Urlaubsbeitrag. Auf der estnischen Insel Hiiumaa, lassen sich noch heute spannende militärische Relikte aus verschiedenen Epochen aufspüren. In den dichten Kiefernwäldern verborgen finden sich unter anderem die Bunker und Geschützstellungen der ehemaligen Küstenbatterien Tahkuna, die ursprünglich den Seeweg nach St. Petersburg verteidigen sollten.
Auf den großen westlichen Inseln Estlands, Saaremaa und Hiiumaa, gibt es einige kleine – jedoch sehr gut ausgestattete und spannende – Militärmuseen. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: die Inseln wurden zu fast jeder Epoche von militärischen Konflikten beeinflusst. Im Jahr 1912 ließ Peter der Große im Norden der Insel Hiiumaa eine massive Küstenbatterie errichten, um die Hauptstadt des russischen Reiches, St. Petersburg, zu verteidigen.
Im Rahmen der Operation Albion landeten deutsche Truppen im Oktober 1917 auf Saaremaa und begannen wenig später mit der Invasion der nördlich gelegenen Insel Hiiumaa. Militärische Bedeutung erlangten die Operationen allerdings nicht – in Russland kam es zur Revolution und als das deutsche Reich im Westen den Ersten Weltkrieg verloren hatte, wurden die Truppen von den estnischen Inseln abgezogen.
Bild: Lage der Küstenbatterien, Tahkuna, Hiiumaa. Quelle: Hiiumaa Military Museum.
Zwischen 1918 und 1940 wurde Hiiumaa abermals zum Standort des russischen Militärs ausgebaut. Im Jahr 1941 wurden sechs schwere Küstenbatterien auf der Insel fertiggestellt. Das Eiland verfügte darüber hinaus angeblich noch über 38 Maschinengewehrbunker, 57 gedeckte MG-Stellungen, 46 km Stacheldrahthindernisse, 19 km Seehindernisse und 7.000 Landminen. Trotzdem waren die meisten Stellungen noch nicht fertiggestellt, als am 22. Juni 1941 der deutsche Angriff auf die Sowjetunion erfolgte.
Bereits im Oktober 1941 marschierten deutsche Truppen auf Hiiumaa ein. Die Insel wurde recht schnell besetzt und nach dem erfolgreichen Abschluss der Mission wurden die meisten deutschen Truppen an die Leningrader Front verlegt. Auch in dieser Zeit entfalteten die schweren Küstenbatterien somit keine militärische Wirkung.
Am 2. Oktober 1944 erreichte die Rote Armee die Insel. Auf deutscher Seite gab es offenbar keine Bestrebungen Hiiumaa zu verteidigen – stattdessen verlegten die deutschen Truppen auf die südlich gelegene Inseln Saaremaa. Abermals blieb eine militärische Bedeutung der Einrichtungen auf Hiiumaa aus.
Bild: Beobachtungsturm des Kontrollbunkers der 180 mm Stellung. Quelle: H. Altmann.
Nach Kriegende nutze die russische Armee Hiiumaa weiterhin als Standort und baute diesen noch erheblich aus. Unter anderem wurden schwere Panzerverbände und mehrere tausend Soldaten auf der Insel stationiert. Zwischen 1950 und 1960 existierten über 30 Militärbasen auf Hiiumaa.
Im Rahmen dieser gesteigerten Aufrüstung wurde ebenfalls die Küstenbatterie in Tahkuna erneut reaktiviert. In weiten Teilen wurde die Insel somit zum absoluten Sperrgebiet – erst mit dem Zerfall der Sowjetunion wurden die militärischen Bereiche wieder für Zivilisten zugänglich.
Bild: Lage der Küstenbatterien, Tahkuna, Hiiumaa. Quelle: Hiiumaa Military Museum.
Noch heute gehören die Stellungen der Küstenbatterien in Tahkuna wohl zu den mit am besten erhaltenen Bunkern im Baltikum. In vielen der Anlagen sind noch Inventargegenstände vorhanden, was wohl an sich schon eine Seltenheit ist. Über die alten Bahndämme – die eigens zur Versorgung der Küstenbatterien angelegt worden sind – erreicht man heute die einzelnen Geschützstellungen.
Im östlichen Bereich befindet sich die 180 mm Batterie sowie ein dazugehöriges Kontrollzentrum – unter Tage versteht sich. Wer sich traut, kann hunderte Meter freizugänglicher unterirdischer Bunkerwelt auf mehreren Etagen erleben. Eine Taschenlampe ist allerdings zwingender Begleiter.
Bild: Eingang zum Kontrollbunker der 180 mm Stellung. Quelle: H. Altmann.
Bild: Eingang zum Kontrollbunker der 180 mm Stellung. Quelle: H. Altmann.
Bild: tiefere Etagen im Kontrollbunker der 180 mm Stellung. Quelle: H. Altmann.
Bild: unterirdischer Heizungsraum. Quelle: H. Altmann.
Bild: Schlaflager für Soldaten. Quelle: H. Altmann.
Bild: Lagergestell für Munition. Quelle: H. Altmann.
Bild: unterirdische Bunkerräume. Quelle: H. Altmann.
Bild: Lagergestell für Artilleriegranaten. Quelle: H. Altmann.
Bild: Lagergestell für Artilleriegranaten. Quelle: H. Altmann.
Bild: Beobachtungsturm. Quelle: H. Altmann.
Bild: Stellung einer 180 mm Batterie. Quelle: H. Altmann.
Im westlichen Bereich befinden sich links der Straße die 12 Inch Batterie sowie beiderseits der Straße die 130 mm Batterie aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Auch hier gibt es jede Menge freizugänglicher Bunker, Stellungen und Anlagen zu bestaunen.
Bild: Militärmuseum Hiiumaa. Quelle: H. Altmann.
Im Militärmuseum der Insel Hiiumaa kann man sich über die Zusammenhänge informieren und spannende Hintergrunddetails zur Militärgeschichte der Insel erfahren. Das Museum befindet sich praktischerweise in unmittelbarer Nähe zu den Küstenbatterien von Tahkuna. Trotz dieses vermeintlich touristischen Touches gibt es im Bereich der Küstenbatterien von Tahkuna für Interessierte noch jede Menge authentische Erlebnisse zu sammeln.
H. Altmann
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen