f DWH Unterlüß ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Donnerstag, 15. November 2018

DWH Unterlüß


Während des Zweiten Weltkriegs wuchs Unterlüß von einem beschaulichen Dorf zu einer beträchtlichen Siedlung heran. Bis heute finden sich aus dieser Zeit noch zahlreiche Spuren und Relikte - gelegentlich fallen diese auf den ersten Blick gar nicht mehr so sehr auf, wie beispielsweise das ehemalige Siedlungsgelände des einzigen "Deutschen Wohnungshilfswerks"... 

In unmittelbarer Nähe der Siedlung "am Hochwald", die sich heute gegenüber vom Allwetterbad in Unterlüß befindet, soll es noch Reste von Fundamenten geben, die aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs stammen. Ehemalige Anwohner erinnert sich, dass die gesamte Siedlung früher einmal eingezäunt gewesen sei. Darüber hinaus habe es Schächte zu einer Kanalisation gegeben, die allerdings kurz nach Kriegsende zugeschüttet wurden, weil Kinder sie immer wieder als Spielgelände nutzten. Worum handelte es sich bei diesen Anlagen? Eine Spurensuche. 

Bild: Siedlung am Hochwald, Unterlüß. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Auf den ersten Blick wirkt die Siedlung am Rande von Unterlüß sehr beschaulich. Man trifft hier auf kleinere, einstöckige Gebäude mit kleinen Anbauten umgeben von überschaubaren  Gartenparzellen. Hinter der ersten Hausreihe schließt sich eine weitere an - dahinter beginnt der Wald. Zunächst scheint es, als würde es sich um eine ganz normale Wohnsiedlung zu handeln. 

Historische Luftbilder, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs von alliierten Aufklärungsflugzeugen aufgenommen wurden, belegen jedoch, dass die heute beschauliche Wohnsiedlung ursprünglich offenbar viel größer angelegt werden sollte. Die Straßen, die diese Siedlung damals begrenzen sollten, umfassen ein ca. 12 ha großes Areal. 

Bild: Siedlung am Hochwald, Unterlüß. Quelle: Luftbild 1945; Google Earth. 

Die Siedlung am Hochwald befand sich gegen Ende des Krieges offenbar im Aufbau - sie in Karten allerdings nur in Teilen verzeichnet. Die in der Nachkriegszeit erschienenen Flächennutzungspläne geben wenig Aufschluss zur historischen Nutzung. Topografische Karten zeigen ebenfalls nur den erhalten gebliebenen Bebauungszustand. Gesonderte Karten weisen diesen Bereich lediglich als "D.W.H." aus. 

Bild: Siedlung am Hochwald, Unterlüß. Quelle: Messtischblatt 1952; Google Earth. 

Das Deutsche Wohnungshilfswerk (DWH) war 1943 ins Leben gerufen worden, um dem immer stärker werdenden Wohnungsnotstand zu begegnen. Zu dieser Zeit waren bereits zahlreiche Städte durch alliierte Bombardierungen betroffen - hunderttausende Gebäude waren zerstört, etliche Menschen hatten kein festes Dach mehr über dem Kopf. 

Um dem ansteigenden Notstand Einhalt zu gebieten wurde das DWH gegründet. Örtliche Gauleiter der NSDAP wurden zu sogenannten Gauwohnungskommissaren erklärt und mit der Lenkung der Aktion beauftragt. Der Schwerpunkt lag auf der örtlichen Instanz - Ortsgruppenleiter und Bürgermeister waren für eine rasche und erfolgreiche Durchführung der Maßnahmen verantwortlich. 

In einem am 22.09.1943 ergangenen Schreiben zur "Errichtung von Behelfswohnheimen für Luftkriegsbetroffene" benannte der Reichswohnungskommissar Dr. Ley konkrete Punkte der Durchführung des Behelfswohnheimprogramms. 

Bild: Briefkopf, DWH. Quelle: Schreiben zur Errichtung von Behelfsheimen für Luftkriegsbetroffene, 22.09.1943. 

Das vorliegende Schreiben umfasst allgemeine Hinweise zur Organisation, den Bauherren sowie zur Bauwortwahl, Geländefragen und zu verschiedenen Typen der Behelfsheime. Es sollte insbesondere Wert auf möglichst weitgehende luftschutzmäßige Sicherung der künftigen Bewohner gelegt werden. Das Hauptaugenmerk wurde daher auf Dörfer und Kleinstädte gelegt, die "durch aufgelockerte Bauweise von vornherein gegen Luftangriffe unempfindlicher sind als die Großstädte." 

     

Bild: Schreiben zur Errichtung von Behelfsheimen für Luftkriegsbetroffene, 22.09.1943. 


Für den Bau der Behelfsheime wurden allerdings lediglich Vorlagen ausgehändigt und sogenannte "Baufibeln" in Umlauf gebracht. Es gab bei der konkreten Umsetzung somit gewisse Spielräume und Unterschiede. Dies wird auch darin deutlich, dass es sich beim DWH und "namentlich bei der Errichtung der Behelfsheime um Aufgaben handelt, die nicht mit den üblichen Methoden des sogenannten Geschäftsganges gemeistert werden können, sondern ein völlig unbürokratisches (...) Handeln erfordern." 

Die Weisungen des Reichswohnungskommissars waren daher insoweit bewusst "elastisch gefasst, dass sie für ein initiatives und selbstverantwortliches Handeln genügend Raum" ließen. 

Rechtlich wurde der entsprechende Raum insbesondere dadurch geschaffen, indem für den Bau der Behelfsheime die bestehenden baubehördlichen Genehmigungsverfahren weitgehend außer Kraft gesetzt wurden. 

Bild: Schreiben zur Errichtung von Behelfsheimen für Luftkriegsbetroffene, 22.09.1943. 

Auch an die Gemeinden im Kreis Celle wurde dieses Schreiben des Reichswohnungskommissars nebst einer beiliegenden Broschüre des DWH zum Behelfsheimbau versendet. 

Die Broschüre beinhaltet unter anderem den Aufbau, Grundriss und die Raum- bzw. Grundstücksaufteilung eines mustermäßigen Behelfsheims. 

Bild: Broschüre Behelfsheimbau, DWH. Quelle: Archiv H. Altmann. Hinweis: Symbole nach § 86a StGB entfernt. 

Bild: Broschüre Behelfsheimbau, DWH. Quelle: Archiv H. Altmann. Hinweis: Symbole nach § 86a StGB entfernt. 

Die Fensterwand sollte demnach nach Süden oder Südwesten ausgerichtet werden. Dies ist in der Siedlung am Hochwald in Unterlüß der Fall. An die Eingangsseite sollte sich ein kleiner Wirtschaftshof mit Garten anschließen. 

Die Ausführung des Grundmauerwerks, der Wände und des Daches konnte in verschiedensten Werkstoffen und Bauweisen erfolgen. Gleiches galt ebenfalls für den Fußboden. 

                
Bild: Broschüre Behelfsheimbau, DWH. Quelle: Archiv H. Altmann. 

Hinsichtlich des Grundrisses bestanden ebenfalls einige allgemeine Vorgaben. Als Ausstattung sollte das Behelfsheim zumindest einen Windfang, eine Wohnküche mit Schlafgelegenheit für die Eltern und eine Kammer für die Kinder umfassen. Die Ausstattung war laut vorliegender Broschüre "mit alten und neuen Möbeln möglich." 

Bild: Broschüre Behelfsheimbau, DWH. Quelle: Archiv H. Altmann.

Die Aufteilung des Grundstücks war recht einfach, platzsparend und wirtschaftlich gehalten. Während das eigentliche Behelfsheim rund ein Drittel der Grundstücksfläche einnehmen sollte, bot das verbleibende Areal Platz für Beerensträucher, einen Gemüse- und Obstgarten sowie eine kleine Rasenfläche. 

Die Toilette war in einem kleinen Schuppen außerhalb des Behelfsheims zu finden. Dieser diente ansonsten zur Aufbewahrung von Geräten. Auch ein Kleintierstall fand auf dem begrenzten Anwesen Platz. 

Bild: Broschüre Behelfsheimbau, DWH. Quelle: Archiv H. Altmann.

Die Siedlung am Hochwald in Unterlüß wurde ab 1943 errichtet, wie zeitgenössische Karten belegen. Diesen zufolge war ursprünglich eine Fläche von ca. 12 ha für die Anlage der Behelfsheime vorgesehen. Historische Luftbilder legen nahe, dass bereits umfangreiche Baumaßnahmen angestrengt wurden, um das Areal möglichst weitläufig zu erschließen. 

Allerdings kam es bis April 1945 nicht mehr zur Errichtung der DAW Siedlung. Lediglich ein kleiner Teil - ca. ein Fünftel - der angestrebten Behelfsheime wurden bis Kriegsende  auf der Fläche im Jagen 361 in Unterlüß fertiggestellt. 

Bild: Siedlung am Hochwald, Unterlüß. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Auch wenn nur ein Bruchteil der geplanten Fläche bebaut wurde, bestand bereits die Infrastruktur für weitere Behelfsheime. Ehemalige Anwohner erinnerten sich, dass im nordwestlichen Teil der Anlage außerdem ein Findling aufgestellt worden war, in den ein Hakenkreuz eingraviert war. 

Mittlerweile ist hiervon nichts mehr zu finden - auch der ursprüngliche Baubestand ist nur noch teilweise erkennbar. Einige Gebäude wurden inzwischen neu errichtet bzw. äußerlich stark verändert. 

Bild: Siedlung am Hochwald, Unterlüß. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Im rückwärtigen Teil der Siedlung zeugen noch eingelassene Betonfundamente von der Zeit in der die Gebäude errichtet worden sind. Offenbar befand sich hier einst eine Umzäunung. 

Bild: Zaunfundament, Siedlung am Hochwald, Unterlüß. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Die einstigen Begrenzungswege der Anlage sind ebenfalls nur noch bei genauem Hinsehen erkennbar. Sie verlaufen heute noch genau so, wie auf den historischen Luftaufnahmen. Die Wege wurden früher offenbar grob im Gelände abgeschoben und verfügen heute noch über auffällige Böschungen. 

Bild: Begrenzungsweg, Siedlung am Hochwald, Unterlüß. Quelle: H. Altmann, 2018. 

Insgesamt zeigt sich in der Siedlung am Hochwald in Unterlüß, wie unscheinbar die Relikte aus jener Zeit mittlerweile geworden sind. Nach Kriegsende wurden die Gebäude vielfach von Flüchtlingsfamilien belegt. Selbst deren Nachfahren ist heute der historische Hintergrund der einstigen DWH Siedlung regelmäßig nicht mehr geläufig. 

Unterlüß verfügt noch heute über einen erheblichen Gebäudebestand aus der Zeit des Dritten Reiches. Wie in diesem Beitrag gezeigt werden konnte, war vor Ort ebenfalls das Deutsche Wohnungshilfswerk anzutreffen. 

H. Altmann




1 Kommentar:

  1. Auch ich wohnte zusammen mit Mutter und Schwester in solch einem Behelfsheim, und zwar in der Ausführung mit Holzwänden.So hatte das Wohn-Küchenzimmer nur ein Fenster, und das kleine Schlafzimmer ebenfalls ein Fenster, jedoch neben dem Eingang mit dem großen Vordach. Mein Großvater hatte es uns geschenkt. Die Adresse war, Am Eichenhain Nr 4, gegenüber des Friedhofes. Wer kann sich noch erinnern, das eines Tages alle Bewohner zwangsevakuiert wurden. Wir wurden auf Lastwagen in verschiedene, weit entfernte Orte verteilt. Wir kamen nach Ostedt bei Uelzen. Würde mich über Antworten sehr freuen. Gruß, Walter Meier

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