
Im Rahmen der Auswertung von Laserscanaufnahmen im Bereich der heutigen Gemeinde Südheide konnte eine erhebliche Anzahl flacher, rundlicher Hügelstrukturen identifiziert werden. Bodenproben und die Auswertung historischer Quellen legen nahe, dass es sich hierbei um ehemalige Köhlerplätze handelt. Die Auswertung der vorhandenen Informationen gewährt einen Einblick in einen Wirtschaftszweig, der in den zurückliegenden 200 Jahren stark in Vergessenheit geraten ist.
Die Landschaft der Südheide hat sich in den zurückliegenden 200 Jahren erheblich gewandelt. Historische Kartenwerke, wie beispielsweise das im Jahr 1838 erschienene Hermannsburger Kartenblatt des „Topografischen Atlas des Königreis Hannover und Herzogtums Braunschweig von August Papen“[1] zeigen die Gegend zwischen Hermannsburg, Eschede und Hösseringen noch als größtenteils offene Heidelandschaft. Geprägt war diese durch weitläufige Heideflächen, die lediglich vereinzelt durch die – zumeist herrschaftlichen – Holtzungen unterbrochen wurden. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann, insbesondere als Folge der Flurreform im Zuge der Real- und Spezialteilung, die intensive Aufforstung der Heide. Der Celler Studienrat und Kommissar für Naturdenkmalpflege, Dr. Hermann Rüggeberg, konstatierte hierzu[2]:
„(...) Seit etwa 1860 geht die Fläche der Heide jährlich um Tausende von Morgen zurück. Nicht lange mehr wird es dauern und auch wir in unserer Südheide müssen mühsam suchen, wenn wir noch ein Stückchen davon finden wollen, das uns nur eine schwache Vorstellung von früheren Weiten gibt. (...) Das Reich der braunen Heide, von der Aller bis zur Elbe, einst nur unterbrochen von laubholzumsäumten Bächen, den grünen Flächen der Hofeichen in den Dörfern und einigen urwüchsigen Waldbeständen wie dem Lüßwalde, der Göhrde und der Raubkammer, wird jetzt immer mehr zu einer zusammenhängenden Kiefernforst, deren Schönheit zu entdecken späteren Generationen vorbehalten bleiben mag. (...)“

Mit seiner Einschätzung lag Rüggeberg scheinbar nicht ganz falsch, denn die in der Südheide noch vorhandenen Heideflächen dürften ihre Existenz vorrangig dem Umstand verdanken, dass sie mittlerweile größtenteils unter Naturschutz stehen. Das äußere Erscheinungsbild ist jedoch nur ein Teilaspekt der gänzlich veränderten wirtschaftlichen Nutzungsweise der Landschaft. Aus der extensiven Weidehaltung auf den Flächen der allgemein verfügbaren Allmende entwickelte sich die zunehmende forstwirtschaftliche Nutzung. Hiermit einhergehend verschwanden auch einige gut erkennbare Spuren älterer Zeiten, bzw. wurden durch Bewuchs und Humusauftrag verdeckt. Aus heutiger Sicht ist es eine Herausforderung, die noch vorhandenen Spuren aufzuspüren und zu interpretieren.
Eine fortschrittliche Technologie, um in der Weite der heutigen Kiefernwälder der Südheide historische Spuren der einstigen Kulturlandschaft zu entdecken, ist die Auswertung sogenannter Lidar-Aufnahmen. Die Abkürzung steht für „Light imaging, detection and ranging“ – kurz gesagt eine Methode, um Abstand und Geschwindigkeit zu messen. Das Verfahren ist vielseitig einsetzbar. In der modernen Archäologie dient es dazu, Bodenunebenheiten zu bildlich darzustellen. Mittels feiner Laserabtastung können auch in Waldgebieten die Höhenverhältnisse des Bodens dargestellt werden.
Störender Bewuchs durch Bäume und Sträucher wird ausgeblendet. Dies ist insbesondere in den Wäldern der Südheide von Vorteil, da hier, neben dem Waldbestand, auch ein dichter Bodenbewuchs durch Heidelbeeren vorhanden ist. Dieser gleicht natürliche sowie menschengemachte Unebenheiten nahezu vollständig aus. Erst die Auswertung von Lidar-Aufnahmen liefert in solchen Gegenden nähere Erkenntnisse über die tatsächliche Bodenbeschaffenheit.

Bild: Auswertung von LIDAR-Scans im Bereich des Lüßwaldes. Deutlich erkennbar sind die markierten, rundlichen Bodenstrukturen..
Im Rahmen der systematischen Auswertung der Lidar-Scans konnte eine Reihe auffälliger Bodenstrukturen in den Wäldern der Gemeinde Südheide ausfindig gemacht werden. Es handelt sich um kreisrunde abgeflachte Hügel. Diese weisen jeweils einen Durchmesser von etwa drei bis vier Meter und eine Höhe von bis zu rund 50 Zentimeter auf. Mit dem bloßen Auge wären diese unscheinbaren Relikte kaum auszumachen. Hinzu kommt, dass die flachen Hügel abseits von Wegen mitten im Wald liegen.
Aufzufinden sind sie meistens in Gruppen mehrerer gleichartiger Hügel. Derartige Gruppierungen sind nördlich von Queloh, Starkshorn sowie südlich von Schafstall und südlich wie auch östlich von Unterlüß anzutreffen. Rund 70 dieser Hügel konnten im Bereich der genannten Orte im Gelände nachgewiesen werden. Weitere befinden sich im Wald südlich von Rebberlah sowie im Waldgebiet der Sprache zwischen Lachtehausen und Lachendorf. Es stellt sich die Frage, was es mit diesen Bodenstrukturen auf sich haben könnte.

Bild: rundliche Bodenstruktur im Gelände. Quelle: H. Altmann, 2025.

Bild: rundliche Bodenstruktur im Gelände. Quelle: H. Altmann, 2025.

Bild: rundliche Bodenstruktur im Gelände. Quelle: H. Altmann, 2025.

Bild: rundliche Bodenstruktur im Gelände. Quelle: H. Altmann, 2025.
Im Rahmen von Ortsbegehungen und hierbei durchgeführten Probegrabungen zeigten sich im Bereich der Hügel jeweils Reste von Holzkohle in unterschiedlichen Erhaltungszuständen. In direkter Umgebung der Hügel wurde dagegen keine Holzkohle im Boden aufgefunden.
Ein Zusammenhang mit Waldbränden kann somit ausgeschlossen werden. Es ist nachgewiesen, dass der Holzkohleauftrag lediglich im unmittelbaren Bereich der Hügel vorliegt. Es kam daher die Vermutung auf, dass ein Zusammenhang zu ehemaligen Köhlerstätten bzw. Kohlenmeilern bestehen könnte.

Bild: Probegrabung an einem Verdachtspunkt. Quelle: H. Altmann, 2025.

Bild: Holzkohlereste aus der Probegrabung. Quelle: H. Altmann, 2025.

Bild: Holzkohlereste aus der Probegrabung. Quelle: H. Altmann, 2025.
Bekanntermaßen stellt die Köhlerei ein Verfahren zur Gewinnung von Holzkohle dar, bei dem mitunter Scheitholz, aber auch minderwertige Holzsorten, wie Stuckenholz – zumeist aufgeschichtet – mit Erde überhäuft wird und dann unter nahezu vollständigem Luftabschluss verkohlt. Die Meiler brennen tagelang und unter ständiger Beaufsichtigung des Kohlmeisters bzw. des Köhlers. Das Endprodukt – die Holzkohle – weist einen entscheidenden Vorteil auf gegenüber dem Rohholz auf: das geringere Gewicht. In Zeiten, in denen der Großteil der Fracht mit Pferd und Wagen transportiert werden musste, war es deutlich wirtschaftlicher, einen Karren Holzkohle, statt einem Karren Rohholz zu transportieren.
Hinzu kam, dass früher in der breiten Bevölkerung ein erheblicher Brennholzverbrauch pro Kopf bestand. Auch der Betrieb von Hochöfen erfolgte bis ins 19. Jahrhundert meistens mit Holzkohle, bis sich schließlich die Umstellung auf den Einsatz von Steinkohle durchsetzte.[3] Damit bestand jedenfalls in der Zeit der aufkommenden Industrialisierung ein erheblicher Bedarf an Holzkohle.
Die Köhlerei reihte sich in ein forstwirtschaftliches System, das im Ergebnis zu einer erheblich gründlicheren Holznutzung führte, als dies heutzutage der Fall ist.[4] Erst nachdem Werk- und Bauholz aus dem Waldbestand herausgeschlagen waren, verwerteten Holz- und Kohlenbrenner die Reste – unter anderem die ansonsten wertlosen Stucken.
Obgleich ein Zusammenhang der im Gelände nachgewiesenen Holzkohlehügel mit ehemaligen Kohlenmeilern naheliegend erscheint, reichen diese Indizien noch nicht für eine abschließende Bestätigung aus. Wie eingangs dargelegt, hat sich das Landschaftsbild der Südheide im Zeitablauf stark gewandelt. Bei vielen der heutigen Waldflächen handelte es sich vor rund 200 Jahren um Heideflächen. Es darf insoweit als recht unwahrscheinlich angenommen werden, dass Kohlenmeiler auf offenen Heideflächen angelegt wurden, zu denen man das schwere Holz zunächst umständlich hätte transportieren müssen.

Bild: Lage der Köhlerplätze zwischen Starkshorn, Siedenholz und Unterlüß, markiert in der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1778 bzw. 1777, Kartenblätter Hermannsburg und Holdenstedt.
Die genaue Lokalisierung und Einmessung der Köhlerplätze ermöglicht einen Abgleich mit den kulturhistorischen Landschaftsverhältnissen anhand von historischen Kartenwerken. Diese lassen sich anhand aktueller Geodaten mittels Satellitenbildern georeferenzieren, so dass die Informationen aus den historischen Karten mit den eingemessenen Standorten der Köhlerplätze abgleichen werden können. Hierfür wurden insbesondere die Kartenwerke der Kurhannoverschen Landesaufnahme aus dem Jahr 1777[5] sowie der Topografische Atlas des Königreichs Hannover und Herzogtums Braunschweig von August Papen aus dem Jahr 1838[6] herangezogen.
Im direkten Abgleich zeigt sich, dass die Köhlerplätze insbesondere im Bereich der ehemals königlichen Holzungen des Hassel sowie des Lüß konzentriert waren. Die Holzkohlehügel befanden sich demzufolge nicht auf offenen Heideflächen, sondern im Bereich ehemals dichter Wälder. Gleichwohl ist festzustellen, dass sich das Erscheinungsbild dieser Bereich heutzutage kaum von der Bewaldung der umliegenden Kiefernforsten unterscheidet.

Bild: Lage der Köhlerplätze zwischen Starkshorn, Siedenholz und Unterlüß, markiert in Google Earth.
Es stellt sich die Frage, ob für den Bereich der Südheide quellenmäßige Überlieferungen für die Köhlerei existieren. In einem Beitrag über das Forstwesen in der Lüneburger Heide hielt der Regierungs- und Forstrat Berthold diesbezüglich fest:[7]
„Die Köhlerei, andernorts ehemals von Poesie umwoben, hat in der Heide niemals große Ausdehnung gehabt.“
Fest steht, dass der Regierungs- und Forstrat Berthold (1876 – 1963) die Blütezeit der Köhlerei in seinen eigenen Zuständigkeitsbereichen selber nicht erlebt haben dürfte. Diese zählte zwar schwerpunktmäßig zu den Nebenbetrieben der Forstverwaltung[8] - ihr Hauptfeld lag allerdings im Bereich des Harzes. Der Darstellung über die forstwirtschaftlichen Verhältnisse des Königreichs Hannover von Burckhardt ist zu entnehmen, dass im Durchschnitt der vier Rechnungsjahre 1859 bis 1864 in den dortigen Kohlenmeilern insgesamt 45.182 Normalklafter (= ca. 112.855 Kubikmeter Holz) Kohlholz, d.h. Scheit- Knüppel-, Stöcker- und Stuckenholz, verkohlt wurden.[9] In den Lüneburger Landen wurden im gleichen Zeitraum lediglich 6.000 Normalklafter (= ca. 15.000 Kubikmeter Holz) Holz verkohlt.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Aussage Bertholds durchaus zutreffend – die Köhlerei erreichte in der Heide längst nicht dieselbe Bedeutung, die sie in Regionen wie insbesondere dem Harz innehatte. Dennoch belegen die Darstellungen Burckhardts, dass die Köhlerei auch in der hiesigen Gegend präsent gewesen ist.

Bild: bei Forstarbeiten zerstörter Kohlemeiler nördlich von Queloh. Quelle: H. Altmann, 2025.

Bild: bei Forstarbeiten zerstörter Kohlemeiler nördlich von Queloh. Quelle: H. Altmann, 2025.

Bild: Holzkohlereste aus dem Kohlemeiler nördlich von Queloh. Quelle: H. Altmann, 2025.
Nicht abschließend geklärt bleibt bis auf Weiteres, in welcher Zeit die Anfänge der Köhlerei im Raum Celle zu suchen sind. Diesbezüglich legen einige Quellen nahe, dass bereits vor den oben genannten Angaben Burckhardts Köhlereistellen in der Celler Gegend unterhalten worden sind. So zeigt der „Grundriss von dem herrschaftlichen privaten Forsten, Die Sprache, der Finkenherdt und das Neue Gehege genannt, welche in der Königlichen und Churfürstlichen Burgvogtei Celle belegen“, aufgenommen durch E. J. Laenge im Jahr 1780, einen Platz im nördlichen Teil der Sprache, der als „vormalige Kohlstellen“ bezeichnet wurde.

Bild: Alte Köhlerstellen in der Sprache bei Lachtehausen/Celle. Quelle: Grundriss von denen Herrschaftlichen privativen Forsten Die Sprache, der Finkenherd und das Neue Gehaege genannt, welche in der Königlichen und Churfürstlichen Burgvoigtei Celle belegen, Zeichner: E. J. Laenge, NLA HA Kartensammlung Nr. 32 c Lachtehausen 1 k, CC-BY-NC-SA-Lizenz.
Bei Ortsbegehungen konnten dieselben rundlichen Bodenstrukturen angetroffen werden, wie sie im Bereich der Südheide zu finden sind. Bodenproben ergaben auch für diese Stellen in der Sprache eindeutige Befunde von Holzkohleresten. Es darf damit als gesichert betrachtet werden, dass es sich tatsächlich um ehemalige Köhlerplätze handelt. Die Bezeichnung „vormalige Kohlstellen“ in der historischen Karte legt allerdings nahe, dass diese Köhlerplätze im Jahr 1780 bereits aufgegeben worden waren. Immerhin zeigt dieser Fund, dass im Raum Celle bereits vor 1780, also noch rund 80 Jahre bevor Burckhardt dies für das Königreich Hannover bestätigt, Köhlerei betrieben wurde.

Bild: Holzkohlereste aus einem Kohlemeiler in der Sprache. Quelle: H. Altmann, 2025.
Bislang liegen zu den Köhlerplätzen lediglich fragmentierte Quellenfunde vor, die allerdings einen interessanten Einblick in die historischen Zusammenhänge geben. Erstmalig ist die Einrichtung eines Köhlereibetriebs in einem Bericht des Oberforstamtes Celle an die Königliche Domänenkammer aus dem Jahr 1848 erwähnt.[10] Die Domänenkammer war als Behörde im Kurfürstentum bzw. im Königreich Hannover für die Finanzverwaltung sowie die fiskalische Verwaltung des staatseigenen Grundbesitzes zuständig. Sie hatte ihren Sitz im Leineschloss in Hannover.
Im Schreiben vom 20. Juli 1848 berichtete das Celler Oberforstamt, dass in den Forsten der Hermannsburger Amtsverwaltung geringwertiges Holz und Erdstucken vorhanden seien, die keinen Absatz fänden. Daher zeigte man sich erfreut, als sich im Sommer des Jahres 1848 ein Harzer Köhler bereiterklärte 120 Malter[11] dieses minderwertigen Holzes zu verarbeiten.
Nachdem der Köhler jedoch die ersten 80 Malter verkohlt und diese nach Ilsenburg abgefahren hatte, hat er sich nicht mehr sehen lassen.[12] Seine Arbeiter ließ er unbezahlt zurück. Neben dem Holz hatte er offenbar auch die Forstverwaltung gehörig verkohlt. Diese war um Schadensbegrenzung bemüht und überließ den Arbeitern das verbliebene Holz, damit sie es verarbeiten und so ihren gerechten Lohn erhalten konnten. Aus dem leichtfertig gewährten Vertrauensvorschuss gegenüber dem betrügerischen Köhler wollte man offenbar entsprechende Lehren ziehen – das Schreiben der Forstverwaltung schloss mit folgenden Worten:
„Künftig wird übrigens keinem Köhler das Wegschaffen von Kohlen gestattet werden dürfen, ehe er nicht das empfangene Holz bezahlt hat. (...)“
Obwohl diese Erfahrungen der Forstverwaltung mit dem betrügerischen Köhler unerfreulich geendet hatten, wurden Bestrebungen unternommen, die anfallenden Erdstucken einem neuen Köhlereibetrieb zuzuführen. Das Totholz steigerte den Bestand schädlicher Insekten und behinderte den Forstbetrieb. Die Forstverwaltung sah daher in der Köhlerei eine Maßnahme den Wald nachhaltig und gesund bewirtschaften zu können.
Mit Schreiben vom 16. August 1848 eröffnete die Domänenkammer gegenüber dem Celler Oberforstamt, dass die Verwertung der minderwertigen Holzbestände durch einen Köhlereibetreib neu überdacht werden müsse.[13] Bislang sei die Verarbeitung insbesondere aufgrund der Abgelegenheit der Forstreviere unrentabel gewesen – nun ergäben sich durch die Errichtung der Eisenbahnstrecke neue Absatzmöglichkeiten. Gemeint war hiermit die Bahnstrecke zwischen Harburg und Lehrte, die am 1. Mai 1847 in Betrieb genommen wurde. Vor diesem Hintergrund bat die Domänenkammer um Mitteilung, welche Holzmengen aus den Forstbereichen Hankensbüttel, Eschede und Dannhorst im Durchschnitt dem angestrebten Köhlereibetrieb zugeführt werden könnten.[14]
Konkret strebte man die Einrichtung eines Köhlereibetriebs an, der die minderwertigen Holzbestände vor Ort verkohlte und per Eisenbahn zu den Hüttenwerken im Harz verfrachtete. Aufgrund der Möglichkeit des Bahntransports erhoffte man sich Wettbewerbsvorteile gegenüber den Harzer Köhlereibetrieben, deren Einzugsgebiete regelmäßig schwerer zugänglich waren als die Forsten im norddeutschen Flachland.
Bereits am 23. August 1848 erreichte der Bericht über „disponsibles Holzmaterial zum Köhlerei-Betriebe“ der Forstinspektion Eschede das Celler Oberforstamt.[15] Für einen solchen Betrieb seien alleine die Bereiche der herrschaftlichen Sprache und in den Siedenholzer-, Queloher- und Mieler Forstbehängen geeignet, so die örtliche Forstinspektion. Weiter gab sie an, dass im Neustädter Holze die Stucken von den armen Einwohnern der Celler Vorstädte gerodet würden und alles weitere Kiefernholz dort nicht zur Verkohlung geeignet sei.[16]
Im Garßener Holze sowie im Scheuener Bruch stünden die eingeleiteten Teilungen einer entsprechenden Holzverwertung entgegen.[17] Gemeint waren hiermit die Flurbereinigungsmaßnahmen im Zuge der Real- und Spezialteilung, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Raum Celle durchgeführt worden sind. Auch im Bereich der Weyhäuser sowie der Unterlüßer Forstbehänge stünden diese Zusammenhänge einer Verwendung der Holzbestände für einen Köhlereibetrieb entgegen, so die Forstinspektion. Die dortigen Restbestände könnten erst nach Befriedigung der Interessenten der Real- und Spezialteilungen verwendet werden.
Im Bereich der Helmerkämper Forst würden jährlich nur kleinere Flächen abgeholzt und die Nadelholzbestände befänden sich auf tiefgründigem Boden, so die Forstinspektion. Gegen die Einrichtung eines dortigen Köhlereibetriebes wurden außerdem die hohen Transportkosten bis zur Eisenbahn angeführt.
Insgesamt schätzte die Escheder Forstinspektion, dass aus der Sprache rund 520 Klafter Erdstucken und aus den Siedenholzer sowie Queloher Behängen etwa 600 Klafter Erdstucken jährlich für den Köhlereibetrieb bereitgestellt werden könnten. Hinzu kämen für die Jahre 1848 und 1850 zusätzliche 250 Klafter aus dem Mieler Forstbezirk. In Aussicht gestellt wurden außerdem rund 800 Klafter aus den Unterlüßer und Kohlenbacher Forstbehängen, die jedoch erst nach Abschluss der Flurbereinigungsmaßnahmen verfügbar seien. Sofort stünden dem Köhlereibetrieb aus dem Bereich der Escheder Forstinspektion damit 1.250 Klafter Erdstucken und kleinere Bestände minderwertigen Holzes zur Verfügung. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass sich die verfügbaren Holzbestände in einer Entfernung von höchstens 1,5 Stunden zur Eisenbahnstrecke befänden.[18]
Entsprechende Berichte lieferten am 25. August 1848 auch die Forstinspektionen Dannhorst[19] und am 30. August 1848 ebenfalls die Forstinspektion Hankensbüttel[20]. Die Details der darin enthaltenen Aufstellungen über die verfügbaren Holzmengen sollen an dieser Stelle nicht eingehend dargestellt werden. Während die Dannhorster Forstinspektion gehorsamst vermeldete, dass über mehrere Jahre hinweg auch noch aus älteren Abholzungsplätzen Erdstucken gewonnen werden könnten und darüber hinaus „taugliche Kohlplätze oder Meilerstellen überall zu finden“ seien, regten sich im Bereich der Hankensbüttler Forstinspektion mitunter Bedenken gegen die Einrichtung eines Köhlereibetriebs vor Ort. Zwar wurde eine jährliche Menge an Erdstucken von rund 600 Klafter in Aussicht gestellt.[21]
Im Schreiben an das Celler Oberforstamt bemerkte die Forstinspektion, dass die Distanz zwischen den Köhlerplätzen und dem Verladepunkt an der Bahnstrecke bei Eschede mit mindestens vier Meilen sehr weit entfernt sei. Außerdem wäre die Anlage eines Kohlenschuppens erforderlich, der aus Effizienzgründen im Bereich von Wahrenholz oder Betzhorn anzulegen wäre. Allerdings müssten für ein solches Kohlenmagazin zusätzliche Forstbedienstete angestellt werden, da man mit dem Widerstand der örtlichen Bevölkerung gerechnet wurde. Es sei zu befürchten, dass in dortiger Gegend sich Leute finden werden, die mit der Einrichtung eines Köhlereibetriebs für den Harz unzufrieden sind und die eventuell sogar Brandstiftungen unternehmen könnten, so die Hankensbüttler Forstinspektion.[22] Obgleich diese Darstellung aus heutiger Sicht etwas befremdlich wirkt, reichte sie das Celler Oberforstamt mit Schreiben vom 2. September 1848 an die Domänenkammer weiter. Die Einrichtung eines Köhlereibetriebs in der Forstinspektion Hankensbüttel wurde damit verworfen.
Mit Schreiben vom 16. September 1848 wandte sich die Domänenkammer in der Angelegenheit schließlich an das Königliche Berg- und Forstamt in Claustal.[23] Das Augenmerk sei darauf gerichtet, die „weniger gesuchten Holzsortimente ertragbar zu machen und (dies) durch eine Verwandlung des Holzes in bessere Kohle“ zu erreichen.[24] Im Folgenden wies die Domänenkammer darauf hin, dass die hergestellte Holzkohle per Eisenbahn zu den Harzer Hüttenwerken angeliefert werden könnte. Synergien entstünden bei dieser Vorgehensweise dadurch, dass mit der Eisenbahnverwaltung eine günstige Vereinbarung getroffen werden könnte, um die Steinwagen, die von Herzberg nach Hamburg-Harburg gelaufen waren, auf dem Rückweg für den Transport der Holzkohle zu verwenden. Auch machte die Domänenkammer darauf aufmerksam, dass das Holz zur Verkohlung in den Harzer Forsten vereinzelter und somit mühsamer zu gewinnen sei. Insgesamt wurde angestrebt, dass die eingesetzten Köhler im Raum Celle auf eigenes Risiko und eigene Kosten sowie unter Aufsicht der Forstbeamten tätig werden sollten. Empfohlen wurde für ein derartiges Projekt einen Versuch im Bereich der Forstinspektion Eschede zu unternehmen.
Das Berg- und Forstamt Claustal zeigte sich durchaus interessiert an dem Vorschlag. Gleichwohl enthielt das Erwiderungsschreiben vom 30. September 1848 einige Rückfragen zu den voraussichtlich anfallenden Kosten.[25] Die hergestellte Kohle war nach Darstellung des Berg- und Forstamtes Claustal lediglich in den „Unterharzischen Hütten“ – vorwiegend in der Okerhütte – wirtschaftlich einsetzbar.[26] Die Bleihütte Oker diente im 19. Jahrhundert der Buntmetallgewinnung. Um offene Fragen zu der Qualität und Lagerung der hergestellten Kohle zu erhalten, stellte das Berg- und Forstamt Claustal in Aussicht zunächst eigene Beamte in den Bereich der Forstinspektion Eschede entsenden zu wollen. Hierauf reagierte die Domänenkammer mit Schreiben vom 12. Oktober 1848 und machte darin entsprechende Angaben zu den nachhaltig lieferbaren Mengen sowie der hierauf entfallenden Abgabepreise.[27] Darüber hinaus verwies die Domänenkammer darauf, dass der Forstmeister Thielemann aus Eschede für die Rückfragen der Beamten des Berg- und Forstamtes Claustal zur Verfügung stünde.[28]
Insoweit enden die bislang recherchierten Aufzeichnungen über die Bestrebungen in der hiesigen Gegend einen Köhlereibetrieb zu etablieren. Inwiefern diese im Ergebnis erfolgreich waren, lässt sich somit nicht mehr abschließend beurteilen. Allerdings legen die, im Gelände der ehemaligen Forstinspektion Eschede nachgewiesenen, Überreste ehemaliger Kohlenmeiler nahe, dass das seinerzeitige Vorhaben tatsächlich umgesetzt worden ist. Eventuell wurde der Köhlereibetrieb nicht darüber hinausgehend ausgedehnt, da die hergestellte Holzkohle nach und nach durch effizientere Energieträger verdrängt wurde.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die hiesigen Köhlerplätze quellenmäßig bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert nachweisbar sind. Ob die Köhlerei schon vorher in größerem Umfang betrieben worden ist, bleibt fraglich. Ihre Blüte fiel sehr wahrscheinlich in die Mitte des 19. Jahrhunderts und somit in das Zeitalter der aufstrebenden Industrialisierung. Die historischen Zusammenhänge belegen die erheblichen Wechselwirkungen, die sich insbesondere aus der veränderten Landschaftsnutzung nach der Real- und Spezialteilung ergaben. Zudem belegt die Thematik, welchen maßgeblichen Einfluss die Errichtung der Eisenbahn damals auf die Ansiedlung neuer Wirtschaftsbetriebe entfaltete.
Vielen Dank an Marlies, die sehr bei der Übersetzung alter Schriften unterstützt hat.
H. Altmann
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[1] Blatt 32, Hermannsburg, Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz – Kartenabteilung, Sign. Kart. N 25 675 – 32.
[2] Rüggeberg, in: Der Speicher, Helmke/Hohls, Celle 1930, S. 231 – 247, S. 231.
[3] Kremser, Niedersächsische Forstgeschichte, Rotenburg (Wümme), S. 136.
[4] Kremser, Niedersächsische Forstgeschichte, Rotenburg (Wümme), S. 139.
[5] Blatt 97 Eschede und Blatt 91 Hermannsburg.
[6] Blatt 32 Hermannsburg.
[7] Berthold, Forstwesen, in: Benecke, Lüneburger Heimatbuch, Bd. 1, Harburg, 1914, S. 441.
[8] Burckhardt, Die forstwirtschaftlichen Verhältnisse des Königreichs Hannover, Hannover 1864, S. 112.
[9] Ebd., S. 112.
[10] Schreiben des Oberforstamtes v. 20.07.1848; NLA Hann. 76a Nr. 860.
[11] Malter = Volumenmaß. Ein Malter = ca. 1,5 cbm Holz.
[12] Schreiben des Oberforstamtes v. 20.07.1848; NLA Hann. 76a Nr. 860.
[13] Schreiben Domänenkammer v. 16.08.1848; NLA Hann. 76a Nr. 860.
[14] Ebd.
[15] Schreiben Forstinspektion Eschede v. 23.08.1848; NLA Hann. 76a Nr. 860.
[16] Ebd.
[17] Ebd.
[18] Ebd.
[19] Schreiben Forstinspektion Dannhorst v. 25.08.1848; NLA Hann. 76a Nr. 860.
[20] Schreiben Forstinspektion Hankensbüttel v. 30.08.1848; NLA Hann. 76a Nr. 860.
[21] Ebd.
[22] Ebd.
[23] Schreiben Domänenkammer v. 16.09.1848; NLA Hann. 76a Nr. 860.
[24] Ebd.
[25] Schreiben Berg- und Forstamt Claustal v. 30.09.1848; NLA Hann. 76a Nr. 860.
[26] Ebd.
[27] Schreiben Domänenkammer v. 12.10.1848; NLA Hann. 76a Nr. 860.
[28] Ebd.