f Heeresmunitionsanstalt Scheuen ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Dienstag, 19. August 2014

Heeresmunitionsanstalt Scheuen






Bei Scheuen, nördlich von Celle, liegen die ehemaligen Kasernengebäude der Freiherr-von-Fritsch-Kaserne. Im Nordosten an das Kasernengelände schließt sich der Standortübungsplatz Celle-Scheuen an. Einigen dürfte bekannt sein, dass sich hier einst,  im Zweiten Weltkrieg, eine große Heeresmunitionsanstalt befand. Bereits vor dem Krieg war das Gelände militärisch genutzt worden. Obwohl sich die Aktivitäten der Bundeswehr  in letzter Zeit auf dem Übungsgelände reduziert haben, handelt es sich nach wie vor um militärisches Sperrgebiet - unbefugtes Betreten ist strafbar. 

In diesem Beitrag soll es um die bewegende Geschichte des Geländes Celle-Scheuen gehen. Mit offizieller Genehmigung konnte ich mich vor Ort umsehen und die historischen Relikte vor Ort erfassen. Beginnen wir aber mit den Anfängen der militärischen Nutzung des Geländes bei Scheuen. 

Bild: Gelände heute. Quelle: Google Earth. 


Am 5. Dezember 1916 erwarb die Kaiserliche Werft Wilhelmshafen ca. 210 ha des so genannten Arloh-Geländes, südöstlich des Klosterkammerforstes bei Scheuen. Das besagte Gelände befand sich bereits vorher in militärischer Nutzung: schon ab 1870 war es als Schieß- und Exerzierplatz für die Celler Garnison genutzt worden. Daher findet sich in alten Karten regelmäßig auch die Bezeichnung "Exerzierplatz" für das Gelände. 

Bild: Bis 1904 wurden keine Gebäude auf dem Platz verzeichnet. Quelle: Reichskarte 1904 / Google Earth. 


Im Ersten Weltkrieg nahm die Kaiserliche Marine einen Flugplatz auf dem Arloh-Gelände in Betrieb. Im Jahr 1925 erwarb die Stadt Berlin einen Teil des Geländes, um dort ein Landerholungsheim und ein Landerziehungsheim zu gründen (Mehr dazu: CLICK). Bereits Anfang der 30er Jahre musste das Heim geschlossen werden, da es zu Ausschreitungen und Missständen gekommen war. 

Bild: Erziehungs- und Erholungsheim der Stadt Berlin bei Scheuen. Quelle: Messstichblatt 1901 (berichtigt 1931). 


In den Jahren 1934 bis 1939 entstand vor allem in den nordöstlichen Bereichen des Geländes eine Heeresmunitionsanstalt. Es wurden dazu eine Vielzahl neuer Gebäude errichtet (ca. 200). Im Süden befand sich der Verwaltungs- und Unterkunftsbereich (heutiges Kasernengelände). Der Produktionsbereich befand sich im Norden. Im Nordosten entstanden zahlreiche Lagerbunker für die hergestellte Munition. Beim Bau der Munitionsanstalt wurde ebenfalls ein Gleisanschluss gelegt - die Laderampen befanden sich im nördlichen Teil des Geländes. Gefertigt wurden Infanteriemunition, Handgranaten, Panzerabwehrgeschosse, Nebelgranaten und Artilleriegeschosse. Es wird vermutet, dass ebenfalls chemische Kampfstoffe in der Munitionsanstalt lagerten. Die Karte von 1944 zeigt gut den wohl maximalen Ausbaustand der Anlage. 


Bild: Heeresmunitionsanstalt Scheuen laut brit. Quellen. Quelle: War Office 1944. 


Legt man die Karte auf das aktuelle Satellitenbild, wird deutlich welche Ausmaße die einstige Produktionsstätte hatte. Die Muna Scheuen dürfte damit größer als Hänigsen und Höfer gewesen sein. 

Bild: Heeresmunitionsanstalt Scheuen 1944. Quelle: War Office 1944 / Google Earth. 


Es arbeiteten ca. 400 Zwangsarbeiter in der Einrichtung. Es waren vor allem Menschen aus östlichen Ländern, wie Serbien, Jugoslawien und Russland. Am 13 April 1945 rückten britische Truppen nach Scheuen vor und nahmen sowohl den Feldflugplatz Hustedt, als auch die Heeresmunitionsanstalt Scheuen ein. 

Nach Kriegsende wurde das Gelände oberflächlich von den Alliierten geräumt. Überirdische Bunker und Gebäude wurden teilweise gesprengt. Den nördlichen Teil der Anlage nutzen die Britischen Truppen weiter als Depot bzw. Kasernengelände. Im Südteil bezog im Jahr 1965 die Bundeswehr die neu errichtete Freiherr-von-Fritsch-Kaserne. Zu dieser Zeit standen einige der Gebäude der Munitionsanstalt noch. Die Landkreiskarte aus dem Jahr 1971 belegt dies: 

Bild: Heeresmunitionsanstalt Scheuen 1971. Quelle:Landkreiskarte 1971 / Google Earth. 


Im nördlichen Teil des Geländes (grün) erkennt man noch deutlich einige der alten Produktionsgebäude der Munitionsanstalt. Im bewaldeten Bereich im Norden (blau) befinden sich die Lagerbunker. 

Erst in den 90er Jahren / bis 2000 wurden die meisten der historischen Gebäude abgerissen. Auf dem Satellitenbild aus dem Jahr 2010 erkennt man noch im Flächenbewuchs, wo einst Gebäude der Munitionsanstalt gestanden haben. 

Bild: Heeresmunitionsanstalt Scheuen 2010. Quelle: Google Earth. 


Im nördlichen Bereich des Geländes befindet sich ein letztes erhaltenes Gebäude der Heeresmunitionsanstalt (siehe Satellitenbild oben links). Die Briten nutzten dieses Gebäude wohl als Garagen. Heute steht es leer. Dass dieses Gebäude aus der Muna-Zeit stammt erkennt man zum einen am Baustil. Zum anderen auch an den (heute verschlossenen) Fenstern - diese wären nicht eingebaut worden, wenn das Gebäude als Garage konzipiert worden wäre. Das britische Militär hat dieses Gebäude lediglich umfunktioniert. Weitere Bilder finden sich hier: CLICK). 


Bild: Letztes Muna-Gebäude im Produktionsbereich der Anlage. Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Letztes Muna-Gebäude im Produktionsbereich der Anlage. Quelle: Hendrik Altmann. 



Bild: Luftbild. Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Luftbild. Quelle: Hendrik Altmann. 

Im Lagerbereich befinden sich zahlreiche zerstörte Munitionsbunker. Nach Art und Zustand lässt sich die einstige Konstruktion in etwa nachvollziehen: 


Bild: Lagerbunker. Quelle: Hendrik Altmann. 


Die Bunker besitzen jeweils (zumindest der größtenteils) zwei separate Eingänge. Im Innern weisen einige der Ruinen darauf hin, dass es eine Trennwand gegeben hat. Die Bunker wurden aus Stahlbeton gebaut - der Sand für den Beton wird vermutlich aus der näheren Umgebung stammen, zumal recht große Einschlüsse von Kieselsteinen etc. enthalten sind, deutet vieles darauf hin, dass die Bunker im Schnellbauverfahren erbaut wurden. An vielen Stellen ragen die Stahlelemente aus dem Beton hervor. 

Die Bunker wurden nach Kriegsende gesprengt. Dabei scheinen die Deckenelemente der Bunker einfach - teilweise im Ganzen - heruntergefallen zu sein. In einigen Bunkern steht man heute direkt auf den Deckenplatten, denn es hat sich kaum Bewuchs darauf gebildet. Nur eine dünne Moos- und Grasschicht, welche sich leicht wegschieben lässt wuchert auf den Deckenplatten. 

Bei den Sprengungen blieben lediglich die massiven Eingänge zu den Lagerbunkern erhalten. 

Einige der Bunker besitzen noch kleine, viereckige "Schornsteine" in den Ecken. Diese dienten vermutlich damit sich kein Kondenswasser bilden konnte. Dies hätte fatale Folgen auf die Wirkungsfähigkeit der eingelagerten Munition gehabt. Ähnliche Belüftungs-Schornsteine finden sich ebenso bei den Bunkern des Marinesperrzeugamtes bei Starkshorn. Offenbar wurden die Bunker in den 30er Jahren in ähnlicher Bauweise errichtet.  

Von den einst rund 100 Lagerbunkern konnten aktuell noch 40 exakt eingemessen werden. Die restlichen Bunker sind aufgrund der Sprengungen und evtl. auch durch spätere Nutzung nur noch als Erdlöcher, oder überhaupt nicht mehr sichtbar. Die heutigen Waldwege waren früher die Zufahrtswege um die Bunker zu be- und entladen. 


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann / Google Earth. 



Aktuelle Bilder einiger Lagerbunker: 


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann

Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann

Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Lagerbunker Stand 2014. Quelle: Hendrik Altmann



Abschließender Hinweis...


Das Kasernengelände ist umzäunt und darf nicht betreten werden. Der Standortübungsplatz ist ringsum beschildert - ein Unbefugtes Betreten ist verboten und kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Auch wenn das Kasernengelände nicht mehr von der Bundeswehr besetzt ist, finden auf dem Standortübungsplatz hin- und wieder Übungen statt. An dem Tag, als ich dort war waren dort ebenfalls Soldaten unterwegs. Ansonsten sind dort ebenfalls Jäger anzutreffen. Ich weiß, dass solche Orte eine gewisse Anziehung ausstrahlen - daher habe ich mir das Betreten auch genehmigen lassen. 

Von unbefugtem Betreten rate ich ausdrücklich ab! 



Beste Grüße, 

Hendrik



4 Kommentare:

  1. War super zu lesen mal wieder,weiter so Hendrik! Gruß Christoph

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  2. kannst du evtl den verlauf der Bahngleise rekonstruieren? Ich vermute mal, das diese, so wie bei den meißten Lageranlagen paralel zu den Versorgungswegen der Lagerbunker lagen!?

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  3. Wo kann man denn Mal wegen einer Genehmigung fragen? Direkt bei der Stadt Celle oder bei der Bundeswehr?
    Mfg

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