In der Stadt Celle und im umliegenden Landkreis ist die Umbenennung von Straßen ein gut gepflegter Brauch. Alle Jahre wieder werden Straßennamen, die sich seit Generationen wie selbstverständlich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben, geändert.
Dieser Brauch dient nicht etwa, um die Lernfähigkeit der Bürger zu fördern - vielmehr gründen sich diese Maßnahmen darauf, dass den historischen Namensgebern einstige Sünden zum Verhängnis werden.
Als prominentes Beispiel wäre etwa der "Hannah-Fueß-Weg" in Altencelle zu nennen. Und auch, wenn die "Kanonenstraße" das NS-System nicht unterstützte - auch sie wurde umbenannt. Kanonen haben wohl generell etwas Negatives an sich. Die Umbenennung der "77er-Straße" ist noch nicht gänzlich vom Tisch - da kommt auch schon eine neue Straßenbezeichnung unters Namens-Scharfott: die "Fritschstraße" in Scheuen.
Wem diese Straße nun auf Anhieb unbekannt vorkommt - das ist wenig verwunderlich. Sie liegt ganz im Norden von Scheuen - einst führte sie zur ehemaligen Fritsch-Kaserne der Bundeswehr, die allerdings bereits seit einigen Jahren geschlossen wurde. Anlieger gibt es an der Straße nur wenige.
Bild: Fritschstraße Scheuen. Quelle: Google Earth.
Verfolgt man die öffentliche Diskussion um diese und andere Umbennungen von Straßennahmen, so liest man häufig Kommentare wie: "Steuerverschwendung", "Schaffen wir doch gleich die ganze deutsche Geschichte ab" oder "Wenn wir sonst keine Sorgen haben..."
Wird hier wirklich leichtfertig mit der Geschichte umgegangen, oder steht ein sinnvolles Vorhaben hinter einer solchen Umbenennung?
Es liegt auf der Hand, dass die eine Umbenennungsmaßnahme nur im seltensten Fall mit anderen vergleichbar ist. Alleine schon, weil die Namensgeber regelmäßig aus völlig unterschiedlichen Epochen stammen, kann ein direkter Zusammenhang ausgeschlossen werden. Demnach kann eine Umbenennung in einem Fall ungerechtfertigt sein und in einem anderen Fall durchaus sinnvoll.
Wie ist es also erklärbar, dass die allgemeine Reaktion auf eine Änderung einzelner Straßennamen meist mit den gleichen Argumenten ablehnend ist?
Man sollte sich in jedem Fall vor einer pauschalen Ablehnung hüten. Eine umfassende Untersuchung dieses Themas hat bereits der Historiker Bernhard Strebel im Auftrag der Stadt Celle durchgeführt. In seiner Abhandlung lässt Strebel nur wenig Gutes an Werner Freiherr von Fritsch. Eine direkte Handelsempfehlung ist dies zwar noch nicht - wirft jedoch die Frage auf, weswegen seit dem Erscheinen der Untersuchungsarbeit mehr als vier Jahre ins Lang gingen, bis man sich nun der Fritschstraße zuwendet.
Und überhaupt - was wird dem besagten "Werner Freiherr von Fritsch überhaupt zur Last gelegt?
Die Cellesche Zeitung bezeichnet Fritsch in einem Artikel als "Nazi, Anti-Demokraten und Judenhasser". Ohne Frage gibt es heute schlagkräftige Belege für diese Aussage in der Literatur.
Fritsch, der am 4. August 1880 in Benrath bei Düsseldorf geboren wurde, hatte bereits den Ersten Weltkrieg erlebt. Am 1. Februar 1934 wurde er Chef der Heeresleitung. Bereits in einem Brief an seinen Offizier Joachim von Stülpnagel hatte er seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass General Hans von Seeckt eine Diktatur errichten möge. Die Weimarer Republik war Fritsch ein Dorn im Auge. "Schwarz, Rot und Gold" bezeichnete er im besagten Brief sogar als eines seiner Feindbilder - neben Pazifisten, Demokraten und Juden.
Im Juli 1933 verklärte er die "nationalsozialistische Ideenwelt zum Träger deutschen Geisteslebens schlechthin". Wer gegen die nationalsozialistische Ordnung handle, sei ein Verbrecher, so Fritsch. In einem Brief an Margot von Schutzbar-Michling schrieb Fritsch:
"Bald nach dem Krieg kam ich zur Ansicht, daß drei Schlachten siegreich zu schlagen seien, wenn Deutschland wieder mächtig werden sollte: 1. die Schlacht gegen die Arbeiterschaft, sie hat Hitler siegreich geschlagen; 2. gegen die katholische Kirche, besser gesagt den Ultramontanismus, und 3. gegen die Juden. In diesen Kämpfen stehen wir noch mitten drin. Und der Kampf gegen die Juden ist der schwerste."
Bild: Werner von Fritsch, 1932
Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-R16862 / CC-BY-SA
Trotz dieser deutlichen Worte blieb Fritsch auf Distanz zur NSDAP und erhielt den Ruf eines "unpolitischen Soldaten", wobei er mit seiner Meinung im Privaten scheinbar nicht hinterm Berg hielt. Diese Haltung stieß bei einigen NS-Bonzen nicht auf Gegenliebe: in der Blomberg-Fritsch-Krise (Januar 1938) wurde seitens Heinrich Himmels eine Intrige gegen Fritsch geschürt. Ihm wurde Homosexualität unterstellt - zur damaligen Zeit ein gefährlicher Vorwurf. Als Generaloberst starb Fritsch bereits zu Beginn des Zweiten Weltkrieges im Feuer eines polnischen Maschinengewehrs am 22. September 1939. Jakob Knab sieht Fritsch als "Meisterstück der Verdrängung" an - in seinem Werk "Falsche Glorie, Das Traditionsverständnis der Bundeswehr" zeigt er auf, wie Fritsch im späteren Verständnis zu einem "aufrechten Mann des Widerstandes" wurde, obgleich er dies nie gewesen ist.
Es wird wohl deutlich, dass Fritsch nicht zu denjenigen Personen zählen kann, die es heute verdienen, dass eine Straße nach ihnen benannt wird.
Die Umbenennung der Fritschstraße in Scheuen ist verständlich. Und dennoch falsch. Falsch, weil es niemandem hilft einen Straßennamen zu vergessen. Es hilft weder den Menschen, die in Konzentrationslagern ermordet wurden, noch macht es die heutige Welt besser, wenn sie sich nicht an Werner von Fritsch erinnert. Sicher - heute würde man es anders machen. Aber Geschichte lässt sich nicht durch Namensänderungen austricksen.
Am sinnvollsten wäre es daher die Geschichte aus heutiger Sicht konsequent und weise zu behandeln. Eine kleine Tafel über die Biografie des Werner von Frisch am Straßenschild würde ausreichen, um deutlich zu machen, dass man heute sehr wohl in der Lage ist sich von NS-Persönlichkeiten auf kluge Art und Weise zu distanzieren.
Es ist wie mit den Monstern im Schrank - sie verschwinden auch dann nicht, wenn man sich die Augen zuhält.
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Quellen:
Bernhard Strebel: Es ist nicht ganz einerlei, wie di Straße heißt in der man wohnt, Straßennamen in Celle und personelle Verbindungen mit dem Nationalsozialismus, Hannover 2010.
Cellesche Zeitung, Scheuen schafft Nazi-Straße ab, 26.02.2015.
Wolfram Wette, The Wermacht, History, Myth, Reality, Frankfurth/Harvard 2002/2007.
Jakob Knab, Falsche Glorie, Das Traditionsverständnis der Bundeswehr, Berlin 1995.
Robert S. Wistrich, Who's Who in Nazi Germany, New York 1982.
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