f Verschüttet seit Kriegsende ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Mittwoch, 15. Juni 2022

Verschüttet seit Kriegsende


Ausrüstungsgegenstände, Waffen und Munition - mitten in Celle kamen kürzlich zahlreiche Gegenstände aus den letzten Kriegstagen ans Tageslicht. Die Sachen waren in einem alten Splitterschutzgraben verschüttet. 

Es war nicht ungewöhnlich, dass man sich gegen Ende des Zweiten Weltkrieges aller möglichen Utensilien entledigte, die irgendeine Verbindung zum Nationalsozialismus nahelegten. Als die letzten Einheiten von Wehrmacht und Waffen SS abgezogen waren, konnte es vielen gar nicht schnell genug gehen Uniformen, Waffen und Abzeichen loszuwerden. In vielen Fällen landeten die unliebsamen Überbleibsel der NS-Diktatur dort, wo man sie vor dem Zugriff durch die herannahenden Alliierten in Sicherheit wägte. 

Die Sorge vor Repressionen durch die britischen sowie durch die US Truppen hatte durchaus einen Grund. Waffen und andere Gegenstände, die einen unmittelbaren Zusammenhang zur NS-Ideologie nahelegten, hätten seinerzeit sehr wahrscheinlich den Verdacht gestützt, dass der jeweilige Eigentümer dem politischen System nahestand. Schlimmer noch: die alliierten Truppen fürchteten in den letzten Kriegstagen das Aufkommen von Partisanenangriffen. Der Aufruf zu sogenannten "Werwolf-Aktionen" bestärkte diese Sorge. Wer also bei Eintreffen der Alliierten über verdächtige Gegenstände verfügte, musste schlimmstenfalls damit rechnen, dass ihm weitergehende Ermittlungen ins Haus stünden. 

Viele entsorgten daher vorhandene Waffen, Uniformen, Abzeichen und Ausrüstungsgegenstände schnellstmöglich. Mitten in Celle sind nun einige solcher Relikte bei Baumaßnahmen wieder aufgetaucht. 

Bild: Baumaßnahmen vor dem Neuen Rathaus in Celle. Quelle: H. Altmann 2022. 

Auf einer Freifläche vor dem Neuen Rathaus in Celle wurden kürzlich vorbereitende Baumaßnahmen im Zuge der Errichtung eines neuen Hotels durchgeführt. Beim Abtragen der oberen Erdschichten wurde ein Bereich angeschnitten, in dem zu Kriegszeiten offenbar ein ehemaliger Splitterschutzgraben verlief. 

Da derartige Bauarbeiten üblicherweise durch Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes begleitet werden, konnten die metallischen Relikte fachmännisch gesichtet und entsprechend ans Tageslicht gebracht werden. 

Bild: Metallische Überreste. Quelle: H. Altmann 2022. 

Die Auswertung historischer Luftaufnahmen bestätigt die Vermutung. Im Bereich der Baufläche verlief bei Kriegsende ein sogenannter Splitterschutzgraben. Diese im Zickzack angelegten Gräben dienten dem einfachen Luftschutz und sollten bei Tieffliegerangriffen sowie im Falle von Bombenabwürfen zumindest notdürftigen Schutz gegen die Splitterwirkung bieten. Auch auf den Dörfern im Landkreis Celle wurden derartige Maßnahmen seinerzeit durchgeführt. 

Der nun aufgefundene Splitterschutzgraben lag unmittelbar nördlich eines alten Barackengebäudes, das einst an die 77er Straße angrenzte. 

Bild: Lage des Splitterschutzgrabens vor dem Neuen Rathaus in Celle. Quelle: Google Earth, H. Altmann 2022. 

In dem Splitterschutzgraben fanden sich unterschiedlichste Gegenstände. Teller, Flaschen, Glasgefäße, Volksgasmasken und Ausrüstungsgegenstände der Wehrmacht. Teilweise waren die Objekte offensichtlich damals bereits beschädigt in den Graben geworfen worden. 

Bild: Fundobjekte aus dem Splitterschutzgraben. Quelle: Kristóf Nagy 2022. 

Neben Bügelflaschen und Porzellan waren auch zahlreiche fragile Glasgefäße in den Graben gelangt, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen. Eine unmittelbar militärische Verwendung dieser Objekte war damals jedenfalls nicht üblich. 

Andere Fundgegenstände sprechen dagegen eindeutig für einen militärischen Kontext. Übungsmunition - die durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst entfernt wurde - ein Bajonett, Helme und Essgeschirr lassen sich klar als Ausrüstungsgegenstände der Wehrmacht identifizieren. 

Bild: Fundobjekte aus dem Splitterschutzgraben. Quelle: Kristóf Nagy 2022. 

Ein spektakulärer Fund: unter den Fundstücken befand sich auch eine alte Streckenzugtafel, die damals insbesondere bei der Vermessung für Feuerstellungen der Artillerie zum Einsatz kam. Die Tafel ist den Umständen entsprechend recht gut erhalten. 

Bild: Ausschnitt Streckenzugtafel. Quelle: Kristóf Nagy 2022. 

Die Streckenzugtafel und weitere besonders erhaltenswerte Fundgegenstände konnten erfreulicherweise direkt durch das Celler Garnison-Museum übernommen und gesichert werden. Da die Funde in direktem Zusammenhang zur Geschichte der Celler Garnison zu betrachten sind, werden sie zunächst im Garnisonmuseum verwahrt und sind für künftige Ausstellungsprojekte verfügbar. Auch die übrigen Fundobjekte konnten sichergestellt werden. Durch die Unterstützung seitens des Garnison-Museums ist somit gewährleistet, dass die Funde und die dahinter befindlichen Informationen für die Nachwelt erhalten bleiben. 

Bild: Streckenzugtafel. Quelle: Kristóf Nagy 2022. 

Unklar ist bislang, wer die Gegenstände nach Kriegsende in dem Graben entsorgt hat. Waren es deutsche Militärangehörige oder Zivilisten? Oder waren es eventuell britische Soldaten, die alte Sachen aus den umliegenden Kasernengebäuden auf einfach Weise entsorgen wollen? Hierfür spräche, dass viele der Gegenstände wohl bereits kaputt waren, als sie in den Splitterschutzgraben gelangten. 

Obwohl sich nicht alle offenen Fragen beantworten lassen, belegt der Fund deutlich, dass auch 77 Jahre nach Kriegsende immer noch Dinge ans Tageslicht kommen, die weiteres Licht auf die damaligen Ereignisse werfen. 

Bild: zerbrochener Teller mit Reichsadler. Quelle: H. Altmann, 2022. 

Bild: Fundkiste mit verrosteten Ausrüstungsgegenständen. Quelle: H. Altmann, 2022. 


H. Altmann



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