im Bahngebäude später. Später nahm sie ein privater Lastwagen mit ins bereits besetzte Wittingen. Hier gab es ein deutsches Militärlazarett. Aufgrund seiner schweren Verletzungen war er mehrere Tage nicht ansprechbar, erinnerte sich Gehlen. Huff erzählte ihm später, dass auch der Funker, der SS Sturmmann Haarer, ins Lazarett gelangt war. Der SS-Offizier Untersturmführer Schüssel habe den verletzten Funker neben dem Panzer auf dem Boden liegend entdeckt und ihn mit seinem Schwimmwagen ins bereits besetzte Wittingen gefahren. Bevor die US-Soldaten reagieren konnten, war der SS-Offizier wieder davon gebraust. 

Gehlen kehrte 1960 nach Wittingen zurück, schrieb er in einem Brief an Friedrichs Familie später. Er habe auch das Waldstück und den Bahnhof wiedergefunden. Doch besuchen konnte weder er, noch Friedrichs Familie diese Orte, denn ca. 100 m vor dem Bahnhof verlief die Zonengrenze der DDR. Das Bahnhofsgebäude war zum Wachlokal der Volkspolizei umfunktioniert worden und die Bahnlinie hatte man kurz vor der Grenze abgebrochen. 

Setzt man diese Informationen in den historischen Zusammenhang, passen die Angaben Fehlens nur auf einen einzigen Ort im gesamten Raum: Waddekath. 

Bild: Lagekarte Waddekath. Quelle: War Office Map 1945, Google Earth, eigene Darstellung. 


Waddekath lag nach dem Mauerbau unmittelbar am Grenzzaun. Hier gab es einen entsprechenden Grenzübergang, wobei die Volkspolizei den ehemaligen Bahnhof zu diesem Zweck umfunktioniert hatte. Dies berichteten unter anderem zahlreiche Anwohner mit denen ich vor Ort sprechen konnte. 

Heute ist der Ort stark verändert - die Bahnlinie auf der Ostseite der Zonengrenze ist komplett entfernt. Das einstige Bahnhofsgebäude steht noch zu Teilen und wird als Wohnhaus genutzt. 

Bild: Teil des ehemaligen Bahnhofsgebäudes. Quelle: H. Altmann. 


Mit der Errichtung der Zonengrenze wurde die Bahnstrecke zwischen Witzigen und Diesdorf stillgelegt. Noch heute liegt auf der westlichen Seite der tote Gleisstrang im Wald. Rund einhundert Meter bis vor den einstigen "Antifaschistischen Schutzwall" reichen die alten Bahngleise... 

Bild: Altes Bahngleis auf der westlichen Seite der Grenze. Quelle: H. Altmann. 


Ein Schild weist heute darauf hin, dass hier bis vor nicht allzu langer Zeit die östliche Grenze des politischen Europas verlief. Von den Grenzanlagen ist bis auf einige Erdwälle und erkennbare lichte Streifen im Wald nicht mehr viel zu sehen. Ein kleines Stück Grenze hat man bewusst stehen gelassen - als Museum und Mahnung. 

Bild: Waddekath heute. Quelle: H. Altmann. 


Die Beschreibung Gehlens lässt sich logisch nur dem Ort Waddekath zuordnen. Doch der genaue Abschussort des letzten Jagdpanthers der Kampfgruppe Wiking bleibt weiterhin unklar. Er kann sich jedoch nicht in allzu großer Entfernung befunden haben, da die SS-Soldaten schwer verletzt gewesen sind. Weite Fußmärsche wären in diesem Zustand unmöglich. 

Es ist daher anzunehmen, dass sich der Abschuss nördlich der Bahnstrecke zwischen Waddekath und Diesdorf ereignete. Wäre der Panzer südlich der Bahnstrecke abgeschossen worden, hätten sich die verletzten Soldaten nicht an der Bahnlinie orientiert, als sie sich in Richtung Waddekath schleppten - sie wären nämlich vorher auf die heutige L 8 gelangt. Statt der Bahnstrecke hätten sie sich an die Straße gehalten. Stattdessen liefen sie den Bahndamm entlang, was eigentlich nur einen Grund gehabt haben kann - sie stießen zuerst auf die Bahnstrecke. Dies ist aber nur möglich, wenn sie aus nördlicher Richtung kamen. 

In den Aufzeichnungen Gehlens ist mehrfach die Rede vom Abschuss amerikanischer Fahrzeugkolonnen. Diese konnten aus die Feuerstellung der Kampfgruppe ins Visier genommen werden. Der eigene Abschuss ereignete sich beim Verlassen dieser Feuerstellung. Da sich die US-Truppen zu dieser Zeit im Regelfall nur auf den Hauptstraßen aufhielten, können die Abschüsse eigentlich nur in Richtung der nördlich verlaufenden K 1390 oder aber hin zur L 8 erfolgt sein. Beides legt wiederum den Abschuss des Jagdpanthers in den Wäldern nordöstlich von Waddekath nahe. 

Nach Kriegsende wurde der letzte Panzer immer wieder mit dem Wrack des zerstörten Jagdpanthers mit der Turmnummer 123 in Verbindung gebracht. Unter anderem schrieb U. Saft in seinem Buch "Krieg in der Heimat", dass es sich bei dem Panzer auf dem Bild um jenen gehandelt habe, der "bei Suderwittingen" durch US Jagdbomber abgeschossen wurde. 

Bild: abgeschossener Jagdpanther 123. 


Doch es sprechen treffliche Gründe dagegen, dass es sich bei diesem Panzer tatsächlich um den letzten Jagdpanther der Kampfgruppe Wiking handelte. 

Zum einen handelte es sich bei den meisten der Jagdpanther der Kampfgruppe Wiking um Fahrzeuge, die neu in der Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover (MNH) übernommen wurden. Ob diese Panzer bereits zugeteilt waren ist fraglich. Die Turmnummer hätte eigentlich die Nummer eines bestimmten Panzers (1), seinen Zug (2) und die Kompanie (3) angegeben. 

Es wäre möglich, dass der letzte Jagdpanther nicht zu in Hannover übernommenen neuen Fahrzeugen gehörte. A. Gehlen schrieb später, dass der Panzerkommandant J. Huff den besagten Jagdpanther von einer Heereseinheit übernommen hätte. Dies müsste dann allerdings bereits um den 11. / 12.04.1945 passiert sein. Für den Raum, in dem die Kampfgruppe zu diesem Zeitpunkt operierte, käme als mögliche Heereseinheit unter anderem das 130. Panzer-Lehr-Regiment aus Braunschweig in Frage. Diese Einheiten verfügten ebenfalls über Jagdpanther und es hat vermutlich auch Berührungspunkte mit der Kampfgruppe Wiking gegeben. 

Bild: abgeschossener Jagdpanther 123 - andere Perspektive. 


Dennoch kann es sich beim Jagdpanther Nummer 123 nicht um jenen der Kampfgruppe Wiking handeln. Andere Aufnahmen zeigen den abgeschossenen Panzer 123 gegenüber eines amerikanischen M 10 Tank. Im Vordergrund ist eine Bahnlinie zu erkennen. Im Hintergrund eröffnet sich ein leicht ansteigendes Gelände. Weitere Aufnahmen zeigen Gebäude, in deren Nähe der Abschuss offenbar erfolgt ist. Dies alles passt nicht zu den Umständen des Abschusses des Jagdpanthers in dem unter anderem der Richtschütze Heinz Friedrich gesessen hat. 

Bild: abgeschossener Jagdpanther 123 - andere Perspektive. 


Durch die vorliegende Recherche konnte ein weiterer kurioser Zusammenhang ist das Schicksal des Rottenführers Georg Perchthold. A. Gehlen berichtete in seinen Briefen Perchthold sei der Fahrer der Jagdpanthers gewesen. Er hätte den längsten Weg zur Turmluke gehabt als der Panzer abgeschossen wurde. Aus diesem Umstand folgerte Gehlen, dass es der Fahrer unmöglich aus dem brennenden Panzer geschafft haben konnte. 

Am Kriegsdenkmal in Suderwittingen steht, unter hohen Rhododendren verborgen, ein steinernes Grabkreuz mit den Daten des Soldaten Perchthold / Berchthold. Letztere Schreibweise verwendete A. Gehlen, in seinem Schriftwechsel ebenfalls, sodass dies zu vernachlässigen ist. Das Todesdatum ist mit dem 20.04.1945 angegeben. 


Bild: Grab des Soldaten Perchthold / Berchthold in Suderwittingen. Quelle: H. Altmann. 


Wenn G. Perchthold den längsten Weg aus dem Panzer heraus hatte und erst vier Tage nach Abschuss des Panzers starb, muss er den Panzer logischerweise lebend verlassen haben. Dann hätte aber auch für Heinz Friedrich eine Chance bestanden, den Panzer zu verlassen, da sich sein Weg heraus weniger umständlich gestaltete. 

Falls Friedrich nicht bereits im Panzer tödlich verwundet wurde, könnten demnach beide Soldaten aus dem Panzer herausgekommen sein. A. Gehlen schloss dies aus, denn schließlich hätte der SS-Untersturmführer neben dem Funker auch die beiden weiteren Besatzungsmitglieder ins Lazarett nach Witzigen gefahren. Weil dies nicht geschah nahm Gehlen an, die anderen hätten es nicht heraus geschafft. Möglich ist jedoch auch, dass sich die Ereignisse überschnitten haben. 

G. Perchthold konnte zweifelsohne nur deswegen namentlich in Suderwittingen bestattet werden, weil man seine Erkennungsmarke gefunden hatte. Wäre er noch im Panzer gewesen, als man ihn fand, so hätte man auch den Richtschützen Heinz Friedrich auffinden und bestatten müssen. Es spricht somit einiges dafür, dass es G. Perchthold tatsächlich noch aus dem brennenden Panzer heraus schaffte. Und wenn er es geschafft hat wäre es für H. Friedrich grundsätzlich auch zu schaffen gewesen. Von Heinz Friedrich fehlt allerdings leider bis heute jeglicher Nachweis der Todesumstände. Spätere Anfragen bei der deutschen Kriegsgräberfürsorge blieben erfolglos. 

Bild: Waddekath heute. Quelle: H. Altmann. 


Vermutlich wäre der Abschuss eines deutschen Panzers bei Waddekath im Gedächtnis der Bevölkerung geblieben. Neben der Zonengrenze erschwerte aber noch ein weiterer Umstand, die historische Überlieferung. 

Zwischen Waddekath und Diesdorf kam es zwischen dem 18.04. und dem 20.04.1945 zu massiven Truppenbewegungen der Deutschen. In diesem Sektor operierte die Panzerdivision Clausewitz, die von Uelzen kommend in Richtung Fallersleben / Elm vorstoßen sollte. 

Die kurzfristige Aufstellung der Division bei Uelzen misslang allerdings, da die Kräfte nicht rasch genug massiert werden konnten. Daher erhielt Generalleutnant Unrein bereits am 15.04.1945 den Befehl zum Vorstoß nach Süden. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Truppen in Kampfgruppen zu gliedern und stückweise in Richtung Süden rollen zu lassen. 

Bild: Bericht über den Einsatz der Panzerdivision "Clausewitz". Quelle: GenLt. Unrein, 1947. 


Die Vormarschroute der einzelnen Kampfgruppen durchlief die Vormarschkorridore der Alliierten Truppen gradlinig von Nord nach Süd. Südlich von Uelzen befand sich die Grenze zwischen dem britischen und dem US Korridor, sodass die Kampfgruppen bei ihrem Durchstoß für einiges Chaos sorgten. 

Zwar operierten die deutschen Einheiten nicht in kompletter Divisionsstärke - doch verfügten sie über schwere Panzerunterstützung, die insbesondere Panther, Sturmgeschütze, Jagdpanther, Panzer IV sowie zahlreiche Halbkettenfahrzeuge und Panzerspähwagen umfasste. 

In seinem Nachkriegsbericht erläuterte Generalleutnant die Route der dritten Kampfgruppe über Bergmoor, Lindhof, Hasselhorst und Ohrdorf. Marschziel war ein Forsthaus 15 Km südlich von Wittingen. 

Bild: Bericht über den Einsatz der Panzerdivision "Clausewitz". Quelle: GenLt. Unrein, 1947.



Bild: ehemalige Lüneburger Frachtstraße. Hier fuhren damals die deutschen Kampfgruppen in Richtung Lindhof. Quelle: H. Altmann. 


F. Wiswinkel erlebte die Kampfhandlungen als Zehnjähriger in Lindhof. Niemand hatte hier überhaupt noch damit gerechnet, dass gekämpft werden würde. Die US-Truppen waren ja bereits durchgezogen - doch als die Kampfgruppen der Panzerdivision Clausewitz in den Ort kamen, nahm das Ganze seinen Lauf. Schon am Vorabend gab es Kampfhandlungen in Lindhof, an die sich Wiswinkel noch gut erinnert. 

Bereits als die erste der Kampfgruppen Lindhof passierte warnten die deutschen Soldaten die Bewohner nicht mehr ihre Häuser zu verlassen. Auch Wiswinkel versteckte sich mit seinen Geschwistern und seiner Großmutter unter einer Treppe. Draußen entwickelten sich  derweil die Gefechte zwischen den Deutschen und den US-Truppen. Amerikanische Soldaten erreichten Lindhof und begehrten Einlass in das Haus der Wiswinkels. Sie postierten sich am Eingang mit ihren Gewehren im Anschlag. 

Im Ort waren einige Sherman-Panzer der Amerikaner aufgefahren. Plötzlich erreichte ein deutscher Soldat die Haustür der Wiswinkels - offenbar nichts ahnend, dass amerikanische Soldaten im Gebäude waren. Durch Schüsse in Brust und Kopf starb der Deutsche im Hauseingang. Auf der Straße lagen verwundete US-Soldaten. In den Dachstuhl des Hauses schlug ein Geschoss ein - es krachte, Splitter flogen umher. Die US-Soldaten drängten die Familienmitglieder in den Keller. Erst als es in der Nacht draußen ruhiger wurde, zogen die US Truppen ab und die Menschen konnten wieder ins Freie. 

Aber schon bald hörte man erneut laute Panzermotoren. An den schwarzen Kombinationen der Besatzungen erkannten die Leute schnell, dass es sich um eine deutsche Einheit handeln musste. 

Der alten Lüneburger Frachtstraße in südliche Richtung folgend, erreichte die dritte Kampfgruppe schließlich auch Lindhof. Dabei verfuhren sich die Spitzenpanzer südlich von Bergmoor. Im breiten Waldgebiet zwischen Diesdorf, Waddekath und Lindhof mussten sich die deutschen Marschkolonnen neu ordnen. Die südlichen Teile erreichten bereits Lindhof und rückten weiter auf Hasselhorst vor. 

Währenddessen gab es erste Kontakte der Kampfgruppe mit der Bevölkerung in Lindhof. So waren die deutschen Soldaten offenbar behilflich aus einem abgeschossenen US Sherman-Panzer Schokolade zu holen und an die Kinder zu verteilen. 

Bild: Wegweiser an der alten Lüneburger Frachtstraße bei Lindhof. Quelle: H. Altmann. 


Hasselhorst war jedoch bereits durch US-Truppen besetzt. Außerdem war den US Verbänden das Vorrücken der ersten Kampfgruppen in diesem Raum nicht entgangen. Dementsprechend hatten sie ihre Verteidigung in Jübar, Hanum und Bornsen verstärkt. Man erwartete weitere von Norden anrückende Truppen. 

In Hasselhorst befand sich der linke äußere Bereich der amerikanischen Auffangstellung. Es war mehr oder weniger dem Zufall geschuldet, dass die dritte Kampfgruppe planmäßig von Lindhof in westliche Richtung nach Hasselhorst eindrehte und damit den schwachen äußeren Verteidigungsring der US Truppen mit voller Härte traf. 

Als die Spitzen der dritten Kampfgruppe Hasselhorst am Morgen des 19.04.1945 erreichten, wurde es bereits hell. Der deutsche Spitzenpanzer - es war nur noch einer vorhanden, da sich der Rest noch sammelte - wurde durch eine US PAK-Stellung ausgeschaltet. Es kam zum Gefecht zwischen den nachrückenden deutschen Truppen und den US-Einheiten in Hasselhorst. GenLt. Unrein befahl dem vorderen Teil der Marschkolonne ein Abdrehen in südliche Richtung. 

Aus historischen Militärberichten der US-Truppen geht das Zusammentreffen ebenfalls hervor. 


Bild: Anforderung weiterer Truppenteile. Quelle: Tagesmeldungen des 334. US Infantry Regiment vom 19.04.1945. 


Die deutsche Kampfgruppe unter Führung des GenLt. Unrein war derweil im Wald südlich von Lindhof untergezogen. Unrein bemerkte in seinem späteren Bericht, dass die vermissten Spitzenpanzer nun selbstständig - d.h. ohne seinen Befehl und ohne ihn zu benachrichtigen - Hasselhorst an. Nach Einnahme des Ortes sammelten sich die Panzer wieder selbstständig im Wald südlich von Bergmoor, d.h. nördlich von Hasselhorst. 

Bild: Lagekarte 19.04.1945. Quelle: War Office Map 1945, Google Earth, eigene Darstellung. 


Das Zusammentreffen blieb jedoch nicht folgenlos für die deutschen Truppen. Gegen 8:00 Uhr erschien ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug am Himmel. Es gab die Standorte der Deutschen bei Hasselhorst und Lindhof an die US Artilleriebatterien weiter, die bei Bornsen und Ohrdorf platziert waren. Wenig später setzte der gezielte Artilleriebeschuss auf die deutschen Truppen ein. 


Bild: Bericht über den Einsatz der Panzerdivision "Clausewitz". Quelle: GenLt. Unrein, 1947.


Der schwere Beschuss traf allerdings nicht nur die deutschen Truppen bei Lindhof - auch die Bevölkerung musste abermals um ihr Leben fürchten. Der Versuch der Wiswinkels die Stallungen des Viehs zu öffnen misslang - der Stall wurde vorher getroffen. Deckung suchend eilte F. Wiswinkel über die Dorfstraße in einen befestigten Erdbunker, der während der Luftangriffe im Krieg als Unterstand gedient hatte. In die Hausgiebel schlugen die Granaten ein. das Haus der Wiswinkels wurde stark zerstört. Trotz des schweren Artilleriebeschusses kam kein Zivilist in Lindhof ums Leben. 


Bild: Lindhof heute. Quelle: H. Altmann. 


Nachdem die Aufklärung vermeldet hatte, dass die Orte im Süden durch alliierte Truppen besetzt seien, befahl GenLt. Unrein den Wald nördlich von Lindhof zu erreichen. Ein weiteres Vorgehen in südliche Richtung wäre ohnehin bei Hanum zum Stehen gekommen, das die US-Truppen hier massive Kräfte massiert hatten. Diese gingen nun ihrerseits zum Angriff über, sodass südlich von Lindhof bereits Gefechte mit den vorrückenden amerikanischen Truppen entbrannten. 


Bild: Nördliche Ausfahrt Lindhof heute. Quelle: H. Altmann. 


Bei der nördlichen Ausfahrt aus Lindhof verfuhren sich einige der deutschen Einheiten. Die alte Lüneburger Frachtstraße zweigt hier hart nordwestlich ab, während die Straße nach Diesdorf gleichmäßig in nördliche Richtung verläuft. Die Einheiten, die fälschlicherweise nach Diesdorf fuhren, wurden dort von US-Truppen gefangengenommen. 


Bild: An der alten Lüneburger Frachtstraße bei Lindhof. Quelle: H. Altmann. 


Den verbliebenen Teilen der Kampfgruppe gelang schließlich doch noch der Durchbruch in Richtung Suderwittingen. Bis Fallersleben und schließlich sogar bis in den Elf gelangten Teile der Panzerdivision Clausewitz. GenLt. Unrein geriet schließlich am 24.04.1945 in amerikanische Gefangenschaft. Die verbliebenen Teile der Panzerdivision - es waren wohl nur noch 50 - 60 Mann erhielten den Befehl sich in östliche Richtung durchzuschlagen und sich der 12. Armee anzuschließen. Diese hatte den aberwitzigen Auftrag erhalten Berlin aus der Umklammerung durch die Rote Armee zu entsetzen. 

In Lindhof waren die Spuren des Kriegsendes noch lange sicht- und spürbar. Jahrzehntelang waren die Bäume in den angrenzenden Wäldern durch Metallsplitter gespickt. Überall lag Munition herum, mit der vor allem die Kinder jede Menge Blödsinn anstellten. Zwischen Lindhof und Hasselhorst stand ein verlassenes Halbkettenfahrzeug am Straßenrand. 

Auch an der Oberfläche finden sich teilweise noch Relikte von Fahrzeugteilen. Allerdings wurden die meisten Fahrzeuge nach Kriegsende verschrottet. 


Bild: Reste von Panzerteilen, Oberflächenfunde nördlich von Lindhof. Quelle: H. Altmann. 



Bild: Straße zwischen Lindhof und Hasselhorst heute. Quelle: H. Altmann. 


Zurück blieben auch die Toten. Alleine im Wald nördlich von Lindhof soll es damals zwischen 10 und 35 Grabstellen gegeben haben. Die Zahlen schwanken. Viele Bestattungen waren nach Kriegsende sehr einfach erfolgt. Die Gräber waren oft nur durch einfach Holzkreuze erkennbar. Im Laufe der Zeit gingen so einige Grabstellen verloren.  


Bild: Zeitungsbericht zu den Ereignissen bei Lindhorst. Quelle: Altmark Nachrichten vom 04.05.2001. 


Heute sind nur noch drei Gräber erkennbar, die sogar zu DDR-Zeiten durch die Anwohner gepflegt wurden. Es ist nicht geklärt wer die Toten in den Gräbern sind. Auch die Identitäten der anderen Bestatteten sind nicht überliefert. Über 200 Tote soll es bei Lindhof gegeben haben - ob diese Zahl stimmt ist jedoch nicht erwiesen. 

Bild: Zeitungsbericht zu den Ereignissen bei Lindhorst. Quelle: Altmark Nachrichten vom 04.05.2001.


Gepflegt werden die letzten drei Gräber immer noch. Sie werden sogar regelmäßig von den Anwohnern aus Lindhof bepflanzt - insbesondere F. Wiswinkel setzt sich seit längerem aktiv für die Pflege ein. 

Bild: Soldatengrab bei Lindhof heute. Quelle: H. Altmann. 


Bild: Soldatengrab bei Lindhof heute. Quelle: H. Altmann. 


Bild: Soldatengrab bei Lindhof heute. Quelle: H. Altmann. 


F. Wiswinkel erinnerte sich auch noch an einen deutschen Panzer, der bei Hasselhorst abgeschossen worden war. Allerdings handelte es sich sowohl bei keinem der Panzerwracks im Umkreis von Lindhof um einen Jagdpanther. 

Der Abschussort des letzten Panzers der Kampfgruppe Wiking scheint daher weiter in Richtung Waddekath gelegen zu haben. Die Nachforschungen zum Kriegsende in dieser Gegend zeigen jedoch, dass es nach Kriegsende kaum möglich war die Kampfspuren bestimmten Einheiten zuzuordnen. 

Es kommen somit einige Umstände zusammen, die es aus heutiger Sicht sehr schwer machen den exakten Verbleib des letzten Panzers zu klären. Der einstige Grenzverlauf und die starken Veränderungen vor Ort tragen erschweren die Suche nach Zeitzeugen. Die Gegend ist außerdem sehr weitläufig. 

Insgesamt haben mir mehrere Besuche vor Ort deutlich vor Augen geführt, dass der Zweite Weltkrieg direkt vor unserer Haustür stattfand. Die Gräber der meist noch sehr jungen Soldaten, die sich heute in den Wäldern befinden, erinnern an die tragischen und sinnlosen Opfer der letzten Kriegstage. Gleichzeitig ermahnen sie uns an das Unrecht und die Ausweglosigkeit des Krieges. Meine Hochachtung gilt daher jenen, die diese Gräber seit mehr als 70 Jahren pflegen, obwohl sie keinerlei persönliche Beziehung zu den Verstorbenen haben. 

H. Altmann

Vielleicht hat jemand weitere Hinweise zu den Kriegsereignissen in dieser Gegend. Ich würde mich sehr über weitere Informationen freuen. Auch auf den ersten Blick unwichtige Details helfen das Gesamtbild zu vervollständigen. 

found-places@live.de 
0176 611 575 96









Mittwoch, 19. Juli 2017

Habighorst und Höfer - Recherchen für Buchprojekt



Am 12.07.2017 berichtete die Cellesche Zeitung über das aktuelle Buchprojekt betreffend der Rüstungsproduktionen bei Habighorst und Höfer. Geplant ist die umfassende Aufarbeitung der Historie der Luftmunitionsanstalt 4/XI und der Untertageverlagerung "Löwe" bei Höfer bzw. Habighorst. 

Bild: Zeitungsartikel zum Buchprojekt. Quelle: Cellesche Zeitung, 12.07.2017, S. 15. 


Die Luftmunitionsanstalt diente der Herstellung, Lagerung und Zuteilung konventioneller Munition und anderer Rüstungsgüter für Einheiten der Luftwaffe. Die Untertageverlagerung "Löwe" war ein streng geheimer, in die Stollen der Kalischächte bei Höfer und Habighorst verlagerter Produktionsbetrieb. In den Untertageanlagen wurden insbesondere Flugzeugteile gefertigt. In den letzten Kriegsjahren wurden darüber hinaus Kulturgüter in spezielle Stollen eingelagert. 

Umfassende Nachforschungen wurden bereits angestrengt. Es konnten Karten, Luftbilder sowie weitere historische Quellen ausgewertet werden. Auf den o.g. Aufruf der Celleschen Zeitung meldeten sich bereits einige Zeitzeugen. 

Bild: Kartenausschnitt der ehemaligen Luftmunitionsanstalt 4/XI. Quelle: War Office, 1944. 


Neben den historischen Quellen konnten weitere Erkenntnisse durch zahlreiche Ortsbegehungen gewonnen werden. Zwar sind nur wenige Relikte der einstigen Rüstungsanlagen sind vollständig erhalten geblieben. Dennoch ließen sich nach intensiver Suche noch Bunker und weitere erste der einstigen Einrichtungen untersuchen. 

Bild: unterirdischer Bunker. Quelle: H. Altmann. 


In vielen Bereichen sind lediglich rudimentäre Reste der Anlagen vorhanden. Hierzu zählen insbesondere Fundamente einstiger Baracken. Ohne die konsequente Auswertung historischer Luftbilder wäre eine Untersuchung der Anlagen kaum möglich. 

Bild: Fundamentsockel einer alten Baracke. Quelle: H. Altmann. 


Die bisherigen Recherchen konnten belegen, dass die Rüstungseinrichtungen bei Höfer und Habighorst über eine umfassende Infrastruktur verfügten. Neben Lagerbunkern und Produktionsgebäuden gab es Unterkünfte, Verwaltungsgebäude, Werkstätten sowie Feuerwehreinrichtungen und Sicherungseinrichtungen. 

Bild: Befestigter Unterstand. Quelle: H. Altmann. 


Die bisherigen Recherchen haben viele Informationen zu den Rüstungsbetrieben zutage gefördert. Trotzdem sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. 

Falls jemand Unterlagen, Dokumente, Bilder oder sonstige Informationen zum Geschehen bei Höfer / Habighorst besitzt, würde ich mich sehr über eine Kontaktaufnahme freuen

Tel.: 0176 611 575 96
E-Mail: found-places@live.de 


H. Altmann



Mittwoch, 14. Juni 2017

Bunker und Splitterschutzgräben bei Vorwerk - Celle


In unmittelbarer Nähe zu den Kasernenanlagen an der Hohen Wende lassen sich heute noch die Reste eines alten Schießstandes, vermauerte Bunkereingänge und Reste eines Splitterschutzgrabens finden. Was hatte es mit diesen längst in Vergessenheit geratenen Anlagen auf sich? 

Bei der Errichtung der Kasernengebäude an der Hohen Wende schlossen sich an diese im Norden noch weitläufige Wiesen und Äcker an. Erst als das Kasernengelände von den britischen Truppen genutzt wurde, entstand die Vorwerker Siedlung rechts der Mummenhofstraße. 

Historische Karten aus zeigen kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch weitere Gebäude der einstigen Kaserne - nördlich und östlich der heute das Kasernengelände abschließenden Straßen. Unter anderem ist im Norden der Hohen Wende, in Richtung der heutigen Vorwerkes Siedlung ein größeres Gebäude verzeichnet. 

Es handelte sich hierbei um Bunker, einen Schießstand und einige Nebenanlagen. 

Bild: Gebäude nördlich der Hohen Wende. Quelle: War Office Map 1944, Google Earth. 

Vor Ort finden sich im Gelände noch eindeutige Spuren. Hinter dem Areal des einstigen Schießstands sind auf aktuellen Satellitenbildern noch die Reste eines alten Splitterschutzgrabens erkennbar. 

Es gab hier einst zwei Gräben, die von einer Wiese südlich Vorwerks in Richtung der Bunker verlaufen. Historische Luftbilder aus dem Jahr 1944 identifizieren die in zackiger Form verlaufenden Splitterschutzgräben eindeutig. Im Wiesengelände lassen sich diese Gräben bis heute teilweise noch nachvollziehen. 

Bild: Splitterschutzgraben - rechts im Bild: Hohe Wende. Quelle: H. Altmann. 

Unweit der Splitterschutzgräben befinden sich - weiter in Richtung des Kasernengeländes - noch vermauerte Bunkereingänge sowie ein alter Schießstand. Die Bunkereingänge sind offenbar Abgänge in darunter befindliche Bunkerräume. Die beiden oberirdischen Eingänge sind ca. 20 m voneinander entfernt und weisen in Richtung des ehemaligen Kasernengeländes. 

Auf historischen Luftbildern ist erkennbar, dass die Splitterschutzgräben direkt an den Bunkereingängen enden. 

Bild: Bunkereingänge nördlich der Hohe Wende. Quelle: H. Altmann. 

Unweit der Bunkereingänge befindet sich noch ein alter Schießstand, der eine Länge von rund 100m aufweist. Seinen Abmessungen nach kann es sich hierbei nur um einen Schießstand für Handfeuerwaffen gehandelt haben. Im letzten Drittel stehen noch einige Metallpfosten sowie ein massiver Fangschutz aus Beton. Der Schießstand ist zu beiden Seiten von ca. 1,5m hohen Erdwällen umfasst. 

Bild: Alter Schießstand nördlich der Hohe Wende. Quelle: H. Altmann. 

Das Areal befand sich einst in unmittelbarer Nähe zum Kasernengelände an der Hohen Wende. Es stellt sich daher die Frage zu welchem Zweck dieser Bereich damals gedient haben mag. Hinsichtlich des Schießstandes liegt die einstige Verwendung sicherlich auf der Hand. 

Allerdings ist bisher nicht geklärt was es mit den vermauerten Bunkern und den erst kürzlich auf historischen Luftbildern entdeckten Splitterschutzgräben auf sich hatte. 

Bild: Anlagen nördlich Hohe Wende. Quelle: H. Altmann. 

Möglicherweise handelte es sich bei den Bunkern um Luftschutzbunker für die Soldaten der Kaserne an der Hohen Wende. Diese Bunker wurden eventuell bewusst abseits des Kasernengeländes angelegt, um im Falle eines Bombenangriffs nicht im unmittelbaren Angriffsbereich zu sein. 

Vielleicht wurden in den Bunkern auch Waffen für den Schießbetrieb auf der benachbarten Schießbahn aufbewahrt. Allerdings scheint fraglich warum es in diesem Fall zweier Bunker bedurfte. Wahrscheinlicher scheint daher tatsächlich ein Zusammenhand zum militärischen oder zivilen Luftschutz. 

Bild: Bunkereingänge nördlich der Hohe Wende. Quelle: H. Altmann. 

In der Vergangenheit haben sich unterschiedliche Gerüchte zur Verwendung und Nutzung der Bunker in den letzten Kriegstagen entwickelt. Es gibt Theorien wonach zwischen den Bunkern und der Kaserne and der Hohen Wende unterirdische Tunnelverbindungen existieren sollen. Darüber hinaus wurden Vermutungen angestellt es könnten bei Kriegsende Kunstschätze in die Bunker verbracht worden sein. 

Bild: Bunker nördlich der Hohe Wende. Quelle: H. Altmann. 

Allerdings wurden die Bunker bis Anfang der 90er Jahre gründlich abgesucht. Dabei konnten keine Hinweise auf entsprechende Tunnel oder Kunstschätze gefunden werden. 

Schließlich wurden die Bunker mit Erdreich zugeschüttet und ihre Eingänge vermauert. In diesem Zusammenhang sei explizit darauf hingewiesen, dass die Bunker mit Erde gefüllt wurden und somit nicht mehr begehbar sind. Durch ein Loch an einem der Bunkerabgänge kann man das aufgeschüttete Erdreich im Bunkerinnern erkennen. 

Bild: Bunkerinneres. Quelle: H. Altmann. 

Insgesamt bleiben einige Fragen zu diesem Bereich des einstigen Kasernengeländes nach wie vor unbeantwortet. Welchen Zweck hatten die Splitterschutzgräben? Und wozu dienten die beiden massiv betonierten Bunker? 

Möglicherweise dienten die Bunker zu Übungszwecken. Vielleicht aber auch zum Luftschutz. In jedem Fall ist es erstaunlich so lange nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch auf Relikte aus dieser Zeit in unmittelbarer Stadtnähe zu stoßen. Dies gilt in besonderem Maße für die Splitterschutzgräben, die bis heute noch im Wiesengelände erkennbar sind... 


Hendrik



Gedenktafel bei Wienhausen zerstört



Unbekannte zerstörten kürzlich die Tafel an der Gedenkbank am ehemaligen Bahnübergang zwischen Wienhausen und Sandlingen. Die Tafel wies auf das einstige Massengrab von 45 KZ Häftlingen hin. 

Das Massengrab war am 16.05.1947 entdeckt und die darin befindlichen Leichen auf den Celler Waldfriedhof umgebettet worden. Die Toten stammten von einem Zugtransport, der kurz vor Kriegsende vom Konzentrationslager Mittelbau-Dora bei Nordhausen zum KZ Bergen-Belsen unterwegs war. 

Die Zusammenhänge wurden im Jahr 2013 durch den Verfasser dieses Blogs recherchiert und die Ergebnisse an die Gemeinde Wienhausen weitergegeben. Diese ließ kurzfristig die Gedenkbank aufstellen, welche am 24.05.2013 eingeweiht wurde. Die Cellesche Zeitung berichtete am 24.05.2013 ausführlich über die Ereignisse zur Einweihung. 

Erst kürzlich hatte die Gemeinde Wienhausen die Tafel ersetzen lassen, da diese durch Wettereinflüsse in Mitleidenschaft gezogen war. Nun wurde die Tafel offensichtlich mutwillig zerstört. Offenbar haben der / die Täter die Scheibe aus Plexiglas eingeschlagen und die Beschriftung zu großen Teilen herausgekratzt. 

Bild: zerstörte Tafel an der Gedenkbank. Quelle: H. Altmann, 03.06.2017. 

Bild: zerstörte Tafel an der Gedenkbank. Quelle: H. Altmann, 03.06.2017. 

Es ist überflüssig zu sagen, dass sowas Mist ist. Sich zu so einem respektlosen Verhalten hinreißen zu lassen, zeugt eigentlich nur von nachhaltiger Dummheit. 

Die Gedenktafel wurde vom Verfasser bereits provisorisch ersetzt. Der Vorgang wird darüber hinaus an die Gemeinde weitergeleitet und nach Prüfung gegebenenfalls zur Anzeige gebracht. Weitere Zerstörungen sind übrigens sinnlos. Falls erforderlich wird die Gedenktafel wöchentlich ersetzt. 




Montag, 29. Mai 2017

Der Herzogsbrunnen bei Ummern


Südlich von Ummern findet man nach aufmerksamer Suche eine natürliche Quelle unweit des Schwarzwassers. Es handelt sich um den sogenannten "Herzogsbrunnen". 

Der Sage nach erhielt dieser Platz seinen Namen durch eine Begebenheit die auf die Anwesenheit des Celler Herzogs Georg-Wilhelm zurückgeht. Georg-Wilhelm (1624-1705) war Herzog zu Braunschweig-Lüneburg und war für seine Vorliebe für die Jagd bekannt. Er ließ verschiedene Jagdhäuser im Raum Celle errichten. Eines dieser stand in Wienhausen - hier verstarb Georg-Wilhelm schließlich am 28.08.1705. 

Südlich von Ummern soll es der Erzählung nach ebenfalls ein solches Jagdhaus gegeben haben. Georg-Wilhelm soll sich einst mit seiner Gemahlin Elenore d'Olbreuse und seinem Gefolge in diesem Jagdsitz aufgehalten haben. Früher als erwartet kam während dieses Jagdausflugs die Tochter des herrschaftlichen Paares zur Welt. Man war jedoch auf dieses Ereignis nicht vorbereitet - eine schnelle Rückkehr ins Celler Schloss war nicht möglich. 

So schickte der Herzog Boten nach Ummern, Hohne, Spechtshorn und Pollhöfen aus, um Hilfe zu erbitten. Bis auf die Bauern in Hohne wären alle bereit dem Celler Herzog zu helfen. Die Bauersfrauen aus Ummern kamen zur Jagdgesellschaft und halfen im Jagdhaus, in der Küche und am Kindbett. 

Die gute Unterstützung beeindruckte den herzog so sehr, dass den Bauern aus Ummern, Pollhöfen und Spechtshorn den sogenannten "Zehnten", also die Steuern, erließ. Die Bauern aus Hohne mussten diese Abgabe allerdings weiterhin bezahlen, weil sie ihre Hilfe verweigert hatten. 

Eine Ergänzung der legende besagt, dass die Bauern aus Ummern ihr Holz noch jahrelang dem staatlichen Forst entnehmen durften, während die Bauern aus Hohne hierfür bezahlen mussten. 

Noch auf Karten des 17. Jahrhunderts ist der Herzogbrunnen südlich des Schwarzwassers bei Ummern verzeichnet. 




Bild: Herzogbrunnen um 1780. Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme 1780, Googele Earth. 

Vom ehemaligen Jagdhaus ist heute nichts mehr zu erkennen. Noch um 1899 / 1901 sollen deutliche Spuren des Jagdhauses auffindbar gewesen sein. Allerdings sind diese nicht im  entsprechenden Messtischblatt verzeichnet worden. In diesem findet sich lediglich der Herzogsbrunnen mit einem Quell-Symbol. 


Bild: Herzogbrunnen um 1900. Quelle: Preußisches Messtischblatt 1899 / 1901, Googele Earth. 

Die vor Ort vorhandene Tafel berichtet, dass der Brunnen anlässlich der 100-Jahr-Feier zur Befreiung von der Französischen Besatzung durch Pastor Meisik aus Hohne brunnenähnlich mit Findlingssteinen eingefasst wurde. Zu diesem Anlass wurde ebenfalls eine Bronzetafel in den größten Stein eingelassen und einige Bäume gepflanzt. Bei einem Waldbrand im Jahr 1915 wurden die Bäume und offenbar auch die noch vorhandenen erste des Jagdhauses zerstört. 

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Bronzeplatte entfernt und durch eine Gravur ersetzt. Darunter wurde ein Hakenkreuz in den großen Stein gemeißelt, welches natürlich mittlerweile entfernt wurde. Nach der Machtübernahme 1933 fanden parteipolitische Kundgebungen am Herzogsbrunnen statt zu denen die Dorfbewohner aus Ummern und Pollhöfen geschlossen zu diesem Platz marschierten. 

Heute deutet so gut wie nichts mehr auf die auf die Historie dieses möglicherweise geschichtlich relevanten Ortes hin. Die vorhandenen Baulichkeiten entstammen ausnahmslos Epochen in denen es bereits längst keine Herzöge mehr in Celle gab. 

Bild: Weg zum Herzogbrunnen heute. Quelle: H. Altmann. 

Es ist daher nur schwierig möglich diese Legende zu belegen bzw. zu widerlegen. Insgesamt passt die Geschichte des Herzogsbrunnen gut in das Gesamtbild. Herzog Georg-Wilhelm war tatsächlich für seine Freude an der Jagd bekannt. Es ist zutreffend, dass er im Raum Celle mehrere Jagdsitze besaß. 

Darüber hinaus erscheint es plausibel, dass sich Berechtigungen oft schon aus älterer Zeit abgeleitet haben. Diese Art des Gewohnheitsrecht hatte vor allem im ländlichen Raum oftmals einen höheren Stellenwert, als schriftliche Vereinbarungen. 

Für einen historischen Hintergrund dieser Legende spräche auch die Tatsache, dass der Ort Ummern den Herzogsbrunnen in sein Dorfwappen aufgenommen hat. Diese Art der Traditionspflege begründet sich oftmals auf einem historischen Ereignis. 



Bild: Herzogbrunnen heute. Quelle: H. Altmann. 

Es gibt jedoch auch Umstände die einem historischen Hintergrund widersprechen. So sind beispielsweise noch für das Jahr 1858 für Ummern 21 pflichtige Hausstellen, für Pollhöfen 7 pflichtige Hausstellen und für Spechtshorn ebenfalls 7 pflichtige Hausstellen überliefert. 

Wären diese Orte von der Steuerlast befreit worden scheint es zumindest fraglich wieso ihnen nur 150 Jahre nach dem Tod des Celler Herzogs die Steuern wieder auferlegt wurden - sie aber trotzdem an der guten Traditionspflege des Herzogsbrunnen festhielten. 

Leider finden sich bislang keine Belege für ein herrschaftliches Jagdhaus am Herzogbunnen. Diese würden immerhin den Kern der Legende stützen.



Bild: Herzogbrunnen heute. Quelle: H. Altmann. 

Insgesamt handelt es sich um eine schöne Legende, die zumindest recht alt sein muss - vor allem wenn man bedenkt, dass der Herzogsbrunnen bereits in Karten des späten 18. Jahrhunderts verzeichnet wurde. 

H. Altmann





Mittwoch, 3. Mai 2017

Unterstützt die Geschichtsforschung!


Als ich diesen Blog ins Leben rief, habe ich nicht damit gerechnet, dass er irgendwann einmal so viele Leser erreicht. Über die positive Resonanz freue ich mich sehr! 

Es gibt noch viele Zusammenhänge, die erforscht und untersucht werden wollen. Es wäre toll, wenn der / die ein oder andere die regionale Heimatforschung aktiv unterstützen möchte. 


Was

Ich bin ständig auf der Suche nach historischen Quellen, Geschichten und Bildern. Folgendes wird dringend gesucht

  • Historische Fotos
  • Karten
  • Bücher
  • Sonstige Aufzeichnungen mit historischem Bezug
  • Hat jemand von euch vielleicht mal eine interessante Geschichte aufgeschnappt und möchte mehr über die Hintergründe erfahren? 
  • Fragt eure Eltern, Großeltern, Onkels & Tanten - irgendwann sind diese Infos weg! 

Wichtig

Es soll niemandem etwas weggenommen werden. Ich kopiere, scanne und fotografiere ab. Die Originale bleiben bei euch! 


Wie


Schreibt mir einfach eine E-Mail: found-places@live.de 
Ich rufe auch gerne zurück. 


Über eure Unterstützung würde ich mich sehr freuen!!!


Hendrik


Der Klosterhof in Nienhagen


Aus heutiger Sicht ist es nicht einfach die historischen Entwicklungen vor unserer Haustür nachzuvollziehen. Oft können nur archäologische Grabungen abschließende Klarheit liefern. Für die meisten Orte in unserer Gegend stehen diese Untersuchungen jedoch noch aus. Somit bilden schriftliche Quellen regelmäßig die einzige zur Verfügung stehende Möglichkeit, um die historischen Entwicklungen darzulegen. 

Die vorliegenden Zusammenhänge wurden bereits von einigen namenhaften Heimatforschern untersucht. Der vorliegende Beitrag greift die bisherigen Publikationen inhaltlich auf und stellt die zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zur Diskussion. 

Erstmals wird der Ort Wienhausen in einer Urkunde des Kaisers Heinrich III. im Jahr 1051 erwähnt. Mit dieser schenkte der Kaiser der Hildesheimer Kirche sechs Grafschaften. Großzügige Geschenke an die Kirche dienten früher nicht zuletzt dem eigenen Seelenheil zugute kommen. Sein Kloster erhielt der Ort Wienhausen allerdings erst später. Die Gründung desselben ist für das Jahr 1233 durch Bischof Konrad II. urkundlich belegt. Doch bereits am 25. Mai 1229 sind Schenkungen von Zehntrechten an das Kloster Wienhausen überliefert. Schon im Jahr 1235 erhielt das Kloster Wienhausen Salzrechte an der Lüneburger Saline. 

Bild: Schenkung von Salzrechten an das Kloster Wienhausen. Quelle: Lüneburger Urkundenbuch Bd. 1. 

Das Kloster muss demnach um 1230 bereits in Wienhausen gestanden haben - sonst wäre der Ortsname nicht genannt worden. 

Vor diesem Hintergrund entstand eine Legende zur Gründung des Klosters. Dieser Legende nach wurde das Kloster zunächst an einem anderen Ort gegründet und musste aufgrund einer Ungezieferplage nach Wienhausen umverlegt werden. Die Zusammenhänge hat bereits der Katasterdirektor Richter in seinem Beitrag zum Sachsenspiegel in der Celleschen Zeitung 1934 untersucht. 

Bild: Untersuchungen Richters. Quelle: Richter, Sachsenspiegel, CZ Nr. 5 1934.  

Auch der Wienhäuser Pastor und Heimatforscher W. Bettinghaus geht in seinem bereits 1897 erschienenen Werk zur Heimatkunde des Lüneburger Landes mit besonderer Berücksichtigung des Klosters und der Gemeinde Wienhausen davon aus, dass das Kloster einst nicht unmittelbar in Wienhausen errichtet wurde, sondern erst später dorthin umverlegt worden ist. 

Bild: Untersuchungen Bettinghaus. Quelle: Bettinghaus, zur Heimatkunde des Lüneburger Landes mit besonderer Berücksichtigung des Klosters und der Gemeinde Wienhausen, 1897 

Die Geschichte soll sich folgendermaßen zugetragen haben: 

Nach dem Tod ihres Gemahls, des Pfalzgrafen Heinrich, erbte Agnes von Landsberg umfangreiche Besitztümer. Insbesondere fielen ihr die Burg bei Altencelle und die zugehörige Vogtei zu. Agnes engagierte sich in ihrer Zeit für die Errichtung eines Nonnenklosters des Zisterzienser-Ordens. Dieses soll der legende nach um 1221 südlich  der Burg von Altencelle in den Wäldern an der Aue errichtet worden sein. Doch das Gelände um das Kloster, das der Sage nach nur aus hölzernen Bauten bestand, war sumpfig und brachte daher viel Ungeziefer hervor. Insbesondere von Mücken und giftigen Würmern war die Rede. 

Daher verlegten die Nonnen das Kloster nach 17 Jahren nach Wienhausen. Der Sage nach fiel die Wahl auf diesen Ort, weil es trotz sommerlicher Wärme schneite und der niedergefallene Schnee den Weg nach Wienhausen wies. Auch vor Ort selbst konnten der legende nach himmlische Zeichen so gedeutet werden, dass die Wahl des Standortes unmissverständlich auf Wienhausen fallen musste. 

Ungeachtet der möglicherweise übertriebenen Romantik dieser Sage scheinen einige Hinweise den einstigen Standort bei Nienhagen zu belegen. So finden sich unter anderem in der Verkoppelungskarte von 1861 Flurnamen, die auf das einstige Kloster schließen lassen. 

Bild: Klosterhof und Klosterwiese bei Nienhagen. Quelle: Verkoppelungskarte, 1861.  

Auffällig sind die Flurnamen "Klosterhof" und "Kloster Wiesen" im Nordwesten des Ortes Nienhagen. Die Fluren befinden sich in unmittelbarer Nähe der Aue. Diese soll sich Richter zufolge noch bis ins 21. Jahrhundert regelmäßig so stark angestaut haben, dass es zu großen Ungezieferplagen kam. Die Fluren liegen etwas erhöht vom Umland, was auf einem nachstehenden Bild gut erkennbar ist. 

Ebenfalls das Preußische Messtischblatt aus dem Jahr 1899 zeigt den Klosterhof noch entsprechend seiner ursprünglichen Feldflur. Offenbar hat die Verkoppelung dieses Gelände nicht restlos verschwinden lassen. Eine Erklärung hierfür findet sich in den Untersuchungen Richters. Demnach wurden die Flächen des einstigen Klosters unter denjenigen Bauern aufgeteilt, die den Nonnen bei ihrem Umzug behilflich waren. Somit hätte in der Verkopplung keine tiefgreifende Veränderung mehr stattgefunden. 

Bild: Klosterhof und Klosterwiese bei Nienhagen. Quelle: Preuß. Messtischblatt Wattigen, 1899.  

Noch heute sind die Ausmaße des einstigen Klosterhofes im Gelände sichtbar. Auf dem aktuellen Satellitenbild erkennt man die Anlage des Klosterhofes noch deutlich. Die Gesamtfläche des Areals ist heute durch Bebauung im 21. Jahrhundert überlagert. 

Bild: Klosterhof und Klosterwiese bei Nienhagen. Quelle: Google Earth, 2016.  

Bei der Ortsbegehung fällt unmittelbar die Anhöhe des Klosterhofes auf. Diese hebt sich  ca. 1,5 bis 2,0 m vom Umland ab. Richter sah in diesem Höhenunterschied einen Beleg dafür, dass man hier die einstigen Klosteranlagen vor den Hochwassern der Aue in Sicherheit bringen wollte. 

Archäologische Nachweise von historischen Besiedlungsspuren innerhalb des Klosterhofes sind bislang nicht aufgefunden worden. Dies ist allerdings auch maßgeblich darin begründet, dass bisher keine archäologischen Untersuchungen stattgefunden haben. 

Bild: Klosterhof und Klosterwiese bei Nienhagen. Erdwälle rechts im Bild sichtbar. Quelle: H. Altmann, 2017.  

Neben den Flurbezeichnungen nordwestlich von Nienhagen deutet ebenfalls der Flurname "Nonnen Wiesen" auf eine einstige Zugehörigkeit zu einem Kloster hin. Die Nonnen-Wiesen befinden sich unmittelbar vor dem Ortseingang Nienhagens, nördlich der Straße nach Wathlingen bzw. Papenhorst. 

Bild: Nonnen Wiesen bei Nienhagen. Preuß. Messtischblatt Wathlingen, 1899.  

Auch der Nekrolog (Totenbuch) des Klosters Wienhausen bestätigen den ursprünglichen Standort bei Nienhagen. Darüber hinausgehend fehlen bislang historische Quellen für einen Beleg des Kloster-Standorts bei Nienhagen. Im Schrifttum wird dies bislang kritisch betrachtet, denn neben der Legende um das Kloster bei Nienhagen fehlen hierfür stichhaltige Nachweise. Der Umstand, dass die Flurnamen und das Gelände bei Nienhagen einen dortigen Standort nahelegen, bleibt somit insgesamt unbefriedigend. 

Konrad Maier befasste sich in seinem Beitrag Materialien zur Frühgeschichte der Klosterkirche in Wienhausen und ihrer Baulichkeiten, Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte, 1969/1970, S. 102ff. ebenfalls mit der Frage nach dem möglichen Kloster-Standort bei Nienhagen. Treffend stellt Maier fest, dass in der Bestätigungsurkunde des Bischofs Konrad II. aus dem Jahre 1233 keinerlei Hinweis auf einen vorherigen Standort bei Nienhagen genannt wird. Vielmehr entsteht hier der Eindruck, das Kloster sei ursprünglich direkt bei Wienhausen gegründet worden. 

Dennoch stellte Maier auch Aspekte heraus, die für einen einstigen Kloster-Standort bei Nienhagen sprechen könnten. Insbesondere der Umstand, dass das Kloster in Wienhausen mit dem heiligen Laurentius denselben Schutzpatron wie die Kirche in Nienhagen besitzt , scheint in diesem Zusammenhang sehr auffällig. Maier deutet ebenfalls die Hinweise im Totenbuch des Klosters Wienhausen, in welchem die Äbtissin Eveza im 15. Jahrhundert bestätigte, dass sich das Kloster früher in Nienhagen befunden hat, als einen möglichen Beleg der Theorie. 

Allerdings sprechen auch entscheidende Aspekte gegen einen Standort des Klosters bei Nienhagen. Unter anderem wäre es sehr ungewöhnlich, dass das Kloster in Nienhagen nicht an einem bereits bestehenden kulturellen und wirtschaftlichen Zentrum errichtet worden wäre. Im Regelfall wurden die Zisterzienserklöster dort erbaut wo bereits verkehrsreiche und starkbesiedelte Knotenpunkte existierten. 

Auch die widersprüchlichen Zeitangaben in den Urkunden legen für Maier den Schluss nahe, dass das Kloster nicht bei Nienhagen gestanden haben kann. Die dort vorhandenen Flurnamen deutet Maier lediglich als Hinweise auf eine mögliche Zugehörigkeit zum Kloster - nicht jedoch als Beleg für einen Standort bei Nienhagen. 

Diese Erklärung erscheint im Lichte der auffälligen Flurnamen und ihrem geballten Auftreten bei Nienhagen etwas mager. Insgesamt liefert Maier mit seinen Ausführungen stichhaltige Argumente, die die Theorie eines Kloster-Standorts bei Nienhagen zumindest in ein kritisches Licht rücken. Dennoch kann die These nicht abschließend widerlegt werden. 



Bild: Kloster in Wienhausen. Quelle: H. Altmann.  

Etwas seltsam ist die Tatsache, das der einstige Klosterhof und die angrenzenden Fluren im 21. Jahrhundert überbaut werden konnten - offenbar ohne eine entsprechende archäologische Untersuchung vorzunehmen. Möglicherweise wurden damit Spuren eines historischen Klosters unwiederbringlich zerstört. 

Insgesamt fehlt bislang der quellenmäßige Nachweis für ein, ursprünglich im Bereich des Ortes Nienhagen gegründetes Kloster, das später nach Wienhausen verlegt wurde. Der Legende nach war es der Befall von Ungeziefer, welcher die Verlegung des Klosters veranlasste. Archäologische Nachweise für ein Kloster bei Nienhagen stehen bislang leider  aus. 


H. Altmann