Einige gute Gründe warum wir diesem Tag Beachtung schenken sollten...
In Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945 ist dieser Tag seit 1996 ein gesetzlich verankerter Gedenktag. Der Bundestagspräsident Norbert Lammert führte in seiner Gedenkrede vor dem Bundestag am 27. Januar 2008 aus, dass es sich um einen Gedenktag für alle Opfer des Nationalsozialismus handelt.
Die Opfer des nationalsozialistischen Regimes sind nicht mit "Opfern des Holocaust" gleichzusetzen. Über die systematische Vernichtung in den Konzentrationslagern hinausgehend, konnte im NS-Staat jeder Opfer werden. Deutsche. Ausländer. Gläubige. Ungläubige. Klein. Groß. Völlig egal.
Eigentlich sollte die Erinnerung für uns Menschen so selbstverständlich wie das Atmen sein. Die aktuellen Entwicklungen zeigen jedoch, dass es erforderlich ist, sich der Notwendigkeit des Gedenkens bewusst zu werden.
Geschichte beginnt vor der Haustür...
In Celle und Umgebung gab es zwischen 1933 und 1945 Lager für Zwangsarbeiter, Fremdarbeiterlager, Konzentrationslager, Außenlager, Männerlager, Frauenlager. Lager für so ziemlich jeden, der im Dritten Reich auf seine bloße Arbeitskraft reduziert wurde. Diese Lager waren nicht "irgendwo im Osten". Die Lager waren nicht nur Auschwitz. Nicht nur Buchenwald. Nicht nur Neuengamme. Die Lager waren hier - unmittelbar vor unseren Haustüren.
Die Zahl der Leute, denen heute alleine im Landkreis Celle gedacht werden sollte, geht in die Zehntausende.
Alleine in der Lufthauptmunitionsanstalt Hambühren-Övengönne waren zwischen 1940 bis 1945 rund 1.477 Ausländer zur zwangsmäßigen Arbeit verpflichtet. Im Lager Hambühren "Waldeslust" waren zeitweise ca. 400 polnische und deutsche Jüdinnen untergebracht und zur Zwangsarbeit verpflichtet. Sie waren im KZ Auschwitz zum Arbeitseinsatz selektiert, nach Bergen-Belsen und schließlich nach Hambühren gebracht worden.
Bild / Quelle: CZ v. 15.04.1985.
Neben den großen Rüstungsbetrieben, waren seinerzeit in fast jedem großen Unternehmen im Raum Celle in irgendeiner Form Zwangsarbeiter beschäftigt. Auf fast jedem Hof in jedem Dorf waren Kriegsgefangene zum Arbeitseinsatz verpflichtet.
In seinem Werk "Zwangsarbeit in der Lüneburger Heide" stellt Nils Köhler bereits eingangs heraus, dass der Begriff der "Zwangsarbeit" sehr facettenreich ist und der näheren Untersuchung bedarf. Den Ausführungen Köhlers ist zuzustimmen - daher verweise ich hierzu auf sein Buch.
"Zwangsarbeit" konnte im Dritten Reich jeden - auch jeden Deutschen - treffen. Durch die sogenannte "Kräftebedarfsverordnung" vom 23.06.1938 war es dem Staat grundsätzlich möglich, jeden zum verpflichtenden Arbeitseinsatz einzuberufen. Wenn wir heute also den Opfern des Nationalsozialismus gedenken, dann sollten wir auch bedenken welche Umstände dieses Geschehen möglich machten - Umstände, die sich auf keinen Fall wiederholen dürfen!
Jeder Celler kennt die Geschehnisse des 8. April 1945. Die "Celler Hasenjagd" ist wohl eins der dunkelsten Kapitel der Stadtgeschichte und wurde bereits in zahlreichen Ausarbeitungen aufgearbeitet. Weniger bekannt sind die Ereignisse, die sich unmittelbar vorher abspielten. So erreichten mehrere sogenannte "Totenmärsche" den Raum Celle, z.B. in Winsen, Groß Hehlen und per Bahn auch bei Wienhausen.
Bild: Luftangriff am 08.04.1945. Quelle: Luftbild USAAF, Sammlung H. Altmann.
Im Rahmen von Recherchen um die Auffindung von Massengräbern bei Wienhausen stieß ich auf Aussagen, die darauf deuten, dass es noch weitere Gräber gegeben hat, die bis heute nicht aufgefunden werden konnten. Ähnlich verhält es sich mit den Toten auf den Fußmärschen nach Bergen-Belsen und mit den am 8. April 1945 Ermordeten, die möglicherweise bis heute nicht gefunden wurden.
Bild / Quelle: CZ v. 06.04.1985.
Bis heute sind also längst nicht alle Zusammenhänge des Dritten Reiches aufgeklärt. Über diese Zusammenhänge ließen sich noch etliche Bücher schreiben - und sie werden sicher geschrieben.
Heute wird der Opfer der Nationalsozialismus gedacht. Das ist sinnvoll. Denn (Ge-)Denken kann man nicht genug.
p.S.:
Hinsichtlich der aktuellen Vorstöße einschlägiger politischer Parteien, in Bezug auf eine geforderte 180° Wende in der Erinnerungskultur, möchte ich folgendes Zitat anfügen:
"Was sagt Ihnen dieses Buch, was es uns nicht sagt?" - "Es sagt mir, dass im Stechschritt marschierende Idioten wie Sie, die Bücher lieber lesen sollten, anstatt sie zu verbrennen!"
(Sean Connery, Indiana Jones "Der letzte Kreuzzug").
H. Altmann
Bild: Inschrift der Gedenktafel am Bahnübergang zwischen Wienhausen und Sandlingen. Quelle: H. Altmann.
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