Mit militärischen Gefangenenlagern wird heute vornehmlich die Zeit des Zweiten Weltkriegs in Verbindung gebracht. Häufig gerät dabei in Vergessenheit, dass bereits im Ersten Weltkrieg ein organisiertes System von Lagern für Kriegsgefangene gegeben hat. Nun wurde im Celler Bomann-Museum eine neue Ausstellung eröffnet, die sich mit vier Lagern befasst, die sich einst vor den Toren der Stadt Celle - und sogar im Celler Schloss - befanden...
Am Freitag, den 25.05.2018 fand im großen Festsaal des Celler Schlosses die feierliche Vorstellung und anschließende Eröffnung der neuen Ausstellung "Hinter Stacheldraht" statt. Nach Grußworten von Jan Philipp Reemtsma, des Museumsdirektors Dr. Jochen Meiners, des Bürgermeisters Heiko Gevers sowie Erläuterungen von Prof. Dr. Jochen Oltmer (Universität Osnabrück) und der Kuratorin der Ausstellung, Hilke Langhammer, öffneten die Ausstellungsräume im Celler Bomann-Museum erstmalig für Besucher ihre Pforten.
Bild: Jan Philipp Reemtsma spricht im großen Festsaal des Celler Schlosses. Quelle H. Altmann.
Hilke Langhammer hatte für die Recherchen zur neuen Ausstellung keine Mühen gescheut - neben detaillierten Auswertungen von Archivbeständen besuchte sie unter anderem die Nachfahren ehemaliger Häftlinge im europäischen Ausland. Am Ersten Weltkrieg waren 40 Staaten direkt bzw. indirekt beteiligt - rund 70 Mio. Soldaten wurden insgesamt mobilisiert. Es handelte sich damit seinerzeit um den gewaltigsten jemals da gewesenen Konflikt, der bis dato ungeahntes Leid verursachte, als Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts in die Geschichte einging und völlig neue Maßstäbe darin setzte, was Menschen anderen Menschen antuen können.
Umso erfreulicher ist es, dass sich im Rahmen der aktuellen Ausstellung ein reger Austausch zwischen den ehemals feindlich gesonnenen Nationen entwickelt hat. So erhielt Hilke Langhammer für die Ausstellung zahlreiche Exponate als Leihgaben von den Angehörigen ehemaliger Lagerinsassen. Zum Festakt im Celler Schloss waren zudem viele Angehörige angereist - es war somit auf gewisse Weise auch ein europäisches Event.
Zu der Ausstellung wurde vom Bomann-Museum ein entsprechender Begleitband herausgegeben, in dem die Zusammenhänge und Hintergründe der Lager und der Kriegsgefangenschaft im Ersten Weltkrieg von verschiedenen Autoren eingehend dargestellt werden.
Prof. Dr. Jochen Oltmer setzt sich darin mit den Kriegsgefangenenlagern im Europa des Ersten Weltkriegs auseinander. Hilke Langhammer verfasste einen Beitrag über das Celler Schloss als Internierungslager für "Feindstaatenausländer". Rainer Voss (Kreisarchiv Celle) verfasste, unter Beteiligung von Anja Ittrich (Kreisarchiv Celle), einen ausführlichen Beitrag über das Kriegsgefangenenlager in Scheuen bei Celle. Rolando Anni befasste sich in seinem Textbeitrag mit den italienischen Kriegsgefangenen im Cellelager 1917-1919. Carlo Perucchetti schrieb über italienische Musik und Musiker während der Gefangenschaft im Ersten Weltkrieg. Florian Friedrich widmet seinen Beitrag Celle im Ersten Weltkrieg und schildert die Ereignisse aus Celler Sicht im Spiegel der Celleschen Zeitung. Das Celler Stadtarchiv, unter der Leitung von Sabine Maehnert, leistete für die Recherchen ebenfalls einen wichtigen Beitrag. Abgerundet wird der Begleitband durch Biografien von ehemals Internierten im Celler Schloss.
Vielen Cellern werden die Zusammenhänge um das ehemalige Kriegsgefangenenlager Scheuen sowie der weiteren Lager im Raum Celle nicht geläufig sein. Am 11. November 2018 jährt sich der Waffenstillstand von Compiégne zum 100. Mal. Es liegt also schon eine ganze Weile zurück, dass im Raum Celle tausende Kriegsgefangene untergebracht waren.
Die aktuelle Ausstellung informiert anschaulich und detailliert über den Alltal im sogenannten "Celle-Lager" bei Scheuen und über die oft gegensätzlichen Verhältnisse im Lageralltag der Inhaftierten im Celler Schloss. Es ist daher sehr anzuraten sich die Ausstellung, die noch bis zum 11.11.2018 gezeigt wird, einmal anzuschauen. Ein Vorgriff auf die Ausstellung soll in diesem Beitrag daher nicht erfolgen - vielmehr sollen grundlegende Informationen an die Hand gegeben werden sowie einige Impressionen, wie es vor Ort heute ausschaut.
Wo sich einst die Baracken des Celle-Lagers befanden sind mittlerweile längst Wohnhäuser gebaut worden. Bis auf einen Gedenkstein und den einstigen Lagerfriedhof sind keine Spuren des einstigen Kriegsgefangenenlagers mehr vorhanden. Dabei waren die Dimensionen des Lagers früher durchaus so beeindruckend, dass sich sogar einige Celler neugierig auf den Weg nach Scheuen machten, um die dort entstandene Barackenstadt in Augenschein zu nehmen.
Das Lager befand sich unmittelbar südlich des Dorfes Scheuen und war durch die heutige L 240 sowie die bestehende Bahnverbindung infrastrukturell günstig gelegen. Zunächst war man auf eine größere Anzahl Kriegsgefangener nicht vorbereitet - die deutsche Generalität hatte zugesichert, dass ein siegreicher Ausgang des Krieges bis Weihnachten 1914 möglich sei.
Als es schließlich anders kam, sich der Krieg im Westen zum Stellungskrieg entwickelte und auch die Zahl der Gefangenen an den Fronten im Osten und Süden stetig zunahm, entstanden im Reichsgebiet rund 175 zentrale Lager - eines von ihnen war jenes bei Scheuen. Es waren hier insbesondere italienische Kriegsgefangene aus der 12. Isonzoschlacht untergebracht.
Der Lagerkomplex maß eine Fläche von ca. 432 Quadratkilometern. Er war auf einer Heidefläche südlich von Scheuen angelegt worden und verfügte über alle Einrichtungen, die zur Unterbringung einer großen Anzahl Häftlingen notwendig war. Insbesondere waren Küchen und eine Wäscherei vorhanden. In den Kriegsjahren waren insgesamt rund 30.000 Häftlinge im Celle-Lager untergebracht, wobei die maximale Belegung 10.000 Häftlinge offenbar nicht überschritt.
Die Gefangenen wurden auf Arbeitsstellen in der Umgebung verteilt. Neben dem Stammlager bei Scheuen gab es weitere Lager bei Müggenburg, im Hahnenmoor sowie bei Eschede. Bei Räderloh gab es einst ebenfalls ein Kriegsgefangenenlager im Postmoor.
Als es schließlich anders kam, sich der Krieg im Westen zum Stellungskrieg entwickelte und auch die Zahl der Gefangenen an den Fronten im Osten und Süden stetig zunahm, entstanden im Reichsgebiet rund 175 zentrale Lager - eines von ihnen war jenes bei Scheuen. Es waren hier insbesondere italienische Kriegsgefangene aus der 12. Isonzoschlacht untergebracht.
Der Lagerkomplex maß eine Fläche von ca. 432 Quadratkilometern. Er war auf einer Heidefläche südlich von Scheuen angelegt worden und verfügte über alle Einrichtungen, die zur Unterbringung einer großen Anzahl Häftlingen notwendig war. Insbesondere waren Küchen und eine Wäscherei vorhanden. In den Kriegsjahren waren insgesamt rund 30.000 Häftlinge im Celle-Lager untergebracht, wobei die maximale Belegung 10.000 Häftlinge offenbar nicht überschritt.
Die Gefangenen wurden auf Arbeitsstellen in der Umgebung verteilt. Neben dem Stammlager bei Scheuen gab es weitere Lager bei Müggenburg, im Hahnenmoor sowie bei Eschede. Bei Räderloh gab es einst ebenfalls ein Kriegsgefangenenlager im Postmoor.
Bild: Planskizze vom Celle-Lager. Quelle: Veröffentlicht mit Genehmigung von Carlo Perucchetti.
Heute gibt es so git wie keine Spuren mehr von dem Lagerkomplex bei Scheuen. Die Holzbaracken wurden längst abgetragen. Auf einem Teilbereich des ehemaligen Areals wurde der Segelflugplatz errichtet. Lediglich der Lagerfriedhof und ein Gedenkstein erinnern noch an das einstige Celle-Lager.
Auf historischen Luftbildern und der nach diesen angefertigten Karte des britischen War Office von 1945 sind noch Wege und Gebäude zu erkennen.
Auf historischen Luftbildern und der nach diesen angefertigten Karte des britischen War Office von 1945 sind noch Wege und Gebäude zu erkennen.
Bild: Kartenoverlay Celle-Lager. Quelle: War Office 1945; Google Earth.
Allerdings ist unklar, ob die Baracken des Celle-Lagers tatsächlich noch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs erhalten geblieben sind. Wahrscheinlicher ist, dass vor Ort Unterkünfte für Arbeiter der Heeresmunitionsanstalt eingerichtet worden sind. Von den ursprüngliche Baracken wurde sicherlich einiges an Material für den Aufbau der umliegenden Neubauen verwenden. Hierzu könnten auch die Barackenbauten am Waldkater - am ehemaligen Feldflugplatz Hustedt - zählen.
Beim Vergleich der historischen Karten mit aktuellen Luftaufnahmen erkennt man, dass lediglich ein Teilbereich des ehemaligen Lagers überbaut worden ist. Den restlichen Bereich nehmen heute der Segelflugplatz sowie einige Waldflächen ein.
Allerdings ist unklar, ob die Baracken des Celle-Lagers tatsächlich noch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs erhalten geblieben sind. Wahrscheinlicher ist, dass vor Ort Unterkünfte für Arbeiter der Heeresmunitionsanstalt eingerichtet worden sind. Von den ursprüngliche Baracken wurde sicherlich einiges an Material für den Aufbau der umliegenden Neubauen verwenden. Hierzu könnten auch die Barackenbauten am Waldkater - am ehemaligen Feldflugplatz Hustedt - zählen.
Beim Vergleich der historischen Karten mit aktuellen Luftaufnahmen erkennt man, dass lediglich ein Teilbereich des ehemaligen Lagers überbaut worden ist. Den restlichen Bereich nehmen heute der Segelflugplatz sowie einige Waldflächen ein.
Bild: Scheuen; Bereich des ehem. Celle-Lager. Quelle: H. Altmann, 2017.
Im Gelände hat die Natur längst jede Spur des einstigen Lagers vereinnahmt. Spuren, wie Geländevertiefungen oder verbliebene Baulichkeiten sucht man vergeblich. Bei näherer Betrachtung der vorhandenen Bilder des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers verwundert dieser Umstand nicht - die Baracken bestanden größtenteils aus Holz. Was an verwertbarem Material noch vorhanden gewesen ist, wurde offenbar von der umliegenden Bevölkerung abtransportiert.
Bild: Bereich des ehem. Celle-Lagers heute. Quelle: H. Altmann, 2017.
In einem Teil des einstigen Lagerareals befindet sich heute eine Kiefernschonung, sodass auch im unbebauten Bereich alle sichtbaren Spuren verwischt sind. Im Bereich des heutigen Segelflugplatzes sind natürlich ebenfalls keine baulichen Relikte mehr zu erkennen.
Bild: Bereich des ehem. Celle-Lagers heute; Segelflugplatz Scheuen. Quelle: H. Altmann, 2017.
Im Abgleich der historischen Karten sowie der vorliegenden Luftbilder aus dem Jahr 1945 sind auf den Flächen südlich von Scheuen noch entsprechende Baulichkeiten vorhanden gewesen. Allerdings ist über die Nachnutzung der Barackenbauten bisher wenig bekannt.
Im Abgleich der historischen Karten sowie der vorliegenden Luftbilder aus dem Jahr 1945 sind auf den Flächen südlich von Scheuen noch entsprechende Baulichkeiten vorhanden gewesen. Allerdings ist über die Nachnutzung der Barackenbauten bisher wenig bekannt.
Bild: Bereich des ehem. Celle-Lagers heute; Segelflugplatz Scheuen. Quelle: H. Altmann, 2017.
Die heute noch vorhandenen Wege haben nichts mehr gemein mit den einstigen Lagerstraßen. Das Gelände war damals völlig frei von Bäumen - die heute bestehenden Wegverläufe werden somit erst später entstanden sein.
Bild: Bereich des ehem. Celle-Lagers heute. Quelle: H. Altmann, 2017.
Die Kriegsgefangenen wurden unter anderem in der Landwirtschaft und für besondere Bauprojekte eingesetzt. Insbesondere führten sie Meliorationsarbeiten in der Umgebung aus und halfen so die umliegenden Moore in nutzbares Land umzuwandeln. Das Lager in Scheuen war somit nicht der einzige Mittelpunkt - vielmehr waren es die einzelnen Arbeitsstellen auf denen die Häftlinge eingesetzt waren.
Bild: Bereich des ehem. Celle-Lagers heute. Quelle: H. Altmann, 2017.
In Scheuen erinnert heute nur noch ein Gedenkstein an das Vorhandensein des einstigen Lagers. Dieser befindet sich am Hermannsburger Weg und weist darauf hin, dass die Straße von Häftlingen des Celle-Lagers errichtet wurde.
Bild: Scheuen - Blick in Richtung des ehem. Celle-Lagers heute. Quelle: H. Altmann, 2017.
Geblieben ist zudem noch der alte Friedhof des Lagers inmitten des heutigen Wohngebiets. Rund 250 Häftlinge starben insgesamt im Celle-Lager - nicht zuletzt bedingt durch die schlechte Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten.
Da vor Ort kaum noch sichtbare Spuren vorhanden sind und keine Zeitzeugen mehr von den Ereignissen berichten können, ist es umso wichtiger an das Geschehen zu erinnern. Die neue Ausstellung im Celler Bomann-Museum zeigt die Geschichte des Celle-Lagers sehr detailliert und anschaulich aufbereitet. Durch die vielen ausgestellten Exponate ist die Ausstellung auf mehreren Ebenen interessant und regt den Besucher zum Staunen - aber auch zum Nachdenken an.
Ein Ziel der Ausstellung ist es die unterschiedlichen Abläufe in den Celler Kriegsgefangenenlagern aufzuzeigen. Während die Häftlinge in Scheuen oft an Unterversorgung und den prekären Zuständen des Lageralltags litten, konnten die Häftlinge, die im Celler Schloss untergebracht waren, weitergehende Privilegien in Anspruch nehmen. Bei den letztgenannten handelte es sich vorwiegend um Zivilisten und militärische Gefangene von höherem Stand.
In mehreren Abschnitten werden mithilfe unterschiedlicher Medien die historischen Zusammenhänge erläutert. Zeitgenössische Fotografien runden die Schautafeln und Erläuterungen ab, sodass insgesamt ein gutes Verhältnis von Bild und Text getroffen wurde.
Detaillierte Hintergrundinformationen zu den Celler Lagern im Ersten Weltkrieg sind darüber hinaus dem Begleitband zur Ausstellung sowie dem Werk "Die Baracke der Dichter" von Oskar Ansull zu entnehmen.
Bild: Bücher zum Celle-Lager und weiteren Gefangenenlagern im Raum Celle.
Weitere Hinweise finden sich auf der Webseite von Carlo Perucchetti zum Celle-Lager und der Seite des Celler Bomann-Museums.
H. Altmann
Bei google earth kann man auf dem Segelflugplatz Fundamentspuren erkennen! Herzliche Grüße Hilke Langhammer
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