Seine Herkunft wird in Sagen und Legenden beschrieben. Seine Verwendung als Denkmal ist anhand von Überlieferungen und historischen Fotografien belegt. Dennoch bleibt heute die Frage nach dem Verbleib des sogenannten "Jahrhundertdenksteins".
In ihrem 1949 erschienenen Werk "Celler Sagen aus Stadt und Land" berichten Paul Alpers und Georg Breling vom Riesenstein im Linhop bei Gockenholz. In weiteren Sammlungen niedersächsischer Sagen und Legenden taucht die Erzählung zur Mitte des 20. Jahrhunderts ebenfalls auf.
Der Sage nach soll ein Riese namens Roland, der einst bei Celle wohnte, mit anderen Riesen, die allerdings bei Höfer lebten, im Streit gewesen sein. Um die Festung der verfeindeten Riesen zu zerstören, soll Roland versucht haben einen schweren Stein nach Höfer zu schleudern. Das Vorhaben misslang - der Stein war so schwer, dass die Schleuder bzw. eine Kette riss und der Stein nur bis nach Gockenholz flog und dort in der Feldmark "im Linhop" liegen blieb.
Weiter heißt es bei Alpers/Breling, dass der riesige Stein dort von Birken umwachsen bis ins Jahr 1913 liegen blieb. Dann habe ihn der seinerzeitige Besitzer der Gemeinde Lachendorf zur Errichtung des Denkmals zur Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig geschenkt, heißt es bei Alpers und Breling weiter. Der Stein habe 25 Zentner (1,25 Tonnen) gewogen.
Zugegeben: diese Geschichte klingt zunächst als wäre sie frei erfunden. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass sie zumindest in Teilen auf einen wahren Kern zurückgeht.
Bild: die alte Feldflur "Auf dem Linhop" bei Gockenholz. Quelle: Karte von der Feldmark Gockenholz, 1853.
Auf historischen Karten sind nördlich von Gockenholz noch im 19. Jahrhundert die Flurbezeichnungen "Das Linhopsgehäge" sowie "Auf dem Linhop" zu finden. Diese Bezeichnung ist bereits an sich bemerkenswert, denn sie könnte auf eine alte Hofstelle ("Hop") hindeuten. Woher diese auffälligen Flurnamen stammen wird im "Celler Flurnamenbuch", das Paul Alpers und Friedrich Barenscheer 1952 veröffentlichten, nicht aufgelöst. Sie erwähnen darin lediglich, dass die Flurbezeichnung auf den Namen "Lindow" (1678) zurückzuführen sei. Für die Zusammenhänge um den Jahrhundertdenkstein ist dies jedoch nicht weiter von Belang.
Es stellt sich die Frage wer den Stein vom "Linhop" abtransportieren ließ. Laut Alpers/Breling war es der seinerzeitige Besitzer der Flächen. Aus den Unterlagen zur Real- und Spezialteilung im Jahre 1853 geht hervor, dass ein Großteil der Flur "Auf dem Linhop" zu diesem Zeitpunkt der damals noch eigenständigen Gemeinde Gockenholz gehört hat. Dies scheint auch nicht weiter verwunderlich - es handelte sich größtenteils um Moor- und Heideland, das ursprünglich als Allmende durch die Allgemeinheit genutzt worden ist. Vereinzelt befand sich in dieser Allmende auch privater Besitz - beispielsweise in Form von Bienenzäunen. Im Zuge der Real- und Spezialteilung kam es zur Aufteilung der Gemeinheiten, die fortan zu größeren Teilen in Privatbesitz übergingen.
Die Auswirkungen dieser Maßnahmen sind noch heute sichtbar. Sobald das Land in Privatbesitz ging, hatten die Eigentümer ein Interesse die Flächen möglichst wirtschaftlich zu nutzen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass der sogenannte Jahrhundertdenkstein in den Jahren bzw. Jahrzehnten nach der Verkoppelung, d.h. der Real- und Spezialteilung, im Zuge der Urbarmachung der Brachflächen von dort abtransportiert worden ist.
Bild: die alte Feldflur "Auf dem Linhop" bei Gockenholz. Quelle: Preuß. Messtischblatt, 1901, public domain; Google Earth.
Wie Alpers und Breling schrieben, soll der tonnenschwere Stein aus der Gockenholzer Feldmark nach Lachendorf transportiert worden sein, um dort ab 1913 als Bestandteil der Denkmals zur Erinnerung an die Völkerschlacht von Leipzig weitere Verwendung zu finden. Die Schlacht bei Leipzig hatte damals einen enormen Stellenwert in der historischen Betrachtung eingenommen. Mit rund 600.000 beteiligten Soldaten handelte es sich bis Anfang des 20. Jahrhunderts um die größte Schlacht bis dato überhaupt. Die Schlacht hatte darüber hinaus eine entscheidende Wende gegen die französischen Truppen sowie deren Verbündete im Rahmen der Befreiungskriege auf deutschem Boden bewirkt. Durch den Sieg der Koalition gegen die Armee unter Napoleon Bonaparte, musste sich diese auf ihren Rückzug begeben. Die Schlacht bei Leipzig läutete damit das Ende der französischen Fremdherrschaft Hierzulande ein.
Bemerkenswert ist, dass Lachendorf im Jahr 1913 ein eigenes Denkmal in Erinnerung an das einhundertjährige Gedenken an die Völkerschlacht erhielt. Auf der Spitze des Denkmals befand sich offenbar der tonnenschwere Findling aus der Gockenholzer Feldmark. Der sogenannte "Jahrhundertdenkstein" diente unter anderem als Postkartenmotiv.
Bild: Postkartenmotiv des Jahrhundertdenksteins in Lachendorf. Quelle: Postkarte, 1914.
Das Lachendorfer Denkmal wies bereits optisch offenbar deutliche Ähnlichkeiten zum Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig auf, das am 18. Oktober 1913 eingeweiht wurde. Auch das Lachendorfer Denkmal wurde im Jahr 1913 eröffnet. Ebenso scheint die Form des Lachendorfer Denkmals an sein Pendant in Leipzig angelehnt worden zu sein.
Die Spur des Jahrhundertdenksteins lässt sich aber noch weiter verfolgen. Eine weitere Ansicht zeigt das Denkmal mutmaßlich auf dem alten Platz vor dem Rathaus. Die Aufnahme muss nach 1918 entstanden sein, denn auf dem Denkmal ist bereits eine Gedenktafel für die Opfer des Ersten Weltkrieges angebracht worden.
Von der Perspektive scheint es als wäre das Bild aus fast demselben Winkel wie die Aufnahme aus dem Jahr 1914 entstanden. Die leicht abgeflachte Kante des großen Findlings auf der Spitze lässt diesen Schluss jedenfalls zu. Aber: die Anordnung der aufgeschichteten Steine passt nicht zueinander. Wurde das Denkmal zwischenzeitlich versetzt? Auch die Gebäude im Hintergrund unterscheiden sich. Die neuere Aufnahme scheint außerdem vor ausgewachsenen Nadelbäumen entstanden zu sein, während auf jener Aufnahme aus dem Jahr 1914 im Hintergrund eindeutig Laubbäume zu erkennen sind.
Bild: Der alte Platz vor dem Rathaus mit dem sogenannten Jahrhundertdenkmal. Quelle: Martin Wittmann, Kurt W. Seebo, Lachendorf - Beiträge zur Geschichte des Dorfes, S. 172.
Die Lachendorfer Ortschronik von Martin Wittmann und Kurt-Werner Seebo liefert einen Hinweis darauf, was aus dem alten Denkmal geworden ist. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gab es offenbar Überlegungen eine weitere Gedenktafel für die Opfer des Krieges am Denkmal anzubringen. Eine entsprechende Tafel wurde am Volkstrauertag im Jahr 1959 auch befestigt.
Allerdings musste das Denkmal im bereits im Jahr 1967 im Zuge der Verlegung der Ortsdurchfahrt weichen. Es wurde daher - unter Mithilfe von Soldaten der Bundeswehr aus Munster - im Juli 1967 abgebrochen, berichteten Wittmann und Seebo in der Ortschronik. Am Rehrkamp wurde wenig später eine neue Gedenkstätte mit drei großen Beton-Stelen durch die Firma Claussen gestaltet. An diesen Stelen wurden die Tafeln zum Gedenken an den einhundertjährigen Jahrestag der Völkerschlacht, an den Ersten Weltkrieg sowie an den Zweiten Weltkrieg montiert. Die neue Gedenkstätte am Rehrkamp wurde am Volkstrauertag im Jahr 1968 eingeweiht.
Bild: heutiges Denkmal in der Spitze Westerberg/Rehrkamp in Lachendorf. Quelle: Altmann, 2021.
Die Frage nach dem Verbleib des im Jahr 1913 errichteten Denkmals wäre damit geklärt. Doch wo blieb der Jahrhundertdenkstein? Seine ursprüngliche Herkunft und sein letztlicher Verbleib geben somit bis heute Rätsel auf.
H. Altmann
Ich will ja nicht besserwisserisch klingen..... Aber 25 Zentner sind 1,25t da ein Zentner 50kg
AntwortenLöschenZumindest in unserem gebrauch.
LöschenDas ist völlig richtig. Es lag fälschlicherweise eine Verwechselung mit einem "Doppelzentner" vor ;-)
AntwortenLöschen😉
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