f Ehemaliger Scheinflughafen Wilsche ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Freitag, 27. November 2020

Ehemaliger Scheinflughafen Wilsche

Relikte militärische Anlagen kann man heute teilweise an Stellen aufspüren, an denen sie auf den ersten Blick keinen erkennbaren Sinn und Zweck aufweisen. So verhält es sich oft bei Anlagen, die früher die Bestimmung hatten, von anderen Objekten abzulenken. Ein gutes Beispiel ist der ehemalige Scheinflughafen bei Wilsche (Gifhorn). 

Tarnen und Täuschen - dieser Grundsatz aus dem militärischen Sprachgebrauch war bereits im Zweiten Weltkrieg von maßgeblicher Bedeutung. Die alliierte Luftaufklärung war sehr effizient aufgestellt worden. Insbesondere die britische Royal Air Force setzte spezielle Jagdflugzeuge zu Fotomissionen ein. Ziel war es unter anderem militärische Einrichtungen aufzuklären. Hierbei kam den deutschen Flugplätzen eine besondere Rolle zu. Einerseits ließen sich diese aufgrund ihrer Größe nur sehr bedingt durch Tarnmaßnahmen verschleiern. Andererseits war die Bekämpfung der Luftwaffenstandorte unumgänglich, um größere Luftoperationen über dem Reichsgebiet ausführen zu können. 

Von deutscher Seite hatte man die Problematik erkannt. Am Boden befindliche Flugzeuge boten ein leichtes Ziel für alliierte (Jagd-)Bomber. Im Bereich der Flugplätze wurden daher weitläufige Auflockerungsflächen geschaffen, in denen Flugzeuge abgestellt werden konnten. In der näheren Umgebung des ehemaligen Flugplatzes Wesendorf lassen sich die Relikte dieser Auflockerungsflächen noch heute im Gelände erkennen. 

Viele Luftwaffenstandorte verfügten darüber hinaus über sogenannte Scheinflugplatze (S-Anlagen), die angreifende alliierte Flugzeuge auf eine falsche Fährte locken sollten. Durch Attrappen von Gebäuden und künstliche Ausleuchtung dieser Scheinanlagen sollte von den eigentlichen Flugplätzen abgelenkt werden. Eine solche S-Anlage existierte früher auch für den Flugplatz Wesendorf - sie lag im sogenannten Schnittsumpf, nördlich von Wilsche. 

Bild: Lage der ehem. S-Anlage. Quelle: Google Earth, Eintragungen H. Altmann, 2020. 

Die S-Anlage bei Wilsche lag rund 5,5 km südwestlich des Flugplatzes Wesendorf. Es handelte sich um einen ca. 800 x 800 m großen Platz, der mit verschiedenen, aus der Luft gut erkennbaren, Einrichtungen. Unter anderem verfügte die S-Anlage über zwei große Hallenattrappen bzw. Attrappen von Hangargebäuden. Diese befanden sich an der südlichen Seite des Scheinflugplatzes. 

An der östlichen Seite des Platzes lagen einige vorbereitete Abstellflächen für Flugzeuge. Diese waren an den Waldrändern angeordnet und sagen aus der Luft ganz genau so aus, wie es bei "echten" Flugplätzen üblicherweise auch der Fall war. An der westlichen Seite befanden sich Abstellbuchten bzw. Wälle zwischen denen Flugzeuge abgestellt werden konnten. 

Bild: Lage der ehem. S-Anlage. Orange: Flugplatzanlagen, Grün: Abstellflächen. Quelle: Google Earth, Eintragungen H. Altmann, 2020. 

Ein Luftbild der US Air Force vom 17.05.1944 zeigt den Scheinflugplatz und seine Anlagen sehr deutlich. Im westlichen Bereich ist ein auffällig abgestelltes Flugzeug zu sehen, das möglicherweise bewusst so gut sichtbar abgestellt worden war, um die Aufmerksamkeit auf den Scheinflugplatz zu lenken. Mitten im Gelände kreuzten sich zwei Start- bzw. Landebahnen, die allerdings auch nur zum Schein angelegt worden waren. Heute ist von dem einstigen Scheinflugplatz so gut wie nichts mehr zu erkennen, da das Gelände neu aufgeforstet wurde. 

Bild: Rechts des Weges befanden sich einst die Hallenattrappen. Quelle: H. Altmann, 2020. 

Obwohl der Scheinflugplatz aus der Luft den Eindruck einer echten Flug- bzw. Abstellfläche erweckte, waren am Boden nur die notwendigsten Baumaßnahmen ausgeführt worden. So sind die vermeintlichen Splitterschutzwälle deutlich kleiner als ihre großen "Verwandten" bei Westendorf. Trotzdem lassen sich diese kleinen Wälle noch heute im Gelände erkennen. 

Bild: vermeintliche Splitterschutzwälle im Bereich der S-Anlage Wilsche. Quelle: H. Altmann, 2020. 

An anderer Stelle finden sich aufgeworfene Erdhügel mit quadratischem Grundriss. Ihre Funktion erschließt sich nicht ohne Weiteres. Möglicherweise war der blanke Sand früher aus der Luft besonders deutlich zu erkennen und die regelmäßigen Formen erinnerten ggf. an vorbereitete Abstellflächen für Flugzeuge. 

Bild: Rechts des Weges befanden sich einst die Hallenattrappen. Quelle: H. Altmann, 2020. 

Allen Täuschungsmaßnahmen zum Trotz wurde der Scheinflughafen offenbar nicht aus der Luft angegriffen. Zumindest finden sich in der näheren Umgebung keine Einschlagskrater durch Bombenabwürfe. Sofern Luftangriffe erfolgt sein sollten, könnten diese somit höchstens mittels Bordmaschinenwaffen geschehen sein. 

Genutzt wurde der Scheinflugplatz tatsächlich fast ausschließlich zu Täuschungszwecken. Mit einer Ausnahme: im Winter 1944/1945 wurden Flugzeuge des Kampfgeschwaders 30 im Bereich der S-Anlage abgestellt. 

Heute müsste man zunächst wissen, was dieses unscheinbare Waldgelände früher einmal beherbergt hat, um die wenigen noch vorhandenen Spuren als Relikte eines Scheinflugplatzes zu deuten. Die Ermittlung dieser Erkenntnisse ist daher nur noch anhand historischer Luftbilder, Laserscanaufnahmen und zeitgenössischer Schriftquellen möglich. 

H. Altmann



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