Die einstige Sandwüste westlich
von Celle und die Suche nach dem alten Dorf „Abbenburen“ (Hambühren)
Im Raum Celle gibt es einige Geschichten um "vergessene Dörfer", sogenannte "wüste Orte" oder, wie sie fachsprachlich bezeichnet werden: Ortswüstungen. Im nachfolgenden Beitrag wird die Überlieferung um einen altes, heute nicht mehr vorhandenes Dorf bei Hambühren untersucht. Dieses soll angeblich unter den großen Sandmassen einer Wanderdüne verschüttet worden sein...
Unweit
des heutigen Dorfes Hambühren befindet sich ein Platz der den Flurnamen „Im
alten Dorfe“ trägt. Der Platz liegt etwa 2,0 Km östlich von Hambühren und somit
in etwa auf halber Strecke in Richtung Celle.
Der
Überlieferung nach stand an dieser Stelle einst das alte (ursprüngliche) Dorf
Hambühren. Den Erzählungen nach soll der Ort zunehmend von Wanderdünen
verschüttet worden sein, sodass sich seine Bewohner veranlasst sahen, den
ursprünglichen Dorfplatz aufzugeben und weiter westlich ein neues Dorf
„Hambühren“ zu gründen.
Bis heute sind vor Ort auffällige Dünenberge erkennbar. Darüber hinaus ist ein
entsprechender Flurname überliefert, der in offiziellen Karten geführt wird.
Quelle:
Region Celle Navigator / LGLN.
Neben
der Überlieferung eines wüst gefallenen Dorfes wird in diesem Zusammenhang von
einer Legende berichtet. Dieser zufolge soll es bei Hambühren einen „Schatz im
Geldloch“ geben:
Zwischen der Schäferei bei Celle und Hambühren
liegt eine Gruppe ansehnlicher Sandhügel, die der Wind zusammengeweht hat. Die
Celler Spaziergänger nennen sie „die sieben Berge“ oder wohl gar „die
Hambührener Schweiz“. Hier lag in alten Zeiten das Dorf Hambühren mit seinen
Hofen und Gärten. Aber der Westwind blies jahraus, jahrein den leichten
fliegenden Sand aus dem Allertale gegen das Dorf, also dass die Äcker und
Gärten versandeten, wie es in einem alten Liede heißt:
„De Wind, de weiht,
De Hahn, de kreiht,
De Sand fängt an to weihen.“
Schon war zu sehen, dass mit der Zeit auch die
Gebäude zustürmen würden.
„De Wind, de weiht,
De Hahn, de kreiht,
Bald ligt dat Dörp in’n Sarge.“
Da blieb den Bauern nichts anderes übrig, als
ihre alten Wohnplätze zu verlassen. Sie brachen die Höfe ab und bauten sie eine
Strecke weiter nach Westen wieder auf. Die Stelle, wo vormals die alten Höfe
lagen, heißt heute noch immer „im alten Dorf“, obgleich wohl mehr als ein
halbes Jahrtausend vergangen ist, seit die Dünen von dem Gelände Besitz
genommen haben.
Bild: traditionelle Dorfansicht. Quelle: König, in: Lüneburger Heimatbuch Bd. 2.
Man erzählt sich in Hambühren, dass im „alten
Dorf“ an einer Stelle, die „das Geldloch“ heißt, ein Schatz vergraben liege.
Nur beherzten Männern werde es gelingen, ihn zu heben, wenn sie in der
Geisterstunde von 12 bis 1 Uhr nachts nachgraben, ohne dabei auch nur ein
einziges Wort zu sprechen. Einen pechschwarzen Hund müssten sie zur Stelle
haben, der schließlich den Schatz aus dem Boden herauskratzen werde.
Vor langen Jahren sollen einige unerschrockene
Männer es unternommen haben, dern Schatz zu gewinnen. Sie kamen bei Nacht und
Nebel mit einem schwarzen Hunde zum „Geldloch“ und schaufelten eine tiefe Grube
in den Sand. Endlich stieß einer der Männer mit seinem Spaten an einen harten
Gegenstand, dass es klang. „Da ist er!“ rief er heftig aus, aber in demselben
Augenblick versank der Schatz viele Klafter tiefer in den Boden und alle Arbeit
war vergebens, weil der Schatzgräber seine Zunge nicht im Zaume gehalten hatte.
Es
gibt auch geringfügige Abwandlungen zu dieser Version der legende, wonach der
Schatz aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges stammen soll.
Im Ergebnis bleibt es jedoch bei der Überlieferung eines durch Wanderdünen
versandeten und daher wüst gefallenen Dorfes. Die Legende vom Schatz ist
allerdings getrennt von der Überlieferung eines wüsten Dorfes zu untersuchen,
denn die Schatz-Legende knüpft an die Existenz der Ortswüstung an und nicht
umgekehrt.
Bild:
Dünenhügel bei Hambühren im Bereich der Flur „Im alten Dorf“. Quelle: Hendrik Altmann.
Der
handfeste Beweis für das Vorhandensein eines verlassenen Dorfplatzes – und
damit einer alten Ortswüstung – kann vermutlich nur durch archäologische
Untersuchungen abschließend erbracht werden. Dennoch sollen nachfolgend die
örtlichen Gegebenheiten und Umstände untersucht werden. Diese können
Ausgangspunkt für weitere Analysen sein.
Zunächst
stellt sich die Frage aus welcher Zeit die Ortswüstung des „altes Dorfes“
stammen könnte. Erstmals urkundlich erwähnt wird der Ort Hambühren am
31.12.1320, als Herzog Otto von Braunschweig und Lüneburg dem Ritter Gebhard
Schlepegrell dem Älteren Leibeigene aus Hambühren überlässt.
Quelle:
v. Hodenberg, Lüneburger Urkundenbuch Bd. 15, Celle 1859, Urk. Nr. 118.
Spätere
Erwähnung fand der Ort Abbenburen insbesondere im Vogtei-Schatzregister von
1372 sowie im Schatzregister der Großvogtei von 1438.
Letzterem zufolge war der Ort in „dat kerspel to Winsen“ (Das Kirchspiel zu
Winsen) eingepfarrt. In den Schatz- und Zinsregistern findet sich jedoch kein
Hinweis auf die Lage des Ortes bzw. auf eine Verlagerung. Es fehlt somit ein
historischer Quellennachweis dafür, dass der Ort Abbenburen bzw. Hambühren sich
einst an anderer Stelle als heute befunden hat. Denkbar wäre allerdings, dass
lediglich die genaue Beschreibung des ursprünglichen Standorts fehlt sowie der
Hinweis, dass der Ort umsiedelte.
Der
erste zuverlässige kartografische Nachweis des Ortes Hambühren stammt aus der
Zeit um das Jahr 1600, als der Kartograph Johannes Mellinger (1538 – 1603)
seinen Atlas des Fürstentums Lüneburg veröffentlichte.
In seiner Kartenmappe zeigte Mellinger den Ort Hambühren leicht südwestlich von
Boye und deutlich innerhalb der Winsener Vogtei-Grenze.
Quelle:
Johannes
Mellinger – Atlas des Fürstentums Lüneburg um 1600.
Es
gibt aufgrund dieser Darstellung zunächst keinen Zweifel daran, dass Mellinger
um 1600 bereits von der heutigen Lage des Dorfes Hambüren ausgehen konnte. Für
seine Verortung diente insbesondere die Einmündung des heutigen Grobebachs, der
vom Entenfang, nördlich von Boye, oberhalb des Ortes in die Aller mündete.
Mellingers Karte zeigt den Verlauf des Baches, der sich im Laufe der Zeit kaum
verändert hat. Hätte Mellinger den Ort Hambühren im Bereich der Flurbezeichnung
„Im alten Dorf“ darstellen wollen, so wäre es ein Leichtes gewesen den Ort
anhand der Bachmündung weiter östlich einzutragen.
In
den kartografischen Darstellungen der folgenden Jahrhunderte wird der Ort
Hambüren stets an seiner heutigen Position gezeigt. Auffällig ist indes der
Verlauf der Verwaltungsgrenze zwischen Celle und Hambühren. Eben dort, wo sich
die Flur „Im alten Dorf“ befindet, weist der Grenzverlauf eine auffällige
Ausbuchtung auf.
Quelle:
Kurhannoversche
Landesaufnahme, 1780; Google Earth.
Es
fehlen insofern kartografische Belege, die eindeutig für einen einstigen
Standort des Ortes Hambühren weiter östlich sprechen. Damit lässt sich
festhalten, dass neben der vorliegenden schriftlichen und mündlichen
Überlieferungen zur Ortswüstung Hambührens keine eindeutigen Quellenbelege
existieren, die den mutmaßlichen Standort zweifelsfrei bestätigen.
Es
sind daher vorwiegend Indizien, die eine Existenz der Ortswüstung plausibel
nahelegen. Zu diesen Indizien zählt insbesondere die Darstellung des Celler
Stadtchronisten Clemens Cassel, nach der es im 15. Jahrhundert zu einer
Beeinträchtigung durch Flugsand kam.
Cassel berichtete über die westlich der Stadt Celle gelegenen Felder wie folgt:
„Dies Ackerland war unter Flugsand begraben. Da
die Gefahr bestand, dass der lose Sand durch Westwinde der Stadt näher
zugetrieben und Stadtgräben und Tätze zugeschüttet
werden möchten, überließen die Herzöge Heinrich und Wilhelm der Jüngere um 1565
das Gelände dem Magistrate unter der Bedingung, dass der „schändliche Ort“ mit
Eichen bepflanzt und mit Sandhafer besäht würde. Die Bemühungen waren
erfolglos. Immer wieder und wieder legte der Wind die Wurzeln der jungen Stämme
bloß, obwohl man zwischen die Eichen Besenpfriem („Brammer“), Fuhren und Eschen
gesetzt hatte. 1602 waren sämtliche Pflänzlinge längst wieder eingegangen. Neue
Aufforstungen erfolgten in den Jahren 1604 und 1646. Aber auch sie mißrieten.
Noch im 17. Jahrhundert geben Bürgermeister und Rat den völlig ertraglos
liegenden „Heisterkamp im Sande über der Tätzebrücke“ auf. Der Name des
anstoßenden Forstbezirks „Sandschellen“ erinnert noch an das Vorkommnis, noch
mehr jedoch die eigenartige Bodenbildung des hügligen Geländes. Um dem
Weiterwandern der Sanddünen nach Süden zu wehren, scheint man zu dem Mittel der
Anpflanzung von Fuhren gegriffen zu haben. Die Benennung „Fuhrenzaun“ spricht
für diese Mutmaßung.“
Leider
bleibt Cassel einen entsprechenden
Quellennachweis für diesen wichtigen historischen Hinweis schuldig. Unterstellt
man die Richtigkeit seiner Angaben, müsste die Versandung der westlich von
Celle gelegenen Gebiete sich bis ins 17. Jahrhundert gezogen haben, wobei der
Beginn scheinbar in der Mitte des 16. Jahrhunderts verortet werden muss. In
diese Zeit, nämlich in den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, legt Barenscheer einen Umbruch in der
Viehhaltung.
Verantwortlich für eine verstärkte Beweidung war laut Barenscheer der erhöhte Bedarf nach Wollerzeugnissen in Verbindung
mit dem gestiegenen Potential der Verarbeitung von Stoffen sowie dem Handel mit
diesen.
Historisch
belegt ist dieses Phänomen in weiten Bereichen des norddeutschen Raumes.
Die Ursachen für die Entstehung von Weh- bzw. Flugsanden und die anschließende
Dünenbildung in jüngerer Zeit knüpft an die Wirtschaftsweise der Heidebauern
an.
Diese bestand, bis zu den richtungsweisenden Agrarreformen im 19. Jahrhundert,
vorwiegend aus Plaggenwirtschaft und Schafhaltung.
Die Plaggenwirtschaft ist dabei als simple Form der Düngergewinnung zu
begreifen. Die Nährstoffarmut der Böden erforderte eine künstliche Düngung. Da
weder moderne Kunstdünger noch ausreichend Dung bzw. Mist vorhanden war, griff
man auf die Methode des Plaggenhiebs zurück.
Dabei wurden Wald- oder Heideplaggen abgetrennt, abgefahren und auf die Felder
verbracht. Auf diese weise gelangten zwar in gewissem Maße neue Nährstoffe in
den beackerten Boden. Allerdings führte diese Methode auch zu einer Zerstörung
der oberen Bodenschicht in weiten Regionen. In der Mitte des 18. Jahrhunderts
erlebte diese Wirtschaftsweise vielerorts ihren Höhepunkt, der gleichsam mit
einer sprichwörtlichen „Verwüstung“ des Landes einherging.
Wo
die Wälder und Heiden fehlten, setzte eine erhebliche Vergrößerung der
Flugsandflächen ein.
Nach
überschlägigen Berechnungen waren bei einem Hof, der ca. 170 Morgen Ackerland
umfasste, rund 830 Fuder (Wagenladungen) Heidestreu und Plaggen zur Düngung pro
Jahr erforderlich.
Mancherorts wurden daher bereits die Heideflächen knapp, denn die Äcker mussten
schließlich jährlich gedüngt werden, während sich die Heiden jedoch nur in
einem längeren Rhythmus regenerierten. Aus diesem Grund war die obere
Bodennarbe häufig ganz abgetragen, der leichte Flugsand bot dem Wind eine
Angriffsfläche und in vielen Bereichen entstanden sogenannte „Sandschellen“
(Binnendünen). Die
Fluren im Neustädter Holz, westlich der Stadt Celle tragen noch heute den Namen
„Die Sandschellen“.
Bild:
Heidebauer beim Plaggenhieb. Quelle: König / Freudenthal, in: Lüneburger
Heimatbuch Bd. 2, S. 390.
Zur
Mitte des 18. Jahrhunderts ergaben sich vielerorts derart große Probleme durch
Flugsande und Dünenbildung, dass durch Regierungsstellen Problemlösungen
gesucht wurden. Diese
sahen letztlich verpflichtende Maßnahmen zur Befestigung der Böden vor. Unter
anderem sollten Sandhafer, Abdeckungen mit Reisigzweigen sowie Gräben und angepflanzte
Fuhren- bzw. Kiefernzäune das Problem der Flugsande in den Griff bekommen.
Diese
Maßnahmen waren jedoch mancherorts nicht gerne gesehen, da sie einer anderen
elementar wichtigen Wirtschaftsweise im Wege standen: der Schafhaltung. Diese
verursachte ebenfalls immense Bodenschäden, da die Tiere in weiten Bereichen
die Pflanzennarbe komplett zerstörten.
Mit dem ansteigenden Bedarf an Wolle, wuchsen die Ertragsaussichten der
Heidebauern, die ansonsten kaum über Wirtschaftsalternativen verfügten. Überweidung
und einseitige Wirtschaftsweise waren in weiten Teilen der Heidelandschaften
die Folge.
Bild:
Dünenhügel bei Hambühren im Bereich der Flur „Im alten Dorf“. Quelle: Hendrik Altmann.
Diese
historischen Hintergründe belegen indes noch nicht, dass es tatsächlich eine
Ortswüstung Hambühren gegeben hat. Es wäre zwar durchaus möglich, dass
Westwinde und Flugsande der Stadt Celle und ihrem Umland Probleme bereiteten.
Damit wäre allerdings noch nicht bewiesen, dass diese auch dafür sorgten, dass
die Bewohner Hambührens ihr Dorf aufgeben und anderenorts neu aufbauen mussten.
Es stellt sich daher im Folgenden die Frage nach möglichen Standortfaktoren
einer Siedlung im Bereich der Flur „Im alten Dorf“. Nur sofern hier
grundsätzlich einst die erforderlichen Siedlungsfaktoren erfüllt waren, macht
es Sinn hier nach den Spuren menschlicher Besiedlung zu forschen.
Die
Lage von Siedlungen ist bedingt durch Standortfaktoren, die für das Überleben
der Siedler entscheidend sind. Logischerweise erfolgt eine Ansiedlung dort, wo
natürliche Standortfaktoren das spätere Wohnen begünstigen. Hierzu gehört neben
einer vorteilhaften Bodenbeschaffenheit insbesondere die Anwesenheit von
Wasser.
Die Erreichbarkeit der lebenswichtigen Ressourcen stellt zweifelsfrei einen entscheidenden
Faktor der menschlichen Siedlungsfreudigkeit dar. Vor diesem Hintergrund
erscheint es plausibel, dass die möglicherweise vorhandene Ortswüstung
Hambührens im Zeitpunkt ihrer Gründung die grundsätzlichen Standortfaktoren besessen
haben müsste. Unabdingbar wäre also insbesondere die Anwesenheit natürlicher
Trinkwasserquellen gewesen. Eine Ansiedlung in Abwesenheit nutzbarer
Wasserquellen erscheint indes unwahrscheinlich.
Bei
der Ortsbegehung im Bereich der Flur „Im alten Dorf“ fallen zunächst die
vorhandenen und gut erkennbaren Binnendünen auf. Diese erstecken sich entlang
des gesamten Weges zwischen dem heutigen Ort Hambühren und der Flur „Im alten
Dorf“.
Bild:
Dünen entlang des Weges zwischen Hambühren und der Flur „Im alten Dorf“. Quelle:
Hendrik
Altmann.
Zunächst
scheinen damit wichtige Besiedlungsfaktoren nicht erkennbar zu sein. Weder gute
Böden, noch Wasser lassen sich auf den ersten Blick im Bereich der Flur „Im
alten Dorf“ vorfinden. Hinzu kommt, dass die Böden, trotz einer oberflächlich
angewachsenen Humusschicht nicht in der Lage sind, Feuchtigkeit in
ausreichendem Maße zu speichern. Praktisch hätte eine Bewirtschaftung der
sandigen Böden in diesem Bereich nur weinig bis keinen Ertrag hervorgebracht.
Allerdings
kann die Abwesenheit guter Boden eventuell vernachlässigt werden, wenn man
davon ausgeht, dass die Sandüberwehungen erst in jüngerer Zeit erfolgten. In
diesem Fall würden sie den Grund für die Abwesenheit fruchtbarer Böden
darstellen. Entscheidender ist daher die Frage nach vorhandenen Wasserquellen
bzw. Bachläufen.
Tatsächlich
sind in unmittelbarer Nachbarschaft zur Flur „Im alten Dorf“ die Überreste alter
Flussbetten erkennbar. Diese heben sich insbesondere durch den Bewuchs mit
stämmigen Eichen von der Umgebung deutlich ab. In den Uferbereichen der
einstigen Flussbetten muss eine andere Bodenbeschaffenheit vorherrschen – dies
zeigt sich insbesondere im Bewuchs.
Bild:
altes Flussbett im Bereich der Flur „Im alten Dorf“. Quelle: Hendrik Altmann.
Die
alten Flussläufe zählen zum Naturschutzgebiet der Allerniederung und gehörten
sehr wahrscheinlich zu einem Altarm der Aller. Dieser scheint früher vor der in
nördliche Richtung verlaufenden Allerkurve abgezweigt zu sein. Anhand des
auffälligen Eichenbewuchses, innerhalb des ansonsten von Kiefern bewaldeten
Geländes, zeigt sich der Verlauf dieses alten Flussarmes noch heute.
Weiter
nördlich der Flur „Im alten Dorf“ mündete der Altarm in einem gut erkennbaren Delta
wieder zurück in die Aller. Besonders wenn die Aller viel Wasser führte –
insbesondere in Hochwasserperioden – dürfte der Altarm recht viel Wasser
geführt haben. Dass er zumindest zeitweise große Wassermengen aufnahm ist im
Bereich seines Mündungsdeltas erkennbar. Hier hinterließ das abfließende Wasser
auffällige Spuren und trug große Teile des Untergrunds ab.
Bild:
altes Flussbett im Bereich der Flur „Im alten Dorf“. Quelle: Hendrik Altmann.
Über
den Nebenarm der Aller hätte eine ehemalige Dorfstelle gut mit Wasser versorgt
werden können. Das Vorhandensein des Altarms ist somit durchaus als
Standortfaktor für eine mögliche Ortswüstung zu werten.
Bild:
altes Flussbett im Bereich der Flur „Im alten Dorf“. Quelle: Hendrik Altmann.
Unbeantwortet
geblieben ist bisher die Frage nach dem Alter der Dünen im Bereich der Flur „Im
alten Dorf“. Die historische Betrachtung (s.o.) legt nahe, dass die
„Verwüstung“ der Gegend – und damit auch das Auftreten von Flugsanden und Dünen
– verstärkt im 18. Jahrhundert auftrat. Aus dieser Zeit finden sich
verlässliche Quellenberichte, die von der Dünenproblematik berichten.
Allerdings kann die mögliche Ortswüstung nicht aus dieser Zeit stammen –
ansonsten lägen offizielle Quellen vor, die darüber berichten würden.
Für
das Alter der Dünen östlich von Hambühren liegt bisher keine genaue Datierung
vor. Nur wenige Kilometer flussabwärts der Aller befindet sich allerdings in
Höhe des Ortes Südwinsen ebenfalls ein ausgeprägtes Dünengebiet. Auch hier soll
es angeblich zu Umsiedlung aufgrund von Flugsanden gekommen sein.
Für dieses Dünengebiet liegen jedoch recht genaue Datierungen vor. So konnte
insbesondere unter der Anwendung einer C-14-Datierung festgestellt werden, dass
die tieferen Dünenschichten bei Südwinsen im Regelfall ein Alter von ca. 9.400
Jahren aufweisen.
Die mittleren Schichten wurden immerhin noch auf ein Alter von ca. 3.500 Jahren
v. Chr. datiert und die oberen Schichten auf die Zeit von ca. 500 n. Chr.
Erst viel später – nämlich im 18. Jahrhundert setzte demzufolge eine weitere
Überwehung ein.
Bild:
Bodenschichten und Queerschnitt im Bereich der Flur „Im alten Dorf“. Quelle: Hendrik Altmann.
Inwiefern
die Datierungen und Erkenntnisse auf das Dünengebiet östlich von Hambühren
anwenden lassen ist unklar. Die geografische Nähe legt zumindest den Schluss nahe,
dass es sich hier ähnlich verhalten haben könnte. Dann wäre eine im Mittelalter
durch Sandverwehungen entstandene Ortswüstung jedoch sehr unwahrscheinlich.
Ein
weiterer Umstand ist zu beachten. Im oberen Verlauf der Aller – nämlich im Raum
Gifhorn – ist dasselbe Landschaftsbild vorzufinden. Auch hier prägen zahlreiche
Binnendünen die Gegend entlang des ehemaligen Urstromtals der Aller. Für den
Gifhorner Raum wurden die mittelalterlichen Wüstungen jedoch bereits umfassend
erforscht und dokumentiert.
Von den rund 55 untersuchten wüst gefallenen Dörfern, Höfen oder anderweitigen
Siedlungen findet sich bei keiner einzigen der Grund für das Verlassen der
Siedlung im Vorhandensein von Wanderdünen. Dabei muss davon ausgegangen werden,
dass die Umstände im Raum Gifhorn nicht übermäßig von denen bei Celle und
Hambühren abwichen. Wären Flugsande und Wanderdünen also eine geläufige Ursache
für Ortswüstungen in der Region, müsste diese Ursache wahrscheinlich wenigstens
für andere Orte überliefert und belegt sein.
Bild:
Dünen bei Hambühren nahe der Flur „Im alten Dorf“. Quelle: Hendrik Altmann.
Möglicherweise
liegt die Wahrheit aber – wie so oft – in der Mitte. Die Vorstellung, dass sich
mächtige Wanderdünen ein ganzes Dorf unter sich begruben mag vielleicht nicht
zutreffen. Dennoch kann die Überlieferung eines alten und verlassenen Dorfes im
Bereich der Flur „Im alten Dorf“ bei Hambühren auf Tatsachen hindeuten. So
führte bereits Oberbeck in seiner
Wüstungsforschung für den Raum Gifhorn aus, dass schlechte Böden nachgewiesen
ein Faktor für das Entstehen von Ortswüstungen gewesen waren.
Die schlechten Bodenverhältnisse alleine führten allerdings noch nicht
zwangsläufig dazu, dass Orte wüst fielen. Oft konnten die schlechten Böden
nämlich durch Stall- und Plaggendüngung künstlich mit Nährstoffen angereichert
werden. Es war somit in gewissem Maße möglich schlechte Bodenqualitäten
auszugleichen.
Problematisch
wurden die Verhältnisse erst dann, wenn es an Dünger fehlte. Eine Vielzahl der
Ortswüstungen ist daher auf die Zeit der Rodungen zurückzuführen in der es zu
einer Übernutzung der Wälder und damit zum Wegfall natürlicher Düngeressourcen
kam.
Die Orte wurden daher nicht aufgrund von Flugsanden bzw. Wanderdünen
aufgegeben, sondern weil sich die Bodenverhältnisse dermaßen verschlechterten,
dass die beanspruchten Böden keinen landwirtschaftlichen Ertrag mehr hergaben.
Im
Ergebnis ist festzuhalten, dass die Spuren der wüstenartigen Dünenlandschaft
zwischen Hambühren und Celle noch heute deutlich zu erkennen ist. Mittlerweile
sind die Sandhügel durch eine geschlossene Pflanzendecke geschützt. Aus
heutiger Sicht ist es somit nicht leicht sich diesen Landstrich als bewuchslose
Wüste vorzustellen. Historische Quellen belegen aber genau das – noch vor 300
Jahren muss es zwischen Hambühren und Celle wirklich „wüst“ ausgesehen haben.
Ursächlich hierfür war insbesondere die landwirtschaftliche Übernutzung der
Flächen. Wo die haltgebende Pflanzendecke fehlte konnte der Wind den Sand
forttragen.
Bis
heute halten sich die Erzählungen um das verlorene Dorf bei Hambühren. Die
Geschichte entfaltet nicht zuletzt deswegen einen so großen Reiz, weil sie
unmittelbar das Bild eines im Sand versinkenden Dorfes hervorruft. Aus
analytischer Sicht sprechen maßgebliche Faktoren gegen eine Ortswüstung „Abbenburen“
bzw. Hambühren. Trotzdem sind die näheren Umstände bis heute nicht geklärt und
vor Ort gegebene Standortfaktoren könnten eine einstige Siedlung tatsächlich
begünstigt haben.
Damit
bleibt festzuhalten, dass den abschließenden Beweis – oder Gegenbeweis – nur archäologische
Untersuchungen ergeben können. Hierbei könnte insbesondere durch den Einsatz
eines Bodenradars gezeigt werden, ob es möglicherweise Siedlungsspuren
unterhalb der Dünenhügel gibt. Schlussendlich scheint das letzte Wort in der
Frage nach einer Ortswüstung bei Hambühren also noch nicht gesprochen zu
sein...
H.
Altmann