Mit dem Fortschreiten des Zweiten Weltkrieges kam es ab 1943 auch verstärkt zu Luftangriffen auf kleinere Städte und Dörfer. Es waren meist Tieffliegerangriffe, die durch Begleitflugzeuge der Alliierten Luftstreitkräfte geflogen wurden.
So sind auch im Raum Celle mehrere Fälle überliefert in denen - meistens US-Jagdflugzeuge - Zivilisten angriffen. Da die britischen Bombergeschwader ausschließlich Nachts angriffen, die meisten Tieffliegerangriffe jedoch tagsüber erfolgten, wenn nur die US-Bomber flogen, ist die Zuordnung relativ einfach.
Dabei setzte die US-Air Force ihre Begleitflugzeuge offenbar nicht planmäßig gegen zivile Ziele ein. Zunächst sollten diese die Bomberstaffeln sicher in die Zielgebiete eskortieren. Dabei kam es in den ersten Kriegsjahren immer wieder zu größeren Luftgefechten mit deutschen Jagdfliegern. Als im fortschreitenden Kriegsverlauf die deutsche Luftwaffe jedoch kaum noch über einsatzfähige Maschinen, Treibstoff und Piloten verfügte, wurden die Begleitflugzeuge mehr und mehr überflüssig.
Um die Einsätze rechtfertigen zu können erweiterte man die Kompetenzen der Kampfflieger und stellte ihnen in einigen Situationen die Feuerhoheit vollkommen frei. Die Piloten konnten somit im Einzelfall selber entscheiden welche Ziele sie angriffen. Dabei kam es immer wieder zum Beschuss unbeteiligter Zivilisten. In den letzten Kriegsmonaten kam es auch zu Angriffen auf Güter- und Personenzüge - so beispielsweise bei Wienhausen (Tieffliegerangriff auf einen Personenzug - Click).
Während man in den, von alliierten Bombenangriffen betroffenen, Großstädten durch den Bau von Luftschutzanlagen recht schnell wirksame Maßnahmen ergriff, musste sich die Bevölkerung in kleineren Städten und Dörfern selber zu helfen wissen. So hatten die meisten sich bis Kriegsende provisorische Schutzräume und Erdbunker angelegt, in denen bei Luftangriffen zumindest gegen umherfliegende Splitter Schutz gesucht werden konnte.
Damit jedoch noch nicht genug - am 18.10.1944 erging hierzu ein Schreiben des Reichsverteidigungskommissars des Reichsverteidigungsbezirks Osthannover an die Bürgermeister des Regierungsbezirks Lüneburg. Darin wurde unter anderem die Anlage von Deckungsgräben gegen Tiefflieger- und Bombenangriffe gefordert. Das Schreiben enthielt eine detaillierte Skizze zur Anlage mustermäßiger Deckungsgräben.
Bild: Musterskizze für die Anlage von Deckungsgräben. Quelle: Schreiben des Reichsverteidigungskommissars Herrmann v. 18.10.1944.
Im Abstand von 100m sollten die rechtwinklig angelegten Deckungslöcher an allen Land- und Kreisstraßen angelegt werden. Mit einer Breite von 80cm und einer Tiefe von mindestens 2m sollten die Deckungsgräben zumindest einen einfachen Schutz bieten.
Der Celler Landrat Heinichen, der die Anordnung am 19.10.1944 an die Bürgermeister des Kreisgebietes weiterleitete, bestand auf die unbedingte und zeitnahe Umsetzung dieser Maßnahmen. Insbesondere ordnete Heinichen an, für die Arbeiten "die Ausländer einzusetzen" und diese Arbeit "in erster Linie zusätzlich an Sonntagen auszuführen". Bis zum 12.11.1944 sollte dem Landrat Heinichen gemeldet werden, welche Gräben bereits fertiggestellt seien und welche noch zu errichten wären.
Grundsätzlich sollte die Anlage der Deckungsgräben an allen wichtigen Straßen, aber auch an Bahnhöfen und Brücken, erfolgen.
In Offensen wurden die Anordnungen zumindest entlang der Dorfstraße umgesetzt. Schon im Winter des Jahres 1944 waren entsprechende deckungsgroben vorbereitet.
Bild: Dorfstraße Offensen heute. Quelle: Hendrik Altmann.
Auch in vielen anderen Dörfern wurden entsprechende Deckungsgräben gegen ende 1944 errichtet. Als Quellennachweise hierfür dienen unter anderem die Hannah Fuß Berichte.
Ob diese Art des Zivilschutzes tatsächlich die Sicherheit bei Luftangriffen erhöhte konnte bisher nicht belegt werden. Vor dem Hintergrund des nahenden Kriegsendes erscheint eine anderweitige Intention hinter der Maßnahme des Reichsverteidigungskommissars plausibel. Vielleicht ging es weniger um die Errichtung von Schutzbauwerken für die Zivilbevölkerung, als um erste Vorbereitungen für die Verteidigung des Reiches.
Ein Satz im vorliegenden Schreiben des Reichsverteidigungskommissars vom 18.10.1944 legt diesen Schluss nahe. Es ginge bei der Anlage der Deckungsgräben insbesondere um Vorbereitungen für eine "etwaige Rückführung der Bevölkerung im Nordteil des Gaues".
Scheinbar sollten die vorbereiteten Deckungsgräben also höchstens zeitweise der Zivilbevölkerung nutzen. Im Rahmen der Reichsverteidigung hätten die vorbereiteten Stellungen durchaus einen großen Nutzen gehabt...
H. Altmann
Anhang: Schreiben des Reichsverteidigungskommissars vom 18.10.1944
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