f Das alte Klein Hehlen...? ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Montag, 6. November 2017

Das alte Klein Hehlen...?


Mitten im Celler Stadtteil Klein Hehlen - etwas abseits des Bremer Wegs - befindet sich ein kleines Waldstück, das bisher scheinbar fast unberührt geblieben ist. Das könnte sich jedoch in Zukunft ändern, denn eine Änderung des Bebauungsplans ist auf dem Weg. Ein Grund mehr, die Geschichte des Wäldchens näher zu betrachten...

Mit Beschluss vom 28.09.2017 stellte der Rat der Stadt Celle die Weichen für die Planung eines neuen Wohngebietes südwestlich des Bremer Weges zwischen Zugbrückenstraße im Westen und dem Klein Hehlener Bach im Osten. Den südlichen Rand des neuen, zentrumsnahen Wohngebietes soll die vorhandene Wohnbebauung entlang des Straßenzuges "Kaninchengarten" bilden. Das geplante Areal liegt damit mitten im heutigen Stadtteil Klein Hehlen. 

Bild: geplantes Wohngebiet in Klein Hehlen. Quelle: Luftbild 2014, H. Altmann. 

Kurz darauf regte sich Protest im angrenzenden Stadtteil - eine Bürgerinitiative sammelte mehr als 250 Unterschriften (CZ. v. 06.10.2017). Die Initiatoren fürchten um "die letzte grüne Lunge" Klein Hehlens, so berichtete die Cellesche Zeitung

In der Tat ist die ca. 3 ha große Fläche eine Art "grünes Relikt" innerhalb Klein Hehlens. Historisch gesehen hat dieser Ort einiges zu bieten, wie sich in den nachfolgenden Untersuchungen zeigen wird. 

Der einzige Zugang zu dem eingezäunten Gelände befindet sich an der Zugbrückenstraße. Hier ist eine Zufahrt, die derzeit genutzt wird, um zu den Weideflächen für Pferde auf dem Gelände zu gelangen. 

Bild: Zugang an der Zugbrückenstraße in Klein Hehlen. Quelle: H. Altmann. 

Die Pferdeweisen nehmen aber nur einen überschaubaren Bereich des Areals ein. Der Großteil des Geländes ist mit einem Mischbestand aus Kiefern, Eichen und Strauchwerk bewachsen. Größere Aufforstungsmaßnahmen sind bisher nicht erfolgt. 

Während die Weideflächen recht eben sind, befinden sich in den von Bäumen bestanden Bereichen natürliche Sanddünen, die teilweise eine beachtliche Höhe und Ausdehnung aufweisen. 

Bild: Pferdeweiden. Quelle: H. Altmann. 

Wie historische Karten belegen, befand sich früher ein Schießstand, bzw. eine Schießbahn, auf dem Gelände - im Bereich der heutigen Weideflächen. Dies erklärt auch, warum die natürlichen Sanddünen nur noch in den Randbereichen vorhanden sind. Es war früher nicht unüblich die Schießplätze aus Sicherheitsgründen in Dünengebieten anzulegen. 

Da sich das Schützenhaus an der Ecke Zugbrückenstraße - Bremer Weg in unmittelbarer Nähe befindet, ist anzunehmen, dass es sich auch um einen zivil genutzten Schießstand gehandelt hat. Im Zweiten Weltkrieg diente die Schießbahn allerdings auch militärischen Zwecken. Infanterieeinheiten aus den Celler Kasernen marschierten regelmäßig zum Üben zum Klein Hehlener Schießstand. 

Bild: Schießstand Klein Hehlen. Quelle: Google Earth, Messtischblatt 1942. 

Noch bis Kriegsende sollen Übungen auf dem Schießplatz abgehalten worden sein. Aus jener Zeit stammen vermutlich auch die bis heute sichtbaren baulichen Reste der einstigen Anlagen. Es handelte sich dabei wohl um Lagerbunker für Waffen oder Munition. 

Als nach Kriegsende die Celler Kasernen von britischen Truppen übernommen wurden, nutzten diese den Schießplatz in Klein Hehlen weiter. Noch heute sind an einigen Stellen Schützengräben aus diesen Tagen im Gelände erkennbar. Die Bunker wurden schließlich von den britischen Truppen beseitigt, bzw. zerstört. Auf Karten aus dem Jahr 1981 sind noch entsprechende Baulichkeiten im Gelände verzeichnet. 

Bild: Schießstand Klein Hehlen. Quelle: Google Earth, DGM 1981. 

Erhalten geblieben ist heute nicht mehr viel von den Bunkern und dem Schießplatz. Nur im Randbereich der Weideflächen erinnert ein Trümmerhaufen aus Stahlbetonklötzen an die einstigen Bunkeranlagen. Man hatte sich scheinbar keine weitere Mühe gegeben die Reste gänzlich abzutragen. 

Bild: Bunkerreste in Klein Hehlen. Quelle: H. Altmann. 

Weiter im hinteren Teil der früheren Schießbahn befindet sich noch eine mit Efeu überwachsene Betonplatte, die vermutlich als Fundament für die Bunker diente. Diese waren sicherlich nur zu Lagerungszwecken errichtet worden und mussten daher lediglich Schutz vor Querschlägern bieten. 

Bild: Bunkerreste in Klein Hehlen. Quelle: H. Altmann. 

Am Klein Hehlener Bach zeigt sich die Tektonik des Geländes sehr deutlich. Ursprünglich bestand vermutlich das gesamte Areal aus den natürlichen Sanddünen. Der Klein Hehlener Bach - früher "Bitschenbeck" - ist ein natürlicher Wasserlauf, der weiter südlich in die Aller mündet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts diente der Bach zur Bewässerung der südlich gelegenen Wiesenflächen. Dort entstand später die Wohnbebauung im Bereich der Straße Kaninchengarten. 

Bild: Klein Hehlener Bach. Quelle: H. Altmann. 

Als sich zwischen Klein Hehlen und der Aller noch ausgedehnte Weiden befanden, war eine künstliche Bewässerung erforderlich. Hierfür wurden im Lauf des Klein Hehlener Bachs künstliche Staustufen eingerichtet. Auch im Areal an der Zugbrückenstraße sind noch Reste einer solchen Staustufe vorhanden. Sogar die Metallelemente, die einst zum Einsatz der Schütten dienten, sind noch vorhanden. 

Bild: Staustufe im Bereich des Klein Hehlener Bachs. Quelle: H. Altmann. 

Neben seiner interessanten Geschichte im 20. Jahrhundert scheint dieser Ort auch noch auf andere spannende historische Zusammenhänge zurückzublicken. Der Celler Heimatforscher Friedrich Barenscheer berichtete in einem Artikel im Sachsenspiegel (CZ. v. 31.03.1950) über untergegangene Dörfer im Raum Celle. Dabei erwähnte er auch den "Teinert" in Klein Hehlen. Diese alte Feldflur befindet sich ebenfalls an der Zugbrückenstraße in Klein Hehlen - genau gegenüber des nun als Wohngebiet geplanten Geländes. 

Der Überlieferung nach standen diesem Bereich die zehn alten Höfe, die einst das ursprüngliche Dorf Klein Hehlen begründeten. Barenscheer schloss in seinen Untersuchungen, dass das alte Dorf Klein Hehlen von Flugsanden und Wanderdünen verschüttet wurde. Dieses Schicksal teilten früher scheinbar noch andere Dörfer, wie bereits gezeigt werden konnte (Suche nach Abbenburen (Hambühren) Klick). Den konkreten Standort des Dorfes konnte Barenscheer zwar nicht nachweisen - mithilfe einer beigefügten Skizze wurden Leser jedoch aufgefordert die Suche nach dem alte Dorf Klein Hehlen fortzusetzen. Dieser Aufforderung kommen wir hiermit gerne nach. 

Bild: Karte des Heimatforschers F. Barenscheer zur Lage des alten Dorfes Klein Hehlen. Quelle: F. Barenscheer, in: der Sachsenspiegel, CZ. v. 31.03.1950. 

Margret Eggers hielt die historische Entwicklung Klein Hehlens in einer handgeschriebenen Chronik im Jahr 1942 fest. Darin erwähnt sie insbesondere die Ausgrabungen im Bereich des "Teinert" und den hiermit vermuteten Standort des alten Dorfes. 

"Auch der Klein Hehlener Bach, dessen altes Flussbett man noch verfolgen kann" ist für Eggers ein Indiz das auf den alten Ort hindeutet. Sie vermutet im Folgenden, dass ein großes Feuer den alten Ort zerstört haben könnte. Auch Barenscheer gab in seinen Aufzeichnungen an, dass im Rahmen der Ausgrabungen Spuren eines Brandes gefunden wurden. Ob es allerdings tatsächlich zehn alte Höfe gab, oder sich eine solche Brandkatastrophe ereignete ist bis heute noch nicht weiter untersucht worden. 


Bild: Auszug Chronik Klein Hehlen. Quelle: Eggers, Mein Heimatort Klein Hehlen, 1942. 

Neben einem Brand kämen wohl noch weitere Ursachen der Verwüstung eines möglichen alten Klein Hehlen in Betracht. In diesem Zusammenhang sind auch die möglichen Einwirkungen durch Sandverwehungen und Wanderdünen beachtenswert. Bereits im Rahmen der Untersuchungen zum alten Ort "Abbenburen" (Hambühren) konnten die historischen Zusammenhänge dargelegt werden. Auch Barenscheer hielt die Möglichkeit, dass der alte Ort Klein Hehlen Wanderdünen weichen musste, für plausibel. Hierfür spräche insbesondere der auffällige Verlauf des Klein Hehlener Baches sowie die vor Ort deutlich erkennbaren Sandablagerungen. 

Der Kulturlandschaftsforscher Florian Friedrich hat die Zusammenhänge der Wanderdünen westlich von Celle bereits untersucht. In einem 2009 erschienenen Zeitungsbeitrag legte Friedrich dar, dass vor rund 300 Jahren Wanderdünen in unserer Gegend durchaus ein reales Problem darstellten. 

Bild: Celle Sand unter - Dünen bedrohten Residenzstadt. Quelle: Friedrich, in: Cellesche Zeitung vom 02.05.2009

Allerdings kann die Zeitangabe von 300 Jahren nicht die Zusammenhänge um das alte Dorf Klein Hehlen erklären. Denn die vermutete Ortslage wäre dann bereits in zeitgenössischen Karten und anderen Überlieferungen wiedergegeben worden. Der Untergang des alten Klein Hehlen muss also weiter zurückliegen - sollte es diesen Ort überhaupt jemals gegeben haben. 

Kartografische Darstellungen können hierbei leider nur bedingt helfen. Erste detaillierte Karten zeigen den Ort Klein Hehlen um 1749 bereits nördlich der Straße von Celle nach Hamburg bzw. Bremen. In Höhe des Klein Hehlener Bachs sind jedoch in dieser Darstellung keine Auffälligkeiten verzeichnet worden. 


Bild: Klein Hehlen um 1749. Quelle: Gsellius, Plan der Stadt Zelle im Lüneburgischen, 1749.

Spätere Karten zeigen den Ort ebenfalls an seinem heutigen Standort nordöstlich des Klein Hehlener Baches. Allerdings zeigt eine Karte aus dem Jahr 1758 die bereits vorhandenen Sanddünen südlich von Klein Hehlen. Beachtenswert ist, dass in der Karte diese Dünen östlich des Klein Hehlener Baches verzeichnet sind. Ist dies vielleicht ein Hinweis, dass die Dünen westlich des Baches erst später entstanden sind? Oder handelt es sich um eine Ungenauigkeit der Karte - diese wäre damals durchaus "üblich" gewesen...


Bild: Klein Hehlen um 1758. Quelle: Plan der Stadt Zelt, 1758.

Möglicherweise ist die Lösung vielschichtiger als bislang angenommen wurde. Hierfür würden ebenfalls die Ergebnisse der bisher stattgefunden Bodenuntersuchungen sprechen. Barenscheer beschreibt in seinen Ausführungen archäologische Untersuchungen, die im Jahr 1928 in diesem Bereich erfolgt sind. Diese, von einem Dr. Rüggeberg betreuten Ausgrabungen, lieferten offenbar jedoch noch Anzeichen viel älterer Siedlungen, die offenbar bis in die Steinzeit zurück datieren. 

Tatsächlich weisen im Jahr 1991 in einem flachen Dünenrand gemachte Funde bei Klein Hehlen auf einen mesolithischen Ursprung hin (Mittelsteinzeitliche Fundplätze im Landkreis Celle, K. Breest, S. 44, FStNr. 5). Es konnten hier ein Schlagstein, drei Keramikscherben, sieben Kernsteine sowie beschlagene Klingen sichergestellt werden.

Im Bereich des Kaninchengarten in Klein Hehlen ist zumindest ein Grabhügel überliefert  worden (Müller, Vor- und frühgeschichtliche Alterthümer der Provinz Hannover, Hannover 1893). Ob hier bereits Ausgrabungen stattfanden ist bislang nicht geklärt. 


Bereits historische Karten aus dem 18. Jahrhundert, wie insbesondere die Kurhannoversche Landesaufnahme von 1781 belegen, dass vor Ort natürliche Sanddünen vorzufinden sind. Eine Datierung dieser Sandablagerungen ist nicht einfach, wie bereits im Rahmen der Untersuchungen zum alten Dorf Hambühren gezeigt werden konnte. 

Bild: Sanddüne im Bereich des Klein Hehlener Bachs. Quelle: H. Altmann. 

Erwiesener Maßen stellten die Sanddünen im Bereich des einstigen Allerurstromtals regelmäßig einen natürlichen Schutz für die Ansiedlung - aber auch als Begräbnisstätten dar. Das Abtragen von Dünen brachte - insbesondere im Rahmen der Verkoppelung im 19. Jahrhundert - eine Vielzahl von frühzeitlichen Fundplätzen zutage. 

Es liegt daher nahe, dass auch das Dünengelände in Klein Hehlen einen Fundplatz für stein- und / oder bronzezeitliche Funde darstellen könnte. Zumal in den Bereichen ringsherum entsprechende Funde gemacht wurden, erscheint dies wahrscheinlich. 

Sollte es tatsächlich zu den geplanten Bauarbeiten kommen, müssten zahlreiche Bäume gefällt werden. Bei den anstehenden Baumfällarbeiten würden sicherlich auch erhebliche Bodeneinwirkungen entstehen. 

Bild: Eichenbestand heute. Quelle: H. Altmann. 

Neben den Baumfällarbeiten stünden im Falle von möglichen Baumaßnahmen auch umfassende Erdarbeiten an. Es wäre davon auszugehen, dass die derzeitige natürliche Tektonik in Form bestehender Sanddünen in weiten Bereichen komplett abgetragen werden müsste. 

Bild: Geländetektonik heute. Quelle: H. Altmann. 

Bislang sind vor Ort scheinbar nur stichprobenhafte Prospektionen vor längerer Zeit erfolgt. Da es sich jedoch um eines der letzten natürlichen Dünengebiete in den Stadtgrenzen Celles handelt, wäre es gut, dieses umfassend zu untersuchen. 

Die voranschreitende Bebauung kann sicherlich nicht aufgehalten werden. Allerdings wäre wünschenswert die möglicherweise vorhandenen Bodendenkmäler entsprechend zu untersuchen und potentielle Funde sicherzustellen. 

Bild: Gelände in Klein Hehlen. Quelle: H. Altmann.

Sinn und Zweck der Heimatforschung ist es, regionalhistorische Zusammenhänge zu erkunden. Durch Zufall stieß ich im Rahmen der Untersuchungen zu Hambühren auf Hinweise die mit Klein Hehlen zusammenhängen. Inwiefern es tatsächlich einen archäologisch nachweisbaren alten Ort gab, ließ sich bisher nicht abschließend klären. Zu jener Zeit in der die bisherigen Ausgrabungen stattfanden, wurden diese Angelegenheiten völlig anders als heute dokumentiert. 

Es wäre also durchaus möglich, dass im Rahmen von Baumaßnahmen spannende neue Erkenntnisse ans Tageslicht kommen... 

H. Altmann



1 Kommentar:

  1. Hallo, bin vor 67 Jahren 100 Meter entfernt von dem Gelände im heutigen Eichengrund geboren und habe folgende Erinnerungen:
    Der erwähnte Bunker dürfte (schon von der Form her) kein Lager- bzw. Munitionsbunker gewesen sein, denn er hatte oben in der Decke eine große quadratische Öffnung und auch der Eingang war nicht besonders gesichert. Wir Kinder haben auch nie Munition oder ähnliches im oder neben dem Bachbett gefunden. Wir haben dort auch nie englische Soldaten gesichtet. Ich denke auch, daß der Schießstand nur vom ortsansässigen Schützenverein genutzt wurde, da er offiziell auf der Karte von 1942 auftaucht. Auf der Düne selbst befand sich bis Ende der 60er ein altes bewohntes Holzhaus. Im Übrigen befand sich ungefähr bis Ende der 60er im Dreieck Zugbrückenstraße/Kaninchengarten ein Lagerplatz von Farben und Lösungsmitteln der Fa. Hostmann Steinberg... Wo man heute eine große Betonfläche direkt am Bach sieht, befand sich ebenfalls ein kleines altes Haus (Schützen-Aufenthaltsraum?).
    Erinnern kann ich mich auch noch an eine Dünenlandschaft an der Ecke Ackerstraße/Vorkampstraße, gut im Winter für Schlittenfahrten.
    Heimatliche Grüße ...Hans

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